Alternativtitel: The Brave Archer 5 · Regie: Hua Shan · Drehbuch: Ning Tan, Tsai Nai-pin · Musik: Stephen Shing, Su Chen-hou · Kamera: Nico Wong · Schnitt: Chiang Hsing-lung, Henry Cheung.
Little Dragon Maiden benutzt den zweiten Band von Jin Yongs Trilogie Legends of the Condor Heroes als Ausgangsmaterial. Als Verfilmung eines bekannten (wenn nicht des bekanntesten überhaupt) Wuxia-Romanzyklus sind dem anvisierten Publikum des Films die Figuren bereits bekannt. Kennt man die Trilogie nicht, ist es schwierig, in die Filmhandlung einzusteigen. Ich gebe deshalb im Folgenden einige Informationen, die der Film nur in Form von Flashbacks oder Hinweisen in den Dialogen präsentiert.
Die beiden Kämpfer Guo Jing (Chen Kuan-tai) und Yang Kang (Leslie Cheung) sind Schwurbrüder. Yang Kang verrät ihren Bund jedoch und wendet sich gegen Guo Jing. Guo Jing und seine Frau Huang Rong (Leanne Liu) besiegen Yang Kang in einem Duell, das mit seinem Tod endet.
Little Dragon Maiden setzt damit ein, dass Yang Kangs Sohn Yang Guo (ebenfalls Leslie Cheung) krank und hungrig als Bettler durch die Lande irrt. Wie sein Vater starb, weiß er nicht. Er begegnet dem wahnsinnigen Kung-Fu-Meister Ouyang Feng (Lo Lieh), der ihm einige Bewegungen seiner exzentrischen Kröten-Kampfkunst beibringt. Eines Tages läuft er Guo Jing und Huang Rong über den Weg, die ihn als den Sohn ihres zum Feind gewordenen Freundes erkennen. Sie nehmen Yang Guo in ihr Haus auf und pflegen ihn gesund.
Damit der Junge eine ordentliche Kung-Fu-Ausbildung erhält, beschließt Guo Jing, ihn als Schüler in das daoistische Quanzhen-Kloster auf dem Berg Zhongnan zu geben. Bei der Ankunft im Kloster wird Guo Jing von zweien der dortigen Kampfkunstlehrer, Meister Zhao (Wong Lik) und Meister Yin (Hung San-nam) angepöbelt und beleidigt. Als gleich darauf der mongolische Fürst Huodu (Ku Kuan-chung) mit seinen Kämpfern das Kloster angreift, vermag Guo Jing als einziger, den Mongolen Paroli zu bieten. Zhao und Yin werden für ihr Verhalten vom Abt getadelt und fühlen sich gedemütigt.
Yang Guo wird Meister Zhao als Schüler zugeteilt. Der lässt seine Wut gnadenlos an dem Jüngling aus. Die rüpeligen Mönche merken, dass Yang Guo eine Zielscheibe ist, und haben ihren Spaß daran, ihn beim Training regelmäßig zu verprügeln.
Ebenfalls auf dem Zhongnan-Berg befindet sich eine Höhle, in der ein weiterer Kampfkunst-Klan, die Sekte des Alten Grabes, ihren Sitz hat. Die Sekte des Alten Grabes nimmt nur Frauen auf und legt großen Wert auf die Wahrung ihrer Geheimnisse. Den Quanzhen-Mönchen ist es verboten, sich der Höhle zu nähern.
Bei einem Schaukampf wehrt Yang Guo sich mit Hilfe des Kröten-Kung-Fu gegen die übertriebenen Attacken der Mönche. Er flieht aus dem Kloster und betritt unwissentlich die Höhle der Sekte des Alten Grabes. Xiaolongnü (Mary Jean Reimer), die Meisterin der Sekte, bricht mit der Tradition und nimmt Yang Guo als Schüler an. Während sie Yang Guo in die Geheimnisse des Jungfrauen-Kung-Fu einweiht, verlieben sich die beiden Jungspunde.
Yang Guos erster Meister, der wahnsinnige Ouyang Feng, kommt Yang Guo besuchen. Er erlaubt sich einen üblen Scherz mit Xiaolongnü, indem er sie vorübergehend lähmt. Meister Yin aus dem Quanzhen-Kloster nutzt Xiaolongnüs Hilflosigkeit aus und vergewaltigt sie. Xiaolongnü hält irrtümlich Yang Guo für den Täter. Die beiden trennen sich und ziehen in die Welt hinaus.
