Ach ja: Chine Miévilles nächster Roman (Frühjahr 2011) Embassytown wird aller Wahrscheinlichkeit nach so aussehen.
Scheint einiges mehr an klassischer SF zu enthalten, als man das von China bislang gewöhnt ist: Embassytown spielt auf einem fremden Planeten mit menschlichen Kolonisator_innen und einer einheimischen Spezies. Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass der Haupthandlungsort ein Bauernhof ist...
Dienstag, 28. Dezember 2010
Samstag, 25. Dezember 2010
Das transsylvanische Gewässer wünscht allen Leserinnen und Lesern fröhliche Weihnachten und ein gutes neues Jahr!
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Weder gedruckt noch gebunden
Montag, 6. Dezember 2010
Heike Korfhage: Der Fremde
Wanja stand plötzlich direkt vor dem Diener, packte ihn am Kragen seines Gewandes und hob ihn mühelos hoch. Es war nicht zu erkennen gewesen, wie er von seinem Schlafplatz dorthin gekommen war. Den dazwischen liegenden Raum schien er nicht durchquert zu haben [...] er schleuderte den Diener zu Boden [...] Wanja stapfte hoch erhobenen Hauptes davon, während er sich sein Schwert wieder auf den Rücken band.Für mich Karl-May-Nerd ist es doch herzerwärmend, wenn ich einen Fantasy-Roman aufschlage und der Held sich gleich auf den ersten Seiten ganz im Stil eines Kara Ben Nemsi vorstellt. Wollte ich den ersten Band von Heike Korfhages canis lupus niger in einem Satz beschreiben, dann folgendermaßen: Es handelt sich um einen klassischen Abenteuerroman in der Tradition des 19. Jahrhunderts, der in einer Fantasy-Welt spielt.
Die Sekundärwelt von canis lupus niger ist dabei durchaus eine generische. Die Handlung des ersten Bandes spielt sich nahezu ausschließlich im – an das europäische Mittelalter angelehnten – Mittländischen Reich ab. Westlich davon gibt es ein Land, in dem die Pferdezucht als höchste Kunst gilt. Weit im Osten liegt Rajastan mit seinen märchenhaften Reichtümern, und hoch droben leben die Nordmänner in ihren Langhäusern. So viel sei an dieser Stelle nur gesagt, um einen groben Eindruck zu vermitteln, denn das eigentlich Interessante liegt im Detail.
Korfhages Held heißt Wanja Bajarin. Er stammt aus dem Nomadenvolk der Amudaren, welches östlich des Mittländischen Reiches lebt. Ihre Namen haben einen slawischen Klang, sie können hervorragend reiten und verfügen über ausgefeilte Kampfkünste, die sich in jedem Kung-Fu-Film sehen lassen könnten. So weit, so bekannt. Die Beschreibung scheint bis zu dieser Stelle den Eindruck zu vermitteln, als handele es sich um den neuesten Aufguss eines ausgetretenen Fantasy-Motivs: kampfwütiger, naturverbundener Barbar aus dem Osten gelangt in eine pseudo-mittelalterliche (oder gern auch pseudo-antike) Kultur und mischt diese kräftig auf. Man erzähle mir nicht, dass dieses beliebte Schema aus den heutigen epischen Fantasies, mit all ihren Grautönen und ihrer Komplexität, völlig verschwunden sei. Mit George R.R. Martins Khal Drogo und R. Scott Bakkers Cnaiür wurde es sogar eher wieder aufgewärmt.
Korfhage stellt dieses Klischee – welches mit tiefsitzenden kulturalistischen Vorstellungen darüber, was typisch »westlich« und »östlich« ist, korrespondiert – allerdings geschickt auf den Kopf: Ihre Amudaren leben in einem hochentwickelten, egalitär geprägten Gemeinwesen. Ihr Protagonist Wanja ist geradezu eine wandelnde Enzyklopädie, hochintelligent und jeder Situation gewachsen. Nach einem Zerwürfnis mit seinem Vater durchwandert er auf der Suche nach Bildung und Abenteuern die Welt und weiß höchstens eins nicht, nämlich was er mit seiner Zukunft anfangen soll. So ziemlich das Gegenteil zum archetypisch tumben Barbaren also, und auch nicht gerade der »edle Wilde«, wie er im Buch steht. Im Gegenteil, Wanja durchquert auf dem Weg zu den Pferdezüchtern des Westens das Mittländische Reich, in welchem der hochgebildete »Fremde« bestaunt wird wie ein Alien. In dem pseudo-mittelalterlichen Land liegt einiges im Argen: Die Barone schinden ihre Leibeigenen, die Dörfer sind vom Krieg verwüstet, überall grassiert die Korruption, Frauen sind rechtlos und werden aus dynastischen oder wirtschaftlichen Erwägungen verheiratet.
Auf seiner Reise wird Wanja in den Versuch des mittländischen Königs Karl, einen aufständischen Lehnsmann zu bezwingen, verwickelt und berät ihn, wie die Kampfhandlungen möglichst schnell zu beenden sind. In den sich anschließenden Wirren wird Valeria, eine junge Adelige, von fliegenden Ungeheuern entführt. Wanja nimmt ohne zu Zögern die Verfolgung auf und begibt sich in die lange und abenteuerliche Unternehmung, Valeria zu befreien und in ihre Heimat zurückzubringen. Natürlich verliebt er sich dabei, nur um sogleich von seiner Vergangenheit, in der es einige Finsternisse gibt, eingeholt zu werden.
So viel zur Haupthandlung, über die zwecks Spoilervermeidung nicht zu viel gesagt werden soll. Sie dient auch eher als eine Art übergreifender Hintergrundplot, an dem wie Perlen auf einer Schnur zahlreiche kleinere Episoden aufgereiht sind, in denen Wanja sich ein ums andere Mal in teilweise recht alltäglichen Angelegenheiten als Held beweisen muss. Korfhage schildert diese Episoden mit beträchtlicher Liebe zum Detail, so dass ich gerne in den Roman eingetaucht bin und mitgefiebert habe. (Überhaupt war es ganz angenehm, nebenbei gemerkt, mal eine Fantasy zu lesen, in der nicht gleich die ganze Welt zu retten ist.) Es ist vor allem diese Erzählweise, die Haupthandlung als Anlass und Hintergrund für allerhand Abenteuer zu nutzen – die eigentlich nur barocke Ausschmückung sind, andererseits aber auch den Reiz des Buches beträchtlich verstärken –, die mich eingangs zu dem Vergleich mit der oft ganz ähnlich angelegten klassischen Abenteuerliteratur angeregt hat.
Für mich ist Der Fremde zugleich das gekonnte Auf-den-Kopf-Stellen eines nervigen Fantasy-Klischees und eine nette Erinnerung an Leseerlebnisse von Karl May bis C.S. Forester. Klar dürfte aber auch sein, dass Der Fremde ein Roman ist, der einem Haufen Erwartungen, die aktuell vielleicht gängiger sind als meine, genau nicht entspricht. Korfhages Romandebüt konterkariert vieles, was in der Fantasy derzeit angesagt ist. So sind z.B. breit aufgefächerte Handlungsverläufe mit einer Vielzahl von Viewpoint-Charakteren heute die Regel, wohingehen Korfhage in jedem Moment ihren Protagonisten Wanja in den Mittelpunkt stellt. Gut und Böse sind klar unterschieden. Magie, ja reine Fantasy-Elemente überhaupt, setzt die Autorin sehr sparsam ein. Mir gefällt das, aber ob es derzeit gängigen Fan-Interessen entspricht? Korfhages Vorgehen stellt die in Deutschland sehr eifersüchtig überwachte Grenzziehung zwischen historischem Mittelalterroman und Fantasy in Frage, und viele Leser_innen wissen es nicht unbedingt zu goutieren, wenn ihre Erwartungen an ein Genre nicht erfüllt werden.
In jedem Fall hat die Autorin sichtlich Spaß daran, so zu erzählen, wie sie es in Der Fremde tut. Darin liegt ihre Stärke, und ich hoffe sehr, dass sie gerade mit ihrer Eigenständigkeit viele begeisterte Leser_innen findet. Schwächen des Romans sehe ich persönlich eher darin, dass Wanja Bajarin dazu neigt, im Verlauf der Handlung ein zu starker Held zu werden, der in jeder Gefahr souverän bleibt. Seine Schwächen sind eher die Personen um ihn herum – sei es, dass er sie missversteht; sei es, dass sie durch ihn in Gefahr geraten. In der Tat liegt ein auffälliger Kontrast zwischen Wanjas Geschicklichkeit und Intelligenz einerseits und seiner Naivität in Bezug auf die Entscheidungen und Motive der weiteren Charaktere andererseits, der manchmal die Glaubwürdigkeit der Geschichte zu gefährden droht. Insgesamt ist Der Fremde jedoch ein Debütroman, zu dem der Autorin zu gratulieren ist.
Obwohl Der Fremde mehr oder weniger in sich abgeschlossen ist, bleibt der Haupthandlungsfaden offen. Was hinter dem Rätsel von Valerias Entführung steht, deutet sich zwar an, ist aber am Ende noch nicht aufgelöst. Die Autorin schreibt gerade am zweiten Band von canis lupus niger, auf den ich mich sehr freue.
Der Fremde von Heike Korfhage (521 Seiten) ist 2009 im Noel-Verlag erschienen.
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Rezensionen
Montag, 29. November 2010
Vanitatum vanitas
Literaturbetrieb ist Eitelkeit. Um sich davon zu überzeugen, muss man nicht erst Fritz J. Raddatzens kürzlich publizierte Tagebücher lesen, in denen er in unnachahmlich eitler Manier die Eitelkeit der Literati bloßlegt. Nein, es reicht völlig, einen Blick in die Literaturbeilage einer beliebigen Zeitung zu werfen. Da kann man dann zum Beispiel lesen, wie gerührt Michel Houellebecq darüber ist, dass ihm der Prix Goncourt verliehen wurde. So gerührt nämlich, dass er, der sich bislang gar nicht genug echauffieren konnte, wie sehr er in der Heimat doch gehasst, verfolgt und missverstanden wird, plötzlich seine Liebe für’s Vaterland entdeckt: Er habe sich geirrt, er möge Frankreich doch und spiele mit dem Gedanken der Remigration.*
Dabei hatte Houellebecq noch vor wenigen Jahren, in einem gemeinsam mit dem Philosophendarsteller Bernard-Henri Lévy veröffentlichten (und unweigerlich von Matthias Matussek mit Lob beschleimten) Debattenbuch, laut und pathetisch über Selbstmord nachgedacht. Damit dürfte es erstmal vorbei sein. Anlässlich der Preisverleihung rutscht – wenn man der Berichterstattung Glauben schenken darf – der gesamte französische Literaturbetrieb vor Houellebecq auf den Knien und vergeht sich sogar so weit, ihn mit Balzac und Zola in eine Reihe zu stellen.
Oder hofft Houellebecq insgeheim etwa, durch eine Rückkehr nach Frankreich seiner eitlen Existenz doch noch ein frühzeitiges Ende setzen zu können? Etwa, indem er wie Jean-Baptiste Grenouille von der entfesselten Masse seiner Bewunderer einfach aufgefressen wird? Immerhin hat Houellebecq den Goncourt für einen Roman erhalten, in dem sein Alter ego blutrünstig ermordet wird. Aber nein, das wäre untypisch. Deutscherseits inszeniert Thilo Sarrazin sich auf ganz ähnliche Weise als verfolgte Unschuld (und auch er wird mit einer bildungsklassizistisch triefenden Aura umgeben), macht aber realiter ebensowenig Anstalten, von der Bildfläche zu verschwinden, wie der Kollege aus Frankreich.
Außerdem ist Houellebecq, wie man weiß, ein Sympathisant des Raelismus. Die Anhänger_innen dieser Lehre suchen bekanntlich nach dem Rezept für die irdische Unsterblichkeit. Ein durchaus bedrohliches Szenario, wenn man mich fragt: Zu hoffen bleibt, dass die Raelist_innen den Stein der Weisen erst nach Houellebecqs physischem Ableben finden. Und die Hoffnung stirbt, zumindest der Theorie nach, bekanntlich immer zuletzt.
* Houellebecq lebt, von der Kritik an seinem 1988er Roman Elementarteilchen zutiefst getroffen, in Irland und auf Lanzarote im Wahl-Exil.
Dabei hatte Houellebecq noch vor wenigen Jahren, in einem gemeinsam mit dem Philosophendarsteller Bernard-Henri Lévy veröffentlichten (und unweigerlich von Matthias Matussek mit Lob beschleimten) Debattenbuch, laut und pathetisch über Selbstmord nachgedacht. Damit dürfte es erstmal vorbei sein. Anlässlich der Preisverleihung rutscht – wenn man der Berichterstattung Glauben schenken darf – der gesamte französische Literaturbetrieb vor Houellebecq auf den Knien und vergeht sich sogar so weit, ihn mit Balzac und Zola in eine Reihe zu stellen.
Oder hofft Houellebecq insgeheim etwa, durch eine Rückkehr nach Frankreich seiner eitlen Existenz doch noch ein frühzeitiges Ende setzen zu können? Etwa, indem er wie Jean-Baptiste Grenouille von der entfesselten Masse seiner Bewunderer einfach aufgefressen wird? Immerhin hat Houellebecq den Goncourt für einen Roman erhalten, in dem sein Alter ego blutrünstig ermordet wird. Aber nein, das wäre untypisch. Deutscherseits inszeniert Thilo Sarrazin sich auf ganz ähnliche Weise als verfolgte Unschuld (und auch er wird mit einer bildungsklassizistisch triefenden Aura umgeben), macht aber realiter ebensowenig Anstalten, von der Bildfläche zu verschwinden, wie der Kollege aus Frankreich.
Außerdem ist Houellebecq, wie man weiß, ein Sympathisant des Raelismus. Die Anhänger_innen dieser Lehre suchen bekanntlich nach dem Rezept für die irdische Unsterblichkeit. Ein durchaus bedrohliches Szenario, wenn man mich fragt: Zu hoffen bleibt, dass die Raelist_innen den Stein der Weisen erst nach Houellebecqs physischem Ableben finden. Und die Hoffnung stirbt, zumindest der Theorie nach, bekanntlich immer zuletzt.
* Houellebecq lebt, von der Kritik an seinem 1988er Roman Elementarteilchen zutiefst getroffen, in Irland und auf Lanzarote im Wahl-Exil.
Samstag, 27. November 2010
Premio Cervantes für Ana María Matute!
Die katalanische Schriftstellerin Ana María Matute ist mit dem Cervantespreis, dem wichtigsten Literaturpreis der spanischsprachigen Welt, ausgezeichnet worden. Die großen deutschen Zeitungen scheinen darüber verblüfftes Stillschweigen bewahren zu wollen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...
... denn Matutes zuletzt ins Deutsche übersetztes Buch ist die epische Fantasy Olvidado Rey Gudú, in den zwei Bänden Der vergessene König Gudú und Das Erbe des Königs Gudú bei Piper erschienen. Als der Piper-Verlag vor einigen Jahren begann, unter Leitung von Friedel Wahren sein Fantasy-Programm aufzubauen, stand dieses zunächst in der Nachfolge des entsprechenden Programms bei Weitbrecht/Thienemann, welches einen Schwerpunkt in märchenhafter Fantasy hatte und Autoren wie Hans Bemmann, Michael Ende und Otfried Preußler publizierte. Dieser Traditionsbezug eröffnete ungeahnte Möglichkeiten bei Piper, denn plötzlich erschienen dort Raritäten und Kostbarkeiten wie Hope Mirrlees, Barry Hughart und eben Ana María Matute, teils sogar in schön ausgestatteten Hardcover-Bänden. Leider war diese experimentierfreudige Phase nicht von langer Dauer, denn es begann der große Wettlauf der einschlägigen Verlage, in möglichst großer Anzahl Völkerromane auf den Markt zu werfen.
Olvidado Rey Gudú hatte im Erscheinungsjahr 2003 eine enorm euphorisierende Wirkung auf mich, weil der Roman mich schlagartig überzeugte, dass es lesenswerte epische Fantasy nach Tolkien gibt, und ich gar nicht mehr aufhören konnte, Matute zu bejubeln und zu loben. Entsprechend freue ich mich jetzt über die Preisvergabe. Die Autorin selbst, die oftmals als Grande Dame der katalanischen Literatur bezeichnet wird* und auf ein umfangreiches Werk zurückblicken kann, nennt den Gudú ihr wichtigstes Werk und sieht in ihm das Buch, dass sie schon vor Beginn ihrer literarischen Karriere schreiben wollte. In der Tat handelt es sich um eine Geschichte von mitreißender erzählerischer Kraft und einer mythopoetischen Intensität, wie man sie selten findet. Um so schöner, dass es den Gudú gibt, dass er übersetzt wurde und sein Zauber somit nicht auf die spanischsprachige Welt beschränkt blieb.
* Eine Bezeichnung, die nicht missverstanden werden sollte: Matute schreibt in kastilischer Sprache.
... denn Matutes zuletzt ins Deutsche übersetztes Buch ist die epische Fantasy Olvidado Rey Gudú, in den zwei Bänden Der vergessene König Gudú und Das Erbe des Königs Gudú bei Piper erschienen. Als der Piper-Verlag vor einigen Jahren begann, unter Leitung von Friedel Wahren sein Fantasy-Programm aufzubauen, stand dieses zunächst in der Nachfolge des entsprechenden Programms bei Weitbrecht/Thienemann, welches einen Schwerpunkt in märchenhafter Fantasy hatte und Autoren wie Hans Bemmann, Michael Ende und Otfried Preußler publizierte. Dieser Traditionsbezug eröffnete ungeahnte Möglichkeiten bei Piper, denn plötzlich erschienen dort Raritäten und Kostbarkeiten wie Hope Mirrlees, Barry Hughart und eben Ana María Matute, teils sogar in schön ausgestatteten Hardcover-Bänden. Leider war diese experimentierfreudige Phase nicht von langer Dauer, denn es begann der große Wettlauf der einschlägigen Verlage, in möglichst großer Anzahl Völkerromane auf den Markt zu werfen.
Olvidado Rey Gudú hatte im Erscheinungsjahr 2003 eine enorm euphorisierende Wirkung auf mich, weil der Roman mich schlagartig überzeugte, dass es lesenswerte epische Fantasy nach Tolkien gibt, und ich gar nicht mehr aufhören konnte, Matute zu bejubeln und zu loben. Entsprechend freue ich mich jetzt über die Preisvergabe. Die Autorin selbst, die oftmals als Grande Dame der katalanischen Literatur bezeichnet wird* und auf ein umfangreiches Werk zurückblicken kann, nennt den Gudú ihr wichtigstes Werk und sieht in ihm das Buch, dass sie schon vor Beginn ihrer literarischen Karriere schreiben wollte. In der Tat handelt es sich um eine Geschichte von mitreißender erzählerischer Kraft und einer mythopoetischen Intensität, wie man sie selten findet. Um so schöner, dass es den Gudú gibt, dass er übersetzt wurde und sein Zauber somit nicht auf die spanischsprachige Welt beschränkt blieb.
* Eine Bezeichnung, die nicht missverstanden werden sollte: Matute schreibt in kastilischer Sprache.
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Empfehlungen
Dienstag, 23. November 2010
Sommerland
Michael Chabon ist ein Autor mit einem Zielgruppenproblem. Seit seinem hysterisch-realistischen Opus magnum The Amazing Adventures of Kavalier & Clay hat er, der sich zuvor in die minimalistisch-karge Prosatradition des 20. Jahrhunderts einordnete, eine YA-Fantasy, ein Sherlock-Holmes-Pastiche, einen Alternativweltroman (der prompt den Locus, den Hugo und den Nebula abräumte) und eine Michael Moorcock gewidmete Abenteuergeschichte veröffentlicht. Man muss sich das mal so richtig vor Augen halten: Chabon ist ein Pulitzer-Preisträger, der mit beachtenswerter Konsequenz – und in durchaus provokanter Haltung – auf dem Weg ist, ein Genre-Autor zu werden. Mit der Essay-Sammlung Maps & Legends, in der er stolz seine Vorliebe für Comics, Fantasy, Mythologie und viktorianische Gespenstergeschichten zelebriert – aber auch melancholisch über den Außenseiterstatus reflektiert, den ein solcher Weg und ein solches Bekenntnis mit sich bringen –, hat er auch gleich das passend-trotzige Manifest dazu geliefert. Putzig ist, dass die Kritik sich über diesen ostentativen Gestus mit dem Argument beklagt, Chabon habe doch für einen Roman über Superheldencomics den Pulitzer bekommen; er habe also kein Recht, sich als Underdog zu sehen. Aber ist es wirklich so, dass Chabons Genre-Switching keinenn Einfluss auf den Status eines Autors hat? David Anthony Durhams Feststellung etwa, seit er sich mit Pride of Carthage und Acacia der spekulativen Literatur zugewandt habe, ignoriere ihn das New York Times Book Review völlig, spricht in dieser Hinsicht Bände.
