Dienstag, 13. März 2012

Red Riding Hood

Das Ende des letzten Jahres habe ich – neben zwei oder drei anderen Beschäftigungen – vor allem damit verbracht, schlechte Fantasyfilme zu gucken. Beispielhaft dokumentiert ist das hier, und eigentlich wollte ich auch noch etwas über Sucker Punch schreiben, aber dazu hat Foz Meadows schon fast alles gesagt, was es zu sagen gibt. Das Schlimmste aber habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben und sogar noch ins neue Jahr mitgeschleppt: Catherine Hardwickes Red Riding Hood.

Eine positive Bemerkung gibt es zu diesem Film zu machen (wir sind hier ja fair und um Ausgleich bemüht): Red Riding Hood bietet nette Bilder. So quietschbunt-disneymärchenmäßige natürlich, aber irgendwie niedlich. Der Eindruck wird aber sofort zunichte gemacht durch die Schauspieler_innen, die stets barhäuptig, mit offenem Hemdkragen und hochgerollten Ärmeln durch die winterlichen Schneelandschaften stapfen und sie damit bereits wenige Minuten nach der Eröffnungssequenz zur billigen Kulisse werden lassen. Wobei es dann bis zum Ende bleibt. Hier wurde also eine Möglichkeit verschenkt. Immerhin, eine Möglichkeit – der Rest des Films ist nämlich schon vom Ansatz her scheiße.

Den Rotkäppchen-Stoff nimmt Red Riding Hood als Folie für eine Dreiecksgeschichte. In einem klitzekleinen Dörfchen, irgendwann und irgendwo in einem imaginären Mittelalter, lebt Valerie (Amanda Seyfried). Valerie soll nach dem Willen ihres Vaters Henry (Max Irons) heiraten, den besonnenen und zurückhaltenden Sohn des Schmieds. Sie will aber viel lieber mit Peter (Shiloh Fernandez) anbändeln, der so ein richtiger Bilderbuchkerl für die Twilight-Generation ist: Stets mit perfekter Fönfrisur im pseudomittelalterlichen Setting herumturnend; immer bereit, sich von schwachen Frauen anhimmeln zu lassen oder gegen einen Konkurrenten die Fäuste fliegen zu lassen. Man hofft den ganzen Film über mit Schmerzen, dass Valerie sich endlich, in irgendeiner Form, von diesem pathetischen Edward-Cullen-Verschnitt emanzipieren möge, aber man wird enttäuscht auf der ganzen Linie.

Valeries Dörfchen wird von einem Werwolf bedroht. Jeder, das heißt: natürlich nur das Mannsvolk des Dorfes, steht unter dem Verdacht, ein Pelzwechsler zu sein, und der fiese Priester/Werwolfjäger Solomon (Gary Oldman) packt bereits seine Folterinstrumente aus, um die Bestie zu entlarven. In so einer Situation müssen echte Kerle sich natürlich beweisen, indem sie schwache Frauen beschützen und auf Wolfsjagd gehen. Oder sie müssen sich so verhalten, dass sie selber als möglicher Werwolf in Betracht kommen, was ihrem Status als echter Kerl keinen Abbruch tut, im Gegenteil, in jedem richtigen Mann steckt schließlich ein Tier, das nur darauf wartet, herauszukommen. Aber keine Sorge: Der echte Kerl, der Mann fürs Leben, hat zwar das Tier in sich, aber er hat es selbstverständlich unter Kontrolle. Was aber, wenn einer den inneren Werwolf mal nicht unter Kontrolle hat? So einer kriegt, was er verdient, ganz klar. Im Übrigen erkennt man so einen Versager recht schnell an seinem Äußeren: Er ist unrasiert, hat buschige Augenbrauen und die Haare hängen ihm irgendwie schmuddelig ins Gesicht.*

Diese strunzkonservative Moral hält Hardwickes Film gnadenlos durch, von Anfang bis Ende. Nur Henry, der Nebenbuhler, passt nicht ganz in dieses von keinem Zweifel getrübte Bild, weil er irgendwie nachdenklicher ist als die anderen Charaktere und nicht einfach alles mitmacht. Aber genau das disqualifiziert ihn natürlich als Mann für Valerie. Er wird sich unweigerlich als Pussy erweisen, Besonnenheit und Rücksichtnahme sind doch eigentlich nichts anderes als Feigheit. Für so einen hält das Schicksal nur eine Möglichkeit bereit: Immer wieder unter Beweis zu stellen, dass er doch kein Feigling ist, um vielleicht irgendwann würdig zu sein, eine schwache Frau beschützen zu dürfen. Bis dahin bleibt ihm nichts anderes übrig als die Dinge, wie sie sind und auch sein sollen, hinzunehmen und beseitezutreten für den echten Kerl. Der hingegen muss nur noch eines lernen, nämlich wie er das Tier in sich auch wirklich beherrschen kann. Damit ist er dann der wirklich rundum perfekte Mann. Tja, und mehr gibt Red Riding Hood nicht her.

Ich muss deshalb immer wieder auf das zurückkommen, was mich an diesem Film so fassungslos macht: Er bietet keine Möglichkeit des Ausbruchs aus seinem rundum geschlossenen Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit. Man kann ihn noch so sehr gegen den Strich interpretieren, man wird unweigerlich daran scheitern. Selbst die klimaktische Vatermordszene zum Ende des Films hat nicht das geringste Element von Rebellion an sich, sie ist reine Wiederherstellung der Verhältnisse, die nicht etwa durch ihre Untragbarkeit ins Wanken geraten sind, sondern ausschließlich durch individuelles Versagen.

Vergleicht man Red Riding Hood mit jener anderen Rotkäppchen-Variation, Angela Carters und Neil Jordans The Company of Wolves (Zeit der Wölfe), ist es schier zum Verzweifeln. Von ihrem Aussagegehalt her sind beide Filme geradezu antithetisch zu nennen: Wo Carter und Jordan rebellisch, vieldeutig und grenzüberschreitend waren, ist Hardwickes Film ausschließlich restaurativ. Aber während Red Riding Hood jede Menge Plausibilität aus der infantil-konservativen filmischen Zeitgeistsuppe erhält, wie sie dank Hardwicke, Mel Gibson und Zack Snyder seit einigen Jahren aus allen Löchern schwappt, scheint The Company of Wolves (eigentlich ja noch keine dreißig Jahre alt) aus heutigem Blickwinkel das Produkt einer anderen Welt zu sein. Je mehr ich mir das so überlege, desto weniger fühle ich mich zuhause im Hier und Heute. Dabei bin ich selbst noch nicht mal dreißig. Gruselig.

* »Never trust a man whose eyebrows meet!«, wie es die Großmutter in The Company of Wolves ausdrückt.

2 Kommentare:

Susanne Gerdom hat gesagt…

Uh-oh. Danke. Du hast mich davor bewahrt, einen Film zu sehen, über den ich mich tierisch aufgeregt hätte. Ich greife dann jetzt doch noch mal lieber zu "Zeit der Wölfe" - der war und ist genial.

(OT: Lese gerade Tanglewreck und bin entzückt. ;-))

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Freut mich beides, dass ich dich vor dem Film bewahrt habe und dass dir das Buch gefällt. ;-)

Zeit der Wölfe ist ein Film, den ich mir auch möglichst noch mehrere Male ansehen möchte. Meine Liebste hat ihn noch nicht gesehen, das wäre glatt ein Grund, sich die DVD zuzulegen ...

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.