Samstag, 15. Februar 2020

The Fatal Flying Guillotine (1977)

Deutscher Titel: 4 stahlharte Fäuste ‧ Regie: Raymond Lui ‧ Drehbuch: Raymond Lui, Sheng Yu-hsu ‧ Musik: Frankie Chan.

Der Mandschu-Fürst Hong Hee hat sich zum Kaiser von China ernannt. Nach der verlorenen Schlacht am Tigerfluss erlahmt der Widerstand der Han. Shen Mo Chao (Chen Sing) wurde in der Schlacht schwer verletzt. Er zieht sich in das Tal des Todes zurück, wo er seine Wunden mit Schlangengift behandelt. Fortan lebt er im Tal und kultiviert seinen Hass auf die siegreichen Mandschu und auf überhaupt alle, die ihn in seiner selbstgewählten Einsamkeit stören.

Und gestört wird er häufig. Shen Mo Chao ist nämlich der Erfinder der Todesglocke – einer fliegenden Waffe, die durch ein rotierendes Sägeblatt wie von einem Propeller angetrieben wird und Menschen auf große Entfernung zu köpfen vermag. Prinz Hong Chu, der vierte Sohn des neuen Kaisers, möchte diese Waffe nur zu gerne in seine Finger bekommen.

Der Film spielt im Jahr 1675. Hong Hee ist der persönliche Name des Kangxi-Kaisers, des dritten Herrschers der mandschurischen Qing-Dynastie. Hong Chu, der während seiner Verwicklung in diverse Nachfolge-Intrigen tatsächlich stets nur »der vierte Sohn« genannt wurde, ist als der Yongzheng-Kaiser sein Nachfolger. Unter seinen Ära-Namen kennen wir den »vierten Sohn« bereits als Antagonisten der offiziellen Flying-Guillotine-Filme aus dem Hause Shaw Brothers.

Damit präsentiert The Fatal Flying Guillotine sich als inoffizielles Prequel, das ein wenig am Erfolg der Filme mitverdienen möchte. Jimmy Wang Yu hatte ein Jahr zuvor gezeigt, wie es geht, indem er mit Master of the Flying Guillotine ein Crossover mit seiner eigenen Figur, dem einarmigen Boxer, drehte. Dieser Film hat mit der Zeit Kultstatus erreicht, während The Fatal Flying Guillotine einen eher schlechten Ruf genießt. Unverdient, wie ich meine, denn Regisseur Raymond Lui arbeitete zwar mit sichtlich geringem Budget, fügt der Saga aber doch einige interessante Nuancen hinzu.

Shen Mo Chaos Sohn Shen Piao (Carter Wong) kennt seinen Vater nicht. Seiner Mutter ist er aber (gemäß der konfuzianischen Tugend der kindlichen Pietät) treu ergeben. Als sie schwer erkrankt, macht er sich auf den Weg ins Shaolin-Kloster. Die Mönche haben in ihrer Bibliothek ein Buch, in dem Therapien für scheinbar unheilbare Krankheiten aufgezeichnet sind.

Um das Buch einsehen zu dürfen, hat Shen Piao aber drei Prüfungen zu bestehen: Er muss allein und unbewaffnet zunächst gegen eine Übermacht von Schwertkämpfern, dann gegen eine Übermacht von Stockkämpfern, und schließlich gegen einen Shaolin-Meister im Zweikampf antreten. (Warum die Mönche ihr medizinisches Wissen nicht einfach so teilen, verrät der Film nicht. Wahrscheinlich, weil sie sich dann keine unterhaltsamen Kampfkunst-Prüfungen mehr ausdenken könnten.)

Shen Piao trickst ein wenig. Er trägt einen Gürtel aus hölzernen Gliedern, der sich ähnlich einem Nunchaku verwenden lässt, und einen Körperpanzer, der vor Akupressur-Attacken schützt. Aber da er seine Gegner auf äußerst virtuose Weise verprügelt, sehen die Mönche nachsichtig lächelnd über die kleine Schummelei hinweg und händigen ihm das Buch aus.

Auf dem Heimweg wird Shen Piao aus dem Hinterhalt überfallen. Der maskierte Angreifer tauscht das Buch gegen eine Fälschung aus, und Shen Piaos Mutter stirbt qualvoll. Zornig und trauernd sucht er erneut das Kloster auf. Dort stellt sich heraus, das der Buchdieb kein anderer als Cao Wei ist, der Shaolin-Meister, dem Shen Piao sich im Zweikampf zu stellen hatte. Cao Wei ist ein Mandschu und Spion des »vierten Sohnes«.

Das Buch hat der abtrünnige Meister gestohlen, um es dem Kaisersohn zu bringen. Der plant, das Buch Shen Mo Chao als Geschenk zu überreichen (damit er nicht mehr auf die Eigentherapie mit Schlangengift angewiesen ist), sofern dieser bereit ist, in Hong Chus Dienste zu treten. Mit Hilfe der Todesglocke will der »vierte Sohn« die Macht an sich reißen. Abgesandte Hong Chus sind bereits unterwegs zum Tal des Todes.

Sogleich macht sich eine Gruppe von Shaolin-Kämpfern ebenfalls auf zum Tal, um den Schergen des Kaisersohnes zuvorzukommen. Immer noch nicht ahnend, dass es um seinen Vater geht, schließt Shen Piao sich ihnen an.

Es wird niemanden überraschen, dass die ganze Handlung auf einen tödlichen Zweikampf zwischen Vater und Sohn zuläuft. Auch der Erzählbogen dahin ist von unterhaltsamen Kampfszenen geprägt. Carter Wong ist für die Rolle des stoischen Helden wie geschaffen. Chen Sing als mieser alter Giftgreis, der in seinem Tal hockt und einen Kopf nach dem anderen rollen lässt, gibt wiederum einen formidablen, campy Schurken ab.

Der Film schließt damit, dass die berüchtigte Todesglocke tatsächlich an den Kaiserhof gebracht wird, wo aber niemand mit ihr umzugehen vermag. So fügt sich das inoffizielle Prequel mit geschickter Ironie in die Saga ein. Man kann sich gut vorstellen, dass Kaiser Yongzheng während seines Aufstiegs mit einer fliegenden Waffe (der Todesglocke) in Berührung kam, die in ihm die fixe Idee reifen ließ, selber über eine vergleichbare Waffe (die fliegende Guillotine) zu verfügen. Lässt man sich auf die Skurrilität der Ausgangsidee ein (was unabdingbare Voraussetzung ist, um diese Filme überhaupt ansehen zu können), ist das alles durchaus amüsant.

Notwendig ist eine Bemerkung zur deutschen Synchronfassung. Wer immer die verbrochen hat, vermochte offenbar auf Rassismus nicht zu verzichten. Nach der Eröffnungsszene wird eine Texttafel eingeblendet, auf der es heißt: »Asiens Karate Killer schlagen zu ‒ GELB, BRUTAL und UNERBITTLICH«. Auf so einen Scheiß muss man erst mal kommen, möchte man meinen, aber leider sind solche Sprüche für die deutsche Rezeption chinesischer Martial-Arts-Filme in den siebziger und achtziger Jahren typisch. Und dass man sich nicht die Mühe machte, chinesische und japanische Kampfkunst zu unterscheiden, ist eine Dreingabe an Ignoranz.

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Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.