Aber kommen wir zu Sommerland, dem Buch, das hier rezensiert werden soll; die erste reine Fantasy, die Chabon veröffentlicht hat. Protagonist ist Ethan Feld, ein melancholischer Elfjähriger mit einem baseballvernarrten Vater und einer früh verstorbenen Mutter. Ethan selbst hat nicht viel Lust auf Baseball und spielt eigentlich nur seinem Vater zuliebe, der den Tod seiner Frau nur schwer verwindet. Viel lieber zieht Ethan sich an einsame Orte zuück, wo er sich »in seiner Einsamkeit beinahe glücklich« fühlen kann. Ethans Freundin, Jennifer T. Rideout, stammt aus einer indigenen Familie, muss sich jedoch damit herumschlagen, dass die indigene Präsenz auf der kleinen Insel vor der Küste von Washington, wo der Roman seinen Ausgangspunkt nimmt, schlicht geleugnet wird. Außerdem hat sie ein gespanntes Verhältnis zu ihrem Vater. Der Dritte im Bunde ist Thor Wignutt, ein Junge, der selbst nicht so recht weiß, was mit ihm los ist, und darum die für ihn einleuchtende Erklärung gefunden hat, dass er ein Cyborg sei.
Die drei Außenseiter-Kinder werden nun – wie könnte es anders sein – von Chiron Brown, einer Art kosmischem Baseball-Talentscout, rekrutiert, um in den mythischen Sommerlanden den Kojoten, den archetypischen Trickster der nordamerikanischen Mythologie, in einem großen Ragnarök-Baseballspiel zu besiegen. Der Kojote ist nämlich drauf und dran, die Welt inklusive der Sommerlande zu vernichten, um daraufhin in einem Akt prometheischer Selbstschöpfung das All rein aus seinem Geiste neu zu schaffen: das Universum als Ego-Trip.
So weit, so gewöhnlich. Der Spaß, den man mit Sommerland haben kann, liegt aber woanders. Ähnlich wie Neil Gaiman greift er zahlreiche Mythen und Sagengestalten auf – nicht um sie zu systematisieren (das tun viele Fantasy-Autor_innen, und meist ist es ziemlich langweilig), sondern um sie in ihrer faszinierenden Eigentümlichkeit aufblitzen zu lassen, durcheinanderzuwürfeln und an jeder Ecke lauern zu lassen. Chabons Hauptquellen sind die skandinavische und die nordamerikanische Mythologie, aber es kommen auch ganz andere Gestalten vor, wie beispielsweise das zentralamerikanische Gespenst La Llorona, dessen Geschichte ich in Guatemala (in zwei verschiedenen, gleichermaßen wahren, aber perspektivisch völlig unterschiedlichen Fassungen) kennengelernt und jetzt also unverhoffterweise in einem Chabon-Roman wiedergetroffen habe. Das alles ist ziemlich faszinierend, und, wenn man sich (so wie ich) mit nordamerikanischer Folklore nicht auskennt, nicht zuletzt auch verwirrend. Die englischsprachige Wikipedia gibt einige hilfreiche Informationen zu Chabons diesbezüglichen Quellen. Man kann sich also nach dem Lesen lustvoll dem Spaß des Mehrdarüberwissenwollens hingeben.
Die Stärke des Romans liegt in der Glaubensfestigkeit, die er vermittelt, in der Einsicht, wie wunderbar es ist, spinnen zu dürfen. Kleine Gegenstände neigen einfach dazu, in irgendwelche Ritzen zu fallen und zu verschwinden? Blödsinn! Fehlende Socken, abgerissene Knöpfe, Kleingeld aus der Hosentasche werden in Wirklichkeit von Ferischern gestohlen, kleinen, wett- und sammelgierigen Wesen, die die erbeuteten Schätze in ihren Elfenhügeln horten. Bigfoot ist nur ein Typ in einem Affenkostüm? Das kann sich ja einbilden, wer will, ich jedenfalls glaube fest daran, dass auf dem verwackelten Film aus dem Jahre 1967 tatsächlich der Sasquatch aus den Wäldern zu sehen ist. Oder kann man sich eine platt-rationalistischere Erklärung für die riesigen Saugnapf-Narben auf den Rücken von Pottwalen vorstellen als die Behauptung, die Wale würden in ihrer Jugend von relativ kleinen Tintenfischen angegriffen und die Narben dann im Laufe ihres langen Tiefseelebens mitwachsen? Wie schön und schrecklich ist dagegen die Vorstellung dreißig Meter langer Riesenkalmare, die gegen die Wale gewaltige unterseeische Schlachten schlagen! Eine suspension of disbelief im Wortsinne ist das wohl nicht, sondern einfach der Wunsch, bei der allgegenwärtig anfälligen Interpretation der Wirklichkeit auch wirklichen Spaß zu haben ...
Die Queste-Handlung von Sommerland dümpelt dagegen oft genug vor sich hin. Sie besteht darin, dass Ethan, Jennifer T. und Thor, verstärkt durch eine Reihe von Fabelwesen, auf ihrem Weg durch die Sommerlande ein Baseballspiel nach dem anderen bestehen müssen, bis sie endlich dem Kojoten und seinen blutrünstigen Heerscharen entgegentreten können, und bildet eigentlich nur den Anlass, ein Mythologem nach dem anderen einzuführen, sie geschickt zueinander in Beziehung zu setzen (was sonst ist Mythologie?) und in ihrer Schönheit und Gefährlichkeit glänzen zu lassen. Das gibt Chabon auch unumwunden zu, wenn er einen seiner Charaktere sagen lässt, dass ein Baseballspiel eigentlich nur dafür gut sei, Aufmerksamkeit auf die Kadenz eines langen Sommernachmittags zu lenken. Das beschreibt perfekt die Funktion des Plots in diesem Buch.
Stilistisch hat mich Sommerland nicht so hin- und weggerissen, wie Chabon das normalerweise tut – was wahrscheinlich daran liegt, dass ich zum ersten Mal ein Buch von ihm in deutscher Übersetzung gelesen habe. Es muss eine harte Nuss sein, Chabons komplexe Prosa in eine andere Sprache zu übertragen. Mit den Originalen ist man bei Chabon vorläufig wohl besser bedient. In Sommerland bedient er sich mit einiger Begeisterung der typischen Stilmittel klassischer Fantasies und Abenteuergeschichten für Kinder (Hauptinspiration für den Roman ist wohl Susan Coopers The Dark Is Rising), wie z.B. die direkte Ansprache der Leser_innen. Durch gewisse inhaltliche Akzentpunkte, die Chabon setzt, reflektiert er jedoch auch die Ausblendungen und Augenwischereien, die Kinder- und Jugendliteratur häufig unerträglich machen. Chabons Charaktere jedenfalls müssen pinkeln, werden im Laufe ihrer Queste immer ungewaschener, nehmen ihre eigenen Körper und die der anderen war. Mädchen, die gerettet werden müssen, sind weit und breit nicht zu entdecken. Und Gewalt ist ... eher ziemlich fies und keine ambivalenzfreie Problemlösung. Eindrücklichstes Beispiel: Der Kojote will mit seiner Armee von Werwölfen eine befestigte Stadt von Riesen auf seine Seite ziehen. Dies erreicht er, indem er in eiskaltem Verrat die Riesen ein splatteriges Schlachtfest unter ihrer Lieblingsbeute, den arglosen Werwölfen, anrichten lässt. Eine Szene, die mich als Kind ganz schön beunruhigt hätte.
Fazit: Nach der gewaltigen Metafiktion von Kavalier & Clay ein Buch, dass für den Autor sichtlich ein Wagnis und die Erfüllung eines Traums darstellte. Andere Romane Chabons mögen bedeutender sein, dafür ist dieses hier grundsympathisch. Man merkt dem Autor an, dass er beim Schreiben gelegentlich unsicher war, wie er mit seiner sprühenden Fantasie umgehen sollte. Ein klein wenig Systematisierung braucht eine rundum gelungene Fantasy halt doch, damit die Leser_innen sich darin zurechtfinden können. Ist das gegeben, braucht man auch nicht mehr auf allzu abgegriffene Queste-Handlungen zurückzugreifen. Chabon beabsichtigt, zwei Sequels zu Sommerland zu schreiben – wie könnte es anders sein – und wird somit Gelegenheit haben, seine durch den Auftaktband sicherlich geschärften Skills als Fantasy-Autor unter Beweis zu stellen.
Sommerland von Michael Chabon ist 2002 bei Hanser und 2005 als Taschenbuch (478 Seiten) bei BvT erschienen. Die Übersetzung besorgte Reiner Pfleiderer. Für Ahnungslose wie mich ist hinten im Buch eine kurze Beschreibung der Baseball-Regeln und ein Glossar abgedruckt. Ich bin mir aber immer noch nicht sicher, ob ich’s kapiert habe.
Aber kommen wir zu Sommerland, dem Buch, das hier rezensiert werden soll; die erste reine Fantasy, die Chabon veröffentlicht hat. Protagonist ist Ethan Feld, ein melancholischer Elfjähriger mit einem baseballvernarrten Vater und einer früh verstorbenen Mutter. Ethan selbst hat nicht viel Lust auf Baseball und spielt eigentlich nur seinem Vater zuliebe, der den Tod seiner Frau nur schwer verwindet. Viel lieber zieht Ethan sich an einsame Orte zuück, wo er sich »in seiner Einsamkeit beinahe glücklich« fühlen kann. Ethans Freundin, Jennifer T. Rideout, stammt aus einer indigenen Familie, muss sich jedoch damit herumschlagen, dass die indigene Präsenz auf der kleinen Insel vor der Küste von Washington, wo der Roman seinen Ausgangspunkt nimmt, schlicht geleugnet wird. Außerdem hat sie ein gespanntes Verhältnis zu ihrem Vater. Der Dritte im Bunde ist Thor Wignutt, ein Junge, der selbst nicht so recht weiß, was mit ihm los ist, und darum die für ihn einleuchtende Erklärung gefunden hat, dass er ein Cyborg sei.
Die drei Außenseiter-Kinder werden nun – wie könnte es anders sein – von Chiron Brown, einer Art kosmischem Baseball-Talentscout, rekrutiert, um in den mythischen Sommerlanden den Kojoten, den archetypischen Trickster der nordamerikanischen Mythologie, in einem großen Ragnarök-Baseballspiel zu besiegen. Der Kojote ist nämlich drauf und dran, die Welt inklusive der Sommerlande zu vernichten, um daraufhin in einem Akt prometheischer Selbstschöpfung das All rein aus seinem Geiste neu zu schaffen: das Universum als Ego-Trip.
So weit, so gewöhnlich. Der Spaß, den man mit Sommerland haben kann, liegt aber woanders. Ähnlich wie Neil Gaiman greift er zahlreiche Mythen und Sagengestalten auf – nicht um sie zu systematisieren (das tun viele Fantasy-Autor_innen, und meist ist es ziemlich langweilig), sondern um sie in ihrer faszinierenden Eigentümlichkeit aufblitzen zu lassen, durcheinanderzuwürfeln und an jeder Ecke lauern zu lassen. Chabons Hauptquellen sind die skandinavische und die nordamerikanische Mythologie, aber es kommen auch ganz andere Gestalten vor, wie beispielsweise das zentralamerikanische Gespenst La Llorona, dessen Geschichte ich in Guatemala (in zwei verschiedenen, gleichermaßen wahren, aber perspektivisch völlig unterschiedlichen Fassungen) kennengelernt und jetzt also unverhoffterweise in einem Chabon-Roman wiedergetroffen habe. Das alles ist ziemlich faszinierend, und, wenn man sich (so wie ich) mit nordamerikanischer Folklore nicht auskennt, nicht zuletzt auch verwirrend. Die englischsprachige Wikipedia gibt einige hilfreiche Informationen zu Chabons diesbezüglichen Quellen. Man kann sich also nach dem Lesen lustvoll dem Spaß des Mehrdarüberwissenwollens hingeben.
Die Stärke des Romans liegt in der Glaubensfestigkeit, die er vermittelt, in der Einsicht, wie wunderbar es ist, spinnen zu dürfen. Kleine Gegenstände neigen einfach dazu, in irgendwelche Ritzen zu fallen und zu verschwinden? Blödsinn! Fehlende Socken, abgerissene Knöpfe, Kleingeld aus der Hosentasche werden in Wirklichkeit von Ferischern gestohlen, kleinen, wett- und sammelgierigen Wesen, die die erbeuteten Schätze in ihren Elfenhügeln horten. Bigfoot ist nur ein Typ in einem Affenkostüm? Das kann sich ja einbilden, wer will, ich jedenfalls glaube fest daran, dass auf dem verwackelten Film aus dem Jahre 1967 tatsächlich der Sasquatch aus den Wäldern zu sehen ist. Oder kann man sich eine platt-rationalistischere Erklärung für die riesigen Saugnapf-Narben auf den Rücken von Pottwalen vorstellen als die Behauptung, die Wale würden in ihrer Jugend von relativ kleinen Tintenfischen angegriffen und die Narben dann im Laufe ihres langen Tiefseelebens mitwachsen? Wie schön und schrecklich ist dagegen die Vorstellung dreißig Meter langer Riesenkalmare, die gegen die Wale gewaltige unterseeische Schlachten schlagen! Eine suspension of disbelief im Wortsinne ist das wohl nicht, sondern einfach der Wunsch, bei der allgegenwärtig anfälligen Interpretation der Wirklichkeit auch wirklichen Spaß zu haben ...
Die Queste-Handlung von Sommerland dümpelt dagegen oft genug vor sich hin. Sie besteht darin, dass Ethan, Jennifer T. und Thor, verstärkt durch eine Reihe von Fabelwesen, auf ihrem Weg durch die Sommerlande ein Baseballspiel nach dem anderen bestehen müssen, bis sie endlich dem Kojoten und seinen blutrünstigen Heerscharen entgegentreten können, und bildet eigentlich nur den Anlass, ein Mythologem nach dem anderen einzuführen, sie geschickt zueinander in Beziehung zu setzen (was sonst ist Mythologie?) und in ihrer Schönheit und Gefährlichkeit glänzen zu lassen. Das gibt Chabon auch unumwunden zu, wenn er einen seiner Charaktere sagen lässt, dass ein Baseballspiel eigentlich nur dafür gut sei, Aufmerksamkeit auf die Kadenz eines langen Sommernachmittags zu lenken. Das beschreibt perfekt die Funktion des Plots in diesem Buch.
Stilistisch hat mich Sommerland nicht so hin- und weggerissen, wie Chabon das normalerweise tut – was wahrscheinlich daran liegt, dass ich zum ersten Mal ein Buch von ihm in deutscher Übersetzung gelesen habe. Es muss eine harte Nuss sein, Chabons komplexe Prosa in eine andere Sprache zu übertragen. Mit den Originalen ist man bei Chabon vorläufig wohl besser bedient. In Sommerland bedient er sich mit einiger Begeisterung der typischen Stilmittel klassischer Fantasies und Abenteuergeschichten für Kinder (Hauptinspiration für den Roman ist wohl Susan Coopers The Dark Is Rising), wie z.B. die direkte Ansprache der Leser_innen. Durch gewisse inhaltliche Akzentpunkte, die Chabon setzt, reflektiert er jedoch auch die Ausblendungen und Augenwischereien, die Kinder- und Jugendliteratur häufig unerträglich machen. Chabons Charaktere jedenfalls müssen pinkeln, werden im Laufe ihrer Queste immer ungewaschener, nehmen ihre eigenen Körper und die der anderen war. Mädchen, die gerettet werden müssen, sind weit und breit nicht zu entdecken. Und Gewalt ist ... eher ziemlich fies und keine ambivalenzfreie Problemlösung. Eindrücklichstes Beispiel: Der Kojote will mit seiner Armee von Werwölfen eine befestigte Stadt von Riesen auf seine Seite ziehen. Dies erreicht er, indem er in eiskaltem Verrat die Riesen ein splatteriges Schlachtfest unter ihrer Lieblingsbeute, den arglosen Werwölfen, anrichten lässt. Eine Szene, die mich als Kind ganz schön beunruhigt hätte.
Fazit: Nach der gewaltigen Metafiktion von Kavalier & Clay ein Buch, dass für den Autor sichtlich ein Wagnis und die Erfüllung eines Traums darstellte. Andere Romane Chabons mögen bedeutender sein, dafür ist dieses hier grundsympathisch. Man merkt dem Autor an, dass er beim Schreiben gelegentlich unsicher war, wie er mit seiner sprühenden Fantasie umgehen sollte. Ein klein wenig Systematisierung braucht eine rundum gelungene Fantasy halt doch, damit die Leser_innen sich darin zurechtfinden können. Ist das gegeben, braucht man auch nicht mehr auf allzu abgegriffene Queste-Handlungen zurückzugreifen. Chabon beabsichtigt, zwei Sequels zu Sommerland zu schreiben – wie könnte es anders sein – und wird somit Gelegenheit haben, seine durch den Auftaktband sicherlich geschärften Skills als Fantasy-Autor unter Beweis zu stellen.
Sommerland von Michael Chabon ist 2002 bei Hanser und 2005 als Taschenbuch (478 Seiten) bei BvT erschienen. Die Übersetzung besorgte Reiner Pfleiderer. Für Ahnungslose wie mich ist hinten im Buch eine kurze Beschreibung der Baseball-Regeln und ein Glossar abgedruckt. Ich bin mir aber immer noch nicht sicher, ob ich’s kapiert habe.
Samstag, 20. November 2010
Politische Intelligenz und Ecos Pendel
Trigger-Warnung: Ein Zitat enthält einen ausgeschriebenen rassistischen Ausdruck.
In seinem zweiten Roman Das Foucaultsche Pendel stellt Umberto Eco eine Typologie der menschlichen Intelligenz auf: Ecos Romanfigur Jacopo Belbo zufolge gibt es den Idioten, den Dämlichen, den Dummen und den Irren.* In der Empirie treten diese Typen natürlich fast nie in Reinform auf, normal ist vielmehr eine Mischung aus den verschiedenen Typen, die je nach Einzelfall unterschiedlich ausfallen kann. Es handelt sich also, weberianisch gesprochen, um Idealtypen.
Der Idiot ist, kurz gesagt, der Mensch, der sehenden Auges gegen die geschlossene Glastür rennt. Das ist verzeihlich und kann uns allen mal passieren. Der Dämliche aber ist Belbo zufolge ein »Träger eminent bürgerlicher Tugenden«. Er verrennt sich weniger, als dass er sich vertut:
Das Foucaultsche Pendel beschäftigt sich in der Folge vor allem mit dem vierten Typus, dem Irren. Mich interessiert aus aktuellem Anlass aber eher der zweite Typus, der Dämliche. Belbo bezeichnet ihn ihm Roman als aussterbende Gattung. Mir kommt es momentan so vor, als erlebten wir die Wiederkehr des Dämlichen, allerdings in mutierter Gestalt. Der klassische, vom Aussterben bedrohte Dämliche wusste nämlich nicht, was er tat, und wurde im Idealfall gerade dadurch zum brillanten Entertainer.** Der neu auf der Bildfläche erschienene Dämliche weiß dagegen sehr wohl, was er tut. Er verhält sich mit Absicht und aus politischen Gründen dämlich. Er redet nicht aus Versehen oder Gewohnheit am Thema vorbei, sondern um diskursiv Tatsachen zu schaffen und die Verhältnisse ideologisch zu verschleiern.
Dämlich verhält sich Ursula von der Leyen, wenn sie auf dem Talkshow-Sessel (während vorgeblich über die empörend niedrigen Hartz-IV-Sätze gesprochen werden soll) nicht aufhören will, mit leicht weinerlichem Unterton von den »kleinen Einkommen, den Friseurinnen in unserem Lande« zu reden. Als dämlich ist zu bezeichnen, wie Norbert Röttgen gegen die Anti-Castor-Proteste im Wendland nichts anderes vorzubringen wusste, als in Gebetsmühlenmanier zu wiederholden, der Widerstand sei unangemessen, da in Deutschland angefallener Atommüll schließlich wieder nach Deutschland zurückgeholt werden müsse. Röttgen weiß so gut wie jeder andere Mensch, der nicht völlig dem Typus des Idioten entspricht, dass es nicht Ziel der Proteste ist, deutschen Atommüll in Frankreich vor sich hinstrahlen zu lassen. Dennoch wiederholt er unentwegt seine dämliche Behauptung und hat damit Erfolg, denn ein anderes Verhalten erwartet von einem Bundesumweltminister offenbar niemand. Ausgesprochen dämlich ist auch die jüngste Forderung aus Unionskreisen: nun, in Zeiten akuter Terrorgefahr, müsse die Vorratsdatenspeicherung beschleunigt und am besten widerspruchsfrei eingeführt werden — dabei musste sogar die Staatsschutz-Postille Die Welt zugeben, dass die Vorratsdatenspeicherung wenig bis gar nichts mit (tatsächlicher oder wahltaktischer) Terrorbekämpfung zu tun hat.
