Da gerade geleakt wurde, dass Tolkien 1961 auf der Liste der Literaturnobelpreiskandidat_innen stand, könnte sich eine interessante Auseinandersetzung zu den literarischen Qualitäten von Tolkiens Werk und ihrer Einordnung in die Literatur des 20. Jahrhunderts ergeben. Der OF Blog hat sich bereits geäußert und plant weitere Posts zum Thema. Auch John Rateliff, Herausgeber der History of the Hobbit, hat etwas dazu zu sagen. Der Guardian veranstaltet sogar eine Umfrage mit obligatorisch-falscher Namensschreibweise »Is JRR Tolkein’s prose Nobel prize-winning material?«, die noch einen Tag lang läuft. Also nix wie hin und geklickt!
Der Hintergrund: Das Nobelkomitee, das über die Preisvergabe entscheidet, hält seine Nominiertenlisten 50 Jahre unter Verschluss. Mit Ablauf des Jahres 2011 ist deshalb Einsicht in die Liste der 1961 Nominierten möglich. Darauf stehen neben Tolkien u.a. Tania Blixen (alias Isak Dinesen alias Karen Blixen), Lawrence Durrell, E.M. Forster, Graham Greene und Alberto Moravia. Eine illustre Gesellschaft also. Vorgeschlagen wurde Tolkien von seinem Freund C.S. Lewis, der als Literaturprofessor nominierungsberechtigt war. Interessant ist nun die Begründung, warum JRRT vom Komitee abgelehnt wurde: Tolkien, so das damalige Jurymitglied Anders Österling, »has not in any way measured up to storytelling of the highest quality«. Da kann man noch von Glück reden, denn wenigstens ist es JRRTs erzählerisches Können, das in Frage gestellt wurde. Zwei weitere Nominierte mussten sich damit zufrieden geben, aufgrund ihres hohen Alters übergangen zu werden,* während an Lawrence Durrell sogar bemängelt wurde, er sei auf monomanische Weise von erotischen Problemen besessen. Ans Licht gebracht wurde die Information von dem Journalisten Andreas Ekström, der sie recht beiläufig in der Tageszeitung Sydsvenskan veröffentlichte und die Nominierung Graham Greenes anscheinend für weitaus bemerkenswerter hält.
Übrigens: Den Preis erhielt der jugoslawische Schriftsteller Ivo Andrić.
* Dieses Vorurteil zumindest scheint das Nobelkomitee mittlerweile abgelegt zu haben, denn der Literaturnobelpreis der letzten Jahre, der mich am meisten gefreut hat, ging 2007 an die damals 87-jährige Doris Lessing.
1 Kommentar:
Ergänzung: Douglas A. Anderson fasst im Tolkien-and-Fantasy-Blog einige Mutmaßungen und Erkenntnisse darüber zusammen, was die schwedische Jury dazu bewegt haben könnte, Tolkien abzulehnen. Insbesondere geht es um die Frage, ob wirklich JRRTs Prosastil der springende Punkt war: »Some Nobel Thoughts« (Runterscrollen, wenn man nur an der Tolkiengeschichte interessiert ist, denn der Post beginnt mit einem Jahresrückblick).
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