Dienstag, 31. Dezember 2013

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Neuzugänge

  • Peter Benchley, Jaws
  • Ellen Datlow/Terri Windling (Hgg.), Das neue Buch der Fantasy. Magisch – Unheimlich – Phantastisch 
  • Neil Gaiman, Fragile Things: Short Fictions and Wonders
  • Mary Gentle, Herr der Ratten
  • Frank Herbert, The Great Dune Trilogy
  • George Langelaan, Die Fliege. Erzählungen aus der phantastischen Wirklichkeit
  • Elizabeth A. Lynn, Der Rat der Hexer
  • China Miéville, Embassytown
  • Michael Moorcock, Der Eroberer
  • Matthew Woodring Stover, Eiserne Dämmerung
  • Mervyn Wall, Der unheilige Fursey

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Legend of Korra!!!!​111​eins​elf

Ich habe es noch nie erwähnt, glaube ich, aber jetzt, nach dem wieder genialen Finale der zweiten Staffel von Legend of Korra muss ich mich doch endlich mal als großer Fan outen. Sowohl von der Vorgängerserie Avatar: The Last Airbender,* wie auch der aktuellen.
Also will ich mal, für die (hoffentlich wenigen) Menschen die noch nicht wissen was das alles ist und warum es so toll ist, etwas raven.

Die Serien spielen in einer überwiegend frühneuzeitlichen, asiatischen Fantasy-Welt, in der manche Menschen mittels Kampfkunstroutinen in der Lage sind die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft zu kontrollieren – zu bewegen, umzuformen etc. Und nur eine Person, Avatar genannt, kann alle vier Elemente bändigen. Die Aufgabe des Avatar ist es, Balance und Frieden in der Welt der Menschen zu wahren, und Mittler zur Geisterwelt zu sein. Entsprechend den Elementen ist die Welt geteilt in vier Völker: Die Feuernation, die zwei Wasserstämme, das Erdkönigreich, und die Luftnomaden.

Zu Beginn von Avatar: The Last Airbender ist der Avatar seit 100 Jahren verschwunden, und die frühindustrielle Feuernation hat die Chance genutzt einen Eroberungskrieg zu beginnen. Die Luftnomaden haben sie bereits ausgerottet, als der Avatar wiedergefunden wird: der 12jährige Luftbändiger Aang. Zusammen mit seinen Freunden stellt er sich der Aufgabe, den Krieg zu beenden.

Korra, eine jugendliche Wasserbändigerin mit flammendem Temperament, ist nach Aangs Tod die nächste Inkarnation des Avatar. Sie wird geboren in eine veränderte Welt, in die Verbrennungsmotoren und elektrisches Licht Einzug gefunden haben. Auch die Trennung in vier Nationen beginnt sich im Stadtstaat Republic City aufzulösen. Doch schon bald merkt Korra, dass sich in der Stadt eine Anti-Bändiger-Revolution unter einem charismatischen und gefährlichen Führer zusammenbraut.

TLA ist für eine jüngere Zielgruppe gedacht – die Serie ist mit mehr Humor durchsetzt (v.a. findet sich hier mehr Slapstick), hat jüngere Protagonisten, weniger fokussiertes Erzählen mit mehr Filler-Folgen, und weniger Romance.
Andererseits verfolgen alle drei Staffeln einen einzigen Handlungsbogen, der am Ende der dritten Staffel aufgelöst wird. LoK ist (und wird wohl auch weiterhin so sein) sequenzieller. Die ersten beiden Staffeln enden jeweils damit, dass das Problem überwunden ist, so dass man also am Ende jeder Staffel aussteigen könnte. Wie der Vergleich schon andeutet, sind Jugendliche hier die Zielgruppe, was sich in einer ernsteren Stimmung und mehr Teenage Romance niederschlägt.

Neben dem großartigen Humor der Serien zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie epische Fantasy mit exquisiter Dramatik und wunderbaren Bildwelten erzählen. Die Charaktere sind nuanciert und werden ernstgenommen – größtenteils ;-) Nicht nur, dass eine Reihe selbstbewusster, selbstständiger weiblicher Charaktere auftritt** – Geschlechterrollen und Emanzipation von diesen wird explizit thematisiert. In Kombination mit der Präsenz von asiatischer, Eskimo- und anderen Kulturen, und ethnischer Diversität, scheinen dies momentan herausragende Serien im Kinderprogramm zu sein. Leider nicht durchbrochen wird die Hetero- und Mononormativität in den romantischen Handlungsfäden – ich erhoffe mir immer noch mehr von LoK als die ewiggleichen love triangles.

Einen kleinen Haken haben beide Serien: Sie fangen jeweils vergleichweise subpar an; gerade bei TLA ist mir das kürzlich wieder aufgefallen: die ersten Folgen sind keine Reißer, eher langsam und undramatisch. Bei TLA würde ich sagen, dass das Finale der ersten Staffel einen guten Eindruck vom Rest der Serie gibt.
Auch die erste Staffel von LoK hat zwar insgesamt ein gutes Niveau an Spannung, aber m.E. keinen so herausragenden Höhepunkt – dafür aber leider Momente schwacher Dialoge und uninteressanter Abschweifungen (Autorennen?!? für mich nicht, danke!).
Für wen Spoiler kein Sakrileg sind, kann schauen ob Folgen wie TLA 220 The Crossroads of Destiny oder LoK 108 When Extremes Meet anfixend wirken.

* Dem Pedantischen Prinzip in mir geht es gegen den Strich, dass die zwei Serien nicht kontinuitätwahrend Avatar: The Legend of Aang und Avatar: The Legend of Korra heißen.

** Und mit Tenzin in LoK auch ein Mann, der nach einem Streit mit seinen Geschwistern Geborgenheit bei seiner jungen Tochter sucht, seine Zuneigung zum fliegenden Bisonkalb namens Blueberry Spicehead offen ausdrückt, und seiner Schülerin Korra gegenüber seine Unzulänglichkeiten zugeben kann.

Dienstag, 10. Dezember 2013

Merkwürdige Geschöpfe

Zwei Zitate von US-amerikanischen Fantasy-Autor_innen, die eine gewisse Diskrepanz zwischen der nordamerikanischen und der europäischen Tolkien-Rezeption offenbaren. Man beachte, dass Tolkien, als der Lord of the Rings erschien, in Großbritannien als Autor ohne Publikum galt:
Im Jahre 1965 planten mein Mann und ich, mit dem Zelt nach Europa und dem Mittleren Osten zu reisen und dort zu bleiben, solange unser Geld reichte. Es gelang mir, eine britische Hardcover-Ausgabe des ›Herrn der Ringe‹ zu erstehen und ich las sie auf unserer Überfahrt nach England. [...] Zehn Tage später legten wir in Southampton an, und ich war nicht im geringsten überrascht, daß alle Häuser wie Hobbithöhlen aussahen. Ich mußte mich zurückhalten – und ich schaffte es nur mit Mühe –, einen Gastwirt zu bitten, seine Schuhe auszuziehen, damit ich die Oberseite seiner Füße sehen und die darauf wachsenden Haare betrachten konnte.
Tolkien war ein höchst merkwürdiges Geschöpf, nämlich ein britischer christlicher Mystiker, und als solcher verfügte er über persönliche Anschauungen, die seine Kosmologie klar erkennbar beeinflusst haben, darunter der Glaube an den ewigen Konflikt zwischen den elementaren Kräften von Gut und Böse und die Auffassung, dass selbst die unschuldigsten und reinsten Menschen nicht gegen die Verlockungen dunkler Mächte gefeit sind. Gleichzeitig war jedoch klar, dass am Ende das Gute triumphieren würde. [...] Er schuf eine Welt, die sowohl fremdartig als auch vertraut wirkte. Das Auenland bedeutete ›Heimat‹. Selbst wenn der Leser weit entfernt von den grünen Wiesen der westlichen Grafschaften Englands lebte oder noch nie vom Ufer der Themse aus die Sonne hatte untergehen sehen, vermittelte das Auenland ihm ein Heimatgefühl.
Das erste Zitat ist von Jane Yolen (aus der Einleitung zu Martin H. Greenbergs Anthologie Die Erben des Rings), das zweite von Raymond E. Feist (aus dem von Karen Haber herausgegebenen Aufsatzband Tolkiens Zauber). Nach der darin vertretenen Auffassung ist es die natürlichste Sache der Welt, dass Europäer_innen Tolkien lesen, denn sie leben in Hobbithöhlen, und wenn sie mal geistlichen Beistand brauchen, finden sie sicherlich einen christlichen Mystiker, der im nächstgelegenen Wald in seiner Klause haust. Und wer zwischen Southampton und der Themse, gemütlich vor der Tür der Hobbithöhle sitzend, des Abends den Sonnenuntergang betrachtet, sieht bestimmt auch keinen Widerspruch zwischen dem Glauben an einen ewigen Kampf zwischen Gut und Böse und der Auffassung, dass am Ende das Gute triumphieren wird. Lieber noch ein paar Rauchringe blasen, statt sich über so etwas den Kopf zu zerbrechen.

Man ist versucht, an George R.R. Martin zu denken, der in Deutschland und Schottland von Burgruine zu Burgruine reist, und fühlt sich an die Romantiker Wackenroder und Tieck erinnert, die sich in den historischen Gassen Nürnbergs Träumereien über die Vergangenheit hingaben – nur träumten die beiden frühreifen Genies aus Berlin vor 200 Jahren, als die Grenzen zwischen Geschichtsbewusstsein und Fiktion noch etwas verschwommen waren, während Yolen, Feist und Martin heute leben und schreiben. Ich bin doch immer wieder ein bisschen überrascht darüber, wie oft US-amerikanische Fantasy-Autor_innen rein gar keine Hemmungen zeigen, ihre romantischen Vorstellungen auf Europa zu projizieren. Allerdings ist dies eine Haltung, die die phantastische Literatur der USA von Anfang an begleitete. Henry James schrieb in seiner Nathaniel-Hawthorne-Biographie über die Schwierigkeiten, die ein Autor erfahren musste, der in den USA im ›gotischen‹ Stil schreiben wollte und in seiner Umgebung nach Inspiration suchte:
No sovereign, no court, no personal loyalty, no aristocracy, no church, no clergy, no army, no diplomatic service, no country gentlemen, no palaces, no castles, nor manors, nor old country houses, nor parsonages, nor thatched cottages, nor ivied ruin; no cathedrals, nor abbeys, nor little Norman churches ...
In der US-amerikanischen Phantastik des 19. Jahrhunderts wurde immer wieder versucht, dieses Problem zu lösen und eigenständige Inspirationsquellen zu finden. Das ist auch durchaus gelungen, z.B. durch die Psychologisierung des Unheimlichen in den Kurzgeschichten Edgar Allan Poes – das berühmte Dictum über den Schrecken, der nicht aus Deutschland, sondern aus der Seele kommt. So ganz kam man von Europa aber nicht los. Poe selbst benutzte immer wieder typische Schauplätze, wie man sie aus der europäischen Schauerromantik kennt: Deutsche Adelsschlösser (»Metzengerstein«), das mittelalterliche London (»King Pest«) oder die Kanäle von Venedig (»The Assignation«). Mochte der Schrecken auch aus der Seele stammen, das Material, um ihn zur Darstellung zu bringen, holte man sich oft genug doch wieder aus Deutschland oder anderen europäischen Kontexten. Im Laufe der Zeit hat sich in den USA dann doch so etwas wie eine ›gotische‹ Topographie entwickelt, die von den brütenden Sümpfen und verfallenden Herrenhäusern des Südens bis zu den Hexenjagden in den alten Städten Neuenglands reicht. Aber es bleibt doch bemerkenswert, dass die vielleicht bekannteste auf Americana basierende Fantasy, American Gods, von dem Europäer Neil Gaiman geschrieben wurde.