Einen eindrücklichen Blick hinter die Kulissen der intentionalen Dämlichkeit ermöglicht übrigens ein versehentlich aufgenommenes Gespräch*** zwischen dem fundamentalistischen US-Fernsehprediger Pat Robertson und seinen Spin Doctors. Diese rieten Robertson (der 1988 die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei anstrebte), an Bürger_innen, die kritische Anfragen stellen, einfach gezielt vorbeizureden. Gemein haben alle genannten Beispiele, dass sie gerade keinen offen herbeigeführten Themawechsel darstellen, sondern vielmehr die Diskussion nach und nach in die Schräge gleiten lassen, bis eine kritische Auseinandersetzung über das jeweilige Thema kaum mehr möglich ist und jeder diesbezügliche Versuch nur noch abrutschen kann.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass uns gegenwärtig eine massive Welle dieses hegemonialen an-der-Sache-Vorbeiredens – eben der politischen Dämlichkeit – überflutet. Es ist klar, dass es sich um eine Strategie handelt, die die Zivilgesellschaft verwirren und antihegemoniale Diskurse verunmöglichen soll. Wie dagegen Widerstand zu leisten ist, bleibt für mich vorläufig eine offene Frage. Auch ist unklar, ob irgendwann durch die ständig wiederholte Praxis der rhetorischen Dämlichkeit die Schraube einfach überdreht wird. Ab wann ist die taktische nicht mehr von der ungewollten Dämlichkeit zu unterscheiden? Ich weiß es nicht.
Festhalten möchte ich aber, dass an der Typologie diskursiver Intelligenz, wie Das Foucaultsche Pendel sie vornimmt, sich meines Erachtens hervorragend zeigen lässt, wie der phantastischen Literatur entnommene Anregungen zur kritischen Wirklichkeitserfassung dienen können. Und dass es nicht schaden kann, wieder mal Eco zu lesen. Der gilt zwar gemeinhin als Musterbeispiel politischer Unübersichtlichkeit in der Postmoderne, weil er es zurückgewiesen hat, als Linker eingeordnet zu werden – aber da liegt der Fehler wohl eher bei denjenigen, die Eco unbedingt für einen Linken halten wollten, als bei ihm selbst.
* Ich bitte um Nachsicht, dass ich an dieser Stelle die maskuline Form verwende. Ich bin allerdings der Meinung, dass es in der öffentlichen Zurschaustellung von Idiotie, Dämlichkeit, Dummheit und Irrsinn eine gewisse männliche Dominanz gibt, die die exklusive Schreibweise vielleicht rechtfertigt. Etymologisch ist das Wort ›dämlich‹ angeblich nicht mit ›Dame‹ verwandt. Unproblematisch wird es dadurch natürlich nicht, denn sexistisch empfunden werden kann es trotzdem. Wenn ich das Wort hier verwende, folge ich der deutschen Übersetzung von Ecos Roman durch Burkhart Kroeber, die im Blogpost zitiert wird.
** Als Beispiel kommt mir gerade der exzentrische Vampir in A.K. Tolstois gleichnamiger Erzählung aus dem Jahre 1841 in den Sinn, der in Gesellschaft stets im unpassendsten Moment Schnupftabak mit Steinklee anbietet.
*** Robertson lässt dabei eine homophobe Bemerkung los. Wer darauf verzichten möchte, sich das anzutun, sollte dem Link also nicht folgen.
In seinem zweiten Roman Das Foucaultsche Pendel stellt Umberto Eco eine Typologie der menschlichen Intelligenz auf: Ecos Romanfigur Jacopo Belbo zufolge gibt es den Idioten, den Dämlichen, den Dummen und den Irren.* In der Empirie treten diese Typen natürlich fast nie in Reinform auf, normal ist vielmehr eine Mischung aus den verschiedenen Typen, die je nach Einzelfall unterschiedlich ausfallen kann. Es handelt sich also, weberianisch gesprochen, um Idealtypen.
Der Idiot ist, kurz gesagt, der Mensch, der sehenden Auges gegen die geschlossene Glastür rennt. Das ist verzeihlich und kann uns allen mal passieren. Der Dämliche aber ist Belbo zufolge ein »Träger eminent bürgerlicher Tugenden«. Er verrennt sich weniger, als dass er sich vertut:
»Der Dämliche sagt nicht, daß die Katze bellt, er spricht von Katzen, wenn die andern von Hunden reden.«
»Der Dämliche ist Joachim Murat, der die Parade abnimmt und einen hochdekorierten Offizier aus Martinique erblickt. ›Vous êtes nègre?‹ fragt er ihn. ›Oui mon général‹, antwortet der Offizier. Und Murat: ›Bravo, bravo, continuez!‹«Der Dämliche argumentiert nicht falsch, vielmehr verfehlt das, was er sagt, immer das Thema. Seine Argumentation verläuft schräg zu dem, worum es geht. Der Dumme dagegen vertut sich nicht im Benehmen, sondern im Denken. Belbo nennt Anselm von Canterbury als Beispiel, der meinte, weil er sich die Existenz Gottes vorstellen könne, müsse Gott auch tatsächlich existieren. Auch der Irre vertut sich im Denken, aber auf andere Weise: Der Irre ist derjenige, der hinter Koinzidenzen stets eine Absicht, einen geheimen Plan vermutet — also niemand anderes als der allseits bekannte Verschwörungstheoretiker.
Das Foucaultsche Pendel beschäftigt sich in der Folge vor allem mit dem vierten Typus, dem Irren. Mich interessiert aus aktuellem Anlass aber eher der zweite Typus, der Dämliche. Belbo bezeichnet ihn ihm Roman als aussterbende Gattung. Mir kommt es momentan so vor, als erlebten wir die Wiederkehr des Dämlichen, allerdings in mutierter Gestalt. Der klassische, vom Aussterben bedrohte Dämliche wusste nämlich nicht, was er tat, und wurde im Idealfall gerade dadurch zum brillanten Entertainer.** Der neu auf der Bildfläche erschienene Dämliche weiß dagegen sehr wohl, was er tut. Er verhält sich mit Absicht und aus politischen Gründen dämlich. Er redet nicht aus Versehen oder Gewohnheit am Thema vorbei, sondern um diskursiv Tatsachen zu schaffen und die Verhältnisse ideologisch zu verschleiern.
Dämlich verhält sich Ursula von der Leyen, wenn sie auf dem Talkshow-Sessel (während vorgeblich über die empörend niedrigen Hartz-IV-Sätze gesprochen werden soll) nicht aufhören will, mit leicht weinerlichem Unterton von den »kleinen Einkommen, den Friseurinnen in unserem Lande« zu reden. Als dämlich ist zu bezeichnen, wie Norbert Röttgen gegen die Anti-Castor-Proteste im Wendland nichts anderes vorzubringen wusste, als in Gebetsmühlenmanier zu wiederholden, der Widerstand sei unangemessen, da in Deutschland angefallener Atommüll schließlich wieder nach Deutschland zurückgeholt werden müsse. Röttgen weiß so gut wie jeder andere Mensch, der nicht völlig dem Typus des Idioten entspricht, dass es nicht Ziel der Proteste ist, deutschen Atommüll in Frankreich vor sich hinstrahlen zu lassen. Dennoch wiederholt er unentwegt seine dämliche Behauptung und hat damit Erfolg, denn ein anderes Verhalten erwartet von einem Bundesumweltminister offenbar niemand. Ausgesprochen dämlich ist auch die jüngste Forderung aus Unionskreisen: nun, in Zeiten akuter Terrorgefahr, müsse die Vorratsdatenspeicherung beschleunigt und am besten widerspruchsfrei eingeführt werden — dabei musste sogar die Staatsschutz-Postille Die Welt zugeben, dass die Vorratsdatenspeicherung wenig bis gar nichts mit (tatsächlicher oder wahltaktischer) Terrorbekämpfung zu tun hat.
Einen eindrücklichen Blick hinter die Kulissen der intentionalen Dämlichkeit ermöglicht übrigens ein versehentlich aufgenommenes Gespräch*** zwischen dem fundamentalistischen US-Fernsehprediger Pat Robertson und seinen Spin Doctors. Diese rieten Robertson (der 1988 die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei anstrebte), an Bürger_innen, die kritische Anfragen stellen, einfach gezielt vorbeizureden. Gemein haben alle genannten Beispiele, dass sie gerade keinen offen herbeigeführten Themawechsel darstellen, sondern vielmehr die Diskussion nach und nach in die Schräge gleiten lassen, bis eine kritische Auseinandersetzung über das jeweilige Thema kaum mehr möglich ist und jeder diesbezügliche Versuch nur noch abrutschen kann.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass uns gegenwärtig eine massive Welle dieses hegemonialen an-der-Sache-Vorbeiredens – eben der politischen Dämlichkeit – überflutet. Es ist klar, dass es sich um eine Strategie handelt, die die Zivilgesellschaft verwirren und antihegemoniale Diskurse verunmöglichen soll. Wie dagegen Widerstand zu leisten ist, bleibt für mich vorläufig eine offene Frage. Auch ist unklar, ob irgendwann durch die ständig wiederholte Praxis der rhetorischen Dämlichkeit die Schraube einfach überdreht wird. Ab wann ist die taktische nicht mehr von der ungewollten Dämlichkeit zu unterscheiden? Ich weiß es nicht.
Festhalten möchte ich aber, dass an der Typologie diskursiver Intelligenz, wie Das Foucaultsche Pendel sie vornimmt, sich meines Erachtens hervorragend zeigen lässt, wie der phantastischen Literatur entnommene Anregungen zur kritischen Wirklichkeitserfassung dienen können. Und dass es nicht schaden kann, wieder mal Eco zu lesen. Der gilt zwar gemeinhin als Musterbeispiel politischer Unübersichtlichkeit in der Postmoderne, weil er es zurückgewiesen hat, als Linker eingeordnet zu werden – aber da liegt der Fehler wohl eher bei denjenigen, die Eco unbedingt für einen Linken halten wollten, als bei ihm selbst.
* Ich bitte um Nachsicht, dass ich an dieser Stelle die maskuline Form verwende. Ich bin allerdings der Meinung, dass es in der öffentlichen Zurschaustellung von Idiotie, Dämlichkeit, Dummheit und Irrsinn eine gewisse männliche Dominanz gibt, die die exklusive Schreibweise vielleicht rechtfertigt. Etymologisch ist das Wort ›dämlich‹ angeblich nicht mit ›Dame‹ verwandt. Unproblematisch wird es dadurch natürlich nicht, denn sexistisch empfunden werden kann es trotzdem. Wenn ich das Wort hier verwende, folge ich der deutschen Übersetzung von Ecos Roman durch Burkhart Kroeber, die im Blogpost zitiert wird.
** Als Beispiel kommt mir gerade der exzentrische Vampir in A.K. Tolstois gleichnamiger Erzählung aus dem Jahre 1841 in den Sinn, der in Gesellschaft stets im unpassendsten Moment Schnupftabak mit Steinklee anbietet.
*** Robertson lässt dabei eine homophobe Bemerkung los. Wer darauf verzichten möchte, sich das anzutun, sollte dem Link also nicht folgen.
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Freitag, 12. November 2010
Wir diskriminieren nicht, aber was war noch mal die Frage?
In der englischsprachigen SFF-Blogosphäre gibt es momentan eine spannende Gemengelage an Diskussionen. Bereits verwiesen habe ich auf N.K. Jemisins furiose Attacke gegen den Anti-PC-Mob. In Jim C. Hines' Blog entspann sich eine Diskussion über die (in meinen Augen sehr richtige) Entscheidung von WisCon, Elizabeth Moon nach ihren islamophoben Äußerungen doch nicht als Ehrengast einzuladen.*
Jim Hines weist außerdem im Zusammenhang mit der kürzlich über die Bühne gegangenen World Fantasy Con auf ein häufig verdrängtes Thema hin: Sexuelle Belästigung in der SFF-Szene. Meine Erfahrung nach muss man schon bei der Veranstaltung von mittelgroßer Parties damit rechnen, dass gegen Sexismus gerichtete Plakate (die z.B. informieren, dass von sexueller Belästigung Betroffene sich an die Veranstalter_innen wenden können) beschmiert oder abgerissen werden. Es wäre sträflich naiv zu glauben, dass in der SFF-Szene mit ihren regelmäßigen Großveranstaltungen diese nicht zu sexistischem Verhalten und Übergriffen ausgenutzt würden. Nicht naiv, sondern schlicht böswillig sind allerdings die zahlreichen Versuche, das Thema unter den Teppich zu kehren. Um so wichtiger, das Schweigen zu durchbrechen und immer wieder offensiv darauf hinzuweisen.
Natürlich hängen all diese Diskussionen nicht frei in der Luft. Angestoßen werden sie meist (nicht immer) von besonders eklatanten Zurschaustellungen rassististischer und sexistischer Attitüden. Verwiesen sei hier nicht nur auf Elizabeth Moons Islamophobie, sondern auch auf Lois McMaster Bujolds Reaktion, als Patricia Wredes Thirteenth Child vorgestellt wurde, eine Pioneer Fantasy, in der die weißen Eroberer auf ein Amerika ohne indigene Urbevölkerung stoßen. Als Kritik an Wredes Buch laut wurde, reagierte Bujold folgendermaßen:
Die deutschsprachige SFF-Szene versteht sich in der Regel als leicht alternativ angehaucht und durchaus aufgeschlossen. Nicht selten führt dieses Selbstverständnis dazu, dass die Bedeutung einer expliziten, kritischen Auseinandersetzung mit Sexismus und Rassismus in den eigenen Reihen heruntergespielt oder ganz ignoriert wird: Schließlich ist man selber nicht (intentional) rassistisch oder sexistisch.
Um zu merken, dass es damit so weit nicht her ist, muss man nicht lange graben. Besonders bei Diskussionen über einzelne Werke kommt es immer wieder zu Aussagen, es sei unglaubwürdig, wenn in einer ›mittelalterlichen‹ Sekundärwelt kämpfende Frauen auftreten. Oder der immer wieder geäußerte Relativierungsversuch, der Autor meine es nicht so, sondern schildere nur den in seiner Sekundärwelt üblichen Sexismus, das sei nun mal so. Die diskriminierende Normativität, die solche Inhalte zwangsläufig transportieren, wird dadurch einfach geleugnet – zuweilen auch von Fans, die sich bewusst distanzieren von Autoren, die wie Orson Scott Card und Terry Goodkind regelmäßig durch reaktionärste Ansichten auffallen. Unausgesprochen bleibt dabei die implizite Verengung des Blicks, die durch den in der Szene vorherrschenden Euro- und Androzentrismus zwangsläufig vorhanden ist.
Eine fundierte Kritik an diskriminierenden Inhalten spekulativer Literatur und diskriminierenden Strukturen liegt wohl noch in weiter Ferne. Ein Nahziel könnte aber sein, dass in der deutschsprachigen Szene rassistisches und sexistisches Verhalten und Schreiben so offen angesprochen werden kann, wie es im angloamerikanischen Raum geschieht. Und – was ich eigentlich nicht erwähnen will, vorsichtshalber aber dennoch tue – damit meine ich genau nicht, dass der ebenso essentialistische wie blödsinnige Knüppel, Fantasy sei generell reaktionär und ihre Fans rückwärtsgewandte Waldschrate, ein weiteres überflüssiges Mal aus dem Sack geholt wird.
* Erwartungsgemäß ist nach der Bekanntgabe der Entscheidung das Gegeifer groß und die Liste abstruser Vorwürfe lang. Ich kann mich dennoch des Gedankens nicht erwehren, dass die ideologische Verblödung einiger Fans (»Will there be a ritual burning of her books?«) wahrhaftig unverhoffte Ausmaße annimmt.
** Klick!
*** Klick!
**** Bujold sah sich angeblich veranlasst, Thirteenth Child zu verteidigen, weil sie die Autorin zu dem Buch inspiriert hatte. Die Vorgehensweise, den Kritiker_innen vorzuwerfen, sie hätten das Buch gar nicht gelesen, und ihnen eine politische ›Agenda‹ vorzuwerfen, hat sie sich natürlich nicht ausgedacht. Die kommt bei solchen Debatten vielmehr regelmäßig zum Tragen. Wer ein ›indianerfreies‹ Nordamerika imaginiert, vertritt dagegen anscheinend keine Agenda...
***** Beide Zitate stammen von der unter dem Buchtitel verlinken Seite.
Jim Hines weist außerdem im Zusammenhang mit der kürzlich über die Bühne gegangenen World Fantasy Con auf ein häufig verdrängtes Thema hin: Sexuelle Belästigung in der SFF-Szene. Meine Erfahrung nach muss man schon bei der Veranstaltung von mittelgroßer Parties damit rechnen, dass gegen Sexismus gerichtete Plakate (die z.B. informieren, dass von sexueller Belästigung Betroffene sich an die Veranstalter_innen wenden können) beschmiert oder abgerissen werden. Es wäre sträflich naiv zu glauben, dass in der SFF-Szene mit ihren regelmäßigen Großveranstaltungen diese nicht zu sexistischem Verhalten und Übergriffen ausgenutzt würden. Nicht naiv, sondern schlicht böswillig sind allerdings die zahlreichen Versuche, das Thema unter den Teppich zu kehren. Um so wichtiger, das Schweigen zu durchbrechen und immer wieder offensiv darauf hinzuweisen.
Natürlich hängen all diese Diskussionen nicht frei in der Luft. Angestoßen werden sie meist (nicht immer) von besonders eklatanten Zurschaustellungen rassististischer und sexistischer Attitüden. Verwiesen sei hier nicht nur auf Elizabeth Moons Islamophobie, sondern auch auf Lois McMaster Bujolds Reaktion, als Patricia Wredes Thirteenth Child vorgestellt wurde, eine Pioneer Fantasy, in der die weißen Eroberer auf ein Amerika ohne indigene Urbevölkerung stoßen. Als Kritik an Wredes Buch laut wurde, reagierte Bujold folgendermaßen:
You should read the book [...] and then we could be discussing the real book and not the distorted shadow of it that apparently sprang up in your head from the description.**
People who come down on the social-engineering side do tend to value a book by how well it serves some agenda outside of itself.***Darauf hingewiesen, dass viel Kritik an Wredes Roman von indigenen Aktivist_innen komme, antwortete Bujold heuchlerischerweise, im Gegensatz zu den Aktivist_innen spende sie regelmäßig Geld, um die nordamerikanische Urbevölkerung karitativ zu unterstützen (»Talk is cheap,« so Bujold dumm und zynisch).**** Die einzig passende Erwiderung darauf wurde bereits gegeben:
Why is it so important that you, a white person, tell other white people what they can do to help the poor unfortunate Indians, instead of listening to what the people of color are saying here? Because their words are cheap if they don't have the money to make a public boast about their charitable contributions?Nuff said. Kurz erwähnt sei noch die Kontroverse um das Mammoth Book of Mindblowing SF – eine Anthologie, die mit dem Anspruch auftrat, eine repräsentative Auswahl der besten SF-Stories zu versammeln. Alle aufgenommenen Stories stammen von weißen Männern. Paul Di Filippo, der einen Exklusivbeitrag für die Anthologie verfasst hatte, versuchte diese Tatsache durch biologistische Metaphern zu rechtfertigen. Die Abwesenheit von Frauen und POCs kommentierte er folgendermaßen:
You know what: a potato field is not likely to contain corn plants. A pine forest might feature an oak or three, but be 99% pine trees. My ream of copy paper is all white, with no sheets of lettuce included!K. Tempest Bradford fand die richtige Antwort:
Statistics DO NOT MATTER, what matters is that anthologies that showcase the genre that do not include women or people of color are wrong. In principle. It is never okay to exclude or marginalize women or POC because you (the editor or whoever) don't care to seek out their work or dismiss it simply because it doesn’t appeal to your white maleness. That's simply unacceptable in these days, kind of like it’s simply unacceptable for you to come along and compare women and minorities TO FUCKING VEGETABLES.*****Dies sind nur einige Beispiele, aber vielleicht geben sie ja einen Eindruck davon, was sich abspielt. Es lässt sich natürlich nicht ignorieren, dass diese Debatten in der Regel im persönlichen Verhalten einzelner ihren Anlass finden und in der Folge nicht zu einer grundsätzlichen Kritik an sexistischen und rassistischen Strukturen fortschreiten. Bemerkenswert finde ich im Moment aber vor allem, dass die anglophone Szene einen Raum bietet, kontrovers über diskriminierendes Verhalten zu diskutieren – während in der deutschsprachigen SFF-Szene kaum etwas davon ankommt. Das liegt sicher nicht nur an allgemein verbreitetem Desinteresse an gesellschaftlich-politischen Ungleichheiten, die oftmals als ›Minderheitenprobleme‹ abgetan werden.
Die deutschsprachige SFF-Szene versteht sich in der Regel als leicht alternativ angehaucht und durchaus aufgeschlossen. Nicht selten führt dieses Selbstverständnis dazu, dass die Bedeutung einer expliziten, kritischen Auseinandersetzung mit Sexismus und Rassismus in den eigenen Reihen heruntergespielt oder ganz ignoriert wird: Schließlich ist man selber nicht (intentional) rassistisch oder sexistisch.
