- Christopher Priest findet, dass einige der auf der Shortlist versammelten Romane (insbesondere die von Charles Stross und China Miéville, der den Clarke Award routinemäßig gewinnt) darauf nichts zu suchen haben, während andere, die auf der Liste stehen sollten (z.B. Lavie Tidhars Osama), dort nicht zu finden sind: »Hull 0, Scunthorpe 3«. Er schlägt vor, die Preisverleihung für dieses Jahr auszusetzen und die Jury zu feuern. Er betont außerdem, dass sein Rant nicht dadurch veranlasst sei, dass sein eigener Roman nicht für die Shortlist ausgewählt wurde.
- Damien G. Walter verkündet, er wolle Priests Vorpreschen psychologisch ergründen (»Understanding Christopher Priest«), was in diesem Fall schlicht heißt: Er unterstellt Priest Neid. Priest sei früher neidisch auf den erfolgreicheren Kollegen J.G. Ballard gewesen, nur um mittlerweile auf die gesamte Riege der gegenwärtigen SF-Autor_innen neidisch zu sein. So!
- John Scalzi sieht das nicht ganz so aufgeregt und findet stattdessen, Priest solle in die Jury des Clarke Awards zwangsversetzt werden: »Christopher Priest Shouts at Clouds«.
- Das OF Blog ist der Meinung, »strong, snark dissension« habe einen rechtmäßigen Ort in Genrediskussionen und plädiert deshalb dafür, man solle Priest gewähren lassen. Er empfiehlt, einfach die Titel auf der Shortlist (mit Ausnahme von Charles »Internet Puppy« Stross) zu lesen und dann die Diskussion fortzusetzen.
- Pat’s Fantasy Hotlist postet, wie immer, nur einen Blurb und zwei oder drei Sätze mit Ausrufezeichen ringsherum: »Kaboum! Holy shit! Christopher Priest goes all out! What the fuck?« Ja, Pat, ist ja gut. Danke. Was? Nein, schon in Ordnung. Weiter im Text.
- Catherynne M. Valente ist nicht einverstanden mit Priest, findet seinen Beitrag aber lesenswert. Dann sagt sie das, worauf die debattierenden Herren von selber wohl nicht kommen würden: »[L]et’s be honest, I couldn’t get away with it. If I posted that shit? I’d never hear the end of what a bitch I am.«
- Jeff VanderMeer widmet der Diskussion einen seiner Evil-Monkey-Dialoge, obwohl er (behauptet er) lieber arbeiten würde. Glaube ich ihm nicht. Ansonsten stimmt er Priest punktuell zu und würdigt ausdrücklich die Beiträge von Valente und Scalzi: »Evil Monkey, Christopher Priest, and the Arthur C. Clarke Awards«.
- Das Blog des Fandom Observer kommentiert die Affäre nicht weiter, grenzt Priests Vorstoß aber wohlwollend gegenüber Michael K. Iwoleits nach hinten losgegangener Attacke gegen den Deutschen Science-Fiction-Preis im letzten Jahr ab: »Christopher Priest: ›Schmeißt die Jury raus!‹«.
- E-Book-Autorin Cora Buhlert muss über Priests Auslassungen zur gegenwärtigen Hard SF grinsen und steuert einen Haufen weiterer Links mit Wortmeldungen zur Debatte bei: »The Latest Genre Dust-up«.
- John Scalzi schreibt einen »Quick Follow-up« (ebenfalls mit weiteren Links zur Sache), indem er sich noch mal stärker von Damien G. Walters Küchenpsychologie distanziert. Interessant, weil Priest sich hier selber an der Kommentardiskussion beteiligt.
- Cora Buhlert hat noch mehr Links: »More Christopher Priest versus the Clarke Awards«. Außerdem weist sie interessanterweise darauf hin, dass Deutschland »a tradition of snarky and sometimes downright rude literary critics« habe und greift Valentes Hinweis auf, dass Männer in solchen Literaturdebatten viel grobianistischer auftreten dürfen als Frauen – man vergleiche nur mal, was mit Marcel Reich-Ranicki passiert ist, als er das Fernsehen bashte (er durfte erklären, was er meint), und was mit Elke Heidenreich (sie wurde gefeuert). Lesenswerter Post.
- Jim C. Hines ist der erste, der seinen Post auf kompromisslos parteiliche Weise betitelt: »In Defense of Christopher Priest«. Ganz nebenbei erklärt er, warum es eigentlich ganz nachvollziehbar ist, dass der Clarke Award ständig von China Miéville gewonnen wird – er ist einfach sexy: »Imagine those poor judges, trying so hard to select books based on merit, all the while imagining Mieville’s smoldering good looks…«
- Einen deutschsprachigen Diskussionsthread zum Thema gibt es in diesem Forum.
Samstag, 31. März 2012
Priest, Rant, Clarke Award
Keine Ahnung, ob alle bereits alles gesagt haben, was sie zu Christopher Priests Rant gegen die diesjährige Shortlist des Arthur C. Clarke Awards sagen wollen. Aber da momentan ja ganz gern über den Sinn und Unsinn von Genrepreisen diskutiert wird, gibt es an dieser Stelle schon mal eine kleine Link-Rundschau:
Mittwoch, 28. März 2012
The Tempest
Ich bin gerade heftig enttäuscht von Julie Taymors The Tempest. Ihre Verfilmung von Frida Kahlos Leben und Werk mochte ich sehr (und das will etwas heißen, normalerweise kann ich mit Biopics nämlich nicht viel anfangen). Da habe ich mir einiges von Taymors 2010er Film erwartet, in dem Prospero zu einer Prospera wird – eine Idee, die auf Taymor selbst zurückgeht, die auch das Drehbuch schrieb. Die Umsetzung dessen gelingt gut, ansonsten beweist Taymor mit The Tempest aber ein wenig glückliches Händchen.
Prospera ist die Frau des Herzogs von Mailand und regiert nach seinem Tod das Herzogtum. Antonio bezichtigt sie der Hexerei, um den Thron an sich zu reißen, und lässt sie mit ihrer Tochter Miranda in einem lecken Boot aussetzen. Der Rest der Geschichte ist bekannt.
Helen Mirren als Prospera spielt den Rest des Casts glatt an die Wand. Ihre charismatische Umsetzung von Taynors Prosper@-Interpretation wirkt an keiner Stelle gekünstelt und liefert einen schlagenden Beweis, dass es alles andere als notwendig ist, bei der Bearbeitung alter Stoffe an überkommenen Geschlechtervorstellungen kleben zu bleiben. Die restlichen Schauspieler_innen wandern dagegen eher routiniert bis bemüht über die Insel der Zauberin, die in diesem Fall von Hawaii dargestellt wird. Alfred Molina als Stefano hat ein paar Momente, aber die Szenen um Caliban, Stefano und Trinculo versacken schnell in Klamauk, was nicht so ganz zu der elegischen Atmosphäre des Films passen will. Alan Cumming, der den Sebastian spielt, fand ich ja unheimlich gut als Nightcrawler in X-Men 2. Hier bleibt er leider ziemlich blass. Allenfalls Ben Whishaw als androgyner Ariel, der zwischendurch auch mal das Geschlecht wechselt, sticht noch hervor, was aber eher an den Effekten als an seiner Schauspielerei liegt.
Maßlos ärgerlich ist die Darstellung des Caliban (Djimon Hounsou). Nachdem Prosper@ so überzeugend neu interpretiert wurde, fällt es um so mehr ins Gewicht, dass Taymors Caliban ein reines, ungebrochenes Klischee ist: Er rollt mit den Augen, schneidet Grimassen, fürchtet sich vor Büchern und Zauberei und betet weiße Männer als Götter an. Mir so etwas anzusehen, habe ich nun wirklich keine Lust. Die reiche Interpretationsgeschichte, die Caliban als widerständigen Sklaven und/oder kolonisierten Inselbewohner ansieht, scheint an Taymor vollständig vorbeigegangen zu sein.
Die Szenen übernatürlichen oder magischen Inhalts nehmen recht breiten Raum ein, sind aber so gut wie gar nicht in die Handlung integriert, was sie fast wie Musical-Einlagen wirken lässt.* Da gibt es wirklich Filme, in denen die Verknüpfung von phantastischen und realistischen Ereignissen weitaus besser funktioniert. In The Tempest hätte man die phantastischen Szenen weglassen können, ohne dass der Handlung sonderlich viel abhanden käme. Andererseits: Viel Sehenswertes bliebe dann auch nicht übrig.
Schade, aber Helen Mirrens Prospera macht die geballten Schwächen dieses Films einfach nicht wett.
* Das muss kein Zufall sein. Julie Taymor hat bei mehreren Musicals Regie geführt.
Prospera ist die Frau des Herzogs von Mailand und regiert nach seinem Tod das Herzogtum. Antonio bezichtigt sie der Hexerei, um den Thron an sich zu reißen, und lässt sie mit ihrer Tochter Miranda in einem lecken Boot aussetzen. Der Rest der Geschichte ist bekannt.
Helen Mirren als Prospera spielt den Rest des Casts glatt an die Wand. Ihre charismatische Umsetzung von Taynors Prosper@-Interpretation wirkt an keiner Stelle gekünstelt und liefert einen schlagenden Beweis, dass es alles andere als notwendig ist, bei der Bearbeitung alter Stoffe an überkommenen Geschlechtervorstellungen kleben zu bleiben. Die restlichen Schauspieler_innen wandern dagegen eher routiniert bis bemüht über die Insel der Zauberin, die in diesem Fall von Hawaii dargestellt wird. Alfred Molina als Stefano hat ein paar Momente, aber die Szenen um Caliban, Stefano und Trinculo versacken schnell in Klamauk, was nicht so ganz zu der elegischen Atmosphäre des Films passen will. Alan Cumming, der den Sebastian spielt, fand ich ja unheimlich gut als Nightcrawler in X-Men 2. Hier bleibt er leider ziemlich blass. Allenfalls Ben Whishaw als androgyner Ariel, der zwischendurch auch mal das Geschlecht wechselt, sticht noch hervor, was aber eher an den Effekten als an seiner Schauspielerei liegt.
Maßlos ärgerlich ist die Darstellung des Caliban (Djimon Hounsou). Nachdem Prosper@ so überzeugend neu interpretiert wurde, fällt es um so mehr ins Gewicht, dass Taymors Caliban ein reines, ungebrochenes Klischee ist: Er rollt mit den Augen, schneidet Grimassen, fürchtet sich vor Büchern und Zauberei und betet weiße Männer als Götter an. Mir so etwas anzusehen, habe ich nun wirklich keine Lust. Die reiche Interpretationsgeschichte, die Caliban als widerständigen Sklaven und/oder kolonisierten Inselbewohner ansieht, scheint an Taymor vollständig vorbeigegangen zu sein.
Die Szenen übernatürlichen oder magischen Inhalts nehmen recht breiten Raum ein, sind aber so gut wie gar nicht in die Handlung integriert, was sie fast wie Musical-Einlagen wirken lässt.* Da gibt es wirklich Filme, in denen die Verknüpfung von phantastischen und realistischen Ereignissen weitaus besser funktioniert. In The Tempest hätte man die phantastischen Szenen weglassen können, ohne dass der Handlung sonderlich viel abhanden käme. Andererseits: Viel Sehenswertes bliebe dann auch nicht übrig.
Schade, aber Helen Mirrens Prospera macht die geballten Schwächen dieses Films einfach nicht wett.
* Das muss kein Zufall sein. Julie Taymor hat bei mehreren Musicals Regie geführt.
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Bewegte Bilder,
Rezensionen
Sonntag, 25. März 2012
Zirkus der Träume, Traumzirkus
Liest man das nicht recht oft, dass der Schauplatz die eigentliche Hauptperson einer Geschichte sei? Der Nachtzirkus macht daraus kein Geheimnis, schon der Titel kündigt es an, und entsprechend präsent bleibt der Zirkus, der nur nachts seine Pforten öffnet, im weiteren Verlauf der Geschichte. Kurze Vignetten, eingestreut in die Geschichte, lassen den weißschwarzen Zirkus lebendig werden, lassen den Leser darin eintreten. Es geht um Magie in dieser Geschichte, und um einen Wettstreit zwischen Zauberern. Aber nach welchen Regeln wird gespielt? Wer ist Spieler, wer nur Statist? Und ist der Schauplatz nur ein Schauplatz, oder hat er darüber hinaus noch eine Bedeutung?