Das Bild des pseudomittelalterlichen Europa, das die epische Fantasy der Post-Tolkien-Ära nach wie vor dominiert, scheint in seiner Wirkmächtigkeit ungebrochen zu sein. Doch wird es noch verwickelter, wenn man sich den ersten US-amerikanischen Fantasy-Mehrbänder, der nicht nur in Reaktion auf Tolkien geschrieben wurde, sondern auch mit einem explizit pseudoamerikanischen Setting aufwartet, genauer ansieht: The Dark Tower von Stephen King. Im Vorwort der überarbeiteten Fassung des Auftaktbandes The Gunslinger schreibt King erwartungsgemäß, dass ihn die Lektüre des Lord of the Rings zu einer eigenen epischen Fantasy angeregt hat, er aber schnell gemerkt habe, dass mit Tolkien über Hobbits und Elben alles gesagt sei. Überraschend wird es dann, als King auf die alternativen Inspirationsquelle zu sprechen kommt, die er sich gesucht habe: Sergio Leones Spaghettiwestern. Nicht etwa John Ford oder Sam Peckinpah – nein, italienische Schauspieler_innen, die in spanischen Landschaften den amerikanischen Westen imitieren, spenden die Bilder für einen der ersten großen US-Gegenentwürfe zu Tolkien. Wer gerne darüber schimpft, dass wir in Europa nur noch japanische Autos fahren und jeden Abend Filme aus Hollywood im Fernsehen laufen, kann den Einfluss des Italowesterns auf Stephen King als unseren ureigenen europäischen Kulturimperialismus ansehen. Er dürfte sogar weitaus erfolgreicher sein als der in umgekehrter Richtung verlaufende, denn während vermutlich niemand ernsthaft an die Authentizität des Dornröschen-Schlosses in Disneyland glaubt, gibt es sicherlich gar nicht so wenige Menschen, deren Vorstellung vom Wilden Westen von Clint Eastwood geprägt ist, der in den ariden Landschaften von Almería herumstiefelt, oder von Franco Nero, der einen Sarg durch eine Schlammgrube im Latium zerrt.

Übrigens erwähnt Raymond E. Feist in dem eingangs zitierten Essay ganz nebenbei (als ob es nicht weiter bemerkenswert wäre), dass die Zwerge seiner Sekundärwelt Midkemia von »den hart arbeitenden schottischen Bergleuten, die sich im Westen Pennsylvanias niedergelassen haben« inspiriert seien. Merkwürdige Geschöpfe, diese Amis.

Montag, 9. Dezember 2013

Die Untoten

Die Untoten ist eine thematische Anthologie, die sich – anders als das Zombie-Beatles-Titelbild vermuten lässt – nicht nur der verwesenden, Gehirne fressenden Variante der Untoten widmet. Die Einleitung verspricht die ganze Bandbreite: »Geister, Gespenster, Ghule, Vampire und Zombies«. Die meisten der Geschichten erscheinen hier zum ersten Mal.

Die Ausnahme bildet »Stürmische Zeiten« von Bernhard Hennen, eine bereits in Wolfgang Hohlbeins Fantasy Selection 2001 gedruckte Story. Ähnlich wie Hennens Roman Nebenan handelt es sich um eine Art Campus-Fantasy. Hennen variiert das Motiv von der verführerischen Wiedergängerin, die in diesem Fall aber, wenn man es genau nimmt, gar keine Untote ist, sondern ein übernatürliches Wesen. Mein Fall ist »Stürmische Zeiten« nicht gerade, schon beim Erstabdruck nicht, und daran hat sich auch durch die erneute Lektüre nicht viel geändert. Schreiten wir also voran zu den Originalbeiträgen.

Thomas Plischkes »In Wort und Bild«, mehr eine Novelle als eine Kurzgeschichte, gefällt mir schon besser. Plischke greift moderne Mythen wie den von den geheimen Rückwärtsbotschaften auf Schallplatten auf und verbindet sie mit Spuk und Mord. Leider wirkt die Hauptfigur vom Typ »abgehalfterter Künstler, der traumatisches Erlebnis nicht verarbeiten kann« nicht sonderlich auf mich. Insgesamt bin ich mir nicht sicher, ob die für mich interessanten Aspekte in dieser Geschichte überwiegen oder nicht. Gern gelesen habe ich sie trotzdem.

»Stimmen, wehend leicht wie der Meereswind« von Christoph Marzi hält, was der Titel verspricht: Kitschmetaphern, die geballte Ladung. Da wird geschwiegen, »als sei es ein Schrei«. Die See ist das, »was sie immer war: tiefer, als man blicken kann«. Erinnerungen sind immer ein kostbarer Schatz, Tränen fließen immer heiß über das Gesicht, die Sonne taucht die Landschaft in warmes Gold und Hände sind wettergegerbt, aber zärtlich. Mit Marzis Schreibe werde ich wohl nie warm werden.

Oliver Dierssens »Akerbeltz« wirkt wie ein Seitenstück zu seinem Debütroman Fledermausland. Das ist schade, denn mit Fledermausland konnte ich (anders als mit Dierssens zweitem Roman, der YA-Fantasy Fausto) nicht viel anfangen. So sagt mir auch »Akerbeltz« nicht sonderlich zu. Wer allerdings Fledermausland mochte, wird diese Geschichte lieben.

»Ein kleiner Tod« von Victoria Schlederer fängt in medias res an und kommt deshalb so rüber, als müsse einem die Hauptfigur bekannt sein. Vielleicht aus Schlederers Debüt Des Teufels Maskerade? Das habe ich leider noch nicht gelesen, höchstens mal darin geblättert. Wie dem auch sei, »Ein kleiner Tod« funktioniert auch so. Und macht Lust, Des Teufels Maskerade endlich zu lesen.

Thilo Corzilius’ Geschichte »In der Wüste« spielt in Israel. Thematisch sicherlich der ungewöhnlichste Beitrag zu dieser Anthologie, denn es geht um ein aus dem Neuen Testament bekanntes Motiv – die Wüste als Ort der Versuchung. In diesem Fall besteht die Versuchung darin, sich der Einsamkeit in ihrer ultimativen Form, dem Tod, zu überlassen. Liest sich sehr interessant. Was aber gar nicht geht: In der Beschreibung von Figuren ausschließlich auf Stereotype zurückzugreifen. Es kommen fünf Personen vor. Eine davon mit Hakennase, eine mit Haut in der »Farbe der tiefsten, sternenlosesten Nacht« und »blitzendweißen Zähnen«, eine weitere »sichtlich mit etwas Latino-Blut in den Adern«, sowie ein »sehr groß gewachsener, schlaksiger Skandinavier«. (Die fünfte Person, der Ich-Erzähler, bleibt unmarkiert und ist daher wohl ebenfalls weiß und männlich.) Schade um eine Story, die sehr gut auch ohne solche Klischees hätte erzählt werden könnten.

»Im Gasthaus zum Schwarzen Eber« ist ein weiterer Beitrag von Thomas Plischke, der diesmal unter seinem Pseudonym Jonas Wolf auftritt. Und hier sind sie endlich, die untotesten aller Untoten: Zombies. Eine kleine Gruppe von Überlebenden hat sich in einem einsam gelegenen Gasthaus verschanzt, während von allen Seiten die lebenden Leichen heranschlurfen.* Wie die Romane Heldenwinter und Heldenzorn spielt die Geschichte in einer Sekundärwelt, der »Welt des Skaldat«. Ein interessanter Genre-Crossover, denn wie man weiß, ist das Gasthaus in der Fantasy typischerweise der Ort, an dem eine Heldengruppe sich zusammenfindet, um zur Weltrettungsqueste aufzubrechen. Nette Idee, das mal in sein Gegenteil zu verkehren, indem das Fantasy-Gasthaus mit dem stets bedrohten Zufluchtsort vor der ringsherum tobenden Zombie-Apokalypse verbunden wird. Einziger Kritikpunkt: Die Geschichte hätte ein sorgfältigeres Korrektorat vertragen können.

Ich bin selten ganz zufrieden mit Anthologien, weshalb ich diese hier, in der zwei Beiträge mir gut gefallen, zwei ein interessantes, aber ambivalentes Leseerlebnis darstellen und drei nicht bei mir ankommen, als eine überwiegend gelungene Zusammenstellung empfinde. Bemerkenswert ist außerdem das schön skurrile Titelbild von Jan Warncke.

Die von Ole Johan Christiansen und Oliver Dierssen herausgegebene Anthologie Die Untoten ist 2011 bei Nerdpol als Kindle-E-Book erschienen.

* Ich habe natürlich keinen Moment lang daran gezweifelt, dass sie irgendwann auftauchen würden. Wenn es einen Zombie-Connaisseur unter den deutschen Fantasy-Autor_innen gibt, dann Plischke.

Sonntag, 8. Dezember 2013

Die Zufallsmaschine

Alex Smart (jung, Brite, Allerweltstyp) reist quer durch die Vereinigten Staaten, um seiner Freundin Carey einen Heiratsantrag zu machen (was Carey umtreibt, erfahren wir zunächst nicht). Problem: Der Ring in Alex’ Tasche ist vielleicht die titelgebende Zufallsmaschine. Vielleicht auch nicht. Zufallsmaschine heißt, dass sich damit die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen beeinflussen lässt. Erfunden hat die Maschine ein exzentrischer Mathematiker, Nicolas Banacharski, der in einer abgelegenen Ecke Frankreichs in einer Hütte lebt. Wie die Maschine in Alex’ Tasche gelangte, ist unklar. Aber wie sich das für einen jungen Mann gehört, der ahnungslos in die Welt hinauszieht, wird er verfolgt: Das DEI ist das Direktorat für das Extrem Unwahrscheinliche, soll heißen, eine geheime Behörde, die für genau solche Fälle wie Alex’ Ring zuständig ist. Das DEI hält die Maschine für eine Waffe und möchte sie in die Hände bekommen.

Flashback. Banacharski, der brillante Wissenschaftler, wird durch den Mai ’68 politisiert und schmeißt seinen Lehrstuhl an der Sorbonne hin. Er wird immer eigentümlicher, schreibt seltsame Briefe und verschwindet schließlich von der Bildfläche – bis Isla Holderness, eine junge Mathematikerin, ihn in den Pyrenäen findet, wo er eine Einsiedlerexistenz führt. Ihre Kontaktaufnahme zu Banacharski wird in einem zweiten Handlungsstrang erzählt; Banacharskis Vorgeschichte dagegen nur kurz rekapituliert.

200 Seiten später ist nichts passiert. Alex tingelt noch immer durch die USA, während rings um ihn her bizarre Ereignisse geschehen, die vielleicht durch den Ring in seiner Tasche ausgelöst werden, der vielleicht Banacharskis Zufallsmaschine ist. Man hat beim Lesen nicht das Gefühl, dass er sich einem Ziel nähert. Er selbst ist auch nicht gerade übermäßig interessant. Eine Art Neil-Gaiman-Held, ein Allerweltstyp eben. Allerdings gibt es bei Gaiman meist eine spannende Handlung und liebenswerte Nebenfiguren. Holderness ist es zwar gelungen, das Vertrauen Banacharskis zu gewinnen. Aber nichts deutet daraufhin, dass aus ihrem Zusammentreffen irgendeine den Roman voranbringende Dynamik entstehen könnte.

Natürlich geht es in diesem Buch ums Paradoxe (mitsamt den obligatorischen Anspielungen auf Lewis Carroll). Logik, Mathematik und Physik sollen dazu benutzt werden, eine schräge Geschichte zu erzählen. Also wird am Ende wohl alles ganz anders sein, als man zu Beginn annimmt. Was wiederum nicht wirklich paradox ist, sondern einfach nur ein trope. Dennoch könnte das Buch spannend sein. Es wäre sogar möglich, dass die zweite Hälfte sehr viel mitreißender ist als die erste.

Ich hab’s trotzdem aufgegeben. Es gibt nämtlich noch ein zweites Problem mit Die Zufallsmaschine. Das Buch liest sich, als hätte Leith versucht, einen Roman von Matt Ruff zu schreiben. Stellenweise fühlt man sich so sehr an Bad Monkeys erinnert, wie man sich beim Lesen von The Sword of Shannara an den Lord of the Rings erinnert fühlt. Tatsächlich, auch wenn dieser Vergleich nicht zu falschen Schlussfolgerungen führen sollte. Hervorzuheben ist nämlich, dass Leiths Buch an keiner Stelle wie ein Rip-off wirkt. Eher wie das, was es wahrscheinlich auch ist: Der Debütroman eines Autors, der einem großen Vorbild nacheifern will.