Um zu merken, dass es damit so weit nicht her ist, muss man nicht lange graben. Besonders bei Diskussionen über einzelne Werke kommt es immer wieder zu Aussagen, es sei unglaubwürdig, wenn in einer ›mittelalterlichen‹ Sekundärwelt kämpfende Frauen auftreten. Oder der immer wieder geäußerte Relativierungsversuch, der Autor meine es nicht so, sondern schildere nur den in seiner Sekundärwelt üblichen Sexismus, das sei nun mal so. Die diskriminierende Normativität, die solche Inhalte zwangsläufig transportieren, wird dadurch einfach geleugnet – zuweilen auch von Fans, die sich bewusst distanzieren von Autoren, die wie Orson Scott Card und Terry Goodkind regelmäßig durch reaktionärste Ansichten auffallen. Unausgesprochen bleibt dabei die implizite Verengung des Blicks, die durch den in der Szene vorherrschenden Euro- und Androzentrismus zwangsläufig vorhanden ist.
Eine fundierte Kritik an diskriminierenden Inhalten spekulativer Literatur und diskriminierenden Strukturen liegt wohl noch in weiter Ferne. Ein Nahziel könnte aber sein, dass in der deutschsprachigen Szene rassistisches und sexistisches Verhalten und Schreiben so offen angesprochen werden kann, wie es im angloamerikanischen Raum geschieht. Und – was ich eigentlich nicht erwähnen will, vorsichtshalber aber dennoch tue – damit meine ich genau nicht, dass der ebenso essentialistische wie blödsinnige Knüppel, Fantasy sei generell reaktionär und ihre Fans rückwärtsgewandte Waldschrate, ein weiteres überflüssiges Mal aus dem Sack geholt wird.
* Erwartungsgemäß ist nach der Bekanntgabe der Entscheidung das Gegeifer groß und die Liste abstruser Vorwürfe lang. Ich kann mich dennoch des Gedankens nicht erwehren, dass die ideologische Verblödung einiger Fans (»Will there be a ritual burning of her books?«) wahrhaftig unverhoffte Ausmaße annimmt.
** Klick!
*** Klick!
**** Bujold sah sich angeblich veranlasst, Thirteenth Child zu verteidigen, weil sie die Autorin zu dem Buch inspiriert hatte. Die Vorgehensweise, den Kritiker_innen vorzuwerfen, sie hätten das Buch gar nicht gelesen, und ihnen eine politische ›Agenda‹ vorzuwerfen, hat sie sich natürlich nicht ausgedacht. Die kommt bei solchen Debatten vielmehr regelmäßig zum Tragen. Wer ein ›indianerfreies‹ Nordamerika imaginiert, vertritt dagegen anscheinend keine Agenda...
***** Beide Zitate stammen von der unter dem Buchtitel verlinken Seite.
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Debatten
Montag, 1. November 2010
Harry Mulisch 1927–2010
Seine Entdeckung des Himmels ist eine der bedeutendsten unter den Fantasies, die keine Fantasy sind.
Schon länger trage ich mich mit einer borgesken Idee: Eine Liste mit 100 Büchern des 20. Jahrhunderts aufstellen, die nicht als Genre-Literatur vermarktet und/oder rezipiert wurden. wurden, aber gattungsmäßig eigentlich Fantasy (oder auch SF oder irgendwie dazwischen) sind. 100 Bücher natürlich, die nicht zu straßenköterartig sind, sondern zumindest vor den argloseren Urteilen des gehobenen literarischen Geschmacks bestehen können. Und dann behaupten, dass die wirklich große Literatur des 20. Jahrhunderts einfach Fantasy sein muss, die Hintertür öffnen und die lustvoll kläffende und Chaos stiftende Meute von Straßenkötern den Salon stürmen lassen.
Sollte hier jemals eine solche Liste entstehen, werde ich sie – in größtem Respekt und ohne die geringste Ahnung, ob ihm das gefallen hätte – Harry Mulisch widmen. Vorschläge können jederzeit hier gepostet oder an hermanstadt[ät]gmail.com geschickt werden. Auf Anhieb fallen mir Gabriel García Márquez' Hundert Jahre Einsamkeit, Toni Morrisons Menschenkind, Jorge Luis Borges’ Fiktionen und Umberto Ecos Das Foucaultsche Pendel ein.
Schon länger trage ich mich mit einer borgesken Idee: Eine Liste mit 100 Büchern des 20. Jahrhunderts aufstellen, die nicht als Genre-Literatur vermarktet und/oder rezipiert wurden. wurden, aber gattungsmäßig eigentlich Fantasy (oder auch SF oder irgendwie dazwischen) sind. 100 Bücher natürlich, die nicht zu straßenköterartig sind, sondern zumindest vor den argloseren Urteilen des gehobenen literarischen Geschmacks bestehen können. Und dann behaupten, dass die wirklich große Literatur des 20. Jahrhunderts einfach Fantasy sein muss, die Hintertür öffnen und die lustvoll kläffende und Chaos stiftende Meute von Straßenkötern den Salon stürmen lassen.
Sollte hier jemals eine solche Liste entstehen, werde ich sie – in größtem Respekt und ohne die geringste Ahnung, ob ihm das gefallen hätte – Harry Mulisch widmen. Vorschläge können jederzeit hier gepostet oder an hermanstadt[ät]gmail.com geschickt werden. Auf Anhieb fallen mir Gabriel García Márquez' Hundert Jahre Einsamkeit, Toni Morrisons Menschenkind, Jorge Luis Borges’ Fiktionen und Umberto Ecos Das Foucaultsche Pendel ein.
Donnerstag, 21. Oktober 2010
Die unerträgliche Leitkultur diesseits des Rheins
»In Sachen Integrationsdebatte spreche ich mich ausdrücklich für die Zuwanderung möglichst vieler Franzosen aus. Schlecht für unsere Leitkultur, super für unsere öffentliche Streitkultur.«Das ist ein Wort.
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Plischke,
Weder gedruckt noch gebunden
Montag, 18. Oktober 2010
Jemisin’s Rant
In Deutschland herrscht ja gerade wieder mal so ein herbstliches Klima, in dem Leute, denen man das Denken wahrlich nicht erst verbieten muss, gegen angebliche Denkverbote protestieren. In der Regel läuft das so ab, dass über Political Correctness gewettert wird. Warum der Anti-PC-Mob so drauf ist, wie er ist, erklärt N.K. Jemisin:
Most often I see it [anti-PC whining] coming from older people who resent suddenly having to respect groups they were encouraged to show open contempt for back in the days of their youth. But I’ve seen this attitude among younger people too, so it’s not strictly an artifact of lost historical privilege. It even comes in new interations these days, like Christians who whine about Muslims wanting to be protected from hate crimes, perish the thought, and Americans annoyed that immigrants demand respect for their religion…Definitiv einer der klügsten Blog-Einträge, die ich in den letzten Monaten gelesen habe, und in der Stoßrichtung nicht nur auf die USA zutreffend. Jemisin spricht mir aus der Seele, denn wenige Dinge kotzen mich momentan so sehr an wie das weitverbreitete Gejammer über PC.
Mittwoch, 13. Oktober 2010
Der wilde Park des Vergessens
Beschäftigt man sich mit den Anfängen der Fantasy-Rezeption und -Produktion in Deutschland (ÄFRPD), stößt man unweigerlich auf Frederik Hetmanns Pamphlet Die Freuden der Fantasy. Das liest sich recht vergnüglich, obwohl es in weiten Teilen von Helmut W. Peschs Fantasy. Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung abgeschrieben wurde. Lernen kann man daraus vor allem, dass die ÄFRPD auf eine derart massive Weise mit New-Age-Heilsbotschaften schwanger gingen, wie das heute kaum für möglich gehalten würde.* In Hetmanns Pamphlet geben sich C.G. Jung, Fritjof Capra und andere Eso-Ikonen die Klinke in die Hand. Weniger erstaunlich wird die Sache vielleicht, wenn man bedenkt, dass Fantasy in Westdeutschland Anfang/Mitte der 1980er Jahre in weiten Kreisen vor allem Michael Ende und Marion Zimmer Bradley bedeutete. Gut vorstellbar, dass diese Autor_innen von einem eso-mäßig vorgeprägten Publikum dankbar aufgenommen wurden, worauf dann wiederum Fantasy im breiteren Rahmen nach dem Muster von New-Age-Weltverbesserungsideen interpretiert wurde.
Ein spätes Beispiel für diese ÄFRPD-Tradition ist Hetmanns Roman Der wilde Park des Vergessens aus dem Jahre 1994. Da habe ich mich bei fortschreitender Lektüre allerdings gefragt, ob der Autor sich selbst und sein avisiertes Publikum eigentlich noch ganz ernst nahm. Immerhin dürfte der Roman nach der neoliberalen Desillusionierung der New-Age-Szene geschrieben worden sein – andererseits war Hetmann schriftstellerisch mit einem solchen Eifer bei der Sache, dass ebenso fraglich ist, wie bewusst ihm diese Desillusionierung (sofern vorhanden) eigentlich selber war.
Der wilde Park des Vergessens erzählt die Liebesgeschichte zwischen einer lesbischen Japanologin aus den USA und einem chinesischen Schriftsteller, der heimlich in der Verbotenen Stadt in Beijing lebt und sich ins China der Kaiserzeit zurückträumt. Die beiden lernen sich auf einem Kongress in Beijing kennen, werden durch die Proteste auf dem Tian’anmen-Platz gewaltsam voneinander getrennt und schließlich von einem geheimen Netzwerk tibetischer Lamas entführt, nach Tibet gebracht und dort wieder vereinigt. Sie erfahren von den Lamas, dass sie dazu ausersehen sind, das kulturelle Erbe der Menschheit für zukünftige Generationen zu bewahren, indem sie auf den Planeten Sutra X teleportiert werden. Der Transfer soll durch spezielle Meditationstechniken bewerkstelligt werden, die dem Paar gemeinsam mit anderen Auserwählten von den Lamas vermittelt werden.
Klingt völlig abgedreht, und so ist es auch. Konsequent ist der Roman in seiner Ablehnung von Gesellschaftsveränderung durch politische Aktion.** Die beiden Protagonist_innen empfinden gegenüber der Protestbewegung auf dem Platz des himmlischen Friedens nichts als Befremden, Tibet wird als apolitische Utopie gezeichnet (und China als böser Unterdrücker). Im Mittelpunkt steht einzig die Veränderung, die das Liebespaar gemeinsam und als Individuen durchmacht. Besonders dubios kommt mit dabei vor, wie die früheren lesbischen Beziehungen der Protagonistin als unreife Durchgangsstufen hin zu der Erkenntnis und bewussten Suche nach Mann-Frau-Komplementarität dargestellt werden, und das alles mit reichlich Vulgärplatonismus unterfüttert. Andererseits wirken viele Passagen des Romans dermaßen überzeichnet, dem New-Age-seligen Irrwitz damit – bewusst oder unbewusst – eine mehr als ironische Note verleihend, dass es geradezu als ungenügend erscheint, Der wilde Park des Vergessens einfach nur als reaktionäres Machwerk zu lesen.*** Ich jedenfalls fühle mich außerstande, die Frage zu beantworten, ob der Autor all diesen Schwurbel wirklich ernst meinte oder nicht.
Lesen lässt sich der Der wilde Park des Vergessens ganz gut, auch wenn ich gelegentlich versucht war, ein paar langatmige Seiten zu überblättern. Der Roman ist reich an Intertextualität; ganze Passagen sind als Pastiches des mittelalterlichen japanischen Romans Genji Monogatari verfasst, und zwar interessanterweise aus der Perspektive einer Protagonistin.****
So weit erstmal. Anzumerken bleibt, dass Der wilde Park des Vergessens ein etwas sorgfältigeres Lektorat hätte vertragen können. Und jetzt bräuchte ich nur noch jemanden, die/der mir erklärt, was Hetmann mit diesem Roman eigentlich wollte. Ist da jemand?
Der wilde Park des Vergessens von Frederik Hetmann ist 1994 bei Weitbrecht erschienen.
* Ob das heißt, dass die Kritik der Esoterik – zumindest in Teilbereichen – gute Arbeit geleistet hat, wage ich nicht zu beurteilen.
** Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass dieser Roman von einem Autor geschrieben wurde, der durch Biografien über Rosa Luxemburg und den Che bekannt wurde.
*** Richtiggehend zum Schreien ist etwa eine Szene, in der eine Teleportation nach Sutra X schief geht, weil die »Auserwählten« beim Meditieren an Sex statt ans Nirvana denken.
**** Die Geschichte des Prinzen Genji wurde von einer Frau verfasst, beschreibt zahllose höfische Liebesaffären jedoch aus rein männlicher Sicht. Das Bild des männlichen Verführers wird von Hetmann in seinen Pastiches gar nicht so schlecht durch den Kakao gezogen. Um so dümmer wirkt im Kontrast dazu die heterosexuelle Selbstfindung der Protagonistin.
Ein spätes Beispiel für diese ÄFRPD-Tradition ist Hetmanns Roman Der wilde Park des Vergessens aus dem Jahre 1994. Da habe ich mich bei fortschreitender Lektüre allerdings gefragt, ob der Autor sich selbst und sein avisiertes Publikum eigentlich noch ganz ernst nahm. Immerhin dürfte der Roman nach der neoliberalen Desillusionierung der New-Age-Szene geschrieben worden sein – andererseits war Hetmann schriftstellerisch mit einem solchen Eifer bei der Sache, dass ebenso fraglich ist, wie bewusst ihm diese Desillusionierung (sofern vorhanden) eigentlich selber war.
Der wilde Park des Vergessens erzählt die Liebesgeschichte zwischen einer lesbischen Japanologin aus den USA und einem chinesischen Schriftsteller, der heimlich in der Verbotenen Stadt in Beijing lebt und sich ins China der Kaiserzeit zurückträumt. Die beiden lernen sich auf einem Kongress in Beijing kennen, werden durch die Proteste auf dem Tian’anmen-Platz gewaltsam voneinander getrennt und schließlich von einem geheimen Netzwerk tibetischer Lamas entführt, nach Tibet gebracht und dort wieder vereinigt. Sie erfahren von den Lamas, dass sie dazu ausersehen sind, das kulturelle Erbe der Menschheit für zukünftige Generationen zu bewahren, indem sie auf den Planeten Sutra X teleportiert werden. Der Transfer soll durch spezielle Meditationstechniken bewerkstelligt werden, die dem Paar gemeinsam mit anderen Auserwählten von den Lamas vermittelt werden.
Klingt völlig abgedreht, und so ist es auch. Konsequent ist der Roman in seiner Ablehnung von Gesellschaftsveränderung durch politische Aktion.** Die beiden Protagonist_innen empfinden gegenüber der Protestbewegung auf dem Platz des himmlischen Friedens nichts als Befremden, Tibet wird als apolitische Utopie gezeichnet (und China als böser Unterdrücker). Im Mittelpunkt steht einzig die Veränderung, die das Liebespaar gemeinsam und als Individuen durchmacht. Besonders dubios kommt mit dabei vor, wie die früheren lesbischen Beziehungen der Protagonistin als unreife Durchgangsstufen hin zu der Erkenntnis und bewussten Suche nach Mann-Frau-Komplementarität dargestellt werden, und das alles mit reichlich Vulgärplatonismus unterfüttert. Andererseits wirken viele Passagen des Romans dermaßen überzeichnet, dem New-Age-seligen Irrwitz damit – bewusst oder unbewusst – eine mehr als ironische Note verleihend, dass es geradezu als ungenügend erscheint, Der wilde Park des Vergessens einfach nur als reaktionäres Machwerk zu lesen.*** Ich jedenfalls fühle mich außerstande, die Frage zu beantworten, ob der Autor all diesen Schwurbel wirklich ernst meinte oder nicht.
Lesen lässt sich der Der wilde Park des Vergessens ganz gut, auch wenn ich gelegentlich versucht war, ein paar langatmige Seiten zu überblättern. Der Roman ist reich an Intertextualität; ganze Passagen sind als Pastiches des mittelalterlichen japanischen Romans Genji Monogatari verfasst, und zwar interessanterweise aus der Perspektive einer Protagonistin.****
So weit erstmal. Anzumerken bleibt, dass Der wilde Park des Vergessens ein etwas sorgfältigeres Lektorat hätte vertragen können. Und jetzt bräuchte ich nur noch jemanden, die/der mir erklärt, was Hetmann mit diesem Roman eigentlich wollte. Ist da jemand?
Der wilde Park des Vergessens von Frederik Hetmann ist 1994 bei Weitbrecht erschienen.
* Ob das heißt, dass die Kritik der Esoterik – zumindest in Teilbereichen – gute Arbeit geleistet hat, wage ich nicht zu beurteilen.
** Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass dieser Roman von einem Autor geschrieben wurde, der durch Biografien über Rosa Luxemburg und den Che bekannt wurde.
*** Richtiggehend zum Schreien ist etwa eine Szene, in der eine Teleportation nach Sutra X schief geht, weil die »Auserwählten« beim Meditieren an Sex statt ans Nirvana denken.
**** Die Geschichte des Prinzen Genji wurde von einer Frau verfasst, beschreibt zahllose höfische Liebesaffären jedoch aus rein männlicher Sicht. Das Bild des männlichen Verführers wird von Hetmann in seinen Pastiches gar nicht so schlecht durch den Kakao gezogen. Um so dümmer wirkt im Kontrast dazu die heterosexuelle Selbstfindung der Protagonistin.
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Sonntag, 10. Oktober 2010
Wie Robinson einmal Gaza befreien wollte
Henning Mankell ist schon ein seltener Depp. Vier seiner Wallanderkrimis habe ich gern gelesen, von seinen Afrikaromanen lasse ich, von postkolonial irritiertem Misstrauen geleitet, lieber die Finger. Abgesehen von seiner Schriftstellerei ist Mankell aber wohl auch das, was man sich heute als politischen Intellektuellen vorzustellen hat. Und was für einer! Wer zusammen mit dem mittlerweile in der Versenkung verschwundenen Köhlerhorst, dem Ex-IWF-Chef, die Welt retten will, kommt mir jedenfalls nicht mehr ins Bücherregal.
Bei der Gaza-Flotille im Mai war Mankell bekanntlich einer der Sonntagsmatrosen, die glücklicherweise von israelischen Streitkräften davor gerettet wurden, sich im Archipel der anti-israelischen Querfrontstrategien vollends zu verschippern. Bei Mankell hat das aber leider nichts genützt (wie wohl auch bei einigen anderen Reiseteilnehmer_innen nicht), denn gleich darauf bestritt er das Existenzrecht Israels und rief zum Judenboykott auf.
Kürzlich hat nun die Frankfurter Rundschau in ihrer Literaturbeilage bekannte Literat_innen über ihre bevorzugte Kindheits- und Jugendlektüre zu Wort kommen lassen, darunter auch Mankell. Der nannte als sein bleibendes Lieblingsbuch Robinson Crusoe und gab als Grund dafür an, Daniel Defoes Kolonialutopie vermittle ihm beim Lesen das Gefühl, nach Robinson der zweite (sic!) Mensch auf der einsamen Insel zu sein. Ächz. Warum glaube ich diesem Knallkopp einfach nicht, dass er sich nur verzählt hat? Identifiziert sich der westliche Intellektuelle, am kolonial-patriarchalen Helfersyndrom leidend, etwa mit Freitag, dem schwarzen Unterdrückten? Oder handelt es sich gewissermaßen um eine Freudsche Fehlleistung, und Mankell zählt den Subalternen gar nicht erst zu den Menschen? Man beginnt sich entsetzt auszumalen, was wohl passiert wäre, wenn des weißen Mannes Fuß tatsächlich den Strand von Gaza betreten hätte.
Übrigens schafft Mankell es nicht mal, den Autor von Robinson Crusoe korrekt zu identifizieren, und verwechselt ihn mit Robert Louis Stevenson. Hätte er nur mal dessen Zeitzeugenberichte zur kolonialen Praxis im 19. Jahrhundert gelesen, der kolonialisierten Welt heute wäre vielleicht einiges erspart geblieben, was Mankell – ob nun auf Kreuzfahrt im Mittelmeer oder als Gastautor der FR – an Privilegiertengeschwafel zum Besten gibt.
Ich rufe hiermit jedenfalls dazu auf, Henning Mankells Bücher zu boykottieren, und bestreite ausdrücklich sein politisches Existenzrecht.
Bei der Gaza-Flotille im Mai war Mankell bekanntlich einer der Sonntagsmatrosen, die glücklicherweise von israelischen Streitkräften davor gerettet wurden, sich im Archipel der anti-israelischen Querfrontstrategien vollends zu verschippern. Bei Mankell hat das aber leider nichts genützt (wie wohl auch bei einigen anderen Reiseteilnehmer_innen nicht), denn gleich darauf bestritt er das Existenzrecht Israels und rief zum Judenboykott auf.
