Montag, 23. Januar 2012

Gleich und gleich gesellt sich gern

Trigger-Warnung: Blogpost enthält Zitate mit sexistischen und ableistischen Inhalten.

Man kommt manchmal auf den Gedanken, an Rezensionblogs müsse irgendetwas mordsgefährliches dran sein. Warum sonst wird regelmäßig zur Attacke auf uns geblasen? Aber die Frage ist falsch gestellt. Die geradezu übergeschnappte Empörung, die ein gewisser John Asht gegenwärtig zur Schau stellt, lässt sich nicht durch ein paar (übrigens eher sachliche und ausgeglichene) Bemerkungen in einem Blog erklären. Sie braucht keinen sachlichen Grund, sondern höchstens einen Anlass, um sich bis zum Wahn zu steigern.

Und Wahn ist es. Den Frontverlauf dieser Offensive eines Paranoiden und seines »Verlags« muss ich nicht eigens noch einmal nachvollziehen. Hier wird er bereits in übersichtlicher Weise geschildert, und hier findet sich eine nützliche Linkliste. Ein Ende ist indes nicht in Sicht. John Asht, der zunächst noch vermeldete, seine Bücher verkauften sich durch die künstlich generierte Aufmerksamkeit hervorragend, schrieb heute in dieser Facebook-Gruppe, die »Organisierte Literatur-Kriminalität im Internet« sei nunmehr bewiesen: Google Alert habe »binnen nur 2 Tagen ganze 742 neue, gehässige Rezensionen« seines Romans Twin-Pryx – Zwillingsbrut ausgespuckt, obwohl in dieser Zeit kein einziges Exemplar des Buches verkauft worden sei. Da ein kurzer Blick in eine der verfügbaren Leseproben ausreicht, um die literarische Größe des Autors auf Zwergenformat zurechtschrumpfen zu lassen, wird die zweite Hälfte der Aussage der Realität wohl näher kommen.

Ob nun tatsächlich in kürzester Zeit hunderte von ablehnenden Rezensionen zustande gekommen sind, sei dahingestellt, sagen kann ich aber so viel: An ehrlich gemeinten positiven Rezensionen habe ich genau zwei gefunden, nämlich diese hier. John Asht wünscht der Rezensentin denn auch gleich ein »wohlgesonnenes Schicksal«, womit er eine gelungene Reinkarnation meint. Beide Reviews wurden von einer Bloggerin verfasst, die neben ihrem Rezensionsblog unter dem Titel PresseEcho auch ein »politisches Blog« betreibt.* Dort findet sich – neben reichlich Verehrung für die Junge Freiheit und Thilo Sarrazin – ein Post mit dem Titel »Oslo Calling ...«, in dem die Autorin den im vergangenen Sommer verübten faschistischen Massenmord nicht nur als »Mahnmal« würdigt, sondern auch ihre Meinung kundtut, »die Gedanken des Täters« verkörperten »eigentlich nur das, was viele in Europa mittlerweile denken und befürchten«. Nämlich folgendes: »Sind nun alle auf einmal Rechtspopulisten, nur weil die Mehrheit der Deutschen den Traum vom integrierten Multikulti der Oberen nicht mitträumen wollen [sic!]? Weil sie skeptisch sind und sein müssen?« Da steckt etwas drin, was in gewisser Hinsicht wahr ist: Für die Ideologie, die der rechtspopulistische Mörder von Oslo und Utøya vertritt, finden sich Mehrheiten. Und wenn einer die Ideologie in die Tat umsetzt, mag er zwar, wie die Bloggerin meint, »komplett irre« sein (man lehnt sich ja ungern zu weit aus dem Fenster), sie fügt aber sogleich hinzu: Wer will es »dem Normalbürger« verübeln, wenn er sich »vor der überhand nehmenden Auflösung seiner eigenen Kultur durch Ausländer« fürchtet?