Dabei müsste das alles – die unspannenden Figuren, der trödelige Plot, die Anleihen bei Ruff – nicht sein. Leith kann schreiben, er hat ein Gespür für witzige Szenen. Folgendes geht im Kopf eines Professors vor, der vom DEI entführt wird, um über seinen Kollegen Banacharski ausgequetscht zu werden:
Amerika war zwar ein totalitärer Feind der freien Rede, ermordete aber im Allgemeinen keine weißen Männer aus der Mittelschicht. Er würde Schmerzen erdulden, eloquente Reden halten und zu einer cause célèbre werden. Er stellte sich vor, wie Chomsky auf CNN über ihn referierte und Glenn Beck auf Fox über ihn herzog.
Beim Guardian schreibt Leith u.a. über C.S. Lewis, Christopher Priest und Stephen King. Seine Rezensionen sind ausgesprochen lesenswert. In Die Zufallsmaschine fehlt es nicht an Stil, es fehlt an Struktur und einer eigenständigen Idee. Sollte Leith es noch einmal mit einem Roman versuchen, bei dem ersichtlich ist, dass er das hat, was seinem Debüt fehlt – ich würde ihm gern noch einmal eine Chance geben.

Die Zufallsmaschine von Sam Leith (349 Seiten) ist bei Manhattan erschienen. Die Übersetzung besorgte Thomas Mohr.

Samstag, 30. November 2013

Doris Lessing (1919–2013)

Nach ihrem friedvollen Tod wird das Bild, das von Doris Lessing bleibt, divergenter sein als je zuvor. War sie eine feministische Autorin? Eine vom Feminismus vereinnahmte Autorin? Hatte sie es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie von reaktionären Männerrechtlern für ihre Ablehnung der Frauenbewegung Beifall erhielt? Ein wenig von allem, würde ich sagen. Aber Lessing war nicht einfach nur widersprüchlich, sie war vielseitig.

»Erfahrung, die von Mund zu Mund geht, ist die Quelle, aus der alle Erzähler geschöpft haben.« So Walter Benjamin, und weiter: »[Der Erzähler ist] ein Mann, der dem Hörer Rat weiß. Wenn aber ›Rat wissen‹ heute altmodisch im Ohre zu klingen anfängt, so ist daran der Umstand schuld, daß die Mitteilbarkeit der Erfahrung abnimmt. Infolge dessen wissen wir uns und andern keinen Rat. Rat ist ja minder Antwort auf eine Frage als ein Vorschlag, die Fortsetzung einer (eben sich abrollenden) Geschichte angehend. Um ihn einzuholen, müßte man zuvörderst einmal erzählen können. (Ganz davon abgesehen, daß ein Mensch einem Rat sich nur soweit öffnet, als er seine Lage zu Wort kommen läßt.) Rat, in den Stoff gelebten Lebens eingewebt, ist Weisheit. Die Kunst des Erzählens neigt ihrem Ende zu, weil die epische Seite der Wahrheit, die Weisheit, ausstirbt.«* Benjamin konnte sich offensichtlich nicht vorstellen, dass es auch Erzählerinnen gibt. Ihrem Sinn nach hätte er diese Worte aber auch über Doris Lessing sagen können. Die »Mitteilbarkeit der Erfahrung« ist ihr großes Thema. Die Fehler früherer Generationen nicht wiederholen, sondern der erlebten Geschichte eine andere Fortsetzung geben, diesen Rat könnte man als die Weisheit von Lessings Werk betrachten. Am besten lässt sich das seltsamerweise an einem ihrer weniger gelungenen Bücher erkennen, dem Roman Mara and Dann (1999), der in einem postapokalyptischen Afrika spielt. Er handelt von einer untergehenden Zivilisation, die damit klarzukommen versucht, dass ihr die Fähigkeit, Wissen über die Vergangenheit zu überliefern, abhanden gekommen ist. Die Protagonistin Mara irrt durch eine Welt, über deren Geschichte sie nichts weiß. So lange das so ist, scheint die Botschaft zu sein, ist die Menschheit dazu verurteilt, den Katastrophen ihrer Geschichte hilflos ausgeliefert zu sein.

Mara and Dann mag literarisch wenig beachtlich sein, aber auch ein beeindruckendes, furchteinflößendes Werk wie The Fifth Child (1988) widmet sich dem Komplex von Erfahrung, Erinnerung und Wiederholung. Im Mittelpunkt steht ein junges Paar, das sich von der vermeintlichen Amoralität der sexuellen Revolution der sechziger Jahre abgestoßen fühlt. Seine Reaktion darauf ist, zu heiraten und eine vielköpfige Familie zu gründen. Die viktorianisch anmutende Idylle, mit vier Kindern und einem großen Haus, scheint perfekt, bis mit Ben ein fünftes Kind geboren wird. Ben ist eine genetische Abnormität, ein Neandertaler, der in eine Familie moderner Menschen hineingeboren wird. Im Vergleich zu seinen Geschwistern, die sich perfekt in die Vorstellungen ihrer Eltern vom gelungenen Familienleben eingefügt haben, scheint Ben bösartig und brutal zu sein, ein friedliches Zusammenleben mit ihm unmöglich. Bens Eltern haben mit ihrer Abwendung von der Gegenwart und ihrem Nicht-Reflektieren der Vergangenheit unwillkürlich auch die Albträume ihrer viktorianischen Vorbilder wiederbelebt: Die Angst vor der Degeneration – davor, dass die Minderwertigkeit des missratenen Kindes, das die Familienidylle bedroht (und die Minderwertigkeit der sozialen Schichten, die die Gesellschaftsordnung bedrohen), ein aus der Intimität der Familie selbst stammendes Erbstück sein könnte. Die Fortsetzung Ben, in the World (2000) zeigt dann, dass Ben zwar ein Neandertaler sein mag, aber alles andere als ein Monster ist, höchstens von seiner verständnislosen Umgebung dazu gemacht wurde. Er wird von der Familie, in der kein Platz für ihn ist, verstoßen und zieht in die Welt hinaus, wo es ihm im Grunde auch nicht anders ergeht als uns allen, die wir in der Zeit der vom Aussterben bedrohten Erzählkunst existieren: Er erlebt die Schwierigkeit, sich eine Geschichte über die eigene Herkunft und Zukunft erzählen zu wollen und es nicht zu können.

Aber was hat es nun auf sich mit Lessing und dem Feminismus? Ihr Hauptwerk, The Golden Notebook (1962), wird gerade in sämtlichen Feuilletons mit einem unpassenden Schlagwort als »Bibel des Feminismus« bezeichnet. Für die Frauenbewegung fand Lessing in den Interviews ihrer letzten Jahre aber kaum etwas anderes als harte Worte und Verurteilungen; ebenso für eine Reihe von weiteren sozialen Umwälzungen, die allgemein als positive Errungenschaften gelten, wie die sexuelle Revolution und das Ende des britischen Imperialismus. Ihr Lieblingswort in diesem Zusammenhang war »ein Schlamassel«, im Original: »a mess«. Auf der anderen Seite hat Lessing nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie feministische Errungenschaften wie verbesserte Arbeitsmöglichkeiten für Frauen schätzte, und sie sah es als ein wichtiges politisches Ziel für Frauen an, sich vom Zwang zur Reproduktionsarbeit und Kindererziehung zu emanzipieren. Als sie ihren ersten Ehemann, einen Kolonialbeamten, verließ, weigerte sie sich, die zwei aus der Ehe hervorgegangenen Kinder mitzunehmen, weil sie sich lieber dem Schreiben und der Politik widmen wollte. Sie hat diese Entscheidung, die vor dem Hintergrund des in den Dreißigern und Vierzigern herrschenden Zeitgeists nur als revolutionärer Akt zu bezeichnen ist, ihr Leben lang verteidigt.

Lessing war jahrelang in der Kommunistischen Partei und im Left Book Club aktiv. Nach der Niederschlagung des Aufstands in Ungarn 1956 verließ sie die Partei. Eine politische Schriftstellerin blieb sie weiterhin, aber einer organisierten Bewegung mochte sie sich für den Rest ihres Lebens nicht mehr anschließen. Diese Grundhaltung mag zu ihrer Abneigung auch gegenüber der Frauenbewegung beigetragen haben. Dennoch war Lessing nicht einfach nur eine jener hauptberuflichen Ex-Kommunist_innen, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts intellektuell so sehr prägten. Ihre schriftstellerischen Auseinandersetzungen mit der KP-Zeit zeugen oft eher von Ironie als von Verbitterung – man lese nur die Erzählung »Spione, die ich gekannt habe«. Lessing hatte einen feinen Blick dafür, dass politischer Aktivismus (selbst dann, wenn er im Recht ist) immer eine theatralisch-komische Komponente hat, und Anlass für Spott bot ihre Beobachtungsgabe ihr reichlich. Mit den Jahren verwandelte sich Lessings ironische Haltung jedoch in polternde Ablehnung, bei der oft nicht klar war, gegen wen oder was sie sich eigentlich richtete. Da blieb es nicht aus, dass ihr auch diejenigen Beifall zollten, die Emanzipation jeglicher Art schon immer für ein Ärgernis hielten. Eine mögliche Erklärung, wenn auch keine Entschuldigung: Immer deutlicher war Lessing in ihren späten Jahren anzumerken, wie wenig sie den Rummel um ihre Person schätzte. So manche grobklotzige Interview-Äußerung mag daher gefallen sein, weil Lessing, um ihre Ruhe zu haben, immer mehr darauf zurückgriff, die Medien kurzerhand mit Schlagwörtern abzuspeisen.

Lessings Spätwerk ist stark von den Ideen des afghanisch-britischen Mystikers Idries Shah beeinflusst. Shah betrachtete die islamische Mystik, den Sufismus, als eine transhistorische Erleuchtungslehre, deren Einsichten ewige Gültigkeit beanspruchen könnten. Im Islam habe der Sufismus nur eine historisch bedingte Form unter vielen möglichen angenommen; sufistische Lehren seien aber auch in anderen mystischen und esoterischen Schulen und sogar im Alltagshandeln der Menschen anzutreffen. Ihr Ziel sei die spirituelle Höherentwicklung der gesamten Menschheit. Mit solchen Ansichten übte Shah einigen Einfluss auf westliche Schriftsteller_innen aus, etwa auf Robert von Ranke-Graves und Colin Wilson.** Doris Lessing gilt jedoch als seine wichtigste literarische Schülerin.

Wer Idries Shahs Lehren dubios findet, hat damit sicherlich recht. Doch zum einen ist die eigentümliche Mischung aus Politik, Phantastik und Faszination für das Okkulte in der britischen Literatur keine Seltenheit, sondern verbindet Namen wie E. Nesbit, W.B. Yeats und Charles Williams miteinander.*** Zum anderen war es vermutlich ein ganz bestimmter Aspekt, der Shahs Lehren für Lessing so anziehend machte: Shah war überzeugt davon, dass es möglich sei, Wissen auf halb- oder unbewusste, intuitive Weise weiterzugeben. Als Medium dafür galten ihm vor allem Geschichten in Form von Märchen, Parabeln und Anekdoten. Die spirituelle Aufwertung des Geschichtenerzählens musste der Erzählerin Lessing gefallen. Auf ihr Werk wirkte Shahs Vorstellung von der intuitiven Wissensweitergabe sich in höchst fruchtbarer Weise aus. Zugleich gibt sie einen Hinweis darauf, wie Lessing sich vorstellte, mit ihren Büchern auch nach dem Ende ihrer Tätigkeit für die KP öffentlich wirken zu können: Nicht anders als durch die »Mitteilbarkeit der Erfahrung«, die Benjamin dem Erzähler zuschreibt (wenn sie bei Lessing auch in ein etwas krudes esoterisches Gewand gekleidet ist).

Die Literaturkritik hat das in ihrer manchmal herablassenden Haltung gegenüber Lessings Werk bestärkt. Die Überzeugungen ihrer Spätphase trugen ihr verächtliche Bezeichnungen ein: Sie sei eine orakelnde Erdmutter, die drittklassige Science Fiction schreibe. Lessing reagierte gelassen auf solche Herabsetzungen. Dass sie von manchen als Genreschriftstellerin angesehen wurde, störte sie nicht. Ihre Hinwendung zum Genre (zur Space Fiction, wie sie es nannte) war eine sehr bewusste; und diejenigen ihrer Werke, die ihre oft seltsame Weltanschauung zum Ausdruck bringen, gehören zu ihren interessantesten. Man benötigt einen unvoreingenommenen Blick, um zu erkennen, dass Inspiration und erzählerische Kraft manchmal von ungewöhnlichen Orten ausgehen. Doris Lessing scheute sich nicht, mit ihrem Werk diese Erkenntnis zu vermitteln. 