Kürzlich hat nun die Frankfurter Rundschau in ihrer Literaturbeilage bekannte Literat_innen über ihre bevorzugte Kindheits- und Jugendlektüre zu Wort kommen lassen, darunter auch Mankell. Der nannte als sein bleibendes Lieblingsbuch Robinson Crusoe und gab als Grund dafür an, Daniel Defoes Kolonialutopie vermittle ihm beim Lesen das Gefühl, nach Robinson der zweite (sic!) Mensch auf der einsamen Insel zu sein. Ächz. Warum glaube ich diesem Knallkopp einfach nicht, dass er sich nur verzählt hat? Identifiziert sich der westliche Intellektuelle, am kolonial-patriarchalen Helfersyndrom leidend, etwa mit Freitag, dem schwarzen Unterdrückten? Oder handelt es sich gewissermaßen um eine Freudsche Fehlleistung, und Mankell zählt den Subalternen gar nicht erst zu den Menschen? Man beginnt sich entsetzt auszumalen, was wohl passiert wäre, wenn des weißen Mannes Fuß tatsächlich den Strand von Gaza betreten hätte.
Übrigens schafft Mankell es nicht mal, den Autor von Robinson Crusoe korrekt zu identifizieren, und verwechselt ihn mit Robert Louis Stevenson. Hätte er nur mal dessen Zeitzeugenberichte zur kolonialen Praxis im 19. Jahrhundert gelesen, der kolonialisierten Welt heute wäre vielleicht einiges erspart geblieben, was Mankell – ob nun auf Kreuzfahrt im Mittelmeer oder als Gastautor der FR – an Privilegiertengeschwafel zum Besten gibt.
Ich rufe hiermit jedenfalls dazu auf, Henning Mankells Bücher zu boykottieren, und bestreite ausdrücklich sein politisches Existenzrecht.
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Sonntag, 19. September 2010
Rechts blöd
Yesterday I named an anonymous comment on Pat’s blog the most damn stupid thing to say about Elizabeth Moon’s Islam-baiting. I admit I've been a little hasty, because only now I came across this blog entry.
Now we have Lawrence P.* not only explaining how survivalists and libertarians benefit the whole community, but also telling us that antisemitism is worse than anti-muslim bigotry because “there are ten time [sic!] as many antisemitic hate crimes in the U.S. as anti-Islamic hate crimes.” You got it, Lawrence. Dying of lung cancer is so much worse than dying of leucemia, because it happens x-times more often.
Kidding aside, I’d say that this quantitative argument is true in one respect: Gun-wanking libertarian survivalist racist dickheads from Texas or elsewhere would still be the worst pain in the ass if there were only one of them.
* Science fiction writer and political commentar from Williamson County, Texas, according to himself.
Now we have Lawrence P.* not only explaining how survivalists and libertarians benefit the whole community, but also telling us that antisemitism is worse than anti-muslim bigotry because “there are ten time [sic!] as many antisemitic hate crimes in the U.S. as anti-Islamic hate crimes.” You got it, Lawrence. Dying of lung cancer is so much worse than dying of leucemia, because it happens x-times more often.
Kidding aside, I’d say that this quantitative argument is true in one respect: Gun-wanking libertarian survivalist racist dickheads from Texas or elsewhere would still be the worst pain in the ass if there were only one of them.
* Science fiction writer and political commentar from Williamson County, Texas, according to himself.
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Samstag, 18. September 2010
Elizabeth Moon: »Viele Muslime sind mit allen Tugenden zivilisierter Menschen ausgestattet«
Die SF-Autorin Elizabeth Moon hat auf ihrem Blog MoonScape ein bemerkenswertes Konglomerat aus Standortnationalismus, Manifest-Destiny-Geschleime, bourgeoisem Pseudofeminismus und rassistischem Islam-Bashing losgelassen: »Citizenship«. Der Eintrag bekam über 500 Kommentare, die mittlerweile jedoch von Moon gelöscht wurden. Weitere Kommentare soll es auf Moons Blog nicht mehr geben: »Es ist an der Zeit, den Pöbel hinauszuscheuchen und die Tür zu schließen.«
Dafür haben der World SF Blog und Pat Auszüge aus Moons Text veröffentlicht, und dort kann er weiterhin kommentiert werden. Auf dem Feminist SF Blog setzt yonmei sich ausführlich mit Moons Roman Trading in Danger im Licht ihres Blogposts auseinander. Von dort wird auch verlinkt zu Kopien der gelöschten Kommentare.
Vorurteile über muslimische Immigrant_innen zu schüren, ist allerdings nicht das einzige Anliegen von Moons Post. Sie beginnt mit der Aussage, »the business of a citizen is the welfare of the nation.« Der Nationalstaat habe nicht nur seinen Bürger_innen Rechte zu gewähren, sondern die Bürger_innen müssten Verantwortung für die Nation übernehmen. Verantwortungsbewusste Bürger_innen zeichneten sich aus, indem sie dem Wohlergehen der Nation persönliche Opfer (»personal sacrifice«) brächten und dies auch – was besonders aussagekräftig ist – von anderen, insbesondere von zukünftigen Generationen forderten. Die Gründerväter der USA hätten schließlich so gehandelt, jaja.
Moon selbst stellt allerdings vor allem Forderungen an muslimische Immigrant_innen. Persönliches Opfer ist dabei bezeichnenderweise nicht gleich persönliches Opfer. »That some [US American] Muslims died in the attacks [of 9/11] is immaterial—does not wipe out the long, long chain of Islamic hostility.« Dass bei den Anschlägen auf das World Trade Center Muslime in den Trümmern ums Leben kamen, zählt also nicht. Um das Wohlgefallen von Elizabeth Moon zu finden, ist es offensichtlich nicht ausreichend, zufällig zum Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Man muss sein Leben schon willig und bewusst auf dem Altar der Nation opfern.
Die Vereinigten Staaten hätten schon immer Probleme mit Immigrant_innen gehabt. Dafür hat Moon eine naturalistische Erklärung: Es liege in der menschlichen Natur, sich tribalistisch zu verhalten, sich in kleinen Gruppen voneinander abzuschotten. Der Staat müsse »ihre [der Immigrant_innen] eingeborene Kultur niederreißen«, sonst käme es zu Kulturkämpfen. Und das sei natürlich – natürlich – bei denjenigen am schwierigsten, die es aufgrund ihrer Geschichte am schwierigsten fänden, über ihre »Natur« hinauszuwachsen.
Am schwierigsten fällt es in Moons Augen, wie sich offenbar von selbst versteht, migrantischen Muslimen, über ihre Natur hinauszuwachsen. Muslime sind in den USA anscheinend nicht nur allesamt eingewandert – in den USA geborene, englischsprachige Muslime scheint es nicht zu geben –, sie sind auch noch eine Art Naturwesen, durch ihre Geschichte dazu angehalten, sich gemäß ihrer wilden Eingeborenenbräuche zu verhalten. Dass dies ein klassischer, aber sehr präsenter rassistischer Topos ist, brauche ich nicht weiter auszuführen. Moon schreibt zynisch: »We have always had trouble with immigrants (the native peoples had the most troubles with immigrants!).« Sie identifiziert also auf abenteuerliche Weise die weiße, christliche Mehrheitsbevölkerung der USA (»We«) mit der nahezu ausgerotteten nordamerikanischen Urbevölkerung. Damit stilisiert sie nicht nur ihre eigene WASP-Binnengruppe zu unschuldigen Opfern des »trouble with immigrants«, sie unterstellt den eingewanderten Muslimen auch noch, sie seien fähig einen Völkermord zu begehen (der eigentlich auf das Konto der Binnengruppe geht, was aber zwischen den Zeilen verborgen bleibt).
In der Folge führt Moon aus, wie falsch es sei, »to let Muslims believe stuff that unfits them for citizenship«, wie Muslime mehr nähmen als gäben, dass man von ihnen zu verlangen habe, sich unauffällig zu benehmen, der weißen Mehrheitsbevölkerung am besten gar nicht erst aufzufallen. Dies sei notwendig, damit Muslime sich die staatsbürgerlichen Rechte verdienen könnten, welche die Nation ihren Bürger_innen verleiht. Dass solche Rechte de facto nicht allen Menschen frei und gleichermaßen zukommen, illustriert Moon auf beeindruckend abstoßende Weise, indem sie das Recht, Rechte zu haben, an Verdienste koppelt und mit ihrer rassistisch-naturalistischen Argumentation proklamiert, dass einige von »Natur« aus besser geeignet seien, solche Rechte zu besitzen und auszuüben. Wohl entgegen ihrer Absichten exemplifiziert sie damit den Bankrott linksliberaler citoyen-Ideologien, bzw. deren Unfähigkeit, Rassismus und Ausgrenzung etwas wirkmächtig entgegenzusetzen.
Zum Schluss noch Auszüge aus dem dümmsten und dem klügsten Kommentar, die ich bislang zu Moons Eintrag gelesen habe, beide bei Pat’s Fantasy Hotlist abgegeben. Der erste erschien anonym:
Sofern die Zitate im Titel und im Eintrag ins Deutsche übertragen wurden, stammt die Übersetzung von mir.
Dafür haben der World SF Blog und Pat Auszüge aus Moons Text veröffentlicht, und dort kann er weiterhin kommentiert werden. Auf dem Feminist SF Blog setzt yonmei sich ausführlich mit Moons Roman Trading in Danger im Licht ihres Blogposts auseinander. Von dort wird auch verlinkt zu Kopien der gelöschten Kommentare.
Vorurteile über muslimische Immigrant_innen zu schüren, ist allerdings nicht das einzige Anliegen von Moons Post. Sie beginnt mit der Aussage, »the business of a citizen is the welfare of the nation.« Der Nationalstaat habe nicht nur seinen Bürger_innen Rechte zu gewähren, sondern die Bürger_innen müssten Verantwortung für die Nation übernehmen. Verantwortungsbewusste Bürger_innen zeichneten sich aus, indem sie dem Wohlergehen der Nation persönliche Opfer (»personal sacrifice«) brächten und dies auch – was besonders aussagekräftig ist – von anderen, insbesondere von zukünftigen Generationen forderten. Die Gründerväter der USA hätten schließlich so gehandelt, jaja.
Moon selbst stellt allerdings vor allem Forderungen an muslimische Immigrant_innen. Persönliches Opfer ist dabei bezeichnenderweise nicht gleich persönliches Opfer. »That some [US American] Muslims died in the attacks [of 9/11] is immaterial—does not wipe out the long, long chain of Islamic hostility.« Dass bei den Anschlägen auf das World Trade Center Muslime in den Trümmern ums Leben kamen, zählt also nicht. Um das Wohlgefallen von Elizabeth Moon zu finden, ist es offensichtlich nicht ausreichend, zufällig zum Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Man muss sein Leben schon willig und bewusst auf dem Altar der Nation opfern.
Die Vereinigten Staaten hätten schon immer Probleme mit Immigrant_innen gehabt. Dafür hat Moon eine naturalistische Erklärung: Es liege in der menschlichen Natur, sich tribalistisch zu verhalten, sich in kleinen Gruppen voneinander abzuschotten. Der Staat müsse »ihre [der Immigrant_innen] eingeborene Kultur niederreißen«, sonst käme es zu Kulturkämpfen. Und das sei natürlich – natürlich – bei denjenigen am schwierigsten, die es aufgrund ihrer Geschichte am schwierigsten fänden, über ihre »Natur« hinauszuwachsen.
Am schwierigsten fällt es in Moons Augen, wie sich offenbar von selbst versteht, migrantischen Muslimen, über ihre Natur hinauszuwachsen. Muslime sind in den USA anscheinend nicht nur allesamt eingewandert – in den USA geborene, englischsprachige Muslime scheint es nicht zu geben –, sie sind auch noch eine Art Naturwesen, durch ihre Geschichte dazu angehalten, sich gemäß ihrer wilden Eingeborenenbräuche zu verhalten. Dass dies ein klassischer, aber sehr präsenter rassistischer Topos ist, brauche ich nicht weiter auszuführen. Moon schreibt zynisch: »We have always had trouble with immigrants (the native peoples had the most troubles with immigrants!).« Sie identifiziert also auf abenteuerliche Weise die weiße, christliche Mehrheitsbevölkerung der USA (»We«) mit der nahezu ausgerotteten nordamerikanischen Urbevölkerung. Damit stilisiert sie nicht nur ihre eigene WASP-Binnengruppe zu unschuldigen Opfern des »trouble with immigrants«, sie unterstellt den eingewanderten Muslimen auch noch, sie seien fähig einen Völkermord zu begehen (der eigentlich auf das Konto der Binnengruppe geht, was aber zwischen den Zeilen verborgen bleibt).
In der Folge führt Moon aus, wie falsch es sei, »to let Muslims believe stuff that unfits them for citizenship«, wie Muslime mehr nähmen als gäben, dass man von ihnen zu verlangen habe, sich unauffällig zu benehmen, der weißen Mehrheitsbevölkerung am besten gar nicht erst aufzufallen. Dies sei notwendig, damit Muslime sich die staatsbürgerlichen Rechte verdienen könnten, welche die Nation ihren Bürger_innen verleiht. Dass solche Rechte de facto nicht allen Menschen frei und gleichermaßen zukommen, illustriert Moon auf beeindruckend abstoßende Weise, indem sie das Recht, Rechte zu haben, an Verdienste koppelt und mit ihrer rassistisch-naturalistischen Argumentation proklamiert, dass einige von »Natur« aus besser geeignet seien, solche Rechte zu besitzen und auszuüben. Wohl entgegen ihrer Absichten exemplifiziert sie damit den Bankrott linksliberaler citoyen-Ideologien, bzw. deren Unfähigkeit, Rassismus und Ausgrenzung etwas wirkmächtig entgegenzusetzen.
Zum Schluss noch Auszüge aus dem dümmsten und dem klügsten Kommentar, die ich bislang zu Moons Eintrag gelesen habe, beide bei Pat’s Fantasy Hotlist abgegeben. Der erste erschien anonym:
I will read her books now, knowing that she is smarter than 99% of today’s authors, which consist of completely unrealistic bleeding heart radical lefties.Da bleibt mir doch nur übrig, angenehme Lektüre zu wünschen und vielleicht noch einmal neu darüber nachzudenken, warum diese unsägliche Military SF (wie Moon sie schreibt) eigentlich so viel produziert und gelesen wird. Liegt es am Rassismus der Autor_innen oder an den intellektuellen Fähigkeiten der Leser_innen? Der zweite stammt von Eric M. Edwards:
She’s cloaking racism of a dangerous sort – one linked to her own illogical faith which hasn’t a leg to stand on when it comes to intolerance, violence, and rubbing people the wrong way – with a flawed defense of an America that doesn’t exist, based on American history that never was.Wohl wahr.
Sofern die Zitate im Titel und im Eintrag ins Deutsche übertragen wurden, stammt die Übersetzung von mir.
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Freitag, 17. September 2010
Die Geisterseher
Bemerkenswert ist an Kai Meyers Die Geisterseher aus dem Jahre 1995 vor allem eines: Meyer dürfte — neben Cornelia Funke — der in der englischsprachigen Welt bekannteste deutsche Fantasy-Autor der Gegenwart sein, seine frühen Romane (zu denen Die Geisterseher zählt) verraten aber ausgerechnet den profunden Einfluss deutschsprachiger Trivialliteratur auf Meyers Werk.* Sein frühes Werk, sollte ich vielleicht präzisieren, denn die YA-Trilogien, mit denen Meyer gegenwärtig Erfolge feiert, habe ich gar nicht gelesen.
Stichwort Trivialliteratur. Angesichts der Tatsache, dass deutschsprachige Fantasy überwiegend tief im Schatten angloamerikanischer Vorbilder steht, und nur ab und an mal augenblinzelnd ein paar Schritte ins grelle Licht hinauswagt, lohnt es sich vielleicht, etwas näher darauf einzugehen. Die Geisterseher ist zunächst eine Imitation der sogenannten Bundesromane, von denen Ende des 18. Jahrhunderts etwa 200 Stück erschienen und eine heute kaum mehr beachtete Popularität entwickelten. Es handelte sich gewissermaßen um die deutsche Variante der englischen Schauerromane. Ihren Namen haben sie daher, dass die Handlung meist von einem mächtigen, im Hintergrund agierenden Geheimbund vorangetrieben wird. Die Wirkungsgeschichte des Bundesromans sollte germanistische Nasen zum Rümpfen bringen: An dem Genre entzündete sich nämlich nicht nur E.T.A. Hoffmanns Schreiblust, der gleich zwei Bundesromane im Manuskript verfasste, bevor er als Schriftsteller bekannt wurde, sie aber nie veröffentlichte. Darüber hinaus inspirierten sie auch Schiller zu seinem einzigen Romanfragment Der Geisterseher (das natürlich Meyers Vorbild ist) und beeinflussten Goethes Wilhelm Meister.
Auch die Abenteuer- und Kolportageromane des 19. Jahrhunderts haben bei Meyer ihren Niederschlag gefunden. Ähnlich ist hier vor allem das umfangreiche Figurenensemble, die mit Vorliebe in die Handlung eingeflochtenen historischen Personen (na ja, bei Meyer sind es häufig eigentlich eher historische Wachspuppen) und die oberflächliche Charakterzeichnung, die die handelnden Figuren nur in ihrer Funktion für die Handlung beleuchtet und ihre Motivation dabei oft genug im Halbdunkeln lässt. Letzteres ist etwas, was sich in einigen späteren Romanen Meyers erhalten hat.
Der Autor verhehlt seine Einflüsse nicht, lehnt sich sich eher durch einen bewusst archaisierenden Schreibstil noch enger an die Tradition an. Dieser Stil fällt bei ihm übrigens weniger peinlich aus, als das oft der Fall ist. Um Authentizitätseffekte kümmert er sich ansonsten aber herzlich wenig, und so ist sein klassisches Deutschland besiedelt von Crossdressern, polnisch-patriotischen Schwarzkünstlern und Cagliostro-Fans, die mitten in Warschau in ihrer nicht ganz geheimen Loge eine ägyptisch geschminkte Scharade aufführen und in Las-Vegas-mäßigen Pharaonengewändern den Geheimrat Goethe in Weimar besuchen.**
Auf den Plot will ich hier nicht näher eingehen, das wäre ohne Spoiler schwer möglich. Es kommen Giftmorde, begehrte Manuskripte, kaltblütige Killer und jede Menge Geheimgesellschaften vor. Das eigentliche Thema des Romans ist jedoch, würde ich sagen, der Literaturbetrieb und das Schriftstellersein, von Meyer bissig und unterhaltsam dargestellt: Am Ende entwirft er eine trivialliterarische Utopie des Schreibens und tritt damit jeglichem Geniekult und der feuilletonistischen Kritikerbourgeoisie mit Schmackes gegen’s Schienbein. Allein deshalb lohnt es sich, Die Geisterseher zu lesen.
Meyers Charakterzeichnungen haben es dagegen so rein gar nicht in sich. Die im Roman auftretenden historischen Persönlichkeiten werden meist auf eine einzige Eigenschaft reduziert geschildert: Hoffmann ist der unzuverlässige Säufer, Jacob Grimm ist der kühl kalkulierende Logiker, sein Bruder Wilhelm dagegen spontan und impulsiv etc. Das macht wenig Spaß. Trostpflaster ist lediglich die Darstellung von Literaturplatzhirsch Goethe, der als eiskalter, für seine ›höheren Ziele‹ über Leichen gehender Strippenzieher geradezu zum Proto-Nazi gerät. Ein ganz netter Seitenhieb ist auch der Gastauftritt von Carl Grosse, der — als Unterhaltungsschriftsteller geschmäht — in deutschen Literaturgeschichten eher selten auftaucht.
Mit Die Winterprinzessin ist 1997 eine Fortsetzung erschienen, die aber dem Stoff nichts mehr abgewinnen kann und an dem zunehmend unübersichtlichen Figurenensemble krepiert. Muss man sich nicht reinziehen. Erwähnenswert ist vielleicht eher, dass es mittlerweile auch ein preisgekröntes Geisterseher-Hörspiel gibt. Für Hörspielfans — was ich leider nicht bin — sicherlich eine feine Sache.
Die Geisterseher. Ein unheimlicher Roman aus dem klassischen Weimar ist 1995 bei Rütten & Loening (Hardcover) und neu 2003 bei Bastei (Taschenbuch) erschienen. 1996 und 2009 gab es auch Ausgaben im Aufbau-Taschenbuchverlag. Der Roman hat 361 Seiten.
* Auch innerhalb des deutschen Sprachraums wird Meyer häufig als Beispiel für einen Fantasy-Autor genannt, der bereit ist, in seinem Werk ungewöhnliche Wege zu beschreiten. So z.B. in der SFF-Rundschau des Standard. Ich stimme dem zumindest insoweit zu, als dass ich Meyer jedenfalls für einen lesenswerteren Vertreter der deutschsprachigen Fantasy halte. Allerdings kann ich nicht finden, dass allein schon ein vom ausgefransten pseudo-mittelalterlichen Setting abweichendes Worldbuilding ausreichend ist, um der deutschsprachigen Fantasy neue Impulse zu geben.