Wie ein Zirkus wird auch diese Geschichte von einem Ensemble getragen. Zunächst nehmen die häufigen Schnitte zu anderen Charakteren und Schauplätzen der Entwicklung etwas Fahrt und Übersichtlichkeit, und bei manchen wunderte ich mich, wo dieses Puzzleteil seinen Platz finden soll. Doch schließlich fügt sich alles zusammen und entwickelt eine gelungene Dynamik, vor allem im Finale. Und natürlich ist das auch ein Reiz der Geschichte, dass der eine in den Hintergrund tritt, und der andere unerwartet Bedeutung gewinnt.
Zwei weitere Pluspunkte für die Geschichte sind die relativ große Präsenz von homosexuellen Charakteren, und das von mir geschätzte Stilmittel, Passagen verbatim zu wiederholen oder leicht abzuwandeln um Parallelitäten aufzubauen. Abstriche gibt es dafür, dass manche Stellen mir anachronistisch erschienen, und dass ein Teil der Auflösung vorauszuahnen war. Letzteres ist natürlich eine Gratwanderung zwischen Vorhersehbarkeit und Deus ex Machina, die je nach Leser und Lesesituation anders ausgeht.
Das Hörbuch wurde von Matthias Brandt eingelesen, dessen Stimme ruhig aber ohne ältliches, getragenes Timbre ist, da sie Souveränität und Unbestimmtheit gleichermaßen ausstrahlt. Ausgewählten Charakteren gibt er subtil eine individuelle, markante Sprechweise, ohne dies zu übertreiben – keine davon sticht als Verstellung hervor oder lässt den Charakter zur Karikatur werden. Die Vignetten aus dem Nachtzirkus setzt er gelungen vom Rest der Geschichte ab, vermittelt die Mysteriosität des Ortes auf wunderbare Weise. Störend ist allerdings, dass manche Worte ohne erkennbaren Grund englisch ausgesprochen werden – etwa der Titel des ersten Kapitels, Primordium. Eine besonders peinliche Panne ist, dass der Name Hugin (in diesem Fall nur ein relativ gewöhnlicher Rabe) wie das englische huggin’ klingt, und sein Pendant entsprechend. Doppelt ärgerlich, da in Hörbüchern ja keine Korrekturen für kommende Auflagen gemacht werden – etwas, was mich über Druckfehler zumindest ein wenig hinwegtröstet.
Insgesamt eine schöne Geschichte, die eine ganz besondere Atmosphäre kreiert und bis zum Schluss aufrecht erhält, nahezu perfekt als Hörbuch umgesetzt. Sowohl der Stimme der Autorin ebenso wie der des Sprechers war es ein Genuss zu lauschen.
Erin Morgenstern: Der Nachtzirkus. Übersetzt von Brigitte Jakobeit. Gelesen von Matthias Brandt. Hörbuch Hamburg 2012. Ungekürzte Lesung, 11 CDs, 849 Minuten. ISBN 978-3-89903-355-7.
Wie ein Zirkus wird auch diese Geschichte von einem Ensemble getragen. Zunächst nehmen die häufigen Schnitte zu anderen Charakteren und Schauplätzen der Entwicklung etwas Fahrt und Übersichtlichkeit, und bei manchen wunderte ich mich, wo dieses Puzzleteil seinen Platz finden soll. Doch schließlich fügt sich alles zusammen und entwickelt eine gelungene Dynamik, vor allem im Finale. Und natürlich ist das auch ein Reiz der Geschichte, dass der eine in den Hintergrund tritt, und der andere unerwartet Bedeutung gewinnt.
Zwei weitere Pluspunkte für die Geschichte sind die relativ große Präsenz von homosexuellen Charakteren, und das von mir geschätzte Stilmittel, Passagen verbatim zu wiederholen oder leicht abzuwandeln um Parallelitäten aufzubauen. Abstriche gibt es dafür, dass manche Stellen mir anachronistisch erschienen, und dass ein Teil der Auflösung vorauszuahnen war. Letzteres ist natürlich eine Gratwanderung zwischen Vorhersehbarkeit und Deus ex Machina, die je nach Leser und Lesesituation anders ausgeht.
Das Hörbuch wurde von Matthias Brandt eingelesen, dessen Stimme ruhig aber ohne ältliches, getragenes Timbre ist, da sie Souveränität und Unbestimmtheit gleichermaßen ausstrahlt. Ausgewählten Charakteren gibt er subtil eine individuelle, markante Sprechweise, ohne dies zu übertreiben – keine davon sticht als Verstellung hervor oder lässt den Charakter zur Karikatur werden. Die Vignetten aus dem Nachtzirkus setzt er gelungen vom Rest der Geschichte ab, vermittelt die Mysteriosität des Ortes auf wunderbare Weise. Störend ist allerdings, dass manche Worte ohne erkennbaren Grund englisch ausgesprochen werden – etwa der Titel des ersten Kapitels, Primordium. Eine besonders peinliche Panne ist, dass der Name Hugin (in diesem Fall nur ein relativ gewöhnlicher Rabe) wie das englische huggin’ klingt, und sein Pendant entsprechend. Doppelt ärgerlich, da in Hörbüchern ja keine Korrekturen für kommende Auflagen gemacht werden – etwas, was mich über Druckfehler zumindest ein wenig hinwegtröstet.
Insgesamt eine schöne Geschichte, die eine ganz besondere Atmosphäre kreiert und bis zum Schluss aufrecht erhält, nahezu perfekt als Hörbuch umgesetzt. Sowohl der Stimme der Autorin ebenso wie der des Sprechers war es ein Genuss zu lauschen.
Erin Morgenstern: Der Nachtzirkus. Übersetzt von Brigitte Jakobeit. Gelesen von Matthias Brandt. Hörbuch Hamburg 2012. Ungekürzte Lesung, 11 CDs, 849 Minuten. ISBN 978-3-89903-355-7.
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Phantastik zum Hören,
Rezensionen
Donnerstag, 22. März 2012
Neuzugänge
- Carl Amery, Die Kapitulation oder Deutscher Katholizismus heute
- Samuel R. Delany, Geschichten aus Nimmerya
- Guy Gavriel Kay, Die Löwen von Al-Rassan
- Herbert Rosendorfer, Der Mann mit den goldenen Ohren
- Franz Rottensteiner (Hg.), Blick vom anderen Ufer. Europäische Science-Fiction
- Terri Windling (Hg.), The Armless Maiden and Other Tales for Childhood’s Survivors
- Jeanette Winterson, Orangen sind nicht die einzige Frucht
Ja ja, schon wieder übersetzt & antiquarisch.
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SUB
Montag, 19. März 2012
Der Seraph
Auf der Leipziger Buchmesse wurde der Seraph-Preis an Christian von Aster verliehen, der für seinen Roman Der letzte Schattenschnitzer ausgezeichnet wurde. Der Tagesspiegel berichtete darüber in einer Art und Weise, die viele Fantasyleser_innen aufhorchen und Gunda Bartels’ Artikel »Eine Welt ist nicht genug« in den einschlägigen Foren und Facebookseiten die Runde machen ließ. In der Tat heben Bartels’ Worte sich wohltuend ab vom eintönigen Lamento über Weltflucht und Kulturverlust, welches die Berichterstattung über Fantasy prägt, und ihr Artikel rückt Elke Heidenreichs diesbezügliche Positionierung aus dem letzten Jahr in ein dezidiert kritisches Licht.
Die Aufmerksamkeit, die der Tagesspiegel-Artikel erhält, zeigt jedoch auch, wie sehr Fantasy und ihre Liebhaber_innen sich noch immer in der Defensive bewegen. Es scheint nach wie vor notwendig zu sein, ostentativ auf die Tugenden des Genres hinzuweisen, um das Genre insgesamt besser dastehen zu lassen. Eine ähnliche Problematik offenbart sich am Anlass des Artikels selbst, am neugeschaffenen Seraph-Preis. Der wird in diesem Jahr erstmalig vergeben, und zwar von der eigens gegründeten Phantastischen Akademie e.V. Dieser »Verein zur Förderung der phantastischen Literatur in Deutschland«, so die Selbstbeschreibung, ist im Umfeld der Literaturagentur Schmidt & Abrahams und des Verlags Feder & Schwert entstanden. Mit dem Preis erhofft man sich nicht nur, einen Beitrag zur Nachwuchsförderung zu leisten (es gibt neben dem Hauptpreis eine dotierte Rubrik »Bestes Debüt«), es wird explizit auch darauf gesetzt, durch die Preisverleihung auf einer renommierten Buchmesse das Image phantastischer Literatur zu verbessern. Die Jury ist zu zwei Dritteln mit Lektorinnen und Verlagsmitarbeitern besetzt. So vermag es kaum zu überraschen, dass der Preis an bei Klett-Cotta erschienenen Letzten Schattenschnitzer ging; Hobbit-Presse-Lektor Stephan Askani steht in der Liste der Jurymitglieder an erster Stelle. Über Sinn und Unsinn des Seraph wurde daher nicht wenig diskutiert. Literaturpreise als Form des Selbstmarketing zu gebrauchen, ist traditionellerweise vor allem im SF-Bereich eine häufig geübte Praxis.
Dennoch finde ich die Vorgehensweise der Phantastischen Akademie nicht weiter schlimm. Das anspruchsvollere Segment der Genre-Fantasy hat im deutschsprachigen Raum – siehe oben – nach wie vor keine Lobby. Sollten Verein und Preis es in Zukunft vermehrt schaffen, die Öffentlichkeit auf grenzüberschreitende und kreative Ausprägungen der deutschsprachigen Fantasy hinzuweisen, hätten sie ihren Daseinszweck erfüllt. Die Voraussetzung wäre natürlich, dass die Jury sich auch wirklich auf dieses Segment konzentriert. In diesem Jahr hat sie das meines Erachtens getan, zumindest in Ansätzen, wie die Nominierungslisten zeigen – Christian von Aster, Marcus Hammerschmitt, Boris Koch und Tobias O. Meißner zum Beispiel zählen nicht zu den immergleichen Autor_innen, die bei einem Publikumspreis wie dem Deutschen Phantastik-Preis (DPP) quasi als Selbstläufer die oberen Ränge dominieren.* Wenn die Seraph-Jury bei diesem Kurs bleibt, kann es ihr gelingen, eine Nische zu besetzen und auf die anderen Gesichter der Fantasy hinzuweisen, die hinter Bestsellerstapeln und Publikumsvoten oft zu Unrecht verborgen bleiben. Nur eines sollte der Trägerverein schleunigst ändern, bevor es zu spät ist: Der Name »Phantastische Akademie« impliziert ein wissenschaftlich-akademisch ausgerichtetes Tätigkeitsfeld, von dem in der Selbstbeschreibung des Vereins aber weit und breit nichts zu erkennen ist. Eine Namensänderung wäre das geeignete Mittel, um Vorwürfen von Etikettenschwindel entgegenzutreten.
Neben dem Letzten Schattenschnitzer wurde übrigens Nina Maria Marewskis Die Moldau im Schrank in der Kategorie »Bestes Debüt« mit dem Seraph ausgezeichnet, ein Buch, welches auch für einen ganz anders gelagerten Preis, nämlich den »Kuriosesten Buchtitel des Jahres«, nominiert war.**
* Mit einer Ausnahme: In der DPP-Kategorie »Bestes deutschsprachiges Romandebüt« tummeln sich regelmäßig interessante Titel.
** Dieser Preis ging dann allerdings an eines dieser Venusfrauen-und-Einparkmänner-Machwerke: Frauen verstehen in 60 Minuten von einer gewissen Angela Troni. In der Begründung heißt es, das Buch könne glatt von Mario Barth unter einem Pseudonym verfasst worden sein. Angela Troni gibt es jedoch wirklich, sie versteht den Mario-Barth-Vergleich offenbar als Auszeichnung, und wahrscheinlich ist das alles auch haargenau so gemeint. Ächz.