* Benjamin betont übrigens, dass es sich bei diesem Aussterben nicht um ein Zeichen von Werteverfall handelt, sondern sagt ganz nüchtern materialistisch, dass es »eine Begleiterscheinung säkularer geschichtlicher Produktivkräfte« ist.
** Im Grunde wandte Shah damit eine Auffassung auf den Islam an, die in der westlichen Esoterik gang und gäbe ist: Auch über die Kabbala (die jüdische Mystik) und die Gnosis (eine frühchristliche Strömung, die zu kosmologischen Spekulationen neigte) wurde gesagt, dass sie ewige, universale Ideen seien, die sich im Judentum respektive im Christentum nur  »inkarniert« hätten.
*** Wobei auffällig ist, dass die zugrundeliegende politische Haltung sowohl eine linke als auch eine christlich-konservative sein kann. 

Freitag, 22. November 2013

Neuzugänge

  • Steven Brust, Taltos 
  • Angela Carter, Wie’s uns gefällt
  • Aleister Crowley, Moonchild 
  • Robert Holdstock, Mythago Wood 
  • Doris Lessing, Anweisung für einen Abstieg zur Hölle
  • C.S. Lewis, Of  This and Other Worlds 
  • Alison Lurie, Women & Ghosts
  • Regina Mengel, Die Bestimmung
  • Michael Moorcock, Wizardry and Wild Romance
  • Patrick Nielsen Hayden u.a. (Hgg.), Some of the Best from Tor.com: 2012 Edition
  • Clifford D. Simak, Fremde Besucher 
  • Thomas von Steinaecker/Daniela Kohl, Geister

Sonntag, 27. Oktober 2013

Asterix bei den Pikten

Nachdem ich mir gestern abend den neuen Asterix-Band zu Gemüte geführt habe, muss ich sagen: Euphorisiert bin ich nicht, aber ganz angetan. Als einschneidende Veränderung gegenüber den letzten von Albert Uderzo gezeichneten Bänden ist mir aufgefallen, dass in Asterix bei den Pikten eine Rückkehr zu den Anfängen versucht wird. Während die Reihe sich vorher weitgehend um sich selbst drehte und mit bemühten metafiktionalen Kapriolen aufwartete, gibt es hier ein klassisches Reiseabenteuer, das an Bände wie Asterix bei den Briten und Asterix in Spanien erinnert.

Ich gehöre nicht zu denjenigen, die am liebsten alles vergessen würden, was seit René Goscinnys frühem Tod 1977 von Uderzo im Alleingang getextet und gezeichnet wurde. Natürlich steht fest, dass keiner der seit Der große Graben erschienenen Bände an die Gemeinschaftswerke von Goscinny und Uderzo heranreicht. Noch der letzte von Goscinny geschriebene Band, Asterix bei den Belgiern, war eine Großtat. Danach wirkte alles, auch die gelungeneren Geschichten wie Die Odyssee und Asterix im Morgenland,* vergleichsweise fad, und das lag nicht nur daran, dass Uderzo nicht an Goscinnys Humor und sein Gespür für dynamische Plots herankam. Auch die Zeichnungen selbst sahen nicht mehr so brillant aus wie vorher. Es scheint, als habe Goscinny nicht nur sein eigenes einzigartiges Können wieder und wieder unter Beweis gestellt, sondern auch das Talent seines Partners Uderzo befeuert.

Dennoch gestehe ich den in den Achtzigern herausgekommenen Bänden zu, dass sie eher durchmischt als schlecht sind: Auf einen ziemlichen Reinfall folgte ein liebevoll gestaltetes Reiseabenteuer (unvergessen die Episode, in der Asterix und Obelix in der Wüste nacheinander den Kriegsscharen sämtlicher mesopotamischer Großreiche, von Sumer bis Medien, über den Weg laufen), auf eine durchwachsene Geschichte (in der sich platte Situationskomik sehr unvorteilhaft mit einem ödipalen Drama mischt, das man Uderzo in dieser Unverfrorenheit gar nicht zugetraut hätte) wiederum ein Reiseabenteuer, das mit seinen ernsten Untertönen und Andeutungen von Grausamkeit an den zwölf Jahre früher erschienenen Band Asterix bei den Schweizern erinnert.

In den Neunzigern erfolgte dann der totale Absturz. Uderzo verwandelte sich in den Peter Scholl-Latour des Comics, in ein mit hohlen Meinungen um sich werfendes Fossil, das zu allen Entwicklungen der Zeit etwas zu sagen hatte und dabei doch immer nur seine Vorgestrigkeit zur Schau stellte. Bände wie Asterix und Maestria und Gallien in Gefahr dienen nahezu ausschließlich der Verbreitung von Uderzos chauvinistischem Weltbild, hinter dem so etwas wie ein Plot nur in rudimentären Ansätzen zu erkennen ist. Auch da, wo stärker die Form der klassischen Bände aus den siebziger Jahren bewahrt bleibt (Abenteuer im Dorf – Abenteuer auf Reisen), wird es nicht besser, denn Uderzo reduziert die von Goscinny so liebevoll charakterisierten Figuren systematisch zu Klischees ihrer selbst. Was vorher lebendige, skurrile Eigenheiten waren, sind jetzt nur noch Aufhänger für schlechte Witze. Hinzu kam eine Entwicklung, die angetan war, der Reihe in ihrer deutschsprachigen Ausgabe den Todesstoß zu versetzen: War der anspielungsreiche Humor des Originals 29 Bände lang von Gudrun Penndorf kongenial ins Deutsche übertragen worden, gab es ab Obelix auf Kreuzfahrt nur noch hirnverbrannte Lautmalereien, bis es nicht mehr zu ertragen war. Die von Adolf Kabatek (Band XXX) und Michael Walz (Band XXX–XXXI) angefertigten Übersetzungen stellen einen Tiefpunkt dar, der die von Uderzo verzapften Peinlichkeiten noch einmal in den Schatten stellte.

Aber zurück zu Asterix bei den Pikten. Die Nachricht, dass Uderzo den Zeichenstift endlich weitergereicht hat, sorgte bei den Fans für ein erleichtertes Aufatmen, und mit Klaus Jöken ist schon seit Band XXXII ein Übersetzer am Start, der zumindest die gröbsten Ausrutscher von Kabatek und Walz zu vermeiden weiß. Das neue, aus Jean-Yves Ferri (Text) und Didier Conrad (Zeichnungen) bestehende Team gehört einer Generation an, die mit den frühen Asterix-Bänden aufgewachsen ist, und dementsprechend wirkt das neue Abenteuer wie ein Versuch, zu den Wurzeln der Reihe zurückzukehren. Dazu passt auch Ferris Ankündigung, das nächste Abenteuer im Dorf spielen zu lassen. Genauso hielt es Goscinny in den siebziger Jahren, als er Reise- und Dorfabenteuer im Wechsel aufeinander folgen ließ. Der Zeichenstil, in dem der piktische Krieger Mac Aphon gehalten ist, geht noch einige Jahrzehnte weiter zurück und erinnert an Uderzos Figuren aus den fünfziger Jahren. Überhaupt ist Conrad als Zeichner ein Glücksgriff. Er kommt zwar nicht ganz an Uderzos Glanzzeit heran (wer würde das auch erwarten), aber die zentralen Figuren beherrscht er nahezu mit Perfektion. Allein Idefix und Majestix’ Schildträger haben mich nicht zu 100% überzeugt. Eigenständige Phantasie beweist er bei der Darstellung der Piktinnen und Pikten – klar, da muss er sich ja auch nicht an Vorbildern messen.

Autor Ferri beweist, dass er eine Geschichte erzählen kann. Asterix und Obelix finden bei einem Winterspaziergang den leblosen Mac Aphon. Nach diversen Turbulenzen, die durch die Anwesenheit des schicken Jünglings in der Dorfgemeinschaft ausgelöst werden, wird deutlich, dass Mac Aphon sich nach seiner piktischen Heimat verzehrt. Asterix und Obelix machen sich mit ihm auf den Weg nach Schottland, wo eine politische Intrige tobt. Mac Abberh, Chef eines mit Mac Aphons Leuten verfeindeten Clans, will König werden und kollaboriert dazu mit Rom. Während die beiden gallischen Helden Mac Aphon tatkräftig unterstützen, um Mac Abberhs Plan zum Scheitern zu bringen, lernen sie allerhand Eigenheiten der piktischen Gesellschaft kennen. So erfahren sie, dass Mac Aphon in einem »Patchworkclan« lebt: »Mac Abyte ist der angeheiratete Onkel von Calluna, der Adoptivnichte von Mac Mamah, die wiederum die zweite Frau meines Schwiegerpapas Mac Pomm ist, dem Patenonkel von Erica, meiner Kusine zweiten Grades von Mac Ulaturs Seite her ...«**

Insbesondere die im Dorf spielenden Szenen haben es in sich. Von Uderzos Unart, eine Story-Idee endlos auszuwalzen und die entstehenden Leerstellen mit Blödeleien aufzufüllen, ist weit und breit nichts zu erkennen. Aber nicht jeder Scherz in Asterix bei den Pikten ist gelungen: Mac Aphon, der in einem Eisblock eingefroren am Strand von Armorica angetrieben wird, spricht nach seiner Wiederbelebung durch Miraculix in Liedzeilen und Songtiteln, bevor er die Sprache wiederfindet. Das erinnert unangenehm an den müden Witz der Durchhängezeit seit den neunziger Jahren. Außerdem wird als neue Nebenfigur der Beamte Publius Plusminus eingeführt, der im gallischen Dorf eine Volkszählung durchführen soll und stark den Eindruck macht, als sei er für künftige Bände bereits als Running Gag eingeplant. Nötig hätten Ferri und Conrad so etwas nicht.

An mehreren Stellen liegt deutlich wahrnehmbar Uderzos übermächtiger Schatten über Asterix bei den Pikten. Das betrifft Inhalt wie Form: So spielt im letzten Viertel der Handlung Mac Aphons Verlobte Camilla eine zentrale Rolle, eine typische Uderzo-Frauengestalt, die an Grienoline (Der große Graben), Orandschade (Asterix im Morgenland) und Falbala erinnert, wenn sie auch etwas selbständiger agiert. Und dem Vernehmen nach hat der Altmeister seinen Nachfolgern mit Argusaugen über die Schulter geschaut und sich vorbehalten, jedes einzelne Panel zur Freigabe zu begutachten. So scheint es, dass die beiden Neuen mit diesem Band erst mal Uderzos Erwartungen entsprechen mussten und nicht zu stark eigene Wege gehen konnten. Ihren Willen, sich angesichts der Verflachungstendenz der letzten 25 Jahre auf die Stärken der Reihe zu besinnen, haben sie trotzdem kundgetan. Ferri und Conrad ist Erfolg zu wünschen, damit sie als nächstes Asterix-Abenteuer ein stärker unter Eigenregie gestaltetes Werk vorlegen können. Dann wird man sehen, welches Potential in den gallischen Raufbolden noch steckt.

Asterix bei den Pikten von Jean-Yves Ferri und Didier Conrad wurde von Klaus Jöken übersetzt und ist 2013 bei Egmont Ehapa erschienen.

* Bekloppter deutscher Titel übrigens, der zudem die Anspielung des Originaltitels (Astérix chez Rahàzade) auf Tausendundeine Nacht ignoriert.
** Lässt sich das als zaghafter Abgrenzungsversuch von Uderzo verstehen, der keine Gelegenheit ausließ, den Leser_innen sein ultrakonservatives Familien- und Geschlechterrollenverständnis unter die Nase zu reiben? Die Story böte übrigens noch mehr Gelegenheiten, mit Geschlechterklischees zu brechen, die aber leider nicht genutzt werden.

