Sonntag, 8. Mai 2011

Kalix – Werwölfin von London

Martin Millars Die Elfen von New York – das Buch, dass anscheinend dazu verdammt ist, in Deutschland stets mit potthässlichen Covern zu erscheinen – hat mir vor ein paar Jahren ganz gut gefallen. Ich mochte insbesondere die moralische Botschaft des schmalen Romans, die vor allem darin bestand, vor zu viel Arbeit, da ungesund und lustmindernd,  eindrücklich zu warnen. Dazu passt perfekt die Einstellung des Autors, der fröhlich zu verkünden pflegt, dass er sich ganz gut vorstellen könnte, sein Leben mit Faulenzen zu verbringen, wenn es nicht leider Geld zu verdienen gälte. In jedem Fall aber eine höchst löbliche Attitüde, die so manchem schriftstellernden Workaholic im SFF-Bereich nahezulegen wäre.*

Aus diesen Gründen habe ich Kalix – Werwölfin von London erfreut aus der Ramschecke eines Buchladens gefischt, und ich wurde nicht enttäuscht:  Die Geschichte von Kalix ist unterhaltsamste Chick Lit, gewürzt mit derbem Sarkasmus. Die zugrundeliegende Idee ist dabei eigentlich recht einfach. Anstelle die alte Kiste von der Lykanthropie als Pubertätsmetapher zu bemühen,** schreibt Millar einfach einen Roman über eine im Wortsinne pubertierende Werwölfin.

Kalix MacRinnalch ist eine junge, zu Essstörungen neigende Werwölfin aus gutem Hause. Nach einem Zerwürfnis mit ihrem Vater, dem Fürsten der Werwölfe, ist sie auf dem heimatlichen Schloss in Schottland nicht mehr willkommen. Von ihrem Clan geächtet, lebt sie obdachlos und drogensüchtig in London. Ihre ältere Schwester Thrix, die sich als erfolgreiche Modedesignerin in der Stadt niedergelassen hat, wird Kalix nur widerwillig unterstützt. Die Situation eskaliert, als der alte Fürst der Werwölfe stirbt und Thrix’ und Kalix’ Brüder sich um die Nachfolge streiten: Sarapen ist ein hartgesottener Werwolf-Traditionalist, der schon deshalb die Herrscherwürde für sich beansprucht, weil er der Erstgeborene ist. Sein jüngerer Bruder Markus, ein heimlicher Crossdresser, gibt sich zwar als Modernisierer, ist aber nicht weniger gewissenlos. Die Fürstenwitwe Verasa bevorzugt ihren jüngeren Sohn. Fürstenmutter Dulupina jedoch macht ihre Enkelin Kalix für den Tod des Fürsten verantwortlich und kündigt ihre Unterstützung desjenigen Kandidaten an, der ihr Kalix’ Kopf bringt.

Damit ist der Familienkrieg voll im Gang und wird im Laufe der Ereignisse immer blutrünstiger. In Nebenrollen treten u.a auf: eine gemütliche, etwas verpeilte Studi-WG in London, diverse Cousinen und Cousins aus dem MacRinnalch-Clan, eine Gilde von Werwolfjägern sowie die modeverrückte Königin der Feuergeister Malveria. Die Handlung ist durchweg rasant und kurzweilig, der Humor passt und viel Tiefgang erwartet man bei dem Genre ohnehin nicht. Allein die divenhafte Malveria ist meinem Empfinden nach ziemlich nervig. Als comic relief ist sie jedenfalls reichlich überflüssig, denn der Roman ist an sich unterhaltsam genug. Die Werwolfjäger spielen zwar eine kontinuierliche Rolle im Plot, bleiben aber eher im Hintergrund, so dass sie absehbarerweise in der Fortsetzung Kalix – Fluch der Werwölfe (2010) stärker im Mittelpunkt stehen werden. Ich habe durchaus Lust, mir den zweiten Band auch noch reinzuziehen, hege aber die Befürchtung, dass neben der Jägergilde auch die nervige Malveria darin an prominenter Stelle auftreten wird. Wer neugierig auf Kalix – Werwölfin von London ist, aber anders als ich nicht unbedingt Lust auf eine Fortsetzung hat, kann übrigens bedenkenlos zugreifen, da die Handlung am Ende nicht viel offenlässt.