Die Aufmerksamkeit, die der Tagesspiegel-Artikel erhält, zeigt jedoch auch, wie sehr Fantasy und ihre Liebhaber_innen sich noch immer in der Defensive bewegen. Es scheint nach wie vor notwendig zu sein, ostentativ auf die Tugenden des Genres hinzuweisen, um das Genre insgesamt besser dastehen zu lassen. Eine ähnliche Problematik offenbart sich am Anlass des Artikels selbst, am neugeschaffenen Seraph-Preis. Der wird in diesem Jahr erstmalig vergeben, und zwar von der eigens gegründeten Phantastischen Akademie e.V. Dieser »Verein zur Förderung der phantastischen Literatur in Deutschland«, so die Selbstbeschreibung, ist im Umfeld der Literaturagentur Schmidt & Abrahams und des Verlags Feder & Schwert entstanden. Mit dem Preis erhofft man sich nicht nur, einen Beitrag zur Nachwuchsförderung zu leisten (es gibt neben dem Hauptpreis eine dotierte Rubrik »Bestes Debüt«), es wird explizit auch darauf gesetzt, durch die Preisverleihung auf einer renommierten Buchmesse das Image phantastischer Literatur zu verbessern. Die Jury ist zu zwei Dritteln mit Lektorinnen und Verlagsmitarbeitern besetzt. So vermag es kaum zu überraschen, dass der Preis an bei Klett-Cotta erschienenen Letzten Schattenschnitzer ging; Hobbit-Presse-Lektor Stephan Askani steht in der Liste der Jurymitglieder an erster Stelle. Über Sinn und Unsinn des Seraph wurde daher nicht wenig diskutiert. Literaturpreise als Form des Selbstmarketing zu gebrauchen, ist traditionellerweise vor allem im SF-Bereich eine häufig geübte Praxis.
Dennoch finde ich die Vorgehensweise der Phantastischen Akademie nicht weiter schlimm. Das anspruchsvollere Segment der Genre-Fantasy hat im deutschsprachigen Raum – siehe oben – nach wie vor keine Lobby. Sollten Verein und Preis es in Zukunft vermehrt schaffen, die Öffentlichkeit auf grenzüberschreitende und kreative Ausprägungen der deutschsprachigen Fantasy hinzuweisen, hätten sie ihren Daseinszweck erfüllt. Die Voraussetzung wäre natürlich, dass die Jury sich auch wirklich auf dieses Segment konzentriert. In diesem Jahr hat sie das meines Erachtens getan, zumindest in Ansätzen, wie die Nominierungslisten zeigen – Christian von Aster, Marcus Hammerschmitt, Boris Koch und Tobias O. Meißner zum Beispiel zählen nicht zu den immergleichen Autor_innen, die bei einem Publikumspreis wie dem Deutschen Phantastik-Preis (DPP) quasi als Selbstläufer die oberen Ränge dominieren.* Wenn die Seraph-Jury bei diesem Kurs bleibt, kann es ihr gelingen, eine Nische zu besetzen und auf die anderen Gesichter der Fantasy hinzuweisen, die hinter Bestsellerstapeln und Publikumsvoten oft zu Unrecht verborgen bleiben. Nur eines sollte der Trägerverein schleunigst ändern, bevor es zu spät ist: Der Name »Phantastische Akademie« impliziert ein wissenschaftlich-akademisch ausgerichtetes Tätigkeitsfeld, von dem in der Selbstbeschreibung des Vereins aber weit und breit nichts zu erkennen ist. Eine Namensänderung wäre das geeignete Mittel, um Vorwürfen von Etikettenschwindel entgegenzutreten.
Neben dem Letzten Schattenschnitzer wurde übrigens Nina Maria Marewskis Die Moldau im Schrank in der Kategorie »Bestes Debüt« mit dem Seraph ausgezeichnet, ein Buch, welches auch für einen ganz anders gelagerten Preis, nämlich den »Kuriosesten Buchtitel des Jahres«, nominiert war.**
Update
Eine leicht überarbeitete (und daher etwas längere) Fassung dieses Posts ist in der April-Ausgabe des Fandom Observer erschienen, die hier kostenlos heruntergeladen werden kann (PDF-Format). Mein Beitrag findet sich auf S. 8. Daneben gibt es Berichte von der Leipziger Buchmesse und vieles mehr. Besonders hervorzuheben ist die Rezension von John Carter, die gewissermaßen als Kontrapunkt zu meinem Beitrag mit dem Satz »Fantasy ist im Grunde ihres Herzens albern« beginnt.* Mit einer Ausnahme: In der DPP-Kategorie »Bestes deutschsprachiges Romandebüt« tummeln sich regelmäßig interessante Titel.
** Dieser Preis ging dann allerdings an eines dieser Venusfrauen-und-Einparkmänner-Machwerke: Frauen verstehen in 60 Minuten von einer gewissen Angela Troni. In der Begründung heißt es, das Buch könne glatt von Mario Barth unter einem Pseudonym verfasst worden sein. Angela Troni gibt es jedoch wirklich, sie versteht den Mario-Barth-Vergleich offenbar als Auszeichnung, und wahrscheinlich ist das alles auch haargenau so gemeint. Ächz.
Marcus Nispels Conan
Conan von Marcus Nispel ist wieder mal kein Film, der sich wirklich auf Robert E. Howards Geschichten einlassen würde. Statt dessen hat Nispel, bislang eher unrühmlich durch seine für Michael Bay gedrehten Slasher-Remakes aufgefallen, mehr oder weniger ein Remake von John Milius’ Conan der Barbar geschaffen. Conans Dorf wird überfallen, die Einwohner_innen niedergemetzelt, der halbwüchsige Barbar schlägt sich fortan allein durchs Leben, wird stark, wächst heran, tanzt nach niemandes Pfeife und erhält schließlich die unverhoffte Gelegenheit zur Rache an dem Bösewicht, der für das Massaker verantwortlich ist: Was dem Arnie sein Thulsa Doom, ist dem Jason sein Khalar Zym.
Die Hauptschwierigkeit mit Nispels Film ist in meinen Augen, dass er sich nicht recht entscheiden kann, welche Geschichte erzählt werden soll: Die vom Abenteurer Conan, der durch sein Leben und das Geschick, mit dem er es gemeistert hat, dazu ausersehen ist, die Welt vor dem evil overlord zu retten. Oder die vom Rächer Conan, der alles daransetzt, den Schurken, der seine glückliche cimmerische Kindheit zerstört hat, mitsamt seinen Handlangern plattzumachen. Wurde in Milius’ Film ganz eindeutig die erste Geschichte erzählt, schwankt das Remake andauernd zwischen beiden Geschichten hin und her und hat deshalb ein sattes dramaturgisches Problem: Die erste Geschichte wird ständig durch die zweite Geschichte ausgebremst, denn schließlich will ein Handlanger nach dem anderen erst mal gefunden und besiegt werden, bevor es gegen den Oberschurken Khalar Zym geht, der sich durch fiese Magie die Welt unterwerfen will. Keine der beiden Geschichten kommt so richtig zum Zug. Der ganze Film wirkt episodenhaft und zerstückelt, es wird ständig von einem Schauplatz zum nächsten gesprungen, wobei einer beeindruckender aussehen soll als der andere. Das mit dem Beeindrucken will allerdings partout nicht gelingen, denn vor lauter Hektik bleibt gar keine Zeit, um Charaktere oder Schauplätze auch mal etwas genauer auszuleuchten. Zum Höhepunkt hin gibt es sogar eine Szene, in der ein riesiges Monster überwunden werden muss, ein archetypisches Conan-Motiv also, aber gerade diese Szene gehört zu den schlechtesten des Films.
Wenn die Geschichte (oder vielmehr die aneinandergereihten Versatzstücke der beiden Geschichten) auch nicht viel mit Howards Original-Conan zu tun hat, so wird doch ansatzweise versucht, sich auf Howards Erzähluniversum zu beziehen. Dies geschieht allerdings hauptsächlich durch Name-dropping, und indem Conan in einer Szene bei einem feuchtfröhlichen Kneipengelage gezeigt wird. Darüber hinaus ist im Vorspann, der ganz auf Fantasy-Klischee gemacht ist, kurz eine Karte des hyborischen Zeitalters zu sehen. Mehr ist für Howard-Nerds in diesem Film nicht drin.
Die Nebenrollen sind allesamt ziemlich uninteressant, insbesondere vermögen Khalar Zyms zahlreiche Handlanger keinen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, obwohl sie alle auf so richtig mordsböse getrimmt sind. Einzig Conans Mentor, der Pirat Artus, sticht ein wenig hervor. Er wird von Nonso Anozie verkörpert, der die beste schauspielerische Leistung dieses Films hinlegt.* Frauengestalten, die in irgendeiner Weise interessant oder überzeugend wären, kommen nicht vor. Rose McGowans Rolle als Tochter des Oberschurken ist so dermaßen überflüssig, dass man den Eindruck hat, sie sei nur in das Drehbuch hineingeschrieben worden, um McGowan dafür zu kompensieren, dass sie aufgrund einer Armverletzung im geplanten Remake von Red Sonja nicht die Titelrolle übernehmen konnte. Dagegen ist Rachel Nichols’ Rolle als Tamara, die »reinblütige« Nachfahrin der Zauberer von Acheron, zwar zentral für den Plot, aber leider hoffnungslos albern.
Fazit: Conan ist ein Film, über den man sich weder freuen noch ärgern kann (es sei denn vielleicht, man hat hohe Erwartungen in ihn gesetzt), denn man verpasst einfach nichts, wenn man ihn nicht gesehen hat.
* Anozie wird in der zweiten Staffel von Game of Thrones den Xaro Xhoan Daxos spielen.
Die Hauptschwierigkeit mit Nispels Film ist in meinen Augen, dass er sich nicht recht entscheiden kann, welche Geschichte erzählt werden soll: Die vom Abenteurer Conan, der durch sein Leben und das Geschick, mit dem er es gemeistert hat, dazu ausersehen ist, die Welt vor dem evil overlord zu retten. Oder die vom Rächer Conan, der alles daransetzt, den Schurken, der seine glückliche cimmerische Kindheit zerstört hat, mitsamt seinen Handlangern plattzumachen. Wurde in Milius’ Film ganz eindeutig die erste Geschichte erzählt, schwankt das Remake andauernd zwischen beiden Geschichten hin und her und hat deshalb ein sattes dramaturgisches Problem: Die erste Geschichte wird ständig durch die zweite Geschichte ausgebremst, denn schließlich will ein Handlanger nach dem anderen erst mal gefunden und besiegt werden, bevor es gegen den Oberschurken Khalar Zym geht, der sich durch fiese Magie die Welt unterwerfen will. Keine der beiden Geschichten kommt so richtig zum Zug. Der ganze Film wirkt episodenhaft und zerstückelt, es wird ständig von einem Schauplatz zum nächsten gesprungen, wobei einer beeindruckender aussehen soll als der andere. Das mit dem Beeindrucken will allerdings partout nicht gelingen, denn vor lauter Hektik bleibt gar keine Zeit, um Charaktere oder Schauplätze auch mal etwas genauer auszuleuchten. Zum Höhepunkt hin gibt es sogar eine Szene, in der ein riesiges Monster überwunden werden muss, ein archetypisches Conan-Motiv also, aber gerade diese Szene gehört zu den schlechtesten des Films.
Wenn die Geschichte (oder vielmehr die aneinandergereihten Versatzstücke der beiden Geschichten) auch nicht viel mit Howards Original-Conan zu tun hat, so wird doch ansatzweise versucht, sich auf Howards Erzähluniversum zu beziehen. Dies geschieht allerdings hauptsächlich durch Name-dropping, und indem Conan in einer Szene bei einem feuchtfröhlichen Kneipengelage gezeigt wird. Darüber hinaus ist im Vorspann, der ganz auf Fantasy-Klischee gemacht ist, kurz eine Karte des hyborischen Zeitalters zu sehen. Mehr ist für Howard-Nerds in diesem Film nicht drin.