Dienstag, 8. Oktober 2013

Neuzugänge

  • Gilbert Adair, Der Tod des Autors
  • Thomas Buchanan, Das Einhorn
  • Bernard Cornwell, Der Winterkönig
  • Barbara Frischmuth, Die Mystifikationen der Sophie Silber
  • Parke Godwin, Feuerkönig
  • Martin Millar, Die Elfen von New York
  • Barış Müstecaplıoğlu, Der Feigling und die Bestie
  • Stephan Reinhardt (Hg.), Lesebuch Weimarer Republik. Deutsche Schriftsteller und ihr Staat von 1918 bis 1933
  • Peter Straub, Schattenland
  • David Henry Wilson, Der Fluch der achten Fee

Montag, 7. Oktober 2013

Krabat

Autorenlesungen können schiefgehen. Schreiben und Sprechen sind zwei Fähigkeiten, die bei Schriftstellern nicht automatisch zusammenfallen.
Otfried Preußler bringt in seine Lesung von Krabat aber so viel Charakter und Eigenheit, dass seine (etwaige – ich weiß wenig über Preußlers Leben und Ausbildung) Unprofessionalität wenig ins Gewicht fällt. Ganz im Gegenteil, es vermittelt tatsächlich etwas von dem Gefühl, persönlich vorgelesen zu bekommen. Und da gehört es eben dazu dass Preußler wohl ein wenig kurzatmig war und immer mitten in Phrasen pausiert.

Zur Geschichte muss ich wohl nichts mehr sagen; nur, dass mir das Hörbuch gekürzt erschien. Auf der Hülle ist das leider nicht ausgewiesen. Aber es ist auch etwas her dass ich das Buch gelesen habe, und ich habe die Printausgabe nicht zur Hand um dem nachzugehen. Wie dem auch sei, die Fassung, die ich gehört habe, kann durchaus für sich stehen.

Otfried Preußler: Krabat. Gekürzte (?) autorisierte (!) Lesung, gesprochen vom Autor. Universal / Karusell.

Sonntag, 6. Oktober 2013

Romance, Romantik und Fantasy (2. Teil)

Im ersten Teil dieses Blogposts habe ich – ausgehend von Christoph Hardebuschs und Markolf Hoffmanns Erwiderungen auf Frank Weinreichs These von der Geistesverwandtschaft zwischen Romantik und Fantasy – gezeigt, dass erhebliche Unklarheiten bezüglich des Problems bestehen, wie alt das Genre Fantasy ist, und ob man wirklich sagen kann, dass die Wurzeln der modernen Fantasy in der Epoche der Romantik liegen – scheint doch die Romantik irgendwie etwas sehr deutsches zu sein, während die Fantasy, wie sie von Tolkien und anderen geprägt wurde, ganz klar ein angloamerikanischer Import ist. Allem Anschein nach hat Weinreichs These eher Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben. Im zweiten Teil des Blogposts möchte ich sie mir deshalb genauer ansehen:
Die Romantik war eine Bewegung des Aufbruchs und des Ausbruchs aus einer zunehmend rational gewordenen, aufgeklärten Welt, zurück zum Spirituellen und zur Metaphysik, zurück zum Glauben daran, dass es mehr gibt als das, was wir mit unseren Sinnen erfassen können. [...] Und genau das [...] ist es, was auch die Fantasy ganz wesentlich auszeichnet. Darin folgt Fantasy der Romantik, darin ist sie ein Kind der Romantik, der sie im Auftreten so stark ähnelt, dass man sie beinahe auch als romantische Literatur bezeichnen könnte.
So Frank Weinreich in seinem Phantastik-Couch-Artikel »Äxte am Stamm der Moderne«, der Hardebuschs und Hoffmanns Repliken herausforderte. Ich bin der Ansicht, dass sich diese These Weinreichs vor allem aus seiner eigenen Theorie der Fantasy und aus einer bestimmten Auffassung der Romantik speist. Zunächst zu letzterer.

Weinreich bezieht sich in seinem Artikel fast exklusiv auf Rüdiger Safranskis Buch Romantik. Eine deutsche Affäre. Darin unterscheidet Safranski zwischen »der Romantik« als Epoche der Literaturgeschichte und »dem Romantischen« als einer zeitenübergreifenden Geisteshaltung, die erstmals in der Epoche der Romantik aufgetreten ist, sich seitdem aber in ganz unterschiedlichen historischen Situationen bemerkbar gemacht hat. Diese Geisteshaltung ist für Safranski ein Drang zum Absoluten, der im Denken seinen Ausgang nimmt, aber nicht auf Kunst und Kultur beschränkt bleiben, sondern die ganze Welt umfassen will. Safranski – kein Literaturwissenschaftler, sondern Philosoph – findet »das Romantische« bei Schopenhauer und Nietzsche, in der bündischen Jugend und im Expressionismus, in der Lebensreformbewegung und bei Heidegger, mit dem wir bei den Nazis angelangt sind. Und damit ist auch schon klar, wo das Problem mit dieser Konzeption liegt: Das »Romantische« ist einfach Safranskis Bezeichnung für die vielfältigen Erscheinungsformen des gegen die Moderne gerichteten deutschen Irrationalismus, für all jene Bewegungen und Denkrichtungen der deutschen Geschichte, die den Willen über die Vernunft gesetzt haben und den Rausch des Absoluten der bürgerlichen Nüchternheit vorziehen.

Jegliche Trennschärfe geht dabei verloren, und wenn man Safranskis Buch zuschlägt, weiß man eines garantiert nicht: Was hat das alles mit der romantischen Literatur zu tun? Um die Antwort zu finden, muss man das Buch noch mal ganz vorne aufblättern, bevor der Autor zu seiner Tour de force über die Holzwege des deutschen Geistes ansetzt. Die Romantik, so Safranski, hat eine Entdeckung gemacht, hinter die es kein Zurück gibt: Die Autonomie des Ästhetischen. Kunst lässt sich nicht von der Ratio zähmen und unterwirft sich keinen Nützlichkeitserwägungen. Sie spielt ausschließlich nach ihren eigenen Regeln und kennt keine Kompromisse. Es folgt jedoch ein großes Aber: Leider ist die Romantik nicht dabei geblieben, sich von der Kunst bezaubern zu lassen, sondern sie unternahm den utopischen Versuch, gleich die ganze Welt zu verzaubern. So entstand die Geisteshaltung des Romantischen, die sich nie damit abfinden konnte, dass überspannte, ästhetisierende Ideen im Alltag und vor allem in der Politik nichts zu suchen haben. Die Romantik selbst hat das in ihrer längst ernüchterten Spätphase schon begriffen. Das hielt aber nachfolgende Generationen nicht davon ab, immer wieder dem Rausch des Absoluten zu verfallen und gegen den Rationalisierungsimperativ der Moderne anzukämpfen.

So weit Safranski. Weinreichs These lässt sich nun umformulieren: Das Romantische findet sich auch in der Fantasy, somit ist die Fantasy mit der Romantik verwandt. Allerdings ist das Romantische in der Fantasy nicht so gefährlich utopisch, wie Safranski es zeichnet, sondern liegt gewissermaßen in depotenzierter Form vor:
Fantasy ist nur beinahe romantische Literatur, denn in einem ganz wesentlichen Punkt unterscheidet sie sich von den geistigen Erzeugnissen der Romantik [...]. Die Dichter und Denker der Romantik glaubten, zumindest mehrheitlich und zu der Zeit als sie ihre Gedanken aufschrieben und publizierten, an die Überzeugungen, die sie ausdrückten. Und ihre Leser- und Zuhörerschaft folgte ihnen dabei: auch das Publikum glaubte an die Ideen der Romantik. [...] Dichter und Publikum waren sich einig darin, dass es sinnvoll ist, Novalis’ blaue Blume zu suchen. Dieser Glaube ist der Fantasy nicht mehr gegeben. 
Wenn man Weinreich Glauben schenkt, ist die Verwandtschaft zwischen Romantik und Fantasy eher weltanschaulicher als literarischer Natur. Sie liegt in geteilten Überzeugungen – allerdings ohne dass diese Überzeugungen in der Fantasy geglaubt würden. Spätestens jetzt muss man sich fragen, welchen Zweck es haben soll, anhand von Safranskis Begriffen eine Übereinstimmung zwischen Romantik und Fantasy zu behaupten. Das Romantische Safranskis ist das Dionysische Nietzsches, kombiniert mit ausuferndem Subjektivismus: Nicht nur Rausch und Unendlichkeit, sondern der Glaube, Rausch und Unendlichkeit willentlich herbeiführen zu können. Fehlt aber der Glaube, dann fehlt auch der Wille, und wenn der fehlt, dann bleibt von Safranskis Konzeption nichts übrig. Safranski sagt, das Romantische sei »Unbehagen an der Normalität« und »eine Ekstase der Hingabe«. In der Fantasy kann man so was haben, sagt Weinreich, ohne dass irgendwer – die Leserin, der Autor, das Werk selber – es für echt hält. Frage: Wie empfindet man unechtes Unbehagen und nicht geglaubte Ekstase?

Safranskis Theorie des Romantischen führt hier nicht weiter, weil Weinreich an Safranski vorbeiredet. Die romantische Geisteshaltung, wie Safranski sie definiert, ist keine literarische Kategorie und taugt deshalb nicht dafür, Gemeinsamkeiten zwischen Romantik und Fantasy als Literatur ausfindig zu machen. Es mag ja sein, dass diejenigen, die vom Romantischen à la Safranski erfüllt sind, auch heute noch den Baum der Moderne mit Axthieben traktieren (um Weinreichs Titel-Metapher aufzugreifen). Aber den durchschnittlichen Leser_innen von Fantasy fehlt nicht nur der Glaube ans Axtschwingen, sie halten auch gar keine Axt in der Hand, und deshalb macht ein Vergleich auf dieser Ebene keinen Sinn – jedenfalls dann nicht, wenn es darum gehen soll, Übereinstimmungen festzustellen.

Ich gehe zum nächsten Punkt über: Weinreichs Auffassung von Fantasy. Wie kommt es überhaupt, dass Weinreich im Zusammenhang mit Fantasy solche großen Worte wie Metaphysisches, Spirituelles, Glaube an mehr »als das, was wir mit unseren Sinnen erfassen können« einfallen?

Wie bereits angedeutet, hängt das vor allem mit der funktionalen Definition von Fantasy zusammen, die Weinreich in seinen Veröffentlichungen zum Genre vertritt. In »Äxte am Stamm der Moderne« sagt Weinreich bündig: »Fantasy, das sind nicht geglaubte Mythen.« Diese Aussage impliziert, dass Fantasyliteratur irgendetwas enthält, woran früher einmal geglaubt wurde, heute aber nicht mehr. Weinreich benutzt dafür eine ganze Reihe von Bezeichnungen, die zudem unterschiedlichen Wissensgebieten entnommen sind, z.B. der Philosophie (Metaphysik) und der Religion (Spiritualität, Glaube).* Insbesondere meint Weinreich, dass der Glaube, der der Fantasy abhanden gekommen sein soll, der Romantik noch weitgehend zu eigen war: »Die Romantik bediente sich des Mythos, des mythischen Denkens und der mythischen Überlieferungen und glaubte zumindest teilweise an ihre Wahrheit.«

Angesichts der terminologischen Unklarheiten ist nicht ganz einfach herauszufinden, was Weinreich an dieser Stelle eigentlich meint. Hier also mein Versuch, den Knoten aufzudröseln: Weinreich hat recht, wenn er sagt, dass die Romantik sehr am mythischen Denken interessiert war. In der Tat bestand einer der großen romantischen Beiträge zur Ästhetik darin, dass sie die schöpferischen Möglichkeiten der Einbildungskraft stark machte. Die menschliche Einbildungskraft (man könnte auch sagen: die Phantasie) ist in der Lage, sich rein imaginäre Dinge vorzustellen – magische Wesen, surreale Geschehnisse, auf dem Kopf stehende Welten. Vorstellungen dieser Art lassen sich durchaus als Mythen bezeichnen, im Sinne des griechischen Wortes μῦθος, das eine fiktive, sagenhafte oder unglaubwürdige Geschichte bezeichnet. Die Fähigkeit, solche Vorstellungen zu entwickeln macht das Schreiben von Fantasy zuallererst möglich, und es ist in diesem Zusammenhang von einiger Bedeutung, dass als erster der englische Romantiker Samuel Taylor Coleridge das Erfinden und Beschreiben des rein Imaginären zu einem zentralen Problem der Poetik gemacht hat. Auf Coleridge bezieht sich Tolkien in seinem Essay »On Fairy-Stories«, dem wohl wichtigsten Beitrag zu einer Theorie der Fantasy. Damit wäre eine erste Verbindung zwischen Romantik und Fantasy festgestellt: Die romantische Ästhetik hat wichtige theoretische Einsichten in die Bedingungen geliefert, die Fantasy als Literaturform möglich machen (mehr dazu im dritten Teil).