Im Haus Guo Jings und Huang Rongs findet eine Versammlung der Wulin statt. Die Kämpferinnen und Kämpfer wollen einen gemeinsamen Anführer wählen, um im Fall einer mongolischen Invasion vereint zuschlagen zu können. Xiaolongnü und Yang Guo treffen unabhängig voneinander auf der Versammlung ein und versöhnen sich.
Auch Fürst Huodu taucht auf der Versammlung auf. Er will durchsetzen, dass sein Meister, der buddhistische Mönch Jinlun (Lung Tien-hsiang) zum Anführer gewählt wird. Um seinen Argumenten Nachdruck zu verleihen, hat er den bärenstarken Kämpfer Da’erba (Eddy Ko Hung) mitgebracht. Die Versammlung entscheidet sich jedoch für Huang Rongs Vater Huang Yaoshi (Chan Lau) als Anführer. Als Huodu und Da’erba daraufhin versuchen, ihr Ziel mit Gewalt durchzusetzen, werden sie von Yang Guo und Xiaolongnü besiegt.
Die Kämpferinnen und Kämpfer lassen die beiden zunächst hochleben. Als jedoch deutlich wird, dass Yang Guo eigenmächtig die Schule gewechselt hat und zudem unverheiratet mit seiner Meisterin zusammenlebt, wird Missbilligung laut. Yang Guo und Xiaolongnü müssen sich nun entscheiden: Wollen sie weiter zusammen ihren Weg gehen und aus der Wulin verbannt werden, oder geben sie ihre Liebe auf? Zudem muss Yang Guo herausfinden, warum sein Vater getötet wurde, und Xiaolongnü an ihrem Vergewaltiger Rache üben. Und auch der Zorn Huodus und seines Meisters Jinlun auf das junge Paar ist groß ...
Zu Legends of the Condor Heroes sind Dutzende von Filmen und Fernsehserien entstanden, die sich einzelner Teile der Romantrilogie annehmen. Darüber hinaus hatte sie aber auch prägenden Einfluss auf das gesamte Wuxia-Genre. Figuren und Gruppen aus Jin Yongs Werk tauchen in zahlreichen Filmen auf, teilweise in recht eigenständigen Interpretationen. So ist Ashes of Time eine Art Film-Prequel der Romantrilogie. In Wong Kar-wais Film spielt Leslie Cheung eine jugendliche Version von Ouyang Feng, der in Little Dragon Maiden als verrückter alter Lehrer von Leslie Cheungs Figur auftritt.
Als Einstieg in Jin Yongs Trilogie und ihre Adaptationen eignet sich Little Dragon Maiden aber nicht gerade. Der Film setzt in medias res ein und verlässt sich darauf, dass das Publikum die Figuren und ihre Schicksale in Grundzügen bereits kennt.
Bevor Little Dragon Maiden entstand, hatten die Shaw Brothers mit The Brave Archer 1–3 bereits eine Reihe von Filmen produziert, die den ersten Band der Romantrilogie abdecken. Ein vierter Teil, der bereits in den zweiten Band hinüber führt, wurde 1982 mit The Brave Archer and His Mate fertiggestellt. Da ist es etwas überraschend, dass das gleiche Studio schon im Jahr darauf mit Little Dragon Maiden einen Streifen veröffentlicht, der die in The Brave Archer and His Mate abgedeckte Handlung noch einmal erzählt.
Aufgrund dieser zeitlichen Nähe wird Little Dragon Maiden oft als fünfter Teil der Brave-Archer-Reihe betrachtet. Das ist aber unzutreffend. Little Dragon Maiden ist eine neue Interpretation der gleichen Geschichte, die allerdings etwas komplizierter daherkommt, weil anders als bei der vierteiligen Filmreihe der Anfang nicht explizit erzählt wird.
Regisseur Hua Shans Film ist aufgrund seiner Special Effects, vor allem im Bereich Make-up und Creature Design, mit viel Häme übergossen worden. Ich halte das für nicht gerechtfertigt. Es gilt zu bedenken, dass mit dem Cinefex Workshop das erste richtige Special-Effects-Studio der Hongkonger Filmindustrie erst 1986 gegründet wurde. Vorher mussten ungewöhnliche Masken und Requisiten vom Filmteam selber gestaltet werden.
So kommt es, dass der riesige Adler, der dem Helden Yang Guo in einigen Szenen als übernatürlicher Helfer zur Seite steht, eher wie ein menschengroßes, etwas zerrupftes Huhn aussieht. Aber was macht das schon, angesichts des Wissens, dass das Adlerkostüm in liebevoller Handarbeit gebastelt wurde? Filme wie Little Dragon Maiden schaut man sich nicht an, weil man hyperrealistische Effekte erwartet, sondern weil man das Vollkommene im Unvollkommenen schätzt.
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