Die Nebenrollen sind allesamt ziemlich uninteressant, insbesondere vermögen Khalar Zyms zahlreiche Handlanger keinen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, obwohl sie alle auf so richtig mordsböse getrimmt sind. Einzig Conans Mentor, der Pirat Artus, sticht ein wenig hervor. Er wird von Nonso Anozie verkörpert, der die beste schauspielerische Leistung dieses Films hinlegt.* Frauengestalten, die in irgendeiner Weise interessant oder überzeugend wären, kommen nicht vor. Rose McGowans Rolle als Tochter des Oberschurken ist so dermaßen überflüssig, dass man den Eindruck hat, sie sei nur in das Drehbuch hineingeschrieben worden, um McGowan dafür zu kompensieren, dass sie aufgrund einer Armverletzung im geplanten Remake von Red Sonja nicht die Titelrolle übernehmen konnte. Dagegen ist Rachel Nichols’ Rolle als Tamara, die »reinblütige« Nachfahrin der Zauberer von Acheron, zwar zentral für den Plot, aber leider hoffnungslos albern.
Fazit: Conan ist ein Film, über den man sich weder freuen noch ärgern kann (es sei denn vielleicht, man hat hohe Erwartungen in ihn gesetzt), denn man verpasst einfach nichts, wenn man ihn nicht gesehen hat.
* Anozie wird in der zweiten Staffel von Game of Thrones den Xaro Xhoan Daxos spielen.
Mittwoch, 14. März 2012
Der Friedhof in Prag
Das Figurenensemble von Umberto Ecos jüngstem Roman besteht, mit Ausnahme der fiktiven Hauptfigur Simone Simonini, vollständig aus historischen Personen. Dies ist allerdings, wie der Autor selbst sagt, cum grano salis zu verstehen, denn aus erzählerischen Gründen hat Eco mehrere historische Personen manchmal zu einer einzigen Romanfigur verschmolzen.
Zu Beginn des Romans ist Simonini ein alter, von Ressentiments zerfressener Mann, der als Urkundenfälscher in Paris lebt. Sein Hass auf alles, was er als anders wahrnimmt, wird nur übertroffen von der Völlerei, die seine einzige Befriedigung zu sein scheint – oder sein könnte, wenn er nicht an Gedächtnislücken litte und seine Wohnung mit einem geheimnisvollen Doppelgänger teilte, einem Abbé, der sich der Entdeckung durch Simonini immer wieder entzieht. In einem Café begegnet Simonini einem jungen jüdischen Arzt namens Froïde, der ihm empfiehlt, seine Erinnerungen, Träume und Ängste schriftlich aufzuzeichnen, um der Ursache der Bewusstseinsspaltung auf die Spur zu kommen. Simonini kommt diesem Rat nach, und seine Aufzeichnungen, ergänzt durch die Tagebucheinträge des Doppelgängers Dalla Piccola, enthalten den Großteil der Handlung des Buches. Nur gelegentlich werden sie unterbrochen von der Stimme des (stets durch Kapitälchen ausgezeichneten) auktorialen Erzählers, der ordnend und mit Erläuterungen in die von beiden Stimmen gesponnene Geschichte der modernen Paranoia eingreift. Der intradiegetischen Absicht der Figur Simonini ganz entgegengesetzt, entsteht so das Psychogramm eines autoritären Charakters im historischen Kontext, welches zugleich die Geschichte der antisemitischen Verschwörungstheorie und ihrer Folgen ist.
Simone Simonini wird als Enkel jenes Hauptmanns Simonini vorgestellt, welcher einen Brief an Napoleon schrieb, in dem er den Kaiser der Franzosen vor angeblichen jüdischen Machenschaften warnte.* Simonini der Ältere ist ein schwadronierender und geifernder Reaktionär, der seinen Enkel durch Jesuitenpatres im antimodernen Geist erziehen lässt. Simonini hasst seine klerikalen Lehrmeister, aber statt gegen sie aufzubegehren, ist er lediglich neidisch auf ihre Autorität und ihre Fähigkeit zur Manipulation. Nachdem er eine Gruppe revolutionär gesinnter Altersgenossen bei der Polizei denunziert hat, wird er – unfähig, eine bürgerliche Existenz aufzubauen – zum professionellen Fälscher, der im Auftrag verschiedener Geheimdienste eine beispiellose Karriere macht. Aufgrund dieser Tätigkeit erlebt er zahlreiche wichtige historische Ereignisse des 19. Jahrhunderts mit. Er wechselt oft die Seiten und versteht selten die wirklichen Absichten seiner Auftraggeber, interessiert sich auch nicht für sie. Wichtiger ist ihm, erfolgreich nach oben buckeln und nach unten treten zu können. Er fürchtet sich vor der Macht und nutzt Schwäche gnadenlos aus. Obwohl er in den verschiedensten politischen Zwistigkeiten eine entscheidende Rolle spielt, wird stets deutlich, dass Simonini im Grunde ein zutiefst unpolitischer Mensch ist. Er versteht die Politik nicht, weshalb sie ihm Angst macht, und er lässt sich auf die Ereignisse nur ein, wenn er sich einen Vorteil davon verspricht. Meist hält er es dabei mit der alten Ordnung, nicht weil er sie aus Überzeugung für die bessere hält, sondern weil Veränderungen ihn beklommen machen.
Simoninis Spezialität ist dabei, ganz wie zu Beginn seiner Laufbahn, die Denunziation. Er übt sie allerdings nicht mehr als Spitzel aus, sondern indem er auf fast schon industrielle Weise gefälschte Dokumente produziert, welche den Feind_innen seiner jeweiligen Auftraggeber reißerisch die schlimmsten Absichten und die wüstesten Sitten unterstellen. Im Hintergrund stehen dabei, so sehr das zeitweilige Feindbild auch wechseln mag, stets die Juden, die er von Kindheit an, darin seinem autoritären Großvater begierig nacheifernd, auf fanatische und zerstörerische Weise hasst und fürchtet. In dieser Hinsicht ist Simonini konsequent bis zum letzten. In den Protokollen der Weisen von Zion, zu derem fiktiven Verfasser der Roman ihn ernennt, dichtet er den Juden all das an, was er selber betreibt und seinen Charakter auszeichnet: Fälschung, Manipulation, Verrat, Bereicherung, Macht- und Geldgier, Rachsucht, Mord. Kurz, er projiziert all das, was ihn selber ausmacht, auf andere, und er hasst den imaginären Feind dafür um so mehr.
Im Hintergrund des in Der Friedhof in Prag gezeichneten Zeit- und Charakterbilds steht nicht allein die Psychoanalyse, sondern auch die klassischen Antisemitismustheorien von Sartre und Horkheimer/Adorno.** Durch die implizite Bezugnahme auf solche Theorien gelingt es Eco, den Antisemitismus in seiner ganzen Tragweite darzustellen, obwohl die Handlung des Romans im Jahre 1898 endet und die Nazis selbst also noch gar nicht darin vorkommen. Der Nazismus als Konsequenz des Antisemitismus ist jedoch durchaus präsent, sein zentrales Vorhaben, die Auslöschung der Judenheit, lässt Eco seine Charaktere bereits vorformulieren. Was immer man davon halten mag, dass Eco die Wirkungsgeschichte der Protokolle aus der Romanhandlung ausspart: Sein theoretischer Reflektionsrahmen ist mancher gegenwärtigen Debatte über Faschismus und Antisemitismus weit voraus.***
Es lohnt sich meines Erachtens, auf zwei zentrale Kritikpunkte einzugehen, die gegenüber Ecos Roman verschiedentlich geäußert wurden. Der erste betrifft die Frage, ob Simonini, immerhin der (schurkische) Held dieser Geschichte, bei der Leserin/beim Leser nicht Mitgefühl erregen könne, so dass die Wirkung des Romans entgegen allen guten Absichten darin bestünde, dass Verständnis für den Antisemitismus und seine Vertreter_innen geweckt würde. Diese legitime Befürchtung äußerte z.B. der Oberrabbiner von Rom (siehe auch hier). Für wichtig halte ich dabei den Hinweis, dass Simonini kein tragischer, sondern ein komischer Charakter ist. Es soll beim Lesen über ihn gelacht werden, nicht mit ihm. Das räumt aber das Problem nicht aus, ob nicht einerseits bei Simoninis Triumphen nicht doch mit ihm gelacht werden kann, und ob andererseits das Lachen über den Faschismus (in diesem Fall müsste es natürlich eher Protofaschismus heißen) nicht generell die Gefahr der Verharmlosung in sich birgt – eine offene Frage, seit sie von Chaplins Der große Diktator und Lubitschs Sein oder Nichtsein aufgeworfen wurde.
Der zweite Kritikpunkt betrifft die von Umberto Eco gewählte Gattung. Der Friedhof in Prag nimmt literarisch vor allem auf den Abenteuer- und Kolportageroman des 19. Jahrhunderts Bezug. In seiner Episodenhaftigkeit, den ständig neu auftretenden Verwirrrungen und anschließenden Entwirrungen ist er eine bewusste Imitation dieser Literaturform – nicht zufällig ist eine der im Roman auftretenden historischen Persönlichkeiten Alexandre Dumas der Ältere. Ebensowenig ein Zufall ist aber Ecos Entscheidung, einen klassischen Abenteuerroman kritisch neu zu erzählen. Sie geht vielmehr auf Ecos These zurück, wie er sie in den 1994 in Buchform erschienenen Harvard-Vorlesungen im Im Wald der Fiktionen erstmals ausführt, derzufolge die Protokolle und ihre Textvorläuferinnen maßgeblich von Spannungsromanen wie Dumas’ Joseph Balsamo und Eugène Sues Der ewige Jude beeinflusst sind, wenn sie nicht sogar offene Anleihen enthalten. Ecos erzählerisches Vorgehen lässt sich also so zusammenfassen, dass er eine politisch-hetzerische Rezeptionsweise der Unterhaltungsliteratur des 19. Jahrhunderts in politisch-aufklärerischer Absicht beschreibt, indem er sie in Form von Unterhaltungsliteratur nacherzählt. Dieses Vorgehen steht im Einklang mit Ecos Postulat, dass eine Metasprache zum Zwecke der kritischen Interpretation zwar notwendig sei, sich aber nicht allzu sehr vom interpretierten Gegenstand unterscheiden müsse.**** Hat man das durchschaut und weiß es zu würdigen, dann zielt der Vorwurf, Eco versuche eine Verschwörungstheorie zu entlarven, indem er sie durch eine verschwörerische Romanhandlung erkläre, ins Leere. Auch steht die Form der Darstellung, die die eigentliche Romanhandlung als eine Art historisches Psychogramm (mit Freud als Paten) erscheinen lässt, jedem Versuch entgegen, die Handlung für bare Münze zu nehmen. In meinen Augen ist Ecos Experiment gelungen.
Der Friedhof in Prag ist scharfsinnig und überaus lesenswert. Nach der enttäuschenden Essaysammlung Im Krebsgang voran, die als Ecos letzte große Buchveröffentlichung vor diesem Roman 2007 auf Deutsch erschien, freue ich mich darüber um so mehr. Vielleicht (da bin ich mir aber selbst nicht ganz sicher) ist es sogar Ecos bester Roman seit Das Foucaultsche Pendel. Im direkten Vergleich beider Romane, die ja durch ihre Thematik verbunden sind, liest Der Friedhof in Prag sich übrigens weitaus zugänglicher. Zwar erstreckt sich die Handlung über historische Entwicklungen wie das italienische Risorgimento und die Pariser Commune, über die ich nur rudimentäres Wissen habe, aber das tut der Lesbarkeit des Romans keinen Abbruch. Die Handlung ist zudem, gemessen an Ecos erzählerischen Vorlieben, außergewöhnlich geradlinig. Einziger Wermutstropfen: Das letzte Drittel des Romans ist arg zerfasert, weil Eco unbedingt noch den Taxil-Schwindel und die Dreyfus-Affäre mit hineinbringen musste, um die Allgegenwart des Verschwörungswahns im 19. Jahrhundert zu illustrieren.
Der Friedhof in Prag von Umberto Eco (519 Seiten) erschien 2011 bei Hanser. Die Übersetzung aus dem Italienischen besorgte Burkhart Kroeber.
* Ob Hauptmann Simonini eine historische Person war, ist unklar. Der in seinem Namen verfasste Brief könnte einer Theorie zufolge auch eine Fälschung der französischen Geheimpolizei sein, die Napoleon gegen die Juden aufbringen wollte. Eco scheint den Briefschreiber für historisch zu halten (vgl. S. 513). Es wäre aber natürlich fast noch passender, wenn bereits das geschichtliche Urbild Simoninis eine Kunstfigur gewesen wäre.