In diesem Sinne kann man sagen, dass die Romantik an die Wahrheit des mythischen Denkens glaubte. Präziser ausgedrückt glaubte die Romantik, dass Mythopoeia (wie Tolkien das Erfinden rein imaginärer Dinge bezeichnete) eine wichtige menschliche Fähigkeit und Voraussetzung aller Literatur ist. Etwas anderes wäre es, Weinreichs Aussage so zu lesen, als ob die Romantik daran glaubte, den Inhalten des mythischen Denkens käme auch außerliterarische Realität zu – als hätte E.T.A. Hoffmann z.B. an die wirkliche Existenz der Elementargeister, die er sich für seine Erzählung Der goldne Topf ausdachte, geglaubt. Allein die Annahme klingt ziemlich überspannt. Und doch: Wenn Weinreich sagt, Fantasy sei »nicht geglaubte Mythen«, dann ist das doch jedenfalls so zu verstehen, dass (vernünftigerweise) weder die Autorin noch der Leser eines beliebigen Werks der modernen Fantasy, in dem Elementargeister vorkommen, an die Existenz derselben glaubt. Als zentralen Unterschied zwischen Fantasy und Romantik sieht Weinreich aber, dass die letztere »zumindest teilweise« an die Wahrheit der Mythen glaubte. Was bei Weinreichs Formulierungen nicht ausreichend klar wird, ist, dass der »Glaube« der Romantik an das mythische Denken keineswegs das abergläubische Äquivalent zu den nicht geglaubten Mythen der heutigen Fantasy ist (auch dazu mehr im dritten Teil).

Im Hintergrund von Weinreichs Überlegungen steht die berühmte These von der Entzauberung der Welt, die der Soziologe Max Weber aufgestellt hat. Damit ist die tiefgreifende Veränderung gemeint, die die stetig zunehmende gesellschaftliche Bedeutung von Technik und Wissenschaft mit sich bringt: Waren die Menschen früher überzeugt, dass die Natur sich durch Anwendung magischer Mittel beherrschen ließe, wird dieser Glaube zunehmend durch einen anderen ersetzt, nämlich die Beherrschung der Natur durch »technische Mittel und Berechnung«, wie Weber sagt. Oft wird diese These mit der Annahme verbunden, dass dem Menschen durch die Entzauberung etwas verloren ginge, denn Magie ist nicht nur ein Mittel zur Naturbeherrschung, sondern vermag (anders als die Technik) den Menschen auch emotional zu binden. Hier kommt Weinreich zufolge die Fantasy ins Spiel. Sie enthält jede Menge Magie, an die die Leser_innen natürlich nicht glauben – von der sie aber wenigstens für die Dauer der Lektüre träumen können. Die verzauberten fiktiven Welten der Fantasy kompensieren die Leser_innen zeitweilig für die entzauberte reale Welt. In diesem Kompensationsvorgang sieht Weinreich die Funktion der Fantasy in der gegenwärtigen Gesellschaft.

Das ist eine starke These, die einiges für sich hat. Sie greift das auf, was der Fantasy regelmäßig zum Vorwurf gemacht wird – dass sie eskapistisch sei –, und behauptet, gerade die temporären Fluchtangebote aus der entzauberten Welt seien es, die die Fantasy so nützlich machten. Fantasy ist gewissermaßen eine kleine Entschädigung für das große Verlustgefühl, das die Menschen in der entzauberten Welt erleben. Dabei sind die Fluchtangebote der Fantasy im Grunde harmlos, denn die Menschen fliehen ja nicht wirklich, sondern ziehen sich nur augenblicksweise zum Träumen zwischen zwei Buchdeckel zurück. Doch die Stärke von Weinreichs These ist gleichzeitig ihre Schwäche, denn es ist überhaupt nicht ausgemacht, ob Fantasy für die Mehrzahl der Leser_innen wirklich die Funktion hat, sie durch Eskapismus für die Ödnis des Alltags zu entschädigen (und sie gerade durch diese vermeintliche Flucht zu integrieren, denn wer von einem besseren Leben nur in Büchern träumt, passt sich vielleicht umso besser in die bestehenden Verhältnisse ein). Das herauszufinden, wäre die Aufgabe einer gesellschaftskritischen Literatur- und Kultursoziologie, aber die hat sich jahrzehntelang darüber gestritten, ob die Lektüre von Märchen, Fantasy und Horrorgeschichten (oder andere Genres der sogenannten Unterhaltungsliteratur) die Menschen passiv oder widerständig macht, ohne dass sie zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen wäre.

Aber mal angenommen, Weinreich hätte recht mit seiner Beschreibung der Fantasy als Literatur, die für die Entzauberung der Welt kompensiert. Dafür hätte sie von Seiten der Romantik sicherlich einigen Widerspruch erhalten. Denn die romantische Bewegung war durch und durch antikompensatorisch eingestellt. Weinreich selbst bestätigt das: »[D]ie Romantik war auch eine Bewegung des Neuanfangs, geboren aus der Erfahrung der französischen Revolution. Denn der Sturz der absoluten französischen Monarchie war in gewisser Weise herbeigeschrieben worden; Dichter und Denker gehörten zu ihren Protagonisten. Damit war der Beweis erbracht, dass Denken und Schreiben die Welt verändern können.« So lässt sich in der Tat das Programm der deutschen Frühromantik und insbesondere ihres herausragenden Kopfes Friedrich Schlegel beschreiben. Das romantische Denken war nicht kompensatorisch, sondern synästhetisch: Was die Französische Revolution im politischen Bereich bedeutete, das war Schlegel zufolge die Subjektphilosophie Kants und Fichtes im Bereich der Wissenschaft. Zu diesen politischen und wissenschaftlichen Revolutionen musste es auch eine Entsprechung im Bereich der Kunst geben, eine Revolution der Poetik und der Phantasie. Diese dritte Revolution durchzuführen, sahen die romantischen Schriftsteller_innen als ihre Aufgabe an. Literatur war für sie keine Sonntagsbeschäftigung, sondern stand in einem radikalen Gegensatz zum bürgerlichen Kulturverständnis. Die programmatische Forderung der Romantik lässt sich insofern nicht nur als Aufruf zur Wiederverzauberung der Welt (den man durchaus kritisieren kann) verstehen, sondern auch als Versuch zur Befreiung der Phantasie von allen Fesseln, die ihr in der bürgerlichen Gesellschaft angelegt werden.

Der zweite Teil meines Blogposts hat also zu folgenden Ergebnissen geführt: Rüdiger Safranskis Konzeption des Romantischen als Geisteshaltung ist nicht gerade hilfreich, wenn es um Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Romantik und Fantasy geht, weil er nur wenig mit Literatur zu tun hat. Auf der anderen Seite hat sich gezeigt, dass Frank Weinreichs auf Webers Theorem von der Entzauberung der Welt basierende Definition der Fantasy eher im Gegensatz zur Literaturkonzeption der deutschen Frühromantik steht. Aber vielleicht hätten die Romantiker_innen die Fantasy (die es um 1800 herum in ihrer heutigen Form natürlich noch nicht gab) gar nicht so gesehen, wie Weinreich das tut? Im dritten Teil soll es um die literaturgeschichtlichen Ursprünge der Fantasy im 18. und 19. Jahrhundert und ihre Beziehungen zur Romantik gehen, wie ich sie sehen würde.

* Dabei passiert es mitunter, dass ihm die Begriffe »transzendent« und »transzendental«, die sehr Unterschiedliches meinen, durcheinander geraten.

Literatur:
  • Safranski, Rüdiger, Romantik. Eine deutsche Affäre, München/Wien 2007.
  • Schlegel, Friedrich, Kritische und theoretische Schriften, Stuttgart 1978.
  • Tolkien, John Ronald Reuel, Tree and Leaf, London 2001.
  • Weber, Max, Wissenschaft als Beruf, Stuttgart 2013.
  • Weinreich, Frank, Fantasy. Einführung, Essen 2007.

Romance, Romantik und Fantasy (1. Teil)

Kürzlich hat in diesem Forum jemand auf Frank Weinreichs Ansichten über die Beziehung zwischen Fantasy und Romantik hingewiesen, was mich veranlasst hat, dort einige Repliken auf Weinreich zu verlinken. Irgendwie geht mir das Thema gerade nicht aus dem Kopf, weshalb ich versuchen möchte, selbst einige Gedanken dazu zu formulieren.

Frank Weinreich, bekannt als Tolkien-Forscher und Verfasser von Fantasy. Einführung, veröffentlichte zunächst einen »Äxte am Stamm der Moderne« betitelten Artikel auf den Seiten der Phantastik-Couch. Die Autoren Christoph Hardebusch und Markolf Hoffmann verfassten, ebenfalls für die Phantastik-Couch, Repliken auf Weinreichs Artikel, die man hier bzw. hier finden kann. Auf seiner Website veröffentlichte Weinreich daraufhin eine erweiterte Fassung seines Artikels unter dem Titel »Fantasy im Aufbegehren gegen die Moderne«, in der er auf Hardebuschs und Hoffmanns Kritik eingeht. Sehr lesenswerte Ausführungen zum Thema bietet auch eine auf Skalpell & Katzenklaue erschienene Reihe von Blogposts: »J.R.R. Tolkien und das Erbe der Englischen Romantik«.

Weinreich konstruiert eine Verbindung zwischen Romantik und Fantasy, die nicht primär literaturgeschichtlicher Natur ist, sondern eher auf der These beruht, dass Romantik und Fantasy die gleiche Geisteshaltung zugrunde liege. Die romantische Auffassung, dass hinter den Erscheinungen der Welt eine dem Menschen verloren gegangene, nichtsdestotrotz aber höchst erstrebenswerte All-Einheit – das berühmte Lied, das in allen Dingen schläft – verborgen liege, lässt sich Weinreich zufolge auch in der Fantasy finden. Allerdings mit einem bedeutenden Unterschied: Während die Romantiker_innen wirklich an ihre Weltanschauung glaubten, gehe die Fantasy mit dem romantischen Projekt der Wiederverzauberung der Welt sozusagen in unernster Weise um. Sie greife das romantische Projekt auf, ohne daran zu glauben.

Ich halte es für ein Missverständnis sowohl der Romantik als auch der Fantasy, beide auf diese Weise miteinander in Beziehung zu setzen. Und ich glaube, dass dieses Missverständnis dadurch zustande kam, dass Weinreich eine bestimmte Auffassung der Romantik (die Rüdiger Safranskis) mit seiner eigenen Auffassung der Fantasy kombiniert.