Das offenbart nun etwas, was in der bisherigen Debatte weitgehend unbeachtet blieb – mit wenigen Ausnahmen, denn einen Hinweis gab bereits Gerd Rottenecker im Bibliotheka-Phantastika-Forum, und Manfred Müller wies darauf hin, dass nicht nur die einsam begeisterte Leserin, sondern auch John Asht selbst »sich am reaktionären Rand tummelt«. In seinem Blog** lässt sich Asht (»Es ist ernst, Leute«) über das Aussterben der deutschen Nation aus. Grund: Die Frauenquote, ein »familienfeindliche[s] Konstrukt«, wird hierzulande zur »doktrinisierte[n] Staatsreligion« erhoben, weil im ehemaligen Ostblock »Mannsweiber, die überhaupt keine Kinder haben wollten und von grundauf alles hassten was männlich war« gezüchtet wurden und in der Folge die Nation »den Bach runter« ging. Die Gesellschaft degeneriert, weil sie »nur noch von Geisteskranken« bevormundet wird und weil »die gesund und natürlich Denkenden, nach und nach benachteiligt, diskriminiert und letztendlich ausgegrenzt werden«; »die eigentlichen Behinderten tyrannisieren die Gesunden« und »rangeln sich hinterfotzig an die Macht«, woraufhin die »Anständigen und Gesunden« nur noch »zum Produzieren und Kinderkriegen gezüchtet« werden.

Von Ashts literarischen Ergüssen lassen sich diese Ausfälle nur schwer trennen. Greift man sich seinen Roman Maag Mell, die Friedlichen Gefilde als Beispiel heraus, erfährt man per Verlagsinfo folgendes: Das geschlagene 1.344 Seiten umfassende Werk spielt im »Schicksalsjahr Mitteleuropas« im Kelten-und-Germanen-Land Maag Mell, wo ein »gesundes, friedvolles Volk« gedeiht, dessen »Überlegenheit in der Erkenntnis der Einfachheit aller Dinge« besteht – soll wohl heißen, dass es in Maag Mell keine Frauenquote gab? Asht schrieb dieses fragwürde Konvolut nach Verlagsangaben »als Ergebnis seiner jahrelangen Forschungen und Studien im Bereich der Völkerkunde, Religionsgeschichte sowie der Astrologie und der Grenzwissenschaften der Parapsychologie«. Alles klar. Der Typ glaubt nicht nur an den Mist, den er in seinem Blog verzapft, sondern auch an seine Fiktionen. Und weil er daran glaubt, befindet er sich auf einer Mission, was wiederum alles weitere erklärt. Zum Beispiel, warum bei John Asht sämtliche Sicherungen durchknallen, wenn jemand öffentlich ausspricht, dass seine Schreibversuche Schund sind. Und warum andererseits ein politisierender Breivik-Fan zur begeisterten Leserin dieses Autors wird: Gleich und gleich gesellt sich eben gern.

Bleibt nur die Frage, wie man sich freiwillig eine solche aus Esoterik, Sexismus, Minderwertigkeitskomplexen und Kulturrassismus zusammengestoppelte Weltanschauung aneignen kann? Auch hier hilft uns der Autor selbst auf die Spur: Es sei mittlerweile bewiesen, »dass das eigentliche Denk- und Empfindungsorgan des Menschen eigentlich der Dünndarm ist«. Biologisch gesehen mag das eine fragwürdige Aussage sein, als Metapher für John Ashts intellektuelle Verfasstheit taugt sie jedoch, wie ich finde, hervorragend.

* Zu finden unter der URL chronologisch.wordpress.com, dort auch die hier wiedergegebenen Zitate (eine direkte Verlinkung spare ich mir an dieser Stelle). Ein Impressum mit Klarnamen ist übrigens in keinem der beiden Blogs dieser Person angegeben. Abgerufen am 23. Januar 2012.
** Diktion und Zeichensetzung entsprechen in den folgenden Zitaten stets dem Original. Abgerufen am 23. Januar 2012.

16 Kommentare:

Fremdling hat gesagt…

Sehr schöner Beitrag, Marengo!

Gut, dass du diese Verbindung zwischen "Werk" und politischer Einstellung aufgezeigt hast.
Ich hätte es zwar nicht für möglich gehalten, aber der Herr Asht ist mir samt Verlag (und AnhängerInnen) nochmal um ein ganzes Eck unsympathischer geworden.

gero hat gesagt…

Ach herrje ... wie kriege ich jetzt diese Bilder wieder aus meinem Kopf. John Asht - der Autor, der mit dem Dünndarm denkt ...