** Der einzige Rezensent, der das bemerkt zu haben scheint, ist Jens Renner in der analyse & kritik (Nr. 566, 18. November 2011): »Tödliche Fälschung«.
*** Der Roman verschweigt übrigens nicht, dass es bereits im 19. Jahrhundert Antisemitismus auch von links gab.
**** Eco legt dies in dem Band Streit der Interpretationen (Philo-Verlag, Hamburg 2005) dar.
Simone Simonini wird als Enkel jenes Hauptmanns Simonini vorgestellt, welcher einen Brief an Napoleon schrieb, in dem er den Kaiser der Franzosen vor angeblichen jüdischen Machenschaften warnte.* Simonini der Ältere ist ein schwadronierender und geifernder Reaktionär, der seinen Enkel durch Jesuitenpatres im antimodernen Geist erziehen lässt. Simonini hasst seine klerikalen Lehrmeister, aber statt gegen sie aufzubegehren, ist er lediglich neidisch auf ihre Autorität und ihre Fähigkeit zur Manipulation. Nachdem er eine Gruppe revolutionär gesinnter Altersgenossen bei der Polizei denunziert hat, wird er – unfähig, eine bürgerliche Existenz aufzubauen – zum professionellen Fälscher, der im Auftrag verschiedener Geheimdienste eine beispiellose Karriere macht. Aufgrund dieser Tätigkeit erlebt er zahlreiche wichtige historische Ereignisse des 19. Jahrhunderts mit. Er wechselt oft die Seiten und versteht selten die wirklichen Absichten seiner Auftraggeber, interessiert sich auch nicht für sie. Wichtiger ist ihm, erfolgreich nach oben buckeln und nach unten treten zu können. Er fürchtet sich vor der Macht und nutzt Schwäche gnadenlos aus. Obwohl er in den verschiedensten politischen Zwistigkeiten eine entscheidende Rolle spielt, wird stets deutlich, dass Simonini im Grunde ein zutiefst unpolitischer Mensch ist. Er versteht die Politik nicht, weshalb sie ihm Angst macht, und er lässt sich auf die Ereignisse nur ein, wenn er sich einen Vorteil davon verspricht. Meist hält er es dabei mit der alten Ordnung, nicht weil er sie aus Überzeugung für die bessere hält, sondern weil Veränderungen ihn beklommen machen.
Simoninis Spezialität ist dabei, ganz wie zu Beginn seiner Laufbahn, die Denunziation. Er übt sie allerdings nicht mehr als Spitzel aus, sondern indem er auf fast schon industrielle Weise gefälschte Dokumente produziert, welche den Feind_innen seiner jeweiligen Auftraggeber reißerisch die schlimmsten Absichten und die wüstesten Sitten unterstellen. Im Hintergrund stehen dabei, so sehr das zeitweilige Feindbild auch wechseln mag, stets die Juden, die er von Kindheit an, darin seinem autoritären Großvater begierig nacheifernd, auf fanatische und zerstörerische Weise hasst und fürchtet. In dieser Hinsicht ist Simonini konsequent bis zum letzten. In den Protokollen der Weisen von Zion, zu derem fiktiven Verfasser der Roman ihn ernennt, dichtet er den Juden all das an, was er selber betreibt und seinen Charakter auszeichnet: Fälschung, Manipulation, Verrat, Bereicherung, Macht- und Geldgier, Rachsucht, Mord. Kurz, er projiziert all das, was ihn selber ausmacht, auf andere, und er hasst den imaginären Feind dafür um so mehr.
Im Hintergrund des in Der Friedhof in Prag gezeichneten Zeit- und Charakterbilds steht nicht allein die Psychoanalyse, sondern auch die klassischen Antisemitismustheorien von Sartre und Horkheimer/Adorno.** Durch die implizite Bezugnahme auf solche Theorien gelingt es Eco, den Antisemitismus in seiner ganzen Tragweite darzustellen, obwohl die Handlung des Romans im Jahre 1898 endet und die Nazis selbst also noch gar nicht darin vorkommen. Der Nazismus als Konsequenz des Antisemitismus ist jedoch durchaus präsent, sein zentrales Vorhaben, die Auslöschung der Judenheit, lässt Eco seine Charaktere bereits vorformulieren. Was immer man davon halten mag, dass Eco die Wirkungsgeschichte der Protokolle aus der Romanhandlung ausspart: Sein theoretischer Reflektionsrahmen ist mancher gegenwärtigen Debatte über Faschismus und Antisemitismus weit voraus.***
Es lohnt sich meines Erachtens, auf zwei zentrale Kritikpunkte einzugehen, die gegenüber Ecos Roman verschiedentlich geäußert wurden. Der erste betrifft die Frage, ob Simonini, immerhin der (schurkische) Held dieser Geschichte, bei der Leserin/beim Leser nicht Mitgefühl erregen könne, so dass die Wirkung des Romans entgegen allen guten Absichten darin bestünde, dass Verständnis für den Antisemitismus und seine Vertreter_innen geweckt würde. Diese legitime Befürchtung äußerte z.B. der Oberrabbiner von Rom (siehe auch hier). Für wichtig halte ich dabei den Hinweis, dass Simonini kein tragischer, sondern ein komischer Charakter ist. Es soll beim Lesen über ihn gelacht werden, nicht mit ihm. Das räumt aber das Problem nicht aus, ob nicht einerseits bei Simoninis Triumphen nicht doch mit ihm gelacht werden kann, und ob andererseits das Lachen über den Faschismus (in diesem Fall müsste es natürlich eher Protofaschismus heißen) nicht generell die Gefahr der Verharmlosung in sich birgt – eine offene Frage, seit sie von Chaplins Der große Diktator und Lubitschs Sein oder Nichtsein aufgeworfen wurde.
Der zweite Kritikpunkt betrifft die von Umberto Eco gewählte Gattung. Der Friedhof in Prag nimmt literarisch vor allem auf den Abenteuer- und Kolportageroman des 19. Jahrhunderts Bezug. In seiner Episodenhaftigkeit, den ständig neu auftretenden Verwirrrungen und anschließenden Entwirrungen ist er eine bewusste Imitation dieser Literaturform – nicht zufällig ist eine der im Roman auftretenden historischen Persönlichkeiten Alexandre Dumas der Ältere. Ebensowenig ein Zufall ist aber Ecos Entscheidung, einen klassischen Abenteuerroman kritisch neu zu erzählen. Sie geht vielmehr auf Ecos These zurück, wie er sie in den 1994 in Buchform erschienenen Harvard-Vorlesungen im Im Wald der Fiktionen erstmals ausführt, derzufolge die Protokolle und ihre Textvorläuferinnen maßgeblich von Spannungsromanen wie Dumas’ Joseph Balsamo und Eugène Sues Der ewige Jude beeinflusst sind, wenn sie nicht sogar offene Anleihen enthalten. Ecos erzählerisches Vorgehen lässt sich also so zusammenfassen, dass er eine politisch-hetzerische Rezeptionsweise der Unterhaltungsliteratur des 19. Jahrhunderts in politisch-aufklärerischer Absicht beschreibt, indem er sie in Form von Unterhaltungsliteratur nacherzählt. Dieses Vorgehen steht im Einklang mit Ecos Postulat, dass eine Metasprache zum Zwecke der kritischen Interpretation zwar notwendig sei, sich aber nicht allzu sehr vom interpretierten Gegenstand unterscheiden müsse.**** Hat man das durchschaut und weiß es zu würdigen, dann zielt der Vorwurf, Eco versuche eine Verschwörungstheorie zu entlarven, indem er sie durch eine verschwörerische Romanhandlung erkläre, ins Leere. Auch steht die Form der Darstellung, die die eigentliche Romanhandlung als eine Art historisches Psychogramm (mit Freud als Paten) erscheinen lässt, jedem Versuch entgegen, die Handlung für bare Münze zu nehmen. In meinen Augen ist Ecos Experiment gelungen.
Der Friedhof in Prag ist scharfsinnig und überaus lesenswert. Nach der enttäuschenden Essaysammlung Im Krebsgang voran, die als Ecos letzte große Buchveröffentlichung vor diesem Roman 2007 auf Deutsch erschien, freue ich mich darüber um so mehr. Vielleicht (da bin ich mir aber selbst nicht ganz sicher) ist es sogar Ecos bester Roman seit Das Foucaultsche Pendel. Im direkten Vergleich beider Romane, die ja durch ihre Thematik verbunden sind, liest Der Friedhof in Prag sich übrigens weitaus zugänglicher. Zwar erstreckt sich die Handlung über historische Entwicklungen wie das italienische Risorgimento und die Pariser Commune, über die ich nur rudimentäres Wissen habe, aber das tut der Lesbarkeit des Romans keinen Abbruch. Die Handlung ist zudem, gemessen an Ecos erzählerischen Vorlieben, außergewöhnlich geradlinig. Einziger Wermutstropfen: Das letzte Drittel des Romans ist arg zerfasert, weil Eco unbedingt noch den Taxil-Schwindel und die Dreyfus-Affäre mit hineinbringen musste, um die Allgegenwart des Verschwörungswahns im 19. Jahrhundert zu illustrieren.
Der Friedhof in Prag von Umberto Eco (519 Seiten) erschien 2011 bei Hanser. Die Übersetzung aus dem Italienischen besorgte Burkhart Kroeber.
* Ob Hauptmann Simonini eine historische Person war, ist unklar. Der in seinem Namen verfasste Brief könnte einer Theorie zufolge auch eine Fälschung der französischen Geheimpolizei sein, die Napoleon gegen die Juden aufbringen wollte. Eco scheint den Briefschreiber für historisch zu halten (vgl. S. 513). Es wäre aber natürlich fast noch passender, wenn bereits das geschichtliche Urbild Simoninis eine Kunstfigur gewesen wäre.
** Der einzige Rezensent, der das bemerkt zu haben scheint, ist Jens Renner in der analyse & kritik (Nr. 566, 18. November 2011): »Tödliche Fälschung«.
*** Der Roman verschweigt übrigens nicht, dass es bereits im 19. Jahrhundert Antisemitismus auch von links gab.
**** Eco legt dies in dem Band Streit der Interpretationen (Philo-Verlag, Hamburg 2005) dar.
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Umbertos Echo
Dienstag, 13. März 2012
Red Riding Hood
Das Ende des letzten Jahres habe ich – neben zwei oder drei anderen Beschäftigungen – vor allem damit verbracht, schlechte Fantasyfilme zu gucken. Beispielhaft dokumentiert ist das hier, und eigentlich wollte ich auch noch etwas über Sucker Punch schreiben, aber dazu hat Foz Meadows schon fast alles gesagt, was es zu sagen gibt. Das Schlimmste aber habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben und sogar noch ins neue Jahr mitgeschleppt: Catherine Hardwickes Red Riding Hood.
Eine positive Bemerkung gibt es zu diesem Film zu machen (wir sind hier ja fair und um Ausgleich bemüht): Red Riding Hood bietet nette Bilder. So quietschbunt-disneymärchenmäßige natürlich, aber irgendwie niedlich. Der Eindruck wird aber sofort zunichte gemacht durch die Schauspieler_innen, die stets barhäuptig, mit offenem Hemdkragen und hochgerollten Ärmeln durch die winterlichen Schneelandschaften stapfen und sie damit bereits wenige Minuten nach der Eröffnungssequenz zur billigen Kulisse werden lassen. Wobei es dann bis zum Ende bleibt. Hier wurde also eine Möglichkeit verschenkt. Immerhin, eine Möglichkeit – der Rest des Films ist nämlich schon vom Ansatz her scheiße.
Den Rotkäppchen-Stoff nimmt Red Riding Hood als Folie für eine Dreiecksgeschichte. In einem klitzekleinen Dörfchen, irgendwann und irgendwo in einem imaginären Mittelalter, lebt Valerie (Amanda Seyfried). Valerie soll nach dem Willen ihres Vaters Henry (Max Irons) heiraten, den besonnenen und zurückhaltenden Sohn des Schmieds. Sie will aber viel lieber mit Peter (Shiloh Fernandez) anbändeln, der so ein richtiger Bilderbuchkerl für die Twilight-Generation ist: Stets mit perfekter Fönfrisur im pseudomittelalterlichen Setting herumturnend; immer bereit, sich von schwachen Frauen anhimmeln zu lassen oder gegen einen Konkurrenten die Fäuste fliegen zu lassen. Man hofft den ganzen Film über mit Schmerzen, dass Valerie sich endlich, in irgendeiner Form, von diesem pathetischen Edward-Cullen-Verschnitt emanzipieren möge, aber man wird enttäuscht auf der ganzen Linie.