Doch zunächst einige Worte zu den Repliken auf Weinreichs Artikel. Christoph Hardebusch geht nur flüchtig auf dessen Inhalt ein, u.a. indem er die »sehr enge Perspektive« kritisiert, die Romantik als »deutsches Phänomen« ansieht und ihr damit »in ihrer Nationalgrenzen überschreitenden Weitläufigkeit« nicht gerecht wird. Hardebuschs eigentlicher Punkt ist jedoch, was er als Motivation hinter Weinreichs Artikel vermutet:
Schon ein kurzer geschichtlicher Rückblick zeigt, dass Fantasy ein recht junges Genre ist. Benutzt man den Begriff im heutigen Sinne, kann man ihre Anfänge im angehenden 20. Jahrhundert verordnen [sic!]. Der Beginn von dem, was auch Weinreich „moderne Fantasy“ nennt, kann sehr grob mit dem Erscheinen der amerikanischen TB-Ausgabe von Der Herr der Ringe in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts veranschlagt werden, wobei hier nicht ältere Klassiker des Genres wie E.R. Eddison, Mervyn Peake oder auch Fritz Leiber und Robert E. Howard unterschlagen werden sollen.
Diesem jungen Genre wird eine Skepsis entgegen gebracht, die durchaus verständlich ist. [...] Im Zusammenhang mit dieser Skepsis ist Weinreichs Essay problematisch. Denn es hat den Anschein, als ob versucht wird, eine Blöße der Fantasy zu verdecken, und ihr das Mäntelchen der romantischen Legitimation umzuhängen. [...] Aber die Fantasy sollte sich nicht ihre eigene Deutungshoheit nehmen lassen und sollte nicht Idealen hinterher hecheln, die sie per definitionem nicht erreichen kann. Es gibt die China Miévilles, die R. Scott Bakkers, die Peter S. Beagles, die Tobias O. Meißners und viele mehr. Wenn diese Autoren der Fantasy nicht Anspruch geben, wird keine noch so eloquent herbei gewünschte Verbindung zur Romantik das tun.
Markolf Hoffmann geht ausführlicher als Hardebusch auf das Bild ein, das Weinreich von der Romantik zeichnet, und weist zudem auf die literaturgeschichtlichen Lücken in dessen Argumentation hin:
[D]ie literaturhistorischen Spuren, die sich zwischen Fantasy und deutscher Romantik erkennen lassen, sind ausgesprochen dünn. Die Fantasy entstammt der angloamerikanischen Phantastiktradition; allenfalls läßt sich eine Beeinflussung durch die sogenannte „Schwarze Romantik“ einer Mary Shelley oder eines Lord Byron auf Autoren wie Howards [sic!], Leiber, Tolkien oder Lord Dunsany belegen. Inwieweit aber ein Spätromantiker wie E.T.A. Hoffmann, dessen Werk häufig als Ursprung moderner Phantastik angesehen wird, auf die Fantasy einwirkte, sei dahingestellt. Die Fantasy nur als Spielart der Phantastik und damit als verlängerten Zweig der Romantik zu begreifen, hieße auch ihre Entwicklung in den letzten drei Jahrzehnten zu unterschätzen; vielmehr hat diese Gattung längst ihre eigenen Motive, Stereotypen und Traditionen entwickelt. Aus dem gleichen Grund halte ich auch wenig davon, den Terminus „Fantasy“ im deutschen Sprachraum durch „Phantastik“ zu ersetzen, da so die Eigenheiten der Gattung und ihre angloamerikanischen Wurzeln verleugnet werden. Wenn heute deutsche Autoren Fantasy schreiben, berufen sie sich eben nicht auf Ludwig Tieck, E.T.A. Hoffmann oder Achim von Arnim, sondern auf englische und amerikanische Vorbilder – bewusst oder unbewusst. 
Ich stimme Hardebusch und Hoffmann in diesen Punkten zu, bin aber dennoch der Ansicht, dass etwas dran ist an der Verbindung zwischen Romantik und Fantasy. Hoffmann hat völlig recht, wenn er sagt, dass die heutige deutschsprachige Fantasy in unmittelbarer Kontinuität zur angloamerikanischen Fantasy steht, wie sie von den (in den beiden Zitaten genannten) Autoren Dunsany, Eddison, Howard, Tolkien, Peake und Leiber begründet wurde. Ein vergleichbarer Bezug zur Phantastiktradition der deutschen Romantik besteht dagegen nicht. Der Hinweis auf die Terminologie sagt alles: Wer in Deutschland von Fantasy spricht, meint eine Sache, und wer von Phantastik spricht, eine andere – das scheint instinktiv klar zu sein, auch wenn oft überhaupt nicht klar ist, wo genau denn der Unterschied liegen soll.

Andererseits ist es (so paradox es klingen mag) wiederum eine sehr deutsche Perspektive, das angloamerikanische Vorbild so stark zu machen, wie Hoffmann es tut. Denn die englischsprachige Literaturwissenschaft, die sich mit Fantasy auseinandersetzt, ist durchaus bereit, die Phantastik Ludwig Tiecks, E.T.A. Hoffmanns und anderer als Teil ihres Forschungsgebiets anzusehen. Der 2012 erschienene Cambridge Companion to Fantasy Literature führt in seiner Chronologie wichtiger Werke, die der Entwicklung der modernen Fantasy vorausgehen, Friedrich de la Motte Fouqués Undine, »Die Elfen« von Ludwig Tieck sowie Der goldne Topf, »Nußknacker und Mausekönig« und »Der Sandmann« von E.T.A. Hoffmann an.* Gary K. Wolfe, der einen der literaturgeschichtlichen Artikel für dieses wichtige Handbuch beisteuerte, hebt außerdem die Bedeutung der Brüder Grimm hervor.** Damit ist natürlich weder Frank Weinreichs Sicht bestätigt, noch sind die Einwände Christoph Hardebuschs und Markolf Hoffmanns entkräftet. Aber Grund genug, die Frage nach dem literaturgeschichtlichen Verhältnis von (deutscher) Romantik und Fantasy noch einmal zu stellen, ist doch vorhanden.

In der Tradition Tiecks und Hoffmanns, also des romantischen Kunstmärchens, steht auch der deutsche Märchenroman des 20. Jahrhunderts. Werke wie Die Zauberlaterne von Wolfheinrich von der Mülbe, die Romane Hans Bemmanns und Michael Endes, Der Blaue Kammerherr von Wolf von Niebelschütz oder Otfried Preußlers Krabat kann man durchaus als eine deutschsprachige Parallelentwicklung zur angloamerikanischen Fantasy ansehen. Allerdings handelt es sich um eine abgebrochene Entwicklung, die aufgrund des lange Zeit die deutsche Literatur beherrschenden Realismusdogmas zu einem vorzeitigen Ende kam, und deren Bekanntheitsgrad auch in ihrem Heimatland heute nicht einmal mehr ansatzweise an den von vergleichbaren englischsprachigen Autor_innen wie Tolkien, Lewis, Rowling oder Pullman herankommt. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dieser Literaturtradition und der englischsprachigen Fantasy sind meines Wissens noch kaum erforscht – was möglicherweise damit zu tun hat, dass die Phantastikforschung in Deutschland und Österreich jahrzehntelang über Fantasy (sowohl der Tolkienschen als auch der Howard–Leiberschen Variante) naserümpfend hinwegsah. Als Beispiel mag eine 1981 von Kalju Kirde herausgegebene Anthologie genügen, die Beiträge von Jean Paul und Ludwig Tieck ebenso wie von Michael Ende enthält, und im Klappentext folgende hochmütig-chauvinistische Bemerkung fallen lässt: »Zweihundert Jahre deutscher phantastischer Literatur [....] das haben deutsche den angelsächsischen Fantasy-Autoren entgegenzusetzen.« Auf angelsächsischer Seite hat man weniger Berührungsängste. Als Neil Gaiman einmal in einem Interview gefragt wurde, welche deutschen Fantasywerke er schätze, nannte er ganz selbstverständlich die Brüder Grimm und Krabat.

Es lässt sich also der vorläufige Schluss ziehen, dass die Situation einigermaßen verworren ist. Frank Weinreich behauptet, zwischen (deutscher) Romantik und zeitgenössischer Fantasy bestünden weitreichende Übereinstimmungen. Zwei deutsche Fantasyautoren erwidern ganz zu recht, dass die heutige deutschsprachige Fantasy eindeutig auf angloamerikanische Vorbilder zurückgeht. Die akademische Forschung, die sich in Großbritannien und den USA mit Fantasy (sic!) befasst, ist aber durchaus bereit, den phantastischen Erzählungen der deutschen Romantik einen Platz in der (Vor-)Geschichte der Fantasy einzuräumen. Auf der anderen Seite gibt es hierzulande eine akademische Forschung, die sich mit Phantastik (sic!) befasst und lange Zeit nicht zugeben wollte, dass der Gegenstand ihres Interesses irgendetwas mit der als blutrünstig und reaktionär verschrienen Fantasy zu tun haben könnte – obwohl besagter Gegenstand die selben Erzählungen der deutschen Romantik umfasst, auf die sich auch die englischsprachige Forschung bezieht.

Die naheliegenden Fragen lauten an dieser Stelle: Was ist eigentlich Fantasy, und wann ist sie entstanden? Wieso verortet Christoph Hardebusch die Anfänge dieses Genres »im angehenden 20. Jahrhundert«, während Gary K. Wolfe in dem bereits erwähnten Handbuch sagen kann, die Ursprünge der Fantasy als Genre lägen im ausgehenden 18. Jahrhundert?*** Es ist offenbar völlig unklar, ob man überhaupt legitimerweise davon reden kann, dass es um 1800 herum (also in der Hochzeit der Romantik) etwas der heutigen Fantasy vergleichbares gegeben hat. Im nächsten Teil dieses Blogposts soll es deshalb darum gehen, ob Frank Weinreichs Vergleich zwischen Romantik und Fantasy etwas zur Lösung dieses Problems beisteuern kann.

* The Cambridge Companion to Fantasy Literature, hg. v. Edward James u. Farah Mendlesohn, S. XVf.
** A.a.O., S. 13.
*** A.a.O., S. 11.

Literatur:
  • James, Edward/Mendlesohn, Farah (Hgg.), The Cambridge Companion to Fantasy Literature, Cambridge/New York 2012.
  • Kirde, Kalju, In Laurins Blick. Das Buch deutscher Phantasten, Bern/München 1981.
  • Safranski, Rüdiger, Romantik. Eine deutsche Affäre, München/Wien 2007.
  • Weinreich, Frank, Fantasy. Einführung, Essen 2007.

Freitag, 27. September 2013

Unsortierte Gedanken zu N. K. Jemisins Dreamblood-Duologie

Dieser Tage habe ich N. K. Jemisins The Killing Moon und The Shadowed Sun gelesen. Wie üblich nach einem marathonartigen Buchverschlingen schwirren mir nun einige Gedanken durch den Kopf, die ich hier einfach kurz weitergeben will:

Die zwei Bücher folgen auf sehr angenehme Art und Weise aufeinander – das zweite baut stark auf dem ersten auf, entwickelt aber eine völlig eigenständige Geschichte. An keiner Stelle hat mich wiederholte Exposition oder fanservicemäßiges Referenzieren von Ereignissen aus dem ersten Buch gestört.

Die Sprache erscheint mir als alter Tolkienist an manchen Stellen etwas zu modern, was mir auch bei George R. R. Martin (noch stärker) so geht. Andererseits ist Jemisins Setting nicht quasi-europäisch-mittelalterlich, daher sollte ich vielleicht meine Lesegewohnheiten ablegen. Außerdem zeigt sich im Kontrast mit den Paratexten, wie unmodern der Stil doch eigentlich ist.

Jemisin hat um Nachsicht gebeten bei “armchair Egyptologists”, aber möglicherweise nicht mit “amateur Berberologists” gerechnet. Wie immer wenn sehr vertraute Dinge in einer Fiktion auftauchen, reißt es mich etwas aus der Versenkung. So auch hier mit Jemisins »Banbarra«, die (unter anderem) wesentlich von den Tuareg beeinflusst sind. Und wenn ich aus der Geschichte geschmissen werde, fange ich an sie überkritisch zu sehen: Ist es eine gute Idee, eine Ethnie zu fiktionalisieren und sie dann nach der Nachbarethnie zu benennen? Und was ist davon zu halten, dass Jemisin eher nur die oberflächlichsten kulturellen Eigenheiten der Tuareg übernommen hat, immateriellere aber nicht?
Es spricht für die erzählerische Qualität dieser Geschichten, dass ich über diesen Stolperstein hinweggekommen bin und wieder ins Vergessen des Unglaubens hineingezogen wurde.

“What he perceived [was] a femaleness so quintessential to her character that it almost had a texture.” – Ob Jemisin wohl auch die Idee einer essentiellen Weiblichkeit vertreten würde, oder ob das nur die Sicht des Charakters ist? Denn das wäre ein Standpunkt, den ich ablehnen würde.

Alles in allem werde ich sicher gerne mal wieder was von Jemisin lesen. Nicht zuletzt auch weil sie im Interview mit sich selbst (das es als Beigabe zum E-Book von The Killing Moon gibt) exzellenten Humor beweist.

Sonntag, 22. September 2013

The Fall of Arth―

Nun ist also (inzwischen schon vor einer Weile) Tolkiens Arthus-Gedicht The Fall of Arthur erschienen, mit eher wenig Echo.