Martin Millars Kalix – Werwölfin von London (752 Seiten) erschien 2009 bei Fischer. Die Übersetzung besorgte Eva Kemper.

* Selbstverständlich handelt es sich um eine Attitüde, die mit der Realität meist nicht mithalten kann, da Vielschreiberei in der Regel ökonomische Gründe hat.
** Womit ich nicht sagen will, dass diese immer schlecht sein muss. Ich empfehle diesbezüglich Suzy McKee Charnas’ Story »Titten«, abgedruckt in der von Lisa Tuttle herausgegebenen feministischen Horror-Anthologie Hexenmond.

7 Kommentare:

Oliver hat gesagt…

Witzig, wie sich Geschmäcker unterscheiden können; ich fand den Roman eher schlecht als schwach, besonders stilistisch langweilte er mich zu Tode. Es ist einer der wenigen gelesenen Romane, die ich weitergegeben habe. Zu den Lichtblicken gehörten für mich Malveria und besonders ihre Nichte Vex.

Oliver

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Vex fand ich auch noch ganz spaßig, aber was Malveria angeht... da liegen wir wohl tatsächlich konträr mit unseren Vorlieben. Ich hätte echt Lust, mir die Fortsetzung zu besorgen, aber der Klappentext lässt ja leider eher auf vermehrte Auftritte von Feuergeistern schließen.

Oliver hat gesagt…

Hmm, dass ich mir die Fortsetzung besorge, das wird nicht passieren. Aber sag' mal, wie ist denn "Die Elfen von New York" im Vergleich zum ersten Kalix-Band? Besonders in Hinsicht auf den Stil? Ich fand, das Buch hörte sich ganz vielversprechend an, aber nach meiner Kalix-Enttäuschung habe ich die Finger davon gelassen.

Oliver

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Zum Schreibstil kann ich leider nicht wirklich was sagen, dazu ist es zu lange her, dass ich Die Elfen von New York gelesen habe. Oder meinst du mit Stil eher Komik, Charakterzeichnung etc.?

Ich würde zumindest annehmen, dass die Elfen dir gefallen könnten, wenn du Malveria und Vex mochtest. Das Buch macht eher ein bisschen auf prollig als auf Chick Lit und enthält mehr Situationskomik als Kalix.

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Hallo Oliver,

du hattest ja nach Martin Millars Elfen von New York gefragt. Sowohl die Frage als auch meine Antwort sind leider verschwunden, weil Blogger Mist gebaut hat. Ich weiß deshalb nicht, ob du meine Antwort schon gelesen hast: Ich hatte geschrieben, dass ich mich an den Schreibstil von Die Elfen von New York leider nicht mehr erinnern kann (was wahrscheinlich heißt, dass er mir damals bei der Lektüre nicht sonderlich aufgefallen ist), dass Die Elfen in Sachen Humor eher auf derbe macht und insofern inhaltlich von dem ironisierten Chick-Lit-Stil von Kalix m.E. durchaus verschieden ist. Ohne Versprechungen abgeben zu wollen, denke ich, dass du es mit den New Yorker Flatterviechern durchaus versuchen könntest.

Das nur in Kürze; wünsche noch ein schönes Wochenende!

Anonym hat gesagt…

Hallo Anubis,
ja, gelesen hatte ich den Beitrag schon - antworten konnte ich zunächst nicht, weil deine Blog-Software schräg drauf war, und dann, weil mein Internetzugeng mal wieder besch...eiden ist.
Und ja: Mit Stil meine ich tatsächlich Schreibstil; was mich bei Kalix so richtig nervte, waren die vielen Ultrakurzsätze. So was langweilt mich extrem. Mal sehen, wenn die Elfen mir im Antiquariat über den Weg laufen, werde ich mal einen Blick hineinwerfen.

Oliver

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Denke auch, dass Reinschauen vor dem Kauf in deinem Fall eine gute Idee sein wird. Ich hoffe, es gefällt dir besser als Kalix!

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.