Valeries Dörfchen wird von einem Werwolf bedroht. Jeder, das heißt: natürlich nur das Mannsvolk des Dorfes, steht unter dem Verdacht, ein Pelzwechsler zu sein, und der fiese Priester/Werwolfjäger Solomon (Gary Oldman) packt bereits seine Folterinstrumente aus, um die Bestie zu entlarven. In so einer Situation müssen echte Kerle sich natürlich beweisen, indem sie schwache Frauen beschützen und auf Wolfsjagd gehen. Oder sie müssen sich so verhalten, dass sie selber als möglicher Werwolf in Betracht kommen, was ihrem Status als echter Kerl keinen Abbruch tut, im Gegenteil, in jedem richtigen Mann steckt schließlich ein Tier, das nur darauf wartet, herauszukommen. Aber keine Sorge: Der echte Kerl, der Mann fürs Leben, hat zwar das Tier in sich, aber er hat es selbstverständlich unter Kontrolle. Was aber, wenn einer den inneren Werwolf mal nicht unter Kontrolle hat? So einer kriegt, was er verdient, ganz klar. Im Übrigen erkennt man so einen Versager recht schnell an seinem Äußeren: Er ist unrasiert, hat buschige Augenbrauen und die Haare hängen ihm irgendwie schmuddelig ins Gesicht.*
Diese strunzkonservative Moral hält Hardwickes Film gnadenlos durch, von Anfang bis Ende. Nur Henry, der Nebenbuhler, passt nicht ganz in dieses von keinem Zweifel getrübte Bild, weil er irgendwie nachdenklicher ist als die anderen Charaktere und nicht einfach alles mitmacht. Aber genau das disqualifiziert ihn natürlich als Mann für Valerie. Er wird sich unweigerlich als Pussy erweisen, Besonnenheit und Rücksichtnahme sind doch eigentlich nichts anderes als Feigheit. Für so einen hält das Schicksal nur eine Möglichkeit bereit: Immer wieder unter Beweis zu stellen, dass er doch kein Feigling ist, um vielleicht irgendwann würdig zu sein, eine schwache Frau beschützen zu dürfen. Bis dahin bleibt ihm nichts anderes übrig als die Dinge, wie sie sind und auch sein sollen, hinzunehmen und beseitezutreten für den echten Kerl. Der hingegen muss nur noch eines lernen, nämlich wie er das Tier in sich auch wirklich beherrschen kann. Damit ist er dann der wirklich rundum perfekte Mann. Tja, und mehr gibt Red Riding Hood nicht her.
Ich muss deshalb immer wieder auf das zurückkommen, was mich an diesem Film so fassungslos macht: Er bietet keine Möglichkeit des Ausbruchs aus seinem rundum geschlossenen Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit. Man kann ihn noch so sehr gegen den Strich interpretieren, man wird unweigerlich daran scheitern. Selbst die klimaktische Vatermordszene zum Ende des Films hat nicht das geringste Element von Rebellion an sich, sie ist reine Wiederherstellung der Verhältnisse, die nicht etwa durch ihre Untragbarkeit ins Wanken geraten sind, sondern ausschließlich durch individuelles Versagen.
Vergleicht man Red Riding Hood mit jener anderen Rotkäppchen-Variation, Angela Carters und Neil Jordans The Company of Wolves (Zeit der Wölfe), ist es schier zum Verzweifeln. Von ihrem Aussagegehalt her sind beide Filme geradezu antithetisch zu nennen: Wo Carter und Jordan rebellisch, vieldeutig und grenzüberschreitend waren, ist Hardwickes Film ausschließlich restaurativ. Aber während Red Riding Hood jede Menge Plausibilität aus der infantil-konservativen filmischen Zeitgeistsuppe erhält, wie sie dank Hardwicke, Mel Gibson und Zack Snyder seit einigen Jahren aus allen Löchern schwappt, scheint The Company of Wolves (eigentlich ja noch keine dreißig Jahre alt) aus heutigem Blickwinkel das Produkt einer anderen Welt zu sein. Je mehr ich mir das so überlege, desto weniger fühle ich mich zuhause im Hier und Heute. Dabei bin ich selbst noch nicht mal dreißig. Gruselig.
* »Never trust a man whose eyebrows meet!«, wie es die Großmutter in The Company of Wolves ausdrückt.
Eine positive Bemerkung gibt es zu diesem Film zu machen (wir sind hier ja fair und um Ausgleich bemüht): Red Riding Hood bietet nette Bilder. So quietschbunt-disneymärchenmäßige natürlich, aber irgendwie niedlich. Der Eindruck wird aber sofort zunichte gemacht durch die Schauspieler_innen, die stets barhäuptig, mit offenem Hemdkragen und hochgerollten Ärmeln durch die winterlichen Schneelandschaften stapfen und sie damit bereits wenige Minuten nach der Eröffnungssequenz zur billigen Kulisse werden lassen. Wobei es dann bis zum Ende bleibt. Hier wurde also eine Möglichkeit verschenkt. Immerhin, eine Möglichkeit – der Rest des Films ist nämlich schon vom Ansatz her scheiße.
Den Rotkäppchen-Stoff nimmt Red Riding Hood als Folie für eine Dreiecksgeschichte. In einem klitzekleinen Dörfchen, irgendwann und irgendwo in einem imaginären Mittelalter, lebt Valerie (Amanda Seyfried). Valerie soll nach dem Willen ihres Vaters Henry (Max Irons) heiraten, den besonnenen und zurückhaltenden Sohn des Schmieds. Sie will aber viel lieber mit Peter (Shiloh Fernandez) anbändeln, der so ein richtiger Bilderbuchkerl für die Twilight-Generation ist: Stets mit perfekter Fönfrisur im pseudomittelalterlichen Setting herumturnend; immer bereit, sich von schwachen Frauen anhimmeln zu lassen oder gegen einen Konkurrenten die Fäuste fliegen zu lassen. Man hofft den ganzen Film über mit Schmerzen, dass Valerie sich endlich, in irgendeiner Form, von diesem pathetischen Edward-Cullen-Verschnitt emanzipieren möge, aber man wird enttäuscht auf der ganzen Linie.
Valeries Dörfchen wird von einem Werwolf bedroht. Jeder, das heißt: natürlich nur das Mannsvolk des Dorfes, steht unter dem Verdacht, ein Pelzwechsler zu sein, und der fiese Priester/Werwolfjäger Solomon (Gary Oldman) packt bereits seine Folterinstrumente aus, um die Bestie zu entlarven. In so einer Situation müssen echte Kerle sich natürlich beweisen, indem sie schwache Frauen beschützen und auf Wolfsjagd gehen. Oder sie müssen sich so verhalten, dass sie selber als möglicher Werwolf in Betracht kommen, was ihrem Status als echter Kerl keinen Abbruch tut, im Gegenteil, in jedem richtigen Mann steckt schließlich ein Tier, das nur darauf wartet, herauszukommen. Aber keine Sorge: Der echte Kerl, der Mann fürs Leben, hat zwar das Tier in sich, aber er hat es selbstverständlich unter Kontrolle. Was aber, wenn einer den inneren Werwolf mal nicht unter Kontrolle hat? So einer kriegt, was er verdient, ganz klar. Im Übrigen erkennt man so einen Versager recht schnell an seinem Äußeren: Er ist unrasiert, hat buschige Augenbrauen und die Haare hängen ihm irgendwie schmuddelig ins Gesicht.*
Diese strunzkonservative Moral hält Hardwickes Film gnadenlos durch, von Anfang bis Ende. Nur Henry, der Nebenbuhler, passt nicht ganz in dieses von keinem Zweifel getrübte Bild, weil er irgendwie nachdenklicher ist als die anderen Charaktere und nicht einfach alles mitmacht. Aber genau das disqualifiziert ihn natürlich als Mann für Valerie. Er wird sich unweigerlich als Pussy erweisen, Besonnenheit und Rücksichtnahme sind doch eigentlich nichts anderes als Feigheit. Für so einen hält das Schicksal nur eine Möglichkeit bereit: Immer wieder unter Beweis zu stellen, dass er doch kein Feigling ist, um vielleicht irgendwann würdig zu sein, eine schwache Frau beschützen zu dürfen. Bis dahin bleibt ihm nichts anderes übrig als die Dinge, wie sie sind und auch sein sollen, hinzunehmen und beseitezutreten für den echten Kerl. Der hingegen muss nur noch eines lernen, nämlich wie er das Tier in sich auch wirklich beherrschen kann. Damit ist er dann der wirklich rundum perfekte Mann. Tja, und mehr gibt Red Riding Hood nicht her.
Ich muss deshalb immer wieder auf das zurückkommen, was mich an diesem Film so fassungslos macht: Er bietet keine Möglichkeit des Ausbruchs aus seinem rundum geschlossenen Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit. Man kann ihn noch so sehr gegen den Strich interpretieren, man wird unweigerlich daran scheitern. Selbst die klimaktische Vatermordszene zum Ende des Films hat nicht das geringste Element von Rebellion an sich, sie ist reine Wiederherstellung der Verhältnisse, die nicht etwa durch ihre Untragbarkeit ins Wanken geraten sind, sondern ausschließlich durch individuelles Versagen.
Vergleicht man Red Riding Hood mit jener anderen Rotkäppchen-Variation, Angela Carters und Neil Jordans The Company of Wolves (Zeit der Wölfe), ist es schier zum Verzweifeln. Von ihrem Aussagegehalt her sind beide Filme geradezu antithetisch zu nennen: Wo Carter und Jordan rebellisch, vieldeutig und grenzüberschreitend waren, ist Hardwickes Film ausschließlich restaurativ. Aber während Red Riding Hood jede Menge Plausibilität aus der infantil-konservativen filmischen Zeitgeistsuppe erhält, wie sie dank Hardwicke, Mel Gibson und Zack Snyder seit einigen Jahren aus allen Löchern schwappt, scheint The Company of Wolves (eigentlich ja noch keine dreißig Jahre alt) aus heutigem Blickwinkel das Produkt einer anderen Welt zu sein. Je mehr ich mir das so überlege, desto weniger fühle ich mich zuhause im Hier und Heute. Dabei bin ich selbst noch nicht mal dreißig. Gruselig.
* »Never trust a man whose eyebrows meet!«, wie es die Großmutter in The Company of Wolves ausdrückt.
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Bewegte Bilder,
Rezensionen
Sonntag, 11. März 2012
Neuzugänge
- John Christopher, Der Fürst von morgen
- Sarah Dreher, Stoner McTavish
- Egon Friedell, Die Rückkehr der Zeitmaschine
- Jim C. Hines, The Mermaid’s Madness
- Ders., Red Hood’s Revenge
- Ders., The Snow Queen’s Shadow
- Peter Høeg, Die Frau und der Affe
- Noel Langley, Prinz Abu Ali und das verwunschene Land
- Christoph Meckel, Nachtsaison
- Helen Oyeyemi, Das Ikarus-Mädchen
- Herbert Rosendorfer, Großes Solo für Anton
- Andrzej Sapkowski, Etwas endet, etwas beginnt
- Angela Sommer-Bodenburg, Das neue große Buch vom kleinen Vampir
- Winfried Steiner, Der Weg nach Xanadu
- Alexander Wolkow, Der Zauberer der Smaragdenstadt
- Ders., Der schlaue Urfin
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SUB
Montag, 5. März 2012
Rise of the Planet of the Apes
An diesem Film, dessen deutscher Untertitel Prevolution lautet, ist vielleicht das Überraschendste, dass er tatsächlich von einer Revolution handelt, und wahrscheinlich ist das einer der Hauptgründe, dass er mir so gut gefallen hat.