** Die rassistische Tradition, die hinter dem Motiv der als Afrikaner_innen kostümierten Weißen steht, scheint Meyer zu entgehen, oder — was schlimmer wäre — er ignoriert sie bewusst.
Stichwort Trivialliteratur. Angesichts der Tatsache, dass deutschsprachige Fantasy überwiegend tief im Schatten angloamerikanischer Vorbilder steht, und nur ab und an mal augenblinzelnd ein paar Schritte ins grelle Licht hinauswagt, lohnt es sich vielleicht, etwas näher darauf einzugehen. Die Geisterseher ist zunächst eine Imitation der sogenannten Bundesromane, von denen Ende des 18. Jahrhunderts etwa 200 Stück erschienen und eine heute kaum mehr beachtete Popularität entwickelten. Es handelte sich gewissermaßen um die deutsche Variante der englischen Schauerromane. Ihren Namen haben sie daher, dass die Handlung meist von einem mächtigen, im Hintergrund agierenden Geheimbund vorangetrieben wird. Die Wirkungsgeschichte des Bundesromans sollte germanistische Nasen zum Rümpfen bringen: An dem Genre entzündete sich nämlich nicht nur E.T.A. Hoffmanns Schreiblust, der gleich zwei Bundesromane im Manuskript verfasste, bevor er als Schriftsteller bekannt wurde, sie aber nie veröffentlichte. Darüber hinaus inspirierten sie auch Schiller zu seinem einzigen Romanfragment Der Geisterseher (das natürlich Meyers Vorbild ist) und beeinflussten Goethes Wilhelm Meister.
Auch die Abenteuer- und Kolportageromane des 19. Jahrhunderts haben bei Meyer ihren Niederschlag gefunden. Ähnlich ist hier vor allem das umfangreiche Figurenensemble, die mit Vorliebe in die Handlung eingeflochtenen historischen Personen (na ja, bei Meyer sind es häufig eigentlich eher historische Wachspuppen) und die oberflächliche Charakterzeichnung, die die handelnden Figuren nur in ihrer Funktion für die Handlung beleuchtet und ihre Motivation dabei oft genug im Halbdunkeln lässt. Letzteres ist etwas, was sich in einigen späteren Romanen Meyers erhalten hat.
Der Autor verhehlt seine Einflüsse nicht, lehnt sich sich eher durch einen bewusst archaisierenden Schreibstil noch enger an die Tradition an. Dieser Stil fällt bei ihm übrigens weniger peinlich aus, als das oft der Fall ist. Um Authentizitätseffekte kümmert er sich ansonsten aber herzlich wenig, und so ist sein klassisches Deutschland besiedelt von Crossdressern, polnisch-patriotischen Schwarzkünstlern und Cagliostro-Fans, die mitten in Warschau in ihrer nicht ganz geheimen Loge eine ägyptisch geschminkte Scharade aufführen und in Las-Vegas-mäßigen Pharaonengewändern den Geheimrat Goethe in Weimar besuchen.**
Auf den Plot will ich hier nicht näher eingehen, das wäre ohne Spoiler schwer möglich. Es kommen Giftmorde, begehrte Manuskripte, kaltblütige Killer und jede Menge Geheimgesellschaften vor. Das eigentliche Thema des Romans ist jedoch, würde ich sagen, der Literaturbetrieb und das Schriftstellersein, von Meyer bissig und unterhaltsam dargestellt: Am Ende entwirft er eine trivialliterarische Utopie des Schreibens und tritt damit jeglichem Geniekult und der feuilletonistischen Kritikerbourgeoisie mit Schmackes gegen’s Schienbein. Allein deshalb lohnt es sich, Die Geisterseher zu lesen.
Meyers Charakterzeichnungen haben es dagegen so rein gar nicht in sich. Die im Roman auftretenden historischen Persönlichkeiten werden meist auf eine einzige Eigenschaft reduziert geschildert: Hoffmann ist der unzuverlässige Säufer, Jacob Grimm ist der kühl kalkulierende Logiker, sein Bruder Wilhelm dagegen spontan und impulsiv etc. Das macht wenig Spaß. Trostpflaster ist lediglich die Darstellung von Literaturplatzhirsch Goethe, der als eiskalter, für seine ›höheren Ziele‹ über Leichen gehender Strippenzieher geradezu zum Proto-Nazi gerät. Ein ganz netter Seitenhieb ist auch der Gastauftritt von Carl Grosse, der — als Unterhaltungsschriftsteller geschmäht — in deutschen Literaturgeschichten eher selten auftaucht.
Mit Die Winterprinzessin ist 1997 eine Fortsetzung erschienen, die aber dem Stoff nichts mehr abgewinnen kann und an dem zunehmend unübersichtlichen Figurenensemble krepiert. Muss man sich nicht reinziehen. Erwähnenswert ist vielleicht eher, dass es mittlerweile auch ein preisgekröntes Geisterseher-Hörspiel gibt. Für Hörspielfans — was ich leider nicht bin — sicherlich eine feine Sache.
Die Geisterseher. Ein unheimlicher Roman aus dem klassischen Weimar ist 1995 bei Rütten & Loening (Hardcover) und neu 2003 bei Bastei (Taschenbuch) erschienen. 1996 und 2009 gab es auch Ausgaben im Aufbau-Taschenbuchverlag. Der Roman hat 361 Seiten.
* Auch innerhalb des deutschen Sprachraums wird Meyer häufig als Beispiel für einen Fantasy-Autor genannt, der bereit ist, in seinem Werk ungewöhnliche Wege zu beschreiten. So z.B. in der SFF-Rundschau des Standard. Ich stimme dem zumindest insoweit zu, als dass ich Meyer jedenfalls für einen lesenswerteren Vertreter der deutschsprachigen Fantasy halte. Allerdings kann ich nicht finden, dass allein schon ein vom ausgefransten pseudo-mittelalterlichen Setting abweichendes Worldbuilding ausreichend ist, um der deutschsprachigen Fantasy neue Impulse zu geben.
** Die rassistische Tradition, die hinter dem Motiv der als Afrikaner_innen kostümierten Weißen steht, scheint Meyer zu entgehen, oder — was schlimmer wäre — er ignoriert sie bewusst.
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Rezensionen
Donnerstag, 16. September 2010
Mind Meld
SF Signal hat einer Reihe von Autor_innen folgende Fragen gestellt: Who are the best female characters in Science Fiction/Fantasy and/or Horror? What makes them the best?
Unter den Befragten sind Nnedi Okorafor, David Anthony Durham (dessen Pride of Carthage, das ich kürzlich gelesen habe, den Bechdel-Test übrigens definitiv nicht besteht), N.K. Jemisin und Elizabeth Hand. Und das beste ist: per Kommentarfunktion kann man seine eigenen Lieblingscharaktere nennen.
Unter den Befragten sind Nnedi Okorafor, David Anthony Durham (dessen Pride of Carthage, das ich kürzlich gelesen habe, den Bechdel-Test übrigens definitiv nicht besteht), N.K. Jemisin und Elizabeth Hand. Und das beste ist: per Kommentarfunktion kann man seine eigenen Lieblingscharaktere nennen.
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David Anthony Durham,
Linktipp,
N.K. Jemisin
Dienstag, 7. September 2010
Märchenmond II
Weiter geht's mit meinem Wolle-H.-Leseprojekt:
S. 112: Die Truppen des Bösewichts Boraas (die mit dem principle of evil swordsmanship) werden im Roman meist als »die Schwarzen« bezeichnet. Nähere Beschreibung eines von ihnen: »Der Körper [...] war nicht menschlich. Schwarzes, drahtiges Haar bedeckte einen muskulösen, affenartigen Körper. Kim schauderte, als er die gebogenen Klauen an den Händen sah. Das Gesicht war flach und ausdruckslos...« Schwarze sind Affen sind böse? Geh denken, Wolle.
S. 113ff.: Kim ist wirklich ein Held. In kürzester Zeit lernt er reiten wie ein Apatsche.
S. 128ff.: Die Truppen des Bösen leiden anscheinend auch an einem principle of evil horsemanship. Im Vergleich zu Kims neuerworbenen Reitkünsten machen sie zu Pferde jedenfalls einen ziemlich belämmerten Eindruck.
S. 134: Nachdem er Boraas' Häschern entronnen ist, ruht sich Kim eine Woche lang bei einer Dachsfamilie aus. Dachse heißen in Märchenmond Taks. Bleibt zu hoffen, dass nicht auch noch Wuckinger und Salazenen auftauchen...
S. 139: Kim ist der Auserwählte. Warum, wird nicht erklärt.
Generell ist zu bemerken, dass die Hohlbeins anscheinend entschlossen sind, kein Klischee auszulassen. Angenehmerweise aber ist das Erzähltempo konstant hoch, so dass man auch weiterhin nicht von ausführlichen, von vornherein zum Scheitern verurteilten Charakterzeichnungen genervt wird. Und ach ja, ganz vergessen: Die von mir benutzte Edition von Märchenmond ist eine 2002 bei Ueberreuter in Wien erschienene Sonderausgabe.
S. 112: Die Truppen des Bösewichts Boraas (die mit dem principle of evil swordsmanship) werden im Roman meist als »die Schwarzen« bezeichnet. Nähere Beschreibung eines von ihnen: »Der Körper [...] war nicht menschlich. Schwarzes, drahtiges Haar bedeckte einen muskulösen, affenartigen Körper. Kim schauderte, als er die gebogenen Klauen an den Händen sah. Das Gesicht war flach und ausdruckslos...« Schwarze sind Affen sind böse? Geh denken, Wolle.
S. 113ff.: Kim ist wirklich ein Held. In kürzester Zeit lernt er reiten wie ein Apatsche.
S. 128ff.: Die Truppen des Bösen leiden anscheinend auch an einem principle of evil horsemanship. Im Vergleich zu Kims neuerworbenen Reitkünsten machen sie zu Pferde jedenfalls einen ziemlich belämmerten Eindruck.
S. 134: Nachdem er Boraas' Häschern entronnen ist, ruht sich Kim eine Woche lang bei einer Dachsfamilie aus. Dachse heißen in Märchenmond Taks. Bleibt zu hoffen, dass nicht auch noch Wuckinger und Salazenen auftauchen...
S. 139: Kim ist der Auserwählte. Warum, wird nicht erklärt.
Generell ist zu bemerken, dass die Hohlbeins anscheinend entschlossen sind, kein Klischee auszulassen. Angenehmerweise aber ist das Erzähltempo konstant hoch, so dass man auch weiterhin nicht von ausführlichen, von vornherein zum Scheitern verurteilten Charakterzeichnungen genervt wird. Und ach ja, ganz vergessen: Die von mir benutzte Edition von Märchenmond ist eine 2002 bei Ueberreuter in Wien erschienene Sonderausgabe.
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Kinder- und Jugendliteratur,
Wolle H.
Samstag, 4. September 2010
Märchenmond I
Die deutsche Fantasy hatte über lange Jahre hinweg ein Problem, das Wolfgang Hohlbein hieß. Der Mann veröffentlichte in manchen Jahren ein Buch pro Monat, recyclete Plots, wärmte die — in der Fantasy selten allzu fernliegende — Gut-Böse-Dichotomie wieder und wieder neu auf und wurde gelesen, gelesen, gelesen. Es ist klar, dass man in Deutschland ein Vielschreiber sein muss, um als hauptberuflicher Fantasyautor leben zu können, und Hohlbein perfektionierte die Vielschreiberei geradezu, indem er sie als Familienunternehmen aufzog. Eine ganze Generation von Leser_innen fand durch das Jugendbuch Märchenmond, von Hohlbein gemeinsam mit seiner Frau Heike verfasst, zur Fantasy. Nach der Lektüre von Märchenmond teilten sich dann in der Regel die Geister: Während die einen auf Hohlbein schwören, ergebene Fans bleiben und die Vielschreiberei ihres Herrn und Meisters geradezu als Qualitätsmerkmal betrachten,* waren die anderen des vierten oder fünften Aufgusses — vom jugendlichen Helden, der Gut und Böse kennenlernt — irgendwann überdrüssig und entdeckten, dass es Fantasy jenseits von Hohlbeins gibt.
Nun soll es hier nicht um die Frage gehen, ob Hohlbeins Werk nur schlecht ist, oder ob der Mann sein Talent totgeschrieben hat. Für mich ist vielmehr interessant, welche Wirkung er auf das Genre in Deutschland ausübte. Märchenmond ist — vielleicht mehr noch als Die unendliche Geschichte — das Buch, das gewissermaßen die Fantasy in Deutschland als eigenständiges Genre etablierte, auch wenn es technisch gesehen schon vorher deutschsprachige Fantasies gab. Wahrscheinlich haben heute andere Bücher (von Hennen oder Hardebusch) diese auslösende Rolle eingenommen, die Massen junger Leser_innen dazu bringt, sich mit Fantasy als Genre zu befassen. Aber Märchenmond stellt in dieser Hinsicht doch eine Pionierleistung dar, die auch viele, die längst mit anspruchsvollerer Literatur beschäftigt sind, weiterhin eine gewisse Wertschätzung dem Buch gegenüber empfinden lassen.
Mir geht es übrigens anders. Ich habe Märchenmond nie gelesen, und meine beginnenden Fantasy-Leseerfahrungen waren neben Tolkien eher von T.H. White, Richard Adams, Lloyd Alexander und Marion Zimmer Bradley geprägt. Und genau deshalb lese ich es heute, aus literaturgeschichtlichem Interesse quasi, und bin dabei auf die bescheuerte Idee gekommen, eine Art Leseprotokoll anzufertigen.** Und damit fange ich jetzt auch gleich mal an. Massive Spoiler werden natürlich kaum zu vermeiden sein.
Wie ist das Ausgangsszenario? Der präpubertäre Protagonist Kim beschäftigt sich lieber mit strunziger Military SF, als seine Hausaufgaben zu machen. Für Märchen und Sagen hat er nichts übrig, die sind für kleine Mädchen. Nun liegt aber Kims vierjährige Schwester im Koma, weil ihr Geist in einer Sekundärwelt namens Märchenmond festgehalten wird und nicht in ihren Körper zurückkehren kann (scheint mir ein reichlich dualistisches Konzept zu sein). Also muss Kim nach Märchenmond reisen, um seine Schwester zu befreien. Da wird er wohl am Ende gelernt haben, dass Märchen für alle da sind, nicht nur für kleine Mädchen, schätze ich.
Einige Punkte, die mir als protokollierenswert aufgefallen sind:
S. 28: Kims Mutter ist Hausfrau. Kims Vater nimmt sich auch dann nicht von der Arbeit frei, wenn seine Tochter im Koma liegt, weil er im Büro besser abgelenkt ist. S. 32: Kims Mutter deckt den Tisch zum Abendessen, Kims Vater sitzt derweil am Fenster und raucht. Nachher spült sie das Geschirr, während er fernsieht. Bei Hohlbeins ist die Welt noch in Ordnung.
S. 40: Der Zauberer Themistokles, der Kim auffordert, nach Märchenmond zu kommen, ist »Gandalf, Merlin und der Mann im Mond«. Sagt er selber. Klar, keine Fantasy für Jugendliche ohne Mentor.
S. 71f.: Der Zauberer Boraas, der Kims Schwester gefangenhält, ist ein Bösewicht. Das merkt man gleich daran, dass er schwarze Kleidung trägt und blaue, knisternde Blitze mit den Händen verschießt. Außerdem legt er Kim dringlich nahe, ihn zu hassen, und der Hass ist natürlich die stärkste Waffe des Bösen.
S. 79: Kim ist ein Held, denn wenn es drauf ankommt, handelt er »rein instinktiv« und macht Boraas' gepanzerte und schwer bewaffnete Gardisten im Akkord platt. Die leiden aber auch an einem besonders schweren Fall des principle of evil marksmanship (wobei, in diesem Fall eher evil swordsmanship), dass sie sich von einem Dreizehnjährigen, dessen Kampferfahrungen sich auf Auseinandersetzungen über nicht gemachte Hausaufgaben beschränken, so dermaßen übers Knie legen lassen.
So weit die erste Protokollrunde. Bis jetzt geht Märchenmond mir ja ganz gut runter. Ist irgendwie nett, als ob man einen Heftroman läse. Auf anstrengende, von vornherein zum Scheitern verurteilte Versuche, Charaktere und Stimmungen zu schildern, verzichten die Hohlbeins dankenswerterweise. Statt dessen gibt's flotte Plotentwicklung. Ich melde mich dann wieder, wenn ich weitergelesen habe.
* Unglaublich, aber wahr: Siehe hier eine Rezension zu Die Nacht des Drachen.
** Eine Rezension zu Märchenmond zu schreiben wäre wohl ein eher müßiges Unterfangen.
Nun soll es hier nicht um die Frage gehen, ob Hohlbeins Werk nur schlecht ist, oder ob der Mann sein Talent totgeschrieben hat. Für mich ist vielmehr interessant, welche Wirkung er auf das Genre in Deutschland ausübte. Märchenmond ist — vielleicht mehr noch als Die unendliche Geschichte — das Buch, das gewissermaßen die Fantasy in Deutschland als eigenständiges Genre etablierte, auch wenn es technisch gesehen schon vorher deutschsprachige Fantasies gab. Wahrscheinlich haben heute andere Bücher (von Hennen oder Hardebusch) diese auslösende Rolle eingenommen, die Massen junger Leser_innen dazu bringt, sich mit Fantasy als Genre zu befassen. Aber Märchenmond stellt in dieser Hinsicht doch eine Pionierleistung dar, die auch viele, die längst mit anspruchsvollerer Literatur beschäftigt sind, weiterhin eine gewisse Wertschätzung dem Buch gegenüber empfinden lassen.
Mir geht es übrigens anders. Ich habe Märchenmond nie gelesen, und meine beginnenden Fantasy-Leseerfahrungen waren neben Tolkien eher von T.H. White, Richard Adams, Lloyd Alexander und Marion Zimmer Bradley geprägt. Und genau deshalb lese ich es heute, aus literaturgeschichtlichem Interesse quasi, und bin dabei auf die bescheuerte Idee gekommen, eine Art Leseprotokoll anzufertigen.** Und damit fange ich jetzt auch gleich mal an. Massive Spoiler werden natürlich kaum zu vermeiden sein.
Wie ist das Ausgangsszenario? Der präpubertäre Protagonist Kim beschäftigt sich lieber mit strunziger Military SF, als seine Hausaufgaben zu machen. Für Märchen und Sagen hat er nichts übrig, die sind für kleine Mädchen. Nun liegt aber Kims vierjährige Schwester im Koma, weil ihr Geist in einer Sekundärwelt namens Märchenmond festgehalten wird und nicht in ihren Körper zurückkehren kann (scheint mir ein reichlich dualistisches Konzept zu sein). Also muss Kim nach Märchenmond reisen, um seine Schwester zu befreien. Da wird er wohl am Ende gelernt haben, dass Märchen für alle da sind, nicht nur für kleine Mädchen, schätze ich.
Einige Punkte, die mir als protokollierenswert aufgefallen sind:
S. 28: Kims Mutter ist Hausfrau. Kims Vater nimmt sich auch dann nicht von der Arbeit frei, wenn seine Tochter im Koma liegt, weil er im Büro besser abgelenkt ist. S. 32: Kims Mutter deckt den Tisch zum Abendessen, Kims Vater sitzt derweil am Fenster und raucht. Nachher spült sie das Geschirr, während er fernsieht. Bei Hohlbeins ist die Welt noch in Ordnung.
S. 40: Der Zauberer Themistokles, der Kim auffordert, nach Märchenmond zu kommen, ist »Gandalf, Merlin und der Mann im Mond«. Sagt er selber. Klar, keine Fantasy für Jugendliche ohne Mentor.
S. 71f.: Der Zauberer Boraas, der Kims Schwester gefangenhält, ist ein Bösewicht. Das merkt man gleich daran, dass er schwarze Kleidung trägt und blaue, knisternde Blitze mit den Händen verschießt. Außerdem legt er Kim dringlich nahe, ihn zu hassen, und der Hass ist natürlich die stärkste Waffe des Bösen.
S. 79: Kim ist ein Held, denn wenn es drauf ankommt, handelt er »rein instinktiv« und macht Boraas' gepanzerte und schwer bewaffnete Gardisten im Akkord platt. Die leiden aber auch an einem besonders schweren Fall des principle of evil marksmanship (wobei, in diesem Fall eher evil swordsmanship), dass sie sich von einem Dreizehnjährigen, dessen Kampferfahrungen sich auf Auseinandersetzungen über nicht gemachte Hausaufgaben beschränken, so dermaßen übers Knie legen lassen.
So weit die erste Protokollrunde. Bis jetzt geht Märchenmond mir ja ganz gut runter. Ist irgendwie nett, als ob man einen Heftroman läse. Auf anstrengende, von vornherein zum Scheitern verurteilte Versuche, Charaktere und Stimmungen zu schildern, verzichten die Hohlbeins dankenswerterweise. Statt dessen gibt's flotte Plotentwicklung. Ich melde mich dann wieder, wenn ich weitergelesen habe.
