Samstag, 21. Januar 2012

Kalte Krieger

Kalte Krieger ist ein Roman, der sich vor allem leicht und locker liest – man hat ihn flugs durch und ist hinterher entspannt und zufrieden. Autor Thomas Plischke beweist damit, dass er ganz unterschiedliche Stile beherrscht, denn sein Zyklus Die Zerrissenen Reiche, eine revisionistische Fantasy (was wäre, wenn die Zwerge das Sagen hätten?), kann durchaus sperrig daherkommen.

Nicht so Kalte Krieger. Handlungsort ist eine Kleinstadt in Maine und ihre Umgebung, und es geht um Menschen mit Superkräften und ihre Problemchen. Plischke greift das landläufig aus Comic und Kino bekannte Motiv auf und gibt ihm eine spezifische Wendung: Superheld_innen – weit davon entfernt, als pompöse Weltenretter_innen aufzutreten – haben beständig damit zu kämpfen, dass ihre Kräfte nicht von böswilligen Regierungen ausgenutzt werden, müssen sich bedeckt halten, sich unauffällig vernetzen, mit ihren Superkräften kompatible Jobs finden und nicht zuletzt mit ihrem Status als Außenseiter_innen der Anpassungsgesellschaft klarkommen. Es handelt sich also um ein Szenario, das man sich etwa wie die X-Men ohne Professor X und seine Mutant_innenschule vorstellen kann.

Es gibt zwei Handlungsstränge: Einmal wird erzählt, wie die Psychologiestudentin Amy in Maine ankommt, wo sie in einer leicht heruntergekommenen psychotherapeutischen Praxis ein Praktikum absolvieren will und schnell in eine Reihe von Kriminalfällen verwickelt wird. Handlungsstrang Nr. 2 spielt zehn Jahre früher in einem Sommercamp, in dem mysteriöse Experimente an Jugendlichen vorgenommen werden.

Ist Kalte Krieger in vielerlei Hinsicht eine Hommage an Comics und ihre Verfilmungen, so erinnert es erzähltechnisch am ehesten an klassischen 70er-Jahre-Horror: Stephen Kings frühe Romane, insbesondere Carrie und Firestarter, kommen in den Sinn. Auch wird Maine als Handlungsort nicht zufällig gewählt sein. Nicht sagen will ich damit, dass Plischke versuche, Kings Stil zu imitieren. Die Beeinflussung liegt eher in der klugen Aufnahme von Themen und Motiven, und auch in der Art und Weise, wie der schreckliche Alltag sich langsam und leise in alltäglichen Schrecken verwandelt.

Ein Roman also, der vor allem durch Eingängigkeit und Spannung überzeugt. Zudem nehme man bitte zur Kenntnis, wie souverän der deutsche Autor mit den Ingredienzen US-amerikanischer Populärkultur umgeht. Am Umgang mit so etwas zeigt sich ja gern die deutsche Provinzialität, die auch fast 70 Jahre später in einiger Unbelehrbarkeit die kulturellen Importe von jenseits des Atlantik mit dem Neuartigen und Reißerischen identifiziert – wer’s nicht glaubt, möge mal darauf achten, wie oft z.B. Frank Schätzing Phrasen à la »wie in einem Hollywoodfilm« gebraucht, als ob er gestern zum ersten Mal einen gesehen hätte. Da zahlt es sich aus, dass Plischke Amerikanistik und Medienkultur studiert hat und sich im besagten populärkulturellen Importgeschäft sehr zu Hause fühlt. Vielleicht liest sich Kalte Krieger ja unter anderem deswegen so entspannt?

Zum Schluss noch der Satz für diejenigen, die mit dem bisher Geäußerten rein gar nichts anfangen können: Wer Superheld_innen kindisch und Ami-Horror doof findet, die oder der kann – wage ich zu behaupten – Kalte Krieger auch einfach als Thriller mit leichten übernatürlichen oder Mystery-Elementen* lesen. Und wenn das nix ist, dann weiß ich auch nicht.

Kalte Krieger von Thomas Plischke (480 Seiten) ist 2009 bei Piper erschienen.

* Mystery im deutsch-provinziellen Sinne verstanden, gelle.

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Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.