Rise of the Planet of the Apes ist meines Wissens vor allem in zwei Punkten kritisiert worden: Die Vorgeschichte sei zu ausgedehnt, die Darsteller_innen – jedenfalls die der Menschen – agierten eindimensional. Dem ist nicht mal etwas entgegenzusetzen. Der Film lässt sich in der Tat Zeit, bis es zum großen Augenblick kommt, in dem die schlecht behandelten und eingesperrten Menschenaffen sich gegen ihre Peiniger_innen wenden. Zuvor wird die Geschichte des Helden erzählt: Der Schimpanse Caesar entwickelt ungeahnte intellektuelle Fähigkeiten bis hin zur Gabe der Sprache, weil er mit einem Virus infiziert wurde, der die Alzheimer-Krankheit bekämpfen soll. Caesar lebt in San Francisco bei seinem Ziehvater, dem Wissenschaftler Will Rodman, auf dem Dachboden. Nach einem Zwischenfall mit einem Nachbarn kommt er in ein Tierheim für Menschenaffen, wo Vernachlässigung und Quälereien durch das Personal an der Tagesordnung sind. Rodman versucht, Caesar zu befreien, indem er den Betreiber des Tierheims besticht, doch der Schimpanse lehnt ab. Er zettelt lieber eine Rebellion gegen die tyrannischen Wärter an.
Die für eine Hollywoodproduktion naheliegende Lesart einer solchen Geschichte wäre, dass Caesar aufgrund seines Schicksals zwar zu bemitleiden sei, sich durch seine Wut auf die grausame Behandlung der Menschenaffen jedoch in eine derart gefährliche Kreatur verwandelt habe, dass er mit allen Mitteln aufgehalten werden müsse. Und Caesar würde natürlich keine Revolution anführen, sondern einen Rachefeldzug. Nicht so in diesem Film: Caesar erkennt einfach, dass es für ihn aufgrund seiner gesteigerten Intelligenz unerträglich wäre, von den Menschen weiter wie ein Tier behandelt zu werden. Er weiß durchaus, dass Rodman es gut mit ihm meint, aber er glaubt einfach nicht mehr daran, dass der Mensch ihm wirklich helfen kann – die Affen müssen sich selber helfen. Caesar umgibt sich mit dem Orang-Utan Maurice und dem Gorilla Buck, um für seinen Aufstand möglichst viele Verbündete gewinnen zu können. Der Rest ist eine Sache von präziser Planung (denn es müssen weitere Affen aus dem Zoo von San Francisco und aus Versuchslabors befreit werden) und von Kampfgeist (natürlich versucht die Polizei, die revolutionären Affen am Verlassen der Stadt zu hindern). Unnötige Misshandlungen von Menschen untersagt Caesar; bestraft werden nur diejenigen, die für die Misere der Affen direkt verantwortlich sind. Am Ende ihres Aufstands haben Caesar und seine Genossen nichts zu bereuen.
Der Höhepunkt des Films ist eine epische Schlacht zwischen Affen und Polizei auf der Golden Gate Bridge, eine optisch und dramaturgisch beeindruckende Szene. Die Affen sind schauspielerisch hervorragend dargestellt, insbesondere brilliert Andy Serkis. Das wird ihm vor allem dadurch ermöglicht, dass sein Caesar als echter Charakter konzipiert ist, der eine Entwicklung durchmacht und sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. Es gelingt dem Film übrigens, auch weiteren Affenfiguren individuelle Züge zu verleihen (in eingeschränkterem Maße natürlich, Serkis steht klar im Mittelpunkt). Was die Darsteller_innen der menschlichen Figuren betrifft, ist die Kritik an Rise of the Planet of the Apes jedoch weitgehend zutreffend: Außer John Lithgow und Brian Cox vermag keine(r) von ihnen, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. James Franco, der Darsteller des menschlichen Hauptcharakters Rodman, agiert besonders farblos. Tom Felton, der einen sadistischen Wärter spielt, scheint nach seinem Auftreten als Draco Malfoy auf die Rolle des kleinlich-hinterhältigen Schurken mit ständig hassverzerrtem Gesichtsausdruck abonniert zu sein. Und Freida Pinto, in der Rolle von Rodmans Freundin zu sehen, darf außer verständnisvollem Lächeln gar nichts zum Film beitragen. Überhaupt kommen die ein, zwei Frauenrollen in Rise of the Planet of the Apes so eindimensional daher, dass es kaum zu fassen ist: Frauen sind Mütter und Freundinnen, sonst nichts.
Fazit: Was die schauspielerischen Leistungen (sieht man einmal von Serkis’ hervorragender Performance ab) angeht, trifft die Kritik an Rise of the Planet of the Apes ziemlich ins Schwarze. Auch im Bechdel-Test versagt der Film gnadenlos. Was dagegen den langsamen Plot-Aufbau angeht, so hat er mich nicht weiter gestört, sondern im Gegenteil dazu beigetragen, mir Caesar und seine Geschichte um so intensiver vor Augen zu führen. Natürlich ist der Film als Reboot-Auftakt geplant, mit dieser Story und diesem Ende kann er aber eigentlich gut auf eigenen Füßen stehen. Das ist zu begrüßen, finde ich, denn es wirkt dem zu erwartenden Ärgernis vermurkster Sequels entgegen.
Rise of the Planet of the Apes ist meines Wissens vor allem in zwei Punkten kritisiert worden: Die Vorgeschichte sei zu ausgedehnt, die Darsteller_innen – jedenfalls die der Menschen – agierten eindimensional. Dem ist nicht mal etwas entgegenzusetzen. Der Film lässt sich in der Tat Zeit, bis es zum großen Augenblick kommt, in dem die schlecht behandelten und eingesperrten Menschenaffen sich gegen ihre Peiniger_innen wenden. Zuvor wird die Geschichte des Helden erzählt: Der Schimpanse Caesar entwickelt ungeahnte intellektuelle Fähigkeiten bis hin zur Gabe der Sprache, weil er mit einem Virus infiziert wurde, der die Alzheimer-Krankheit bekämpfen soll. Caesar lebt in San Francisco bei seinem Ziehvater, dem Wissenschaftler Will Rodman, auf dem Dachboden. Nach einem Zwischenfall mit einem Nachbarn kommt er in ein Tierheim für Menschenaffen, wo Vernachlässigung und Quälereien durch das Personal an der Tagesordnung sind. Rodman versucht, Caesar zu befreien, indem er den Betreiber des Tierheims besticht, doch der Schimpanse lehnt ab. Er zettelt lieber eine Rebellion gegen die tyrannischen Wärter an.
Die für eine Hollywoodproduktion naheliegende Lesart einer solchen Geschichte wäre, dass Caesar aufgrund seines Schicksals zwar zu bemitleiden sei, sich durch seine Wut auf die grausame Behandlung der Menschenaffen jedoch in eine derart gefährliche Kreatur verwandelt habe, dass er mit allen Mitteln aufgehalten werden müsse. Und Caesar würde natürlich keine Revolution anführen, sondern einen Rachefeldzug. Nicht so in diesem Film: Caesar erkennt einfach, dass es für ihn aufgrund seiner gesteigerten Intelligenz unerträglich wäre, von den Menschen weiter wie ein Tier behandelt zu werden. Er weiß durchaus, dass Rodman es gut mit ihm meint, aber er glaubt einfach nicht mehr daran, dass der Mensch ihm wirklich helfen kann – die Affen müssen sich selber helfen. Caesar umgibt sich mit dem Orang-Utan Maurice und dem Gorilla Buck, um für seinen Aufstand möglichst viele Verbündete gewinnen zu können. Der Rest ist eine Sache von präziser Planung (denn es müssen weitere Affen aus dem Zoo von San Francisco und aus Versuchslabors befreit werden) und von Kampfgeist (natürlich versucht die Polizei, die revolutionären Affen am Verlassen der Stadt zu hindern). Unnötige Misshandlungen von Menschen untersagt Caesar; bestraft werden nur diejenigen, die für die Misere der Affen direkt verantwortlich sind. Am Ende ihres Aufstands haben Caesar und seine Genossen nichts zu bereuen.
Der Höhepunkt des Films ist eine epische Schlacht zwischen Affen und Polizei auf der Golden Gate Bridge, eine optisch und dramaturgisch beeindruckende Szene. Die Affen sind schauspielerisch hervorragend dargestellt, insbesondere brilliert Andy Serkis. Das wird ihm vor allem dadurch ermöglicht, dass sein Caesar als echter Charakter konzipiert ist, der eine Entwicklung durchmacht und sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. Es gelingt dem Film übrigens, auch weiteren Affenfiguren individuelle Züge zu verleihen (in eingeschränkterem Maße natürlich, Serkis steht klar im Mittelpunkt). Was die Darsteller_innen der menschlichen Figuren betrifft, ist die Kritik an Rise of the Planet of the Apes jedoch weitgehend zutreffend: Außer John Lithgow und Brian Cox vermag keine(r) von ihnen, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. James Franco, der Darsteller des menschlichen Hauptcharakters Rodman, agiert besonders farblos. Tom Felton, der einen sadistischen Wärter spielt, scheint nach seinem Auftreten als Draco Malfoy auf die Rolle des kleinlich-hinterhältigen Schurken mit ständig hassverzerrtem Gesichtsausdruck abonniert zu sein. Und Freida Pinto, in der Rolle von Rodmans Freundin zu sehen, darf außer verständnisvollem Lächeln gar nichts zum Film beitragen. Überhaupt kommen die ein, zwei Frauenrollen in Rise of the Planet of the Apes so eindimensional daher, dass es kaum zu fassen ist: Frauen sind Mütter und Freundinnen, sonst nichts.
Fazit: Was die schauspielerischen Leistungen (sieht man einmal von Serkis’ hervorragender Performance ab) angeht, trifft die Kritik an Rise of the Planet of the Apes ziemlich ins Schwarze. Auch im Bechdel-Test versagt der Film gnadenlos. Was dagegen den langsamen Plot-Aufbau angeht, so hat er mich nicht weiter gestört, sondern im Gegenteil dazu beigetragen, mir Caesar und seine Geschichte um so intensiver vor Augen zu führen. Natürlich ist der Film als Reboot-Auftakt geplant, mit dieser Story und diesem Ende kann er aber eigentlich gut auf eigenen Füßen stehen. Das ist zu begrüßen, finde ich, denn es wirkt dem zu erwartenden Ärgernis vermurkster Sequels entgegen.
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Samstag, 3. März 2012
Kalix – Fluch der Werwölfe
Fluch der Werwölfe setzt mehr oder weniger dort ein, wo der Vorgängerband Werwölfin von London endete. Kalix, die an Anorexie leidende und autoaggressive Werwölfin, lebt weiterhin in einer WG mit den Student_innen Daniel und Moonglow. Als neu hinzugekommene Mitbewohnerin tritt Vex in den Vordergrund, die Adoptivnichte Malverias, der modeverrückten Königin der Feuergeister. Vex und Kalix besuchen eine Abendschule, um Lesen und Schreiben zu lernen und sich besser an die menschliche Gesellschaft anzupassen (und weil ihre Familien anderenfalls den Geldhahn abdrehen). Ebenfalls eine stärkere Rolle als im ersten Band spielt Kalix’ einzelgängerische Cousine Dominil (bekannt als drogensüchtige, lateinische Gedichte lesende Managerin der Werwölfinnenband Yum Yum Sugary Snacks), indem sie einen Privatkrieg gegen die Werwolfjäger der Avenaris-Gilde beginnt. Hinzu kommt ein paralleler Handlungsstrang um die Feuerkönigin Malveria, die zunehmend besessen ist von ihrem Fashion-Lifestyle und sich infolgedessen eines Putschversuchs und der Intrigen Kabachetkas, der Prinzessin eines benachbarten Reiches von Feuergeistern, erwehren muss.
Um es gleich zu sagen: Fluch der Werwölfe hat mich weniger stark angesprochen als Werwölfin von London. Plotmäßig ist der zweite Band entschieden schwächer. Es braucht ungefähr 100 Seiten, damit die neuen Handlungsstränge, die sich zuvor eher zögerlich ankündigen, richtig Fahrt aufnehmen. Das Hauptproblem ist aber, dass die zentrale Figur Kalix dringend eine Entwicklung durchmachen müsste. Man kann einfach nicht einen weiteren dicken Band allein von der Idee tragen lassen, die Werwölfin von London so unterhaltsam machte: Kalix, die als Werwölfin kampfwütig ohne Ende ist, ansonsten aber sämtliche Pubertätsprobleme an sich zieht und damit alle natürlichen und übernatürlichen Wesen, die ihr über den Weg laufen, massiv überfordert und durcheinander bringt. Die Idee ist witzig, kein Zweifel, und es macht den Eindruck, als habe Millar beim Schreiben von Fluch der Werwölfe permanent mit der Versuchung gekämpft, den ersten Band noch mal zu erzählen.