* Unglaublich, aber wahr: Siehe hier eine Rezension zu Die Nacht des Drachen.
** Eine Rezension zu Märchenmond zu schreiben wäre wohl ein eher müßiges Unterfangen.
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Kinder- und Jugendliteratur,
Wolle H.
Mittwoch, 1. September 2010
JRRT über Blok
Cor Bloks Illustrationen zum Lord of the Rings werden von Tolkien-Fans regelmäßíg verspottet. Kann ich verstehen, weil ich sie auch eher skurril als passend finde. John D. Rateliff hat nun auf seinem Blog einen Eintrag veröffentlicht, der auf Bloks Motivation und Tolkiens Meinung zu dessen Bildern eingeht, und sich außerdem an einer fantasykunstgeschichtlichen Einordnung des niederländischen Illustrators versucht.
Bloks Bilder finde ich deshalb nicht schöner, aber Rateliff erhellt Hintergründe und erleichert das Verständnis, so dass ich die Illustrationen in Zukunft vielleicht mit anderen Augen betrachten kann.
Bloks Bilder finde ich deshalb nicht schöner, aber Rateliff erhellt Hintergründe und erleichert das Verständnis, so dass ich die Illustrationen in Zukunft vielleicht mit anderen Augen betrachten kann.
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J.R.R. Tolkien
Donnerstag, 19. August 2010
Dunkle Pilze
Was Fantasy und SF so unterhaltsam (und bedenklich) macht ist nicht zuletzt die Tatsache, dass spekulative Literatur — Phantastik — wie auch immer man das zusammenfassen will — ein Tummelplatz verschrobenster und spinnerter Theorien und Ideologien ist. Man denke nur an die in SF-Kreisen insbesondere von Vernor Vinge angefachte Singularitätsdebatte und den damit eng zusammenhängenden, faszinierend-abstoßenden Schmarrn, mit dem der sogenannte Transhumanismus von sich reden macht. Komplementär dazu verlaufen die regelmäßig auftretenden Mutmaßungen, wie spekulative Literatur politische Entwicklungen beeinflusst. Mein Favorit in dieser Hinsicht: Isaac Asimovs Foundation-Romane sollen die Inspiration für Osama Bin Laden gewesen sein.*
Aber zurück zur Phantastik und ihren Ideologien. Lake Hermanstadt kennt sie alle und stellt hier listenartig einige häufig anzutreffende Beispiele dar:
Damit ist bereits gesagt, dass ich keinen endemischen Zusammenhang zwischen Phantastik und ideologischem Obskurantismus sehe. Bleibt die Frage, warum der Zusammenhang dennoch oft genug auftritt? Meine persönliche Vermutung geht dahin, dass SFF in vielerlei Hinsicht halt immer noch ein Schmuddelgenre ist, das im Verborgenen blüht. Ganz ähnlich verhält es sich mit gewissen Weltanschauungen, die — genau wie Pilze — am besten im Keller wachsen.
** Weitere Inspirationsquellen von Eine Billion Dollar sind Umberto Ecos Thesen über ein neues Mittelalter und Carl Amerys eindrücklich-erschreckender Essay Hitler als Vorläufer. Wer Eschbachs freiwirtschaftliche Ansichten lieber in Kurzform lesen möchte, sei auf seinen Aufsatz in Briefe an den Reichtum (hrsg. von Carl Amery), Luchterhand, München 2005 verwiesen.
*** Die Liste beinhaltet noch zwei weitere Fantasy-Romane: den LotR (Platz 5) und Das Buch Mormon (Platz 8).
**** Vgl. Hauser, Linus, Möge die Macht mit dir sein! Was Science Fiction und Religion miteinander zu tun haben, in: Jeschke, Wolfgang/Mamczak, Sascha (Hgg.), Das Science-Fiction-Jahr 2003, München 2003, 15—68. Darin auch Weiterführendes über Himmelsreisen, apokalyptisches Denken, CAW, Erich von Däniken und mögliche SF-Spiritualitäten, die ohne größenwahnsinnige Allmachtsphantasien auskommen.
Aber zurück zur Phantastik und ihren Ideologien. Lake Hermanstadt kennt sie alle und stellt hier listenartig einige häufig anzutreffende Beispiele dar:
- Die Freiwirtschaftslehre Silvio Gesells fristet ein Schattendasein am Rande der etablierten ökonomischen Theorien. Großer Beliebtheit erfreut sie sich dagegen in einigen kirchlichen Kreisen, die mit missionarischem Eifer für die Anwendung von Gesells Theorien eintreten und in ihnen die Lösung aller sozialen Ungerechtigkeit sehen. Die Freiwirtschaftslehre fordert, kürzestens zusammengefasst, dreierlei: Geld soll mit einem negativen Zins belastet werden, damit es nicht gehortet werden kann, Privatbesitz an Boden soll in öffentliches Eigentum überführt werden, und es soll ein weltweites Freihandelssystem etabliert werden. Eine etwas krude Mischung aus eher linken Ideen einerseits und libertär-kapitalistischen Auffassungen andererseits also. Zum historischen Hintergrund: Der Deutsch-Argentinier Silvio Gesell (1872—1930) entwickelte seine wirtschaftspolitischen Ansichten in Argentinien, saß kurzzeitig in der Regierung der Münchner Räterepublik und übte später einigen Einfluss auf die Lebensreformbewegung aus. Sein Sohn Carlos baute ab 1932 nach lebensreformerischen Ideen das Seebad Villa Gesell südlich von Buenos Aires auf. Eine lokal begrenzte Anwendung erfuhren Teile von Gesells Theorien in den bekannten Regionalwährungen. Problem: Deren gelegentlicher Erfolg führt Gesell-Anhänger_innen zu schwärmerischen Lobreden auf die Freiwirtschaftslehre, die mitunter schwerer abzustellen sind als ein Zeuge Jehovas im vollen Bekehrungseifer. Kritiker_innen sehen in Positionen Gesells zudem eine gewisse Nähe zum Antisemitismus.
In der Fantasy war es Michael Ende, der in Momo Gesells Geldtheorie auf quasi-allegorische Weise verwurstete. Und in der SF schrieb Andreas Eschbach mit Eine Billion Dollar gleich einen dicken Roman von über 700 Seiten, der nahezu komplett auf der Freiwirtschaftslehre beruht: Anhand von Aufstieg und Fall eines italoamerikanischen Billionärs referiert Eschbach, warum nach Ansicht von Freiwirtschaftler_innen das gegenwärtige Wirtschaftssystem nicht funzt. Wer sich mit dem Thema beschäftigen will, aber auf das öde Sektierertum der freiwirtschaftlichen Gruppen und Institutionen allergisch reagiert, sollte zu Eschbachs Schmöker greifen, der tatsächlich ein sehr kurzweiliges, mehr von einer spannenden Story als von Missionseifer getragenes Garn ist.**
- Michael Ende war bekanntlich nicht nur ein Fan Silvio Gesells, sondern sympathisierte auch mit der Anthroposophie Rudolf Steiners. Die ist mit ihren Atlantis-Spekulationen, ihrem Reinkarnationsglauben und ihrer Akasha-Chronik ein schlagender Beweis für Jorge Luis Borges' Diktum, dass die metaphysische Literatur letztlich ein Zweig der Phantastik sei. Ein in Phantastik-Kreisen recht bekannter Anthroposoph war Owen Barfield, Mitglied der berühmten Inklings und enger Freund von C.S. Lewis. Ein eher ambivalentes Verhältnis zur Anthroposophie pflegte dagegen William Golding (als Verfasser des dystopischen Lord of the Flies — beklagenswerterweise — ein klassischer Ein-Buch-Autor), der gleichwohl Lehrer an einer steinerianisch geprägten Schule war und enge persönliche Kontakte zu anthroposophischen Kreisen unterhielt.
Die Kritik an der Anthroposophie ist hinlänglich bekannt, eine Übersicht findet sich hier.
- Ein besonders skurriles Beispiel für in der Fantasy wirksame Ideologien gibt der sogenannte Objektivismus ab. Dieser ist eine von der russisch-amerikanischen Schriftstellerin Ayn Rand begründete Philosophie, welche sich vor allem durch Dummdenksätze wie »Existenz existiert« und einen ausgeprägten Sozialdarwinismus (mit anarchokapitalistischer Schlagseite) auszeichnet. Rand selbst legte ihre sozialphilosophischen Ansichten in der legendär langweiligen Romanutopie Atlas Shrugged ausführlich dar. In einer Books That Made a Difference in Readers' Lives betitelten Umfrage belegt das monumentale Werk den zweiten Platz.*** Ungleich bekannter dürfte in der Fantasy-Gemeinde aber Terry Goodkinds vielbändiger Zyklus Sword of Truth sein, ein offener Versuch, Rands ›Objektivismus‹ populärliterarisch darzustellen. Die Leser_innen von SoT teilen sich, grob gesagt, folgendermaßen auf: einerseits in einen gar nicht mal so kleinen Zirkel ergebener Fans und andererseits in diejenigen, die den Zyklus der wohlverdienten Lächerlichkeit preisgeben wollen. Rands Einfluss reicht allerdings weit über die phantastische Literatur hinaus und erstreckt sich auf so einflussreiche Persönlichkeiten wie den Wikipedia-Gründer Jimmy Wales und den früheren Chef der US-Notenbank Alan Greenspan. Unverhohlen begeistert über Rand zeigte sich kürzlich die FAZ. Schön deutlich aufs Korn genommen wird sie dagegen in Matt Ruffs Trilogie der Stadtwerke.
- Das Mormonentum könnte man als eine Religion bezeichnen, deren Gründung gewissermaßen auf einen Fantasy-Roman zurückgeht. Es gibt darüber hinaus jedoch auch ein spezifisches Genre mormonischer Fantasy/SF. Die bekanntesten Beispiele dürften die Romanzyklen Orson Scott Cards sowie Tathea und Come Armageddon von Anne Perry darstellen. Häufig wird auch (nicht unbegründet) gemutmaßt, dass Stephenie Meyers strenge mormonische Moral einen profunden Einfluss auf ihre Twilight-Serie haben könnte.
- Gewissermaßen umgekehrt verhält es sich mit Robert A. Heinleins Roman Stranger in a Strange Land (1961). Darin wird eine fiktive Religion beschrieben, welche sieben Jahre nach Erscheinen des Buchs auch in der wirklichen Welt Gestalt annahm, und zwar in Form der neopaganistischen Church of All Worlds (CAW). Die schreibt in ihrem Selbstverständnis über sich und ihre Mitglieder:
"CAW envisions the religious and psychological development of the Soul as embryonic. In recognition of this, CAW members will often refer to themselves as 'Eggs'."
Was der olle Militarist und Rechtsausleger Heinlein von solchen eierköpfigen Hippie-Späßen hielt, entzieht sich leider meiner Kenntnis.
- Der Vollständigkeit halber muss natürlich erwähnt werden, dass die berühmt-berüchtige Scientology als eine SF-Spinnerei ihres Gründers L. Ron Hubbard begann.****
Damit ist bereits gesagt, dass ich keinen endemischen Zusammenhang zwischen Phantastik und ideologischem Obskurantismus sehe. Bleibt die Frage, warum der Zusammenhang dennoch oft genug auftritt? Meine persönliche Vermutung geht dahin, dass SFF in vielerlei Hinsicht halt immer noch ein Schmuddelgenre ist, das im Verborgenen blüht. Ganz ähnlich verhält es sich mit gewissen Weltanschauungen, die — genau wie Pilze — am besten im Keller wachsen.
** Weitere Inspirationsquellen von Eine Billion Dollar sind Umberto Ecos Thesen über ein neues Mittelalter und Carl Amerys eindrücklich-erschreckender Essay Hitler als Vorläufer. Wer Eschbachs freiwirtschaftliche Ansichten lieber in Kurzform lesen möchte, sei auf seinen Aufsatz in Briefe an den Reichtum (hrsg. von Carl Amery), Luchterhand, München 2005 verwiesen.
*** Die Liste beinhaltet noch zwei weitere Fantasy-Romane: den LotR (Platz 5) und Das Buch Mormon (Platz 8).
**** Vgl. Hauser, Linus, Möge die Macht mit dir sein! Was Science Fiction und Religion miteinander zu tun haben, in: Jeschke, Wolfgang/Mamczak, Sascha (Hgg.), Das Science-Fiction-Jahr 2003, München 2003, 15—68. Darin auch Weiterführendes über Himmelsreisen, apokalyptisches Denken, CAW, Erich von Däniken und mögliche SF-Spiritualitäten, die ohne größenwahnsinnige Allmachtsphantasien auskommen.
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Ideologiekritik
Dienstag, 17. August 2010
in the midst of a dragon
In the midst of a dragon: a jewel, resting at the apex of a high heap of red gold. Its many smooth facets mirror only deep darkness, as colourless as the black of the eyes of Death himself. And yet it glows from within with a deep red blood-red light, illuminating nothing.
In this eternal night, in this never-changing light, time does not exist; it is outside where there is life and death, joy and pain, and strife.
But then a new light enters.
In this eternal night, in this never-changing light, time does not exist; it is outside where there is life and death, joy and pain, and strife.
But then a new light enters.
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Märe und Märchen
Donnerstag, 12. August 2010
Der Boom, das Genre und die Snobs
Kürzlich, als ich vor das Fantasy-Regal der Bahnhofsbuchhandlung treten wollte, fand ich die Sicht versperrt durch eine breitschultrige, langhaarige Gestalt im schwarzen, mit gekreuzten Schwertern bedruckten Sweatshirt.
Darüber hinaus wollte ich mich mit Andrea Bottlingers Artikel »Die Zukunft der Fantasy — was bleibt?« eigentlich gar nicht auseinandersetzen. Dass der Text genre-historisch etwas unklar ist, wurde bereits bemerkt. Diskutiert wird über den Artikel aller Orten (hier, hier und hier auch). Dann ist mir beim zweiten Lesen des Essays und beim Überfliegen der Diskussionen folgendes aufgefallen: Andrea Bottlinger fragt, ob der Fantasy-Boom bald ein Ende haben wird. Ich frage mich darauf erneut etwas, was mir schon seit längerem im Hinterkopf herumspukt: Von welchem Fantasy-Boom reden wir eigentlich? Bottlingers Text lässt mich in dieser Hinsicht etwas ratlos zurück:
Andererseits lässt sich wohl kaum behaupten, dass die Neuübersetzung des LotR eine vergleichbare Entwicklung ausgelöst hätte. Tolkien-Fans kritisierten Wolfgang Kreges Übersetzung heftig. Sie erschien jedoch nahezu zeitgleich mit der Verfilmung durch Peter Jackson und war für diejenigen, die nach den Filmen den Roman erstmals oder erneut lesen wollten, viel leichter erhältlich als die alte Übersetzung, die zeitweilig nur noch antiquarisch verfügbar war. Vor dem Hintergrund der LotR-Verfilmung muss man wohl auch die Welle der sogenannten Völkerromane sehen, die marketingtechnisch kaum ohne Tolkien-Bezug auskamen, inzwischen aber ein beträchtliches Eigenleben entwickelt haben.
Nun bin ich weder Marktforscher noch im Verlagswesen tätig, aber irgendwie bezweifle ich stark, dass jugendliche Fans von Harry Potter oder der Bis(s)-Romane sich als Teil eines allgemeinen Fantasy-Booms verstehen bzw. sich als Konsument_innen auch nur entsprechend verhalten würden. Oder sollte es tatsächlich vorkommen, dass Leute in Buchhandlungen sagen, »Ich habe mich gerade von den Fantasy-Romanen Stephenie Meyers hervorragend unterhalten gefühlt und habe gehört, dass J.R.R. Tolkien ein klassischer Vertreter des Genres sei. Da würde ich gerne mal reinlesen...« ? Gibt es Leute, die en masse auf Markus Heitz umgestiegen sind, nachdem sie die Bände von Lemony Snicket oder J.K. Rowling ausgelesen haben? Und wenn nicht, wie kann man dann von einem allgemeinen Fantasy-Boom reden? Im Kino mag das ja seine Berechtigung haben, mit Verfilmungen von Tolkien und Lewis bis hin zu Funke und Paolini, aber darüber hinaus doch wohl kaum. Niemand würde aus den augenscheinlich unzusammenhängenden Tatsachen, dass einerseits die Romane Umberto Ecos beständig neu aufgelegt werden, und dass andererseits zahlreiche Menschen allsonntäglich ihren Tatort gucken, einen ›Krimi-Boom‹ konstruieren.
Müsste die Frage also nicht eher lauten, welche Fantasy gegenwärtig boomt oder auch nicht? Vor dem Hintergrund dieser neuen Fragestellung könnte man dann auch getrost darauf verzichten, anhand der von einzelnen Autor_innen ausgelösten Hypes — die wohl immer wieder vorkommen werden — den Aufstieg oder Niedergang eines ganzen Genres zu prophezeien. Etwas ähnliches meint wohl auch Andrea Bottlinger zum Ende ihres Artikels:
Noch ein anderes Element scheint mir in die Rede vom Fantasy-Boom, den es so vielleicht gar nicht gibt, mit hineinzuspielen: Eine Fantasy-Schwemme reden nämlich — gerne und immer wieder — schnöselige SF-Fans herbei, die nicht mit dem Klischeebild vom pubertären Pickelgesicht, das in seiner Fantasie Drachen jagt und Elfen anhimmelt, in Verbindung gebracht werden wollen. Dabei verraten sie einerseits ihre Ahnungslosigkeit, was den literaturgeschichtlichen Zusammenhang zweier Genres angeht, andererseits perpetuieren sie das Klischee von der »seriell[en] Fluchtliteratur« (Linus Hauser), die Fantasy im Gegensatz zur angeblich intelligenten und kreativen SF sei. Gegenwärtig zum Beispiel im oben bereits verlinkten Diskussionsthread des Phantastik-Couch-Forums:
Ich stimme Andrea Bottlinger darin zu, dass Fantasy heute vielfältiger ist als je zuvor. Ich stimme allerdings darin nicht mit ihr überein, dass die Erklärung dieser Tatsache in einem plötzlich auftretenden Boom liege. Fantasy ist mittlerweile ein altes Genre, das schon zu seiner Anfangszeit nicht homogen war und sich im Laufe vieler Jahre — wie wahrscheinlich jedes Genre — immer weiter ausdifferenziert hat. Und selbst wenn die Ablehnung gewisser Hard-SF-Borniertheiten nicht ausreichte, die Rede vom Boom sein zu lassen, wäre allein diese enorme Differenziertheit Grund genug für mich. Ein angeblich unterschiedsloser Boom verträgt sich nämlich schlecht mit einem unterschiedsreichen Genre.
* Dabei hat China Miéville selbst sein durchschlagendes Werk sehr klug und Genre-Mauern niederreißend als SF im Fantasy-Gewand definiert.
Was hat das zu bedeuten? Wird aus der gesamten Fantasy-Familie nur die Romantasy erfolgreich bleiben, während der Rest tatsächlich wiederum nur von Rollenspielern und Metal-Fans gelesen wird?So hätte es mir in diesem Moment wohl durch den Kopf schießen sollen. Sobald ich mich jedoch durchgedrängelt hatte, bewegte mich schon etwas anderes: Meine kurzsichtigen Augen interpretierten einen aufrecht im Regal stehenden Titel fälschlicherweise als Die Berber, und ich fragte mich einen Moment lang verwirrt, wo solche denn bei Tolkien erwähnt werden. Recht bald erkannte ich allerdings meinen Irrtum und fand auch für die Anwesenheit des Metallers die befriedigende Erklärung, dass gerade — von mir unbemerkt — Wacken-Wochenende war.
Darüber hinaus wollte ich mich mit Andrea Bottlingers Artikel »Die Zukunft der Fantasy — was bleibt?« eigentlich gar nicht auseinandersetzen. Dass der Text genre-historisch etwas unklar ist, wurde bereits bemerkt. Diskutiert wird über den Artikel aller Orten (hier, hier und hier auch). Dann ist mir beim zweiten Lesen des Essays und beim Überfliegen der Diskussionen folgendes aufgefallen: Andrea Bottlinger fragt, ob der Fantasy-Boom bald ein Ende haben wird. Ich frage mich darauf erneut etwas, was mir schon seit längerem im Hinterkopf herumspukt: Von welchem Fantasy-Boom reden wir eigentlich? Bottlingers Text lässt mich in dieser Hinsicht etwas ratlos zurück:
In den letzten 10 Jahren haben sich die großen, die wirklich großen Fantasy-Bestseller beinahe lückenlos aneinandergereiht. „Harry Potter“ und die neue Übersetzung des „Herrn der Ringe“ haben den Boom begonnen. Dann kamen „Eragon“, die Tintenwelt-Trilogie und zuletzt die „Bis(s)“-Reihe.Konkret frage ich mich, welche Induktionsleistung vollbracht werden muss, um diese Aufzählung von Phänomenen als zusammenhängenden ›Fantasy-Boom‹ wahrnehmen zu können? Wahr ist natürlich, dass J.K. Rowling und Stephenie Meyer jeweils einen Boom ausgelöst und eine Welle von Imitationen hervorgerufen haben. Man kann wohl auch sagen, dass das Erscheinen dieser beiden Autorinnen wesentlich zur Konsolidierung eines neuen Marktsegments beigetragen hat, welches wahlweise als Young-Adult- oder All-Age-Literatur bezeichnet wird. Darunter könnte man dann sicherlich auch Eragon und die Tintentrilogie subsummieren.