Aber wie du schon sagst: irgendwie passt das alles wunderbar zusammen. Und jetzt warten wir mal ab, was der so eigenwillig denkende Autor als nächstes zu tun gedenkt. Immerhin hat er in seinem Nachtrag zum Nachtrag zum Nachtrag (oder so - ich habe da etwas den Überblick verloren) angekündigt, dass er - bewaffnet mit den Screenshots von 700 kriminellen Negativ-Rezensionen - den Spieß jetzt umdrehen wird. ;-)

Grüße
Gerd

Murilegus rex hat gesagt…

Mir ist ja gerade die Idee zu einer Novelle gekommen: Das Setting ist eine deutsche Universitätsstadt. Ein Typ überredet mit Hilfe seines rauhbeinig-herzlichen Naturburschencharmes seine Nachbarin, ihre gesamten Ersparnisse in die Gründung eines Kleinverlags zu stecken – »Da veröffentlichen wir dann meine Bücher, und wenn die ersten negativen Rezensionen eintrudeln, verklagen wir die alle auf Schadenersatz und machen den Reibach! Du wirst sehen, das ist eine todsichere Investition.« Mir ist nur noch kein passendes Ende eingefallen. Hmmm, der Typ könnte mit der Kasse durchbrennen...

Reitersmann hat gesagt…

Ähm, ich würde in den Dialogpassagen im Duktus bleiben:
"Da tun wir dann meine Bücher (schnäuz) veröffentlichen, und wenn die ersten negativen Rezessionen (harumpf) einturteln, verklagen wir die alle auf Schadenstersatz und machen den Reibach! (Heiseres Kichern) Du wirst sehen, das ist eine todtsichere Investigation. (Flatulenz)"

Buchliebhaberin hat gesagt…

hier kommt noch mehr Schwachsinn:

"Es ist nun mal gegen die Natur einer biologisch richtigen tickenden Frau, plötzlich hochtechnisierte Maschinen, Formeln oder Raketen zu erfinden. Ihr liegt es eher, Wärme in eine Familie zu bringen und einfühlsam die Kinder zu erziehen."

oder: "auf Abruf neue Ideen zu präsentieren für die Entwicklung, Schaffung und den Absatz von Produkten, die aus Metal, Plastik, Holz oder Chemie bestehen. Dafür aber braucht es ein von der Natur entsprechend gewickeltes Hirn. Dieses Hirn lässt sich nicht per Gesetz und Frauenquote umwandeln."

JL hat gesagt…

Super Beitrag. Eröffnet tatsächlich noch einmal eine völlig neue Perspektive.

Caro hat gesagt…

Die hier aufgeführten Aussagen haben mich auch sehr erschreckt und mir wieder vor Augen geführt das es nach wie vor Menschen gibt die solche Dinge glauben und nicht davon ab zu bringen sind. Sehr erschrecken. Zudem wirft es auch auf den Verlag von Herrn Asht ein ganz anderes Licht...

Andrea hat gesagt…

Das erklärt wirklich alles. Ich bin allerdings erstaunt, wie man so viele wahnwitzige Ideen in einer Person vereinen kann.

Anonym hat gesagt…

Es ist eine steile These. Bitte belege doch mal die Aussage das die Bloggerin ein rechtsextremes Blog betreibt.

Murilegus rex hat gesagt…

@Fremdling & JL: Danke fürs Beitragslob! :-)

@Ralf: Bei mir kommt anscheinend schnell der innere Lektor durch. Texte müssen formal korrekt aussehen, das kriegt man im Theologiestudium so eingedroschen.

@Buchliebhaberin: Tja, wo das herkam, was ich im Ausgangspost zitiert habe, gibt es eben noch viel mehr. Ich musste mich durchaus zwingen, eine Auswahl zu treffen. Passt natürlich ins Bild, dass bei Mr. Asht auch die beliebte hirnphysiologische Argumentation zur Begründung von allem möglichen nicht fehlt.

@Caro: Welches Licht in diesem Verlag leuchtet, frage ich mich angesichts von Titeln wie Die Syntax des Antipax und Die Uralsklavin schon seit ein paar Tagen. Und ob die Verlegerin Mr. Ashts Blog eigentlich gelesen hat, wüsste ich auch gern.