Dabei deutet sich im ersten Drittel des Buches durchaus an, dass Kalix’ Charakter sich verändern darf. Aber bevor diese Andeutungen sich so richtig entwickeln können, erliegt Millar der Versuchung und gibt der Handlung eine (meiner Meinung nach recht überflüssige) Wendung, die Kalix umgehend auf ihren typischen, aus dem ersten Band bekannten Teenagerinnenweltschmerz zurückfallen lässt. Und dabei bleibt es fast bis zum Ende des Buches – definitiv eine verpasste Gelegenheit und ein einfacher Lösungsversuch, der keine Lösung ist. Partiell wettgemacht wird Millars Versäumnis dadurch, dass er wenigstens nicht auch noch die Familienfehde im Werwolfclan, die im ersten Teil die Handlung antrieb, erneut aufrollt und ausschlachtet. Es gibt im Plot von Fluch der Werwölfe durchaus neue Dynamiken, und der Subplot um Malveria und Kabachetka dümpelt zwar mehr oder weniger neben der Haupthandlung her, ist aber zumindest neu und nicht ganz einfallslos.
Die besseren Ideen hat Millar sich jedoch für die Haupthandlung aufgehoben, oder besser: für die diejenigen Teile der Haupthandlung, die nicht direkt mit Kalix zu tun haben. Hier endlich zeigt Millar seinen ganzen Witz und seine Fabulierfreude. Das betrifft zum einen Vex, die sich auf überraschende Weise als vielseitigerer Charakter erweist, als ihre – oft genug die Grenze zum Nervtötenden überschreitende – comic-relief-Funktion im ersten Band hätte vermuten lassen. Zum anderen arbeitet Millar eine brillante Idee aus, indem er den neuen Charakter Albermarle einführt. Dieser ist ein archetypisch gezeichneter männlicher Nerd, der von zahlreichen Obsessionen getrieben wird, allen voran von seiner Rachsucht: Dominil – intelligent, sexy und werwolfmäßig monströs, wie sie ist, eine feuchte Nerdfantasie ersten Ranges – hat sich nicht, wie es von einer Nerdfantasie erwartet wird, dem dicklichen, pedantischen Comicfan einfach hingegeben, sondern ihm ganz nonchalant die kalte Schulter gezeigt. Für Albermarle ist das Kränkung genug, um der Werwölfin glühenden Hass zu schwören, der in seinem neurotischen Kern jedoch nichts anderes ist als verletzte Eitelkeit und kindische Wut. Albermarle wird zu Dominils Stalker, tritt der Avenaris-Gilde bei, nervt dort alle mit seinem bürokratischen Exaktheitswahn und versucht zugleich, die Organisation für sein psycho-nerdiges Lebensziel zu nutzen: Dominil die erlittene Kränkung heimzuzahlen.
Fast wäre es mir lieber, Millar hätte an Stelle eines Sequels ein Dominil-und-Albermarle-Spin-off geschrieben, um dieser ebenso aberwitzigen wie treffenden Geschichte mehr Raum zu geben. Es scheint mir doch schade zu sein, dass angesichts dessen, was möglich gewesen wäre, Fluch der Werwölfe letztlich nur eine mittelmäßige Fortsetzung mit einigen herausragenden Momenten geworden ist.
Kurze Bemerkung zum Schluss: Millar löst einige Handlungselemente nicht auf oder belässt sie bis zum Schluss im Unklaren. Steht da etwa noch ein dritter Band aus? Nach Fluch der Werwölfe weiß ich leider nicht, ob das eine gute Idee ist.
Kalix – Fluch der Werwölfe von Martin Millar (745 Seiten) ist 2010 bei Fischer erschienen. Die Übersetzung aus dem Englischen besorgte Eva Kemper.
Um es gleich zu sagen: Fluch der Werwölfe hat mich weniger stark angesprochen als Werwölfin von London. Plotmäßig ist der zweite Band entschieden schwächer. Es braucht ungefähr 100 Seiten, damit die neuen Handlungsstränge, die sich zuvor eher zögerlich ankündigen, richtig Fahrt aufnehmen. Das Hauptproblem ist aber, dass die zentrale Figur Kalix dringend eine Entwicklung durchmachen müsste. Man kann einfach nicht einen weiteren dicken Band allein von der Idee tragen lassen, die Werwölfin von London so unterhaltsam machte: Kalix, die als Werwölfin kampfwütig ohne Ende ist, ansonsten aber sämtliche Pubertätsprobleme an sich zieht und damit alle natürlichen und übernatürlichen Wesen, die ihr über den Weg laufen, massiv überfordert und durcheinander bringt. Die Idee ist witzig, kein Zweifel, und es macht den Eindruck, als habe Millar beim Schreiben von Fluch der Werwölfe permanent mit der Versuchung gekämpft, den ersten Band noch mal zu erzählen.
Dabei deutet sich im ersten Drittel des Buches durchaus an, dass Kalix’ Charakter sich verändern darf. Aber bevor diese Andeutungen sich so richtig entwickeln können, erliegt Millar der Versuchung und gibt der Handlung eine (meiner Meinung nach recht überflüssige) Wendung, die Kalix umgehend auf ihren typischen, aus dem ersten Band bekannten Teenagerinnenweltschmerz zurückfallen lässt. Und dabei bleibt es fast bis zum Ende des Buches – definitiv eine verpasste Gelegenheit und ein einfacher Lösungsversuch, der keine Lösung ist. Partiell wettgemacht wird Millars Versäumnis dadurch, dass er wenigstens nicht auch noch die Familienfehde im Werwolfclan, die im ersten Teil die Handlung antrieb, erneut aufrollt und ausschlachtet. Es gibt im Plot von Fluch der Werwölfe durchaus neue Dynamiken, und der Subplot um Malveria und Kabachetka dümpelt zwar mehr oder weniger neben der Haupthandlung her, ist aber zumindest neu und nicht ganz einfallslos.
Die besseren Ideen hat Millar sich jedoch für die Haupthandlung aufgehoben, oder besser: für die diejenigen Teile der Haupthandlung, die nicht direkt mit Kalix zu tun haben. Hier endlich zeigt Millar seinen ganzen Witz und seine Fabulierfreude. Das betrifft zum einen Vex, die sich auf überraschende Weise als vielseitigerer Charakter erweist, als ihre – oft genug die Grenze zum Nervtötenden überschreitende – comic-relief-Funktion im ersten Band hätte vermuten lassen. Zum anderen arbeitet Millar eine brillante Idee aus, indem er den neuen Charakter Albermarle einführt. Dieser ist ein archetypisch gezeichneter männlicher Nerd, der von zahlreichen Obsessionen getrieben wird, allen voran von seiner Rachsucht: Dominil – intelligent, sexy und werwolfmäßig monströs, wie sie ist, eine feuchte Nerdfantasie ersten Ranges – hat sich nicht, wie es von einer Nerdfantasie erwartet wird, dem dicklichen, pedantischen Comicfan einfach hingegeben, sondern ihm ganz nonchalant die kalte Schulter gezeigt. Für Albermarle ist das Kränkung genug, um der Werwölfin glühenden Hass zu schwören, der in seinem neurotischen Kern jedoch nichts anderes ist als verletzte Eitelkeit und kindische Wut. Albermarle wird zu Dominils Stalker, tritt der Avenaris-Gilde bei, nervt dort alle mit seinem bürokratischen Exaktheitswahn und versucht zugleich, die Organisation für sein psycho-nerdiges Lebensziel zu nutzen: Dominil die erlittene Kränkung heimzuzahlen.
Fast wäre es mir lieber, Millar hätte an Stelle eines Sequels ein Dominil-und-Albermarle-Spin-off geschrieben, um dieser ebenso aberwitzigen wie treffenden Geschichte mehr Raum zu geben. Es scheint mir doch schade zu sein, dass angesichts dessen, was möglich gewesen wäre, Fluch der Werwölfe letztlich nur eine mittelmäßige Fortsetzung mit einigen herausragenden Momenten geworden ist.
Kurze Bemerkung zum Schluss: Millar löst einige Handlungselemente nicht auf oder belässt sie bis zum Schluss im Unklaren. Steht da etwa noch ein dritter Band aus? Nach Fluch der Werwölfe weiß ich leider nicht, ob das eine gute Idee ist.
Kalix – Fluch der Werwölfe von Martin Millar (745 Seiten) ist 2010 bei Fischer erschienen. Die Übersetzung aus dem Englischen besorgte Eva Kemper.
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Rezensionen,
Urban Fantasy
Update: Die 1000 besten phantastischen Romane
Ich habe Jürgen Eglseer von fictionfantasy.de eine Mail mit einigen Fragen geschrieben, die durch meinen Post zur Wahl der 1000 besten phantastischen Romane aufgeworfen wurden, und in der Antwort folgende Infos und Positionierungen erhalten:
* Siehe dazu meinen früheren Post zum Thema.
Die Auswahllisten wurden primär von Rupert Schwarz und Oliver Faulhaber zusammen gestellt und mit den Vorschlägen der damaligen Abstimmung* ergänzt. Derzeit erweitern wir die Fantasy- und die SF-Liste um die neu vorgeschlagenen Titel, um sie baldmöglichst auch in diesem Umfang zur Verfügung zu stellen.
Wenn man mehr als zehn Bücher hat, für die man werten möchte, ist es vielleicht einfacher, sich die Listen herunter zu laden, dort zu bewerten und neue Vorschläge unten einfach anzuhängen (bitte vielleicht etwas abgehoben formatieren). Grundsätzlich kann man aber alles beide und das Webformular auch gerne mehrmals. Es wurde nur auf fünf Bücher aus Gründen der Übersichtlichkeit reduziert.
Bei vielen Werken, die nicht direkt einem Genre zuzuordnen sind, ist es natürlich sehr schwer, das dann entweder SF, Fantasy oder Horror zuzuweisen. Wir orientieren uns da auch etwas nach Bauchgefühl. Nichts destotrotz finden sich in den bisherigen Listen auch falsch zugeordnete Werke, einige haben da schon reagiert und das in der Tabelle einfach vermerkt. Das können wir dann nach und nach abarbeiten und ggf. umordnen. Wenn ein Werk von einem Leser überhaupt nicht zuzuordnen ist, dann einfach kurz schreiben, da findet sich sicher eine Lösung, im Zweifel wird sie in der Community ausdiskutiert.
[...]
Einerseits gibt es auf fictionfantasy seit jeher diese Genreaufteilung (rein technisch bedingt) und bislang ließ sich jedes Buch, jeder Film hier mehr oder weniger gut zuordnen. Zudem gilt hier ebenso wie bei der Auswertung der eingetroffenen Abstimmungsvorschläge und Punktevergaben: Es ist eine Heidenarbeit, die wir so nebenher neben dem Alltagsgeschäft von fictionfantasy machen (was ja auch noch neben Beruf, Familie und Schlaf gemacht wird) und es würde explosionsartig mehr werden, wenn wir Subgenres oder meinetwegen übergeordnete wie »Phantastik« mit hinein nehmen würden. Das wäre ehrlich gesagt nicht mehr zu schaffen. Die Liste soll kein Wettrennen einzelner Romane oder Autoren sein, sondern dem suchenden Leser eine (erste?) Orientierung, was denn aus diesen drei Genres lesenswert ist oder vielleicht nicht so sehr. Die Erfahrungen mit der bisherigen Liste zeigen, das man, liest man sich durch die Top 50, so gut wie nie entäuscht wird. Und das soll ja unser Service für die Leser darstellen.Zwar hätte ich es nach wie vor für die bessere Idee gehalten, für diese Aktion einfach auf Genre-Einteilungen zu verzichten, aber durch diese Auskunft wird auf jeden Fall einiges klarer. Der Hermanstädter See sagt – gerade auch für die große Mühe, die in dieses leser_innenfreundliche Projekt investiert wird – Dank an Jürgen Eglseer und fictionfantasy.de!
* Siehe dazu meinen früheren Post zum Thema.
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Foto-Disclaimer
Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.