Dienstag, 31. Januar 2012

»Wir deutsche Autoren wollen deutsche Kritiker, und zwar Studierte«

Ein im »deutschsprachigen Internetraum« nicht ganz unbekannter Dünndarm hat heute erneut laute Geräusche von sich gegeben, und zwar in aller Öffentlichkeit: In seiner Facebook-Gruppe, neben und unter einem Link zu dem 1994 verstorbenen Schriftsteller Erwin Strittmatter, dessen Mitgliedschaft in einer der Waffen-SS unterstellten Einheit der nationalsozialistischen Ordnungspolizei die stammelnde Bewunderung von Dünndarm & Co. erregt.


Es entwickelt sich ein freundschaftliches Gespräch über rassenkundliche Fragen und deutsche Kulturpolitik, und zwar vorrangig zwischen dem hier wie sonst unter dem Pseudonym John Asht auftretenden Dünndarm und einer gewissen Angelika Sauer:


Der einvernehmliche Austausch mündet also in eine konkrete Forderung: Ich deutschtümelnder Autorendarsteller kann zwar keinen schwurbel- und fehlerfreien deutschen Satz formulieren, wünsche mir aber deutsche Kritiker, die »Ahnung von deutscher Literatur und Mentalität« haben. Die gegenwärtigen Kritiker_innen sind halt auch alle völlig entartet:


Kritiker? Von anderswo? Echte, nicht importierte Deutsche sind wohl nur die, die das schwere Schicksal auf sich genommen haben, für’s Vaterland zu kämpfen. So schnell kann es gehen, und der vielzitierte »deutschsprachige Internetraum« wird zum deutschen Lebensraum, der gegen kritisierende Kulturbolschewist_innen verteidigt werden muss, darunter auch solche, die die unverzeihliche Frechheit hatten, den Holocaust zu überleben. Übrigens – man schämt sich fast, es eigens sagen zu müssen: Kritisiert wurde Ashts Buch mit dem seltsamen Namen natürlich nicht von Marcel Reich-Ranicki (mit dessen »getöteten Landsleute[n]« der Dünndarm wohl die vom Deutschen Reich ermordete europäische Judenheit meint), sondern lediglich von einigen wenigen Blogger_innen und Rezensionsportalen. Reich-Ranicki hat von John Asht, dessen monatliche Buchverkäufe sich im einstelligen Bereich bewegen,* höchstwahrscheinlich nie auch nur gehört.

Bleibt nur eine Frage offen: Wozu ist eigentlich ein Dünndarm gut, der allem Anschein nach nicht ganz dicht ist und immer mehr braune Soße durchsickern lässt?

* Nachzulesen in der aktuellen Ausgabe des Fandom Observer (Nr. 272, Februar 2012), S. 14.

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für die klaren Worte!

JL hat gesagt…

Wir sollten an dieser Stelle auch festhalten, dass sein Roman nicht deshalb "verrissen" wurde, weil irgendwo darin, zwischen Babylonflöten und trans-indianischem Krügetanz, vielleicht noch "das schwere Schicksal der deportierten Deutschen" beklagt wird (und die Kritiker alle bolschewistisch-jüdisch-kriminelle Blogger waren, die die männlich-väterländische Kultur des Silberrücken-Vokuhilas verunglimpfen) -- sondern weil es die aufrichtige Meinung von 99,5 % aller nicht persönlich mit ihm befreundeter Leser war, dass schon die Leseprobe des Buchs einen wünschen lässt, Leute wie John Asht würden sich einfach eine Flasche Jägermeister reinziehen und dafür öfter mal die Klappe halten.

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Das stimmt. Deshalb habe ich noch einmal die Besprechungen des Bücherzeit-Blogs und von fictionfantasy.de verlinkt, die beide in der literarischen Beurteilung des Buches nicht auf Ashts politisierende Grütze abheben (wobei Jürgen Eglseer kurz darauf hinweist, dass Asht Formulierungen und Stereotypen verwendet, die man »in den faschistischen Hals« bekommen könnte).