@Andrea: Ist echt ein erstaunliches Weltanschauungskompendium, diese Person. Ich finde auch die Mischung aus ungehemmter Prolligkeit und Guru-Gestus ziemlich frappierend.

@Anonym: Wüsste nicht, wo ich die These aufgestellt habe, es handele sich bei PresseEcho um ein »rechtsextremes« Blog. Das würde ich schon deshalb nicht tun, weil ich den Extremismusbegriff für wissenschaftlich unbrauchbar und politisch gefährlich halte.

Meine These, sofern man von einer solchen sprechen kann, ist eher, dass in der inhaltlichen Schlagseite zwischen PresseEcho und John Ashts Blog bemerkenswerte Ähnlichkeiten bestehen, insofern hier wie dort autoritäre, teils biologistisch-rassistisch begründete Untergangsprophetie betrieben wird.

Auch das halte ich übrigens nicht für eine steile These. Angesichts der Tatsache, dass die Autorin von PresseEcho in schönster Offenheit ihre ideologische Übereinstimmung mit einem faschistischen Massenmörder bezeugt, habe ich eher noch vorsichtig formuliert.

Reitersmann hat gesagt…

Ich möchte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, an dieser Stelle ein weiteres Bonmot unseres gehobenen Literaten anzubringen, sein "Spruch des Tages", niedergeschrieben in einem Kommentar auf der Buchreport-Seite bei Facebook:
"Dummheit ist eine sonderliche Blume, welche nur dann zu ihrer vollen Pracht erblüht, wenn man regelmäßig auf sie pisst."
Eine schöne Metapher, wie ich finde, vor allem wenn man im Orkan gegen den Wind strullt. Naturburschen sind eben auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Anonym hat gesagt…

mmh ... ich finde Gehetze sinnlos. Immer und jederzeit, egal über wen und warum. Was mich an dem Herrn stört ist hier nett auf den Punkt gebracht. Danke dafür.
Schlimm fand ich, dass ich wegen dieser irren Debatte neugierig genug war in das Werk hineinzulesen und bass erstaunt war, dass da jemand offensichtlich nicht schreiben kann, sich dann auch noch so aufpustet und sein komischer Blog am Ende fast amüsanter zu lesen ist als sein Buch ... sofern man ihn als Persiflage verstehen dürfte! Dennoch wird um diesen Profilneurootiker leider genau der Wirbel gemacht, den er sich wünscht (außer dass ihm ein roter Teppich ausgerollt und applaudiert wird, weil er einen Literaturpreis gewonnen hat und alle seine Neider vor ihm auf die Knie fallen). Agit-Prop erinnert mich an die guten alten Zeiten des kalten Krieges und ist so beliebig und an den Haaren herbeigezogen, wie die ersten 20 Sätze des Buchs und sein Frauenbild an ein Gepräch mit einem moslemischen Fundamentalisten ... in den 80ern *räusper ... und den Rest finde ich dann vermutlich im Dünndarm des Machwerks, über den dann zuviel Testosteron das Kommando hat. Viel Lärm um Nichts. Dumm, beliebig, haltlos ...

Murilegus rex hat gesagt…

Sicherlich geht es John Asht um Aufmerksamkeit. Dass er sich diesen Gang der Ereignisse gewünscht hat, glaube ich allerdings nicht. Es hat sich ja deutlich gezeigt, dass man nicht ohne weiteres damit durchkommt, wenn man versucht, durch Drohungen, verbale Übergriffigkeiten und die Behauptung falscher Tatsachen eine missliebige Rezension zu entfernen, sondern mit solchen Versuchen eher eine umfassende Solidarität mit der angegriffenen Person auf den Plan ruft. Das finde ich, so merkwürdig und abstoßend der Anlass auch sein mag, an sich ein gutes Zeichen.

Fandom hat gesagt…

Zum Thema erlaube ich mir, auf unsere Februarausgabe hinzuweisen. Die hat die Titelgeschichte "DIE REZIMAFIA" und beschäftigt sich exakt mit diesem Fall. Das Schöne: der Download kostet nix. :-)

http://www.fandomobserver.de/2012/02/fo272/

Murilegus rex hat gesagt…

Habe ich oben gleich mal verlinkt. :-)

Frederik Weitz hat gesagt…

Schöner Artikel.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.