Andererseits lässt sich wohl kaum behaupten, dass die Neuübersetzung des LotR eine vergleichbare Entwicklung ausgelöst hätte. Tolkien-Fans kritisierten Wolfgang Kreges Übersetzung heftig. Sie erschien jedoch nahezu zeitgleich mit der Verfilmung durch Peter Jackson und war für diejenigen, die nach den Filmen den Roman erstmals oder erneut lesen wollten, viel leichter erhältlich als die alte Übersetzung, die zeitweilig nur noch antiquarisch verfügbar war. Vor dem Hintergrund der LotR-Verfilmung muss man wohl auch die Welle der sogenannten Völkerromane sehen, die marketingtechnisch kaum ohne Tolkien-Bezug auskamen, inzwischen aber ein beträchtliches Eigenleben entwickelt haben.
Nun bin ich weder Marktforscher noch im Verlagswesen tätig, aber irgendwie bezweifle ich stark, dass jugendliche Fans von Harry Potter oder der Bis(s)-Romane sich als Teil eines allgemeinen Fantasy-Booms verstehen bzw. sich als Konsument_innen auch nur entsprechend verhalten würden. Oder sollte es tatsächlich vorkommen, dass Leute in Buchhandlungen sagen, »Ich habe mich gerade von den Fantasy-Romanen Stephenie Meyers hervorragend unterhalten gefühlt und habe gehört, dass J.R.R. Tolkien ein klassischer Vertreter des Genres sei. Da würde ich gerne mal reinlesen...« ? Gibt es Leute, die en masse auf Markus Heitz umgestiegen sind, nachdem sie die Bände von Lemony Snicket oder J.K. Rowling ausgelesen haben? Und wenn nicht, wie kann man dann von einem allgemeinen Fantasy-Boom reden? Im Kino mag das ja seine Berechtigung haben, mit Verfilmungen von Tolkien und Lewis bis hin zu Funke und Paolini, aber darüber hinaus doch wohl kaum. Niemand würde aus den augenscheinlich unzusammenhängenden Tatsachen, dass einerseits die Romane Umberto Ecos beständig neu aufgelegt werden, und dass andererseits zahlreiche Menschen allsonntäglich ihren Tatort gucken, einen ›Krimi-Boom‹ konstruieren.
Müsste die Frage also nicht eher lauten, welche Fantasy gegenwärtig boomt oder auch nicht? Vor dem Hintergrund dieser neuen Fragestellung könnte man dann auch getrost darauf verzichten, anhand der von einzelnen Autor_innen ausgelösten Hypes — die wohl immer wieder vorkommen werden — den Aufstieg oder Niedergang eines ganzen Genres zu prophezeien. Etwas ähnliches meint wohl auch Andrea Bottlinger zum Ende ihres Artikels:
[D]ie gesellschaftliche Akzeptanz des Genres [ist] gestiegen. Eine ganze Generation ist mit „Harry Potter“, „Tintenherz“ und „Bis(s) zum Morgengrauen“ aufgewachsen. Die Chancen, dass diese Generation immer wieder gelegentlich zum Fantasy-Roman greifen wird wie viele Leute heutzutage zum Krimi – ohne sich groß etwas dabei zu denken und ohne einen Haufen Vorurteile – stehen recht gut.Die Ursachen für diesen Akzeptanzgewinn würde ich aber eher in einem langjährigen Reifeprozess als im sogenannten Boom sehen. Denn früher sind ganze Generationen mit Michael Ende, dem Herrn der Ringe oder mit Star Wars aufgewachsen. Auch mit Dune oder Stephen King. Und gerüchtehalber soll es immer wieder auch Einzelne geben, die mit Lovecraft, Dick oder Moorcock aufwachsen. All das wird zur wachsenden Akzeptanz der Fantasy bzw. der spekulativen Literatur insgesamt beigetragen haben.
Noch ein anderes Element scheint mir in die Rede vom Fantasy-Boom, den es so vielleicht gar nicht gibt, mit hineinzuspielen: Eine Fantasy-Schwemme reden nämlich — gerne und immer wieder — schnöselige SF-Fans herbei, die nicht mit dem Klischeebild vom pubertären Pickelgesicht, das in seiner Fantasie Drachen jagt und Elfen anhimmelt, in Verbindung gebracht werden wollen. Dabei verraten sie einerseits ihre Ahnungslosigkeit, was den literaturgeschichtlichen Zusammenhang zweier Genres angeht, andererseits perpetuieren sie das Klischee von der »seriell[en] Fluchtliteratur« (Linus Hauser), die Fantasy im Gegensatz zur angeblich intelligenten und kreativen SF sei. Gegenwärtig zum Beispiel im oben bereits verlinkten Diskussionsthread des Phantastik-Couch-Forums:
Wenn ich "Fantasy" schon höre, dann läuft es mir im Normalfall eiskalt den Rücken runter. Wer erinnert sich noch an die tolle Heyne-Reihe "SF & Fantasy". Auseinandergehalten wurden die Segmente, indem auf dem Rücken entweder ein SF oder F zu lesen war. Ende der 80iger Jahre brummte die Fantasy schon einmal. Der ganze Avalon und Drachenquark schwappte aus Amiland zu uns rüber und ertränkte in einer Fantasy-Rosamunde Pilcher Plörre die SF. [...] Für mich [...] hat damals die Fantasy die SF zu Grabe getragen.Merke: Früher war alles besser, da haben einem wenigstens die Verlage noch gesagt, was F und was SF ist. Aber dann boomt plötzlich die Fantasy, und man kann nix mehr so richtig auseinanderhalten — oder man muss halt den eigenen Grips anstrengen, denn in Wahrheit hat die säuberliche Schubladisierung noch nie so richtig funktioniert. Ich erinnere nur an das empörte Geschrei der sich betrogen fühlenden Hard-SF-Snobs, als Perdido Street Station bei Bastei erschien und auf dem Rücken die SF-Kennzeichnung trug.*
Ich stimme Andrea Bottlinger darin zu, dass Fantasy heute vielfältiger ist als je zuvor. Ich stimme allerdings darin nicht mit ihr überein, dass die Erklärung dieser Tatsache in einem plötzlich auftretenden Boom liege. Fantasy ist mittlerweile ein altes Genre, das schon zu seiner Anfangszeit nicht homogen war und sich im Laufe vieler Jahre — wie wahrscheinlich jedes Genre — immer weiter ausdifferenziert hat. Und selbst wenn die Ablehnung gewisser Hard-SF-Borniertheiten nicht ausreichte, die Rede vom Boom sein zu lassen, wäre allein diese enorme Differenziertheit Grund genug für mich. Ein angeblich unterschiedsloser Boom verträgt sich nämlich schlecht mit einem unterschiedsreichen Genre.
* Dabei hat China Miéville selbst sein durchschlagendes Werk sehr klug und Genre-Mauern niederreißend als SF im Fantasy-Gewand definiert.
Dienstag, 10. August 2010
Tochter der Traumdiebe
Ich meine mich an ein gewisses Tuscheln erinnern zu können, als dieser Roman in deutscher Übersetzung erschien, über Moorcocks ›Fantasy, die bei den Nazis spielt‹. Viel mehr war dann aber auch nicht: Tochter der Traumdiebe erschien 2002 bei Heyne, wurde dann mit Heynes gesamtem Fantasy-Programm von Piper übernommen, wo der Roman 2005 noch einmal erschien. Beide Verlage kündigten ihn als Auftakt zu einer Trilogie an, es kam aber nie zu Übersetzungen der Folgebände The Skrayling Tree und The White Wolf’s Son. Für mich ein Zeichen, dass Fantasy im moorcockschen Stil auf dem deutschsprachigen Markt derzeit nicht viel zu melden hat. Mittlerweile ist Tochter der Traumdiebe nur noch antiquarisch verfügbar, was aber niemanden davon abhalten sollte, sich ein Exemplar zu besorgen und zu lesen. Die Handlung ist in sich abgeschlossen, so dass auch Leser_innen, die sich englische Romane nicht zutrauen, es getrost mit Tochter der Traumdiebe versuchen können. Allenfalls empfiehlt es sich, mit der Geschichte Elric von Melnibonés vertraut zu sein, um die Hintergründe der Handlung zu verstehen.
In einer kurzen Vorbemerkung behauptet Moorcock, Tochter der Traumdiebe sei ein historischer Roman. Dies kann ich allerdings nur als Ironie auffassen – was zum moorcockschen Multiversum, in dem sich Genres und Stile, E und U, Surreales und Reales frei miteinander vermischen und die reine Subversion herrscht, ja auch hervorragend passt. In diesem Roman hält Moorcock sich jedenfalls nicht mit historischen Details auf, sondern würfelt sie bunt durcheinander und haut nicht selten voll daneben, wenn er besonders authentisch klingen will. Mitunter fragt man sich, ob Moorcock sich einen Scherz erlaubt hat, vielleicht auch schlicht einer Verwechslung erlegen ist, oder ob das Lektorat etwas zu verschlafen zu Werke gegangen ist, etwa wenn SS-Schergen statt mit Walther PPKs mit Werther (sic!) PPKs herumballern. Nein, Tochter der Traumdiebe ist kein historischer Roman über den deutschen Faschismus, sondern reine Nazi-Exploitation im Fantasy-Gewand. Hier werden Nazis von halbverrückten Gottheiten gequält, mit Runenschwertern massakriert und sogar von Drachen verkohlt, dass es eine Lust ist.
Die Handlung setzt Mitte der 30er Jahre in Sachsen ein, wo der Albino Ulric (sic!), der Graf von Bek, als einsamer letzter Sprössling seiner Familie auf seinem Schloss sitzt und versucht, zu einer Widerstandsgruppe gegen die verachteten Nazis Kontakt aufzunehmen. Diese scheinen Interesse zu hegen an einigen von der Familie Bek gehüteten Artefakten. Vor allem sind sie hinter dem schwarzen Schwert (sic!) Rabenbrand her, und daneben spüren sie Legenden nach, denen zufolge die Familie Bek den Heiligen Gral beschützt. Das Schwert hat Ulric in seinem Besitz und verspürt wenig Lust, es herzugeben. Den Gral hat er jedoch nie gesehen und tut ihn als Mythos ab.* Nicht so die Nazis, die Ulric immer mehr bedrängen und ihn schließlich in ein KZ verschleppen. Dort kommt dem Grafen – als geisterhafte Erscheinung – Elric von Melniboné zu Hilfe, der jedoch in unserer Welt keine körperliche Gestalt annehmen kann und infolgedessen mit seinem alter ego Ulric verschmilzt wie weiland der drogenberauschte Allan Quatermain mit seinem steinzeitlichen Vorfahren.
Da Ulric die Handlung aus der Ich-Perspektive erzählt, ist dies ein Leckerbissen für Moorcock-Fans. Ulric verabscheut Gewalt und will die Nazis als Demokrat bekämpfen. Elric dagegen ... ist eben Elric. Hin- und hergerissen zwischen seiner halbgöttlichen Herkunft als Drachenkaiser von Melniboné und seiner Sympathie für die gewöhnlichen Sterblichen, zwischen seinen moralischen Skrupeln und seiner melnibonéischen Lust an der Grausamkeit. Der Graf von Bek, der in surreal geschilderten Passagen mit Elric eins wird, schwankt zwischen Entsetzen und Bewunderung über sein zweites Ich.
Die Handlung ist, wie meist bei Moorcock, eine aberwitzige Reise zwischen Welten und Dimensionen. Zwischen Tanelorn, deutschen Kleinstädten und den Drachenhöhlen von Melniboné liegt manchmal nur ein Traum. Überwiegend spielt Tochter der Traumdiebe aber in Deutschland, in dem fiktiven mitteleuropäischen Kleinstaat Waldenstein und in der unterirdischen Welt Mittelmark. Der Fürst von Waldenstein, Paul Gaynor St. Odhran Badehoff-Krasny von Minct, ist der große Bösewicht der Geschichte, wie Kenner_innen an seinem Namen unschwer bemerken werden. Paul von Minct ist ein Mussolini-Bewunderer und Nihilist, den seine Gier nach der Leere der Macht zum Nazi-Kollaborateur werden lässt. Seine Vision der Welt ist ein aus menschlichen Knochen erbauter Palast in einer Wüste – »offensichtlich das Werk geistreicher Wesen, auch wenn es nach einer irren Grausamkeit stank«, wie Ulric bemerkt (S. 250). Mich erinnert Paul von Minct etwas an den konservativen Revolutionär und Nietzsche-Verehrer Braquemart aus Ernst Jüngers Auf den Marmorklippen – dem Urbild aller Nazi-Fantasies.
Mittelmark, ein gewaltiges, unter Deutschland gelegenes Höhlensystem, welches von den intelligenten und sympathischen Off-Moo bewohnt und gern von Reisenden aus allen möglichen Dimensionen und Epochen besucht wird, ist Moorcocks ironische Bearbeitung der sogenannten Hohlwelttheorie. Die besagt in vollem Ernst, dass wir in Wahrheit auf der Innenseite einer hohlen Erde leben, in deren Zentrum die Himmelskörper angeordnet sind, und fand in reaktionär vernebelten Weltbildern der Zwischenkriegszeit einigen Anklang. In grandioser Persiflage dieser pseudo-astronomischen Spinnerei fährt Moorcock ein barockes Ensemble auf, mit dem er seine unterirdische Welt bevölkert: Anklänge an Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde, Lewis Carrolls Alice im Wunderland, an Voltaire, Coleridge und sogar an den Rattenfänger von Hameln wechseln sich ab.
Spätestens in Mittelmark stellt sich selbstverständlich heraus, dass der Konflikt zwischen Ulric/Elric und den Nazis ein weiterer Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen Ordnung und Chaos ist, bei der nie ganz klar wird, ob die Menschen in ihm lediglich Spielfiguren höherer Mächte sind, oder ob die Menschen ihre Konflikte vermittels höherer Mächte austragen. Preisfrage: Auf welcher Seite stehen wohl die Nazis, Ordnung oder Chaos? Hach, es macht einfach Spaß, Moorcock zu lesen ...
Tochter der Traumdiebe (412 Seiten), im Original The Dreamthief’s Daughter, erschien 2005 im Piper-Verlag. Die Übersetzung stammt von Jürgen Langowski.
* Was es mit Ulrics Familiengeschichte und dem Gral auf sich hat, erfährt man in einer Reihe von Romanen und Erzählungen Moorcocks, der sogenannten Von Bek Sequence.
In einer kurzen Vorbemerkung behauptet Moorcock, Tochter der Traumdiebe sei ein historischer Roman. Dies kann ich allerdings nur als Ironie auffassen – was zum moorcockschen Multiversum, in dem sich Genres und Stile, E und U, Surreales und Reales frei miteinander vermischen und die reine Subversion herrscht, ja auch hervorragend passt. In diesem Roman hält Moorcock sich jedenfalls nicht mit historischen Details auf, sondern würfelt sie bunt durcheinander und haut nicht selten voll daneben, wenn er besonders authentisch klingen will. Mitunter fragt man sich, ob Moorcock sich einen Scherz erlaubt hat, vielleicht auch schlicht einer Verwechslung erlegen ist, oder ob das Lektorat etwas zu verschlafen zu Werke gegangen ist, etwa wenn SS-Schergen statt mit Walther PPKs mit Werther (sic!) PPKs herumballern. Nein, Tochter der Traumdiebe ist kein historischer Roman über den deutschen Faschismus, sondern reine Nazi-Exploitation im Fantasy-Gewand. Hier werden Nazis von halbverrückten Gottheiten gequält, mit Runenschwertern massakriert und sogar von Drachen verkohlt, dass es eine Lust ist.
Die Handlung setzt Mitte der 30er Jahre in Sachsen ein, wo der Albino Ulric (sic!), der Graf von Bek, als einsamer letzter Sprössling seiner Familie auf seinem Schloss sitzt und versucht, zu einer Widerstandsgruppe gegen die verachteten Nazis Kontakt aufzunehmen. Diese scheinen Interesse zu hegen an einigen von der Familie Bek gehüteten Artefakten. Vor allem sind sie hinter dem schwarzen Schwert (sic!) Rabenbrand her, und daneben spüren sie Legenden nach, denen zufolge die Familie Bek den Heiligen Gral beschützt. Das Schwert hat Ulric in seinem Besitz und verspürt wenig Lust, es herzugeben. Den Gral hat er jedoch nie gesehen und tut ihn als Mythos ab.* Nicht so die Nazis, die Ulric immer mehr bedrängen und ihn schließlich in ein KZ verschleppen. Dort kommt dem Grafen – als geisterhafte Erscheinung – Elric von Melniboné zu Hilfe, der jedoch in unserer Welt keine körperliche Gestalt annehmen kann und infolgedessen mit seinem alter ego Ulric verschmilzt wie weiland der drogenberauschte Allan Quatermain mit seinem steinzeitlichen Vorfahren.
Da Ulric die Handlung aus der Ich-Perspektive erzählt, ist dies ein Leckerbissen für Moorcock-Fans. Ulric verabscheut Gewalt und will die Nazis als Demokrat bekämpfen. Elric dagegen ... ist eben Elric. Hin- und hergerissen zwischen seiner halbgöttlichen Herkunft als Drachenkaiser von Melniboné und seiner Sympathie für die gewöhnlichen Sterblichen, zwischen seinen moralischen Skrupeln und seiner melnibonéischen Lust an der Grausamkeit. Der Graf von Bek, der in surreal geschilderten Passagen mit Elric eins wird, schwankt zwischen Entsetzen und Bewunderung über sein zweites Ich.
Die Handlung ist, wie meist bei Moorcock, eine aberwitzige Reise zwischen Welten und Dimensionen. Zwischen Tanelorn, deutschen Kleinstädten und den Drachenhöhlen von Melniboné liegt manchmal nur ein Traum. Überwiegend spielt Tochter der Traumdiebe aber in Deutschland, in dem fiktiven mitteleuropäischen Kleinstaat Waldenstein und in der unterirdischen Welt Mittelmark. Der Fürst von Waldenstein, Paul Gaynor St. Odhran Badehoff-Krasny von Minct, ist der große Bösewicht der Geschichte, wie Kenner_innen an seinem Namen unschwer bemerken werden. Paul von Minct ist ein Mussolini-Bewunderer und Nihilist, den seine Gier nach der Leere der Macht zum Nazi-Kollaborateur werden lässt. Seine Vision der Welt ist ein aus menschlichen Knochen erbauter Palast in einer Wüste – »offensichtlich das Werk geistreicher Wesen, auch wenn es nach einer irren Grausamkeit stank«, wie Ulric bemerkt (S. 250). Mich erinnert Paul von Minct etwas an den konservativen Revolutionär und Nietzsche-Verehrer Braquemart aus Ernst Jüngers Auf den Marmorklippen – dem Urbild aller Nazi-Fantasies.
Mittelmark, ein gewaltiges, unter Deutschland gelegenes Höhlensystem, welches von den intelligenten und sympathischen Off-Moo bewohnt und gern von Reisenden aus allen möglichen Dimensionen und Epochen besucht wird, ist Moorcocks ironische Bearbeitung der sogenannten Hohlwelttheorie. Die besagt in vollem Ernst, dass wir in Wahrheit auf der Innenseite einer hohlen Erde leben, in deren Zentrum die Himmelskörper angeordnet sind, und fand in reaktionär vernebelten Weltbildern der Zwischenkriegszeit einigen Anklang. In grandioser Persiflage dieser pseudo-astronomischen Spinnerei fährt Moorcock ein barockes Ensemble auf, mit dem er seine unterirdische Welt bevölkert: Anklänge an Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde, Lewis Carrolls Alice im Wunderland, an Voltaire, Coleridge und sogar an den Rattenfänger von Hameln wechseln sich ab.
Spätestens in Mittelmark stellt sich selbstverständlich heraus, dass der Konflikt zwischen Ulric/Elric und den Nazis ein weiterer Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen Ordnung und Chaos ist, bei der nie ganz klar wird, ob die Menschen in ihm lediglich Spielfiguren höherer Mächte sind, oder ob die Menschen ihre Konflikte vermittels höherer Mächte austragen. Preisfrage: Auf welcher Seite stehen wohl die Nazis, Ordnung oder Chaos? Hach, es macht einfach Spaß, Moorcock zu lesen ...
Tochter der Traumdiebe (412 Seiten), im Original The Dreamthief’s Daughter, erschien 2005 im Piper-Verlag. Die Übersetzung stammt von Jürgen Langowski.
* Was es mit Ulrics Familiengeschichte und dem Gral auf sich hat, erfährt man in einer Reihe von Romanen und Erzählungen Moorcocks, der sogenannten Von Bek Sequence.
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Foto-Disclaimer
Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.