Ich bin aber guter Hoffnung, dass auch der neueste Aufguss der Ashtschen Verschwörungstheorie niemanden überzeugen wird — außer denen natürlich, die ihn ohnehin anhimmeln und von seinem unsterblichen Genie überzeugt sind. Die gibt es ja leider auch.

gero hat gesagt…

Ich unterstreiche den Vorschlag mit dem Jägermeister! ;)

Ansonsten ... fehlen mir allmählich die Worte. Immerhin hat mich meine Ahnung nicht getrogen, aus welchen schlecht oder nicht verdauten Bröckchen der Dünndarm seine geistige Nahrung bezieht. Und so langsam kommt mir die Sache fast schon pathologisch vor; da scheint jemand wirklich Gefallen daran zu finden, dem Feuer immer neue Nahrung zu geben, auch wenn er sich schon längst den Hintern oder was auch immer versengt hat. Oh, my ...

Staunende hat gesagt…

Hier ist noch ein hübsches Post von J.A., gepostet auf FB zur Aussage von Marcel Reich Ranicki, Wulff müsse zurücktreten:
"Und wen juckts überhaupt noch, was der gelernte Buchhalter Ranicki über das höchste deutsche Staatsamt sagt? Zuerst hat er alle deutschen Spitzen-Schriftsteller durch die Scheiße gezogen - und nun, auf dem Gipfel seiner Senilität kann er noch immer nicht die Klappe halten. (Es gibt tatsächlich Leute, denen muss man nach dem klinischen Tod, die lästernde Zunge nochmals speziell totschlagen)."

TD hat gesagt…

Und mit dem Rechnen hat es unser Dünndarm auch nicht so besonders.

[....]dort wo, z.b. aus Siebenbürgen 1 Millionen junge Frauen und Männer in russischen Konzentrationslagern verfrachtet wurden - und von wo nach 7 Jahren Zwangsarbeit nur noch ein Fünftel heimgekehrt war.
750.000 wurden getötet, gequält[...]


Ein Fünftel? 750.000 von einer Million? Autsch...

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Allerdings sind die Zahlen insgesamt völliger Blödsinn. John-Boy betreibt die reinste Geschichtsklitterei, mit der wohl die durch die Sowjetunion vorgenommenen Zwangsumsiedlungen mit den Naziverbrechen auf eine Stufe gestellt werden sollten.

Die Gesamtzahl der aus Rumänien in die Sowjetunion umgesiedelten Deutschen betrug ungefähr 75.000. Davon kamen ca. 30.000 aus Siebenbürgen. Unter diesen 30.000 fielen zwar in der Tat viele der Zwangsarbeit zum Opfer, aber die Überlebensrate betrug nicht 20%, wie John-Boy behauptet, sondern 88%. Die Rumäniendeutschen wurden auch nicht sieben Jahre lang, sondern 1945—49 zur Zwangsarbeit eingesetzt.

Zum Vergleich: Die Zahl der von den Deutschen 1941—45 zur Zwangsarbeit eingesetzten Sowjetbürger_innen wird auf 22—27 Millionen geschätzt.

TD hat gesagt…

Tja, es ist schon erschreckend wie seine Wahrnehmung komplett außer Kontrolle ist.

Allerdings passt diese gewisse braune Geschichtsrechnerei zu anderen Realitäts-Aussetzern seiner Dünndarmigkeit.

Bähhh... und muss ich duschen und möchte die nächsten 10 Jahre nichts mehr von dem Herren "Autor" lesen.

*Augen mit Salzsäure auswaschen geht...*

Susanne Gerdom hat gesagt…

So was wie den dürfte man noch nicht mal dem Namen nach kennen. Die Ecke, aus der er argumentiert, passt zu seiner Ausdrucksweise. Und nach wie vor geht er mit dieser Sprache um, als wäre sie eins der "Mädels", die mal dringend von einem strammen jungen Burschen verge... äh ... Jo. Der Kerl ist ein Kotzbeutel.

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Da passt wirklich alles zusammen. Widerlich ist noch gar kein Ausdruck — wenn man sich nur ansieht, wie ausfällig er in seinem persönlichen FB-Fanclub »Schreiben & Lektorieren & Verlegen« wird, wenn ihm jemand die geringste Kritik entgegenbringt. Da wird noch einmal deutlich, dass es leider nicht nur die Sprache ist, mit der er so umgeht.

Übrigens: Mit der Geschichte der Rumänien- und anderen Auslandsdeutschen kenne ich mich aus familiären Gründen ein wenig aus, nicht weil ich gern als Hobby-Historiker oder so was auftrete.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.