Was vielleicht damit erklärt werden kann dass das Gedicht nur 40 Seiten einnimmt, beziehungsweise 953 ganze und eine Halbzeile umfasst. Zum Vergleich: Die Legende von Sigurd und Gudrún hat, bei vergleichbarer Zählung, rund 2000 Zeilen.
Meiner Ansicht nach scheinen wir uns einem Punkt zu nähern, an dem es eigentlich nötig wäre, grundsätzlich darüber nachzudenken, ob kommerzielles Publizieren für Texte aus Tolkiens Nachlass noch das richtige¹ Modell ist. Können noch weitere Texte von Verlagen, die auf Wirtschaftlichkeit aus sind, veröffentlicht werden? Können sie übersetzt werden?² Eine der Alternativen scheint ebenso unattraktiv wie die Stagnation der Verkaufszahlen: Nicht-professionelle kostenpflichtige Veröffentlichung, wie sie mit Tolkiens kryptolinguistischen Texten in Vinyar Tengwar und Parma Eldalamberon praktiziert wird. Diese Publikationsschiene bedingt eine enorme Unzugänglichkeit dieser Texte – die ich nur ungern noch ausgeweitet sehen würde.
Alternativen? Nun ja, ich fühle mich utopisch, aber ich möchte doch erwähnt haben: Würde Christopher Tolkien (und wer auch immer ihm zur Seite stehen mag) seine exzellente herausgeberische Tätigkeit ohne Entlohnung fortsetzen, und würde/n eine oder mehrere der Tolkien-Gesellschaften die Kosten für die Aufbereitung des Manuskripts übernehmen, könnten zukünftige Veröffentlichungen möglicherweise open access als E-Book, und/oder zum Selbstkostenpreis als Print-on-Demand realisiert werden.
Es wäre bedauerlich, wenn die noch nicht bekannten Texte Tolkiens nur auf Grund des kapitalistischen Buchmarkts unveröffentlicht blieben oder ein Schattendasein fristen müssten.

Nun aber zum Text:

Ja, das Gedicht fängt vielversprechend an – und bricht ab bevor es ans Eingemachte geht. Ja, Christopher Tolkiens Kommentar ist gewohnt erhellend – aber allzuviel gibt es eben nicht zu kommentieren.

Inhaltlich gibt es zwei herausstechende Dinge in diesem Gedicht: Tolkiens Version von Guiniver, und dass er offenbar vorhatte, die Arthus-Erzählung an sein eigenes Legendarium anzuschließen.

Guiniver bekommt hier einen eigenen Charakter: egoistisch, opportunistisch, rücksichtslos. Auf den Punkt gebracht wird die Charakterisierung in Zeilen, die für den unfertigen Teil des Gedichts vorgesehen waren: “Guinevere grew grey in the grey shadow / all things losing who at all things grasped.” (S. 168) Allerdings wird noch eine interessante Ambivalenz hinzugefügt: Guiniver sei “golden / with gleaming limbs, // as fair and fell / as fay-woman / in the world walking / for the woe of men // no tear shedding.” (S. 27) Die Idee einer gefährlichen, rücksichtslosen aber schönen Frau mag nicht innovativ und nicht erfreulich sein, aber die starke Verbindung mit dem Elbentum, die Tolkien hier herstellt, ist überraschend. Sicher, die (für Sterbliche) gefährliche Schönheit alles Elbischen ist bei ihm ein durchgehendes Thema, aber sonst nirgends so negativ besetzt wie hier. Vielleicht ist das eine Anpassung an den höfischen Kontext?

Die Annäherung an das Legendarium ist im ganzen Gedicht spürbar, das Elbentum wird mehrfach erwähnt (wie in der Beschreibung Guinivers), aber explizit sollte es am Schluss des Gedichts werden:
Bekanntlich stirbt Artus nicht einfach, sondern wird an einen mystischen Ort verbracht – mit der Verheißung seiner Wiederkehr. In Tolkiens Notizen und Entwürfen zum Ende des Gedichts wird Avalon mit der elbischen Insel Tol Eressea identifiziert. Christopher Tolkien legt ausführlich dar, dass seiner Einschätzung nach mehr oder weniger zeitgleich mit der Entstehung des Fall of Arthur Tol Eressea zum ersten Mal der Beiname Avallone gegeben wird; ähnlich wie Númenor den Beinamen Atalante hat.
Damit nicht genug, Tolkien verwirft auch das dröge Ende für Lancelot als Mönch, und wollte ihn stattdessen in Parallelität zu Earendil in den Westen aufbrechen lassen, auf der Suche nach Artus.

War Tolkien der Ansicht, den in seinen Augen defizitären Arthus-Stoff nur durch eine Aneignung, durch das Eingliedern in den von ihm erdachten größeren mythischen Kontext interessant machen zu können?
Oder sitze ich (möglicherweise nicht alleine) einer falschen retrospektiven Vorstellung einer Einheitlichkeit und Abgeschlossenheit von Tolkiens Legendarium auf? Meine Annahme war, dass Tolkien die innere Plausibilität seines Legendariums, und seinen Anspruch auf eine autoritative Sekundärwelt, nicht kompromittieren würde – wie es etwa gewesen wäre, wenn die Anspielungen auf Túrin in der Legende von Sigurd und Gudrún weiter ausgebaut worden wären, eventuell wechelseitig. Dann wäre die Geschichte der Kinder Húrins nicht mehr eine Erzählung mit dem Anschein der Wahrheit, sondern nur noch ein Text, auf den sich ein allzu präsenter Autor mit quasi-postmodernem Augenzwinkern bezieht.
Ich muss wohl eingestehen, dass ich mein Bild revidieren muss. Die Selbstbezüge auf sein Legendarium sind in Tolkiens Werk Legion, besonders in seinen Kindergeschichten wie dem Hobbit oder Roverandom, aber auch The Notion Club Papers fühlt sich für mich wie ein allzu krasser Bruch mit der geschlossenen, mythisierenden Präsentation des Legendariums an.
Außerdem scheint es in der vermuteten, relativ dicht beieinander liegenden Entstehungszeit der Legende von Sigurd und Gudrún, des Fall of Arthur und des Hobbit eine Tendenz Tolkiens gewesen zu sein, ans Legendarium anzubinden – im Hobbit eher spielerisch bzw. zur Bereicherung des Hintergrunds, in den Gedichten motivisch: Sigurd wird zu einer Túrin-Figur, Lancelot wird zu einer Earendil-Figur. Eine erstaunliche, faszinierende Hybris!

Kunstvoll – fast möchte ich sagen: gewohnt kunstvoll – ist Tolkiens Verwendung von meteorologischen Ereignissen zum Stimmungsaufbau in The Fall of Arthur. Zur Eröffnung des Gedichts werden die Handlungsfäden verknüpft, indem jeder der zentralen Charaktere einen Sturm erlebt – Mordred und Lancelot werden hier besonders parallel-kontrastierend aufgebaut, während Arthus als entrückt angedeutet wird: “In the huge twilight // gleamed ghostly-pale, / on the ground rising // like elvish growths / in autumn grass // in some hollow of the hills / hid from mortals, // the tents of Arthur.” (S. 21)

Eindeutig erfüllt wird hier auch Tolkiens Charakterisierung englischer Stabreimdichtung im Kontrast zur nordischen Dichtung: »Im Altenglischen wurden Breite, Vollständigkeit, Reflexion, elegische Wirkung angestrebt. Die altnordische Dichtung strebt danach, […] einen Moment blitzartig zu beleuchten – und sie neigt zu Verknappung, zu wuchtiger sprachlicher Verdichtung […]« (Die Legende von Sigurd und Gudrún, S. 16). The Fall of Arthur und The Legend of Sigurd and Gudrún mögen im Gesamtwerk Tolkiens jeweils einen sehr ähnlichen Platz einnehmen, sie sind aber doch wundervoll voneinander abgesetzt in Stil und Sprache. Während Tolkien in seinen nordischen Gedichten seine archaisierende, auf den Erbwortschatz konzentrierte Sprache perfektioniert, zeigt er in der Arthus-Sage die französischen Einflüsse auch in der Wortwahl auf. The Legend of Sigurd and Gudrún wird so eine größere Altertümlichkeit verliehen, während The Fall of Arthur offen mit der höfischen, hochmittelalterlichen Welt verbunden wird.

Der Buchschmuck fällt hier weniger üppig aus als in The Legend of Sigurd and Gudrún, nur eine einzelne Illustration wird mehrmals im Buch verwendet. Erfreulicherweise wurde sie wieder von Bill Sanderson erstellt, wie auch das Gesamtkonzept des Buches eine soweit gelungene Weiterführung des Vorgängers ist. Diskrepanzen sind die Papierwahl des Schutzumschlags (matt, nicht mehr hochglanz – eigentlich eine gute Entscheidung) und die Auswahl der Cover- und Innenillustration, die nicht mehr thematisch perfekt passt (aber optisch einwandfrei ist).

Jetzt unangenehm ins Auge gesprungen ist mir aber, dass durchgehend nicht-proportionale Ziffern verwendet werden – alle Zahlen mit 1 sind unangenehm auseinandergezogen. Auf Seite einundelfzig beispielsweise wird das besonders deutlich. Das würde ich einen ganz grundlegenden Patzer nennen.

Zuletzt seien noch Errata genannt:

Seite 33, Zeile 182: “hosemen” → “horsemen”
Seite 172: “this would be huge task” → “this would be a huge task”
Seite 229: “lighting” → “lightning” (oder “lighting [sic]”?)

The Fall of Arthur von J.R.R. Tolkien, 2013 erschienen bei HarperCollins. Herausgegeben von Christopher Tolkien.

¹nicht grundsätzlich, aber pragmatischerweise hier ausgeschlossen sei die Frage, ob komerzielles Publizieren an sich sinnvoll ist
²anscheinend ja

Montag, 2. September 2013

Das Festmahl des John Saturnall

Ich habe mich entschlossen, den Monat der kurzen Rezensionen noch etwas auszudehnen – da ich sehr hobbymäßig blogge, wollte ich mich nicht verpflichtet sehen, einem Buch, das mir nicht gefallen hat, allzuviel Zeit zu widmen. Die passionierten und damit ausführlicheren Posts sind hiermit versprochen!

The story so far:
John wird gemobbt, dann verwaist er und wird vertrieben, bringt es als Koch in einem Herrenhaus aber noch weit im Leben. Zwischenrein wird noch ein König und ein Krieg gestreut. Dazu eine hetero-Liebesgeschichte, die Standesgrenzen überwindet (bahnbrechend!).

Wie auch im Guardian zugegeben, die Plot-Elemente sind äußerst generisch. Eine Story, die schleppend in Gang kommt, und dann weiterhin eher mäßig spannend bleibt. Außerdem mit abstruser Mystik verbrämt: Der hedonistische, lebensbejahende, kulinarische Saturnus-Kult sei von dem in allen Punkten gegensätzlichen Kult Jehovas¹ verdrängt worden. Unter diesen Jehova-Anhängern² sind übrigens Christen zu verstehen, scheint es. Weiterhin reagiert der Protagonist auf jede Provokation indem er versucht den Provokateur zu verprügeln – was nie auch nur ansatzweise kritisiert wird.

Viel mehr ist nicht hängen geblieben.

Lawrence Norfolk: Das Festmahl des John Saturnall. Gekürzte (autorisierte) Lesung, gesprochen von Heikko Deutschmann. Random House Audio 2012.

¹ Er hat Jehova gesagt!
² Er wiederholt seine Sünde!

Samstag, 31. August 2013

Neuzugänge

  • Greg Bear, Rogue Planet
  • Jonathan Carroll, Vor dem Hundemuseum
  • Julio Cortázar, Rayuela(deutsche Übersetzung)
  • David Eddings, Kind der Prophezeiung
  • Hans-Heino Ewers (Hg.), Deutsche Kunstmärchen von Wieland bis Hofmannsthal
  • Robert Holdstock, The Emerald Forest 
  • Thomas Le Blanc (Hg.), Goldmann-Fantasy-Foliant II
  • Paul Maar, Der tätowierte Hund
  • Ders., Lippels Traum
  • Friedrich Schlegel, Kritische und theoretische Schriften
  • Cordwainer Smith, Die Untermenschen
  • Jack Vance, Tales of the Dying Earth

Montag, 26. August 2013

Fools don’t claim that cats bark, but they talk about cats when everyone else is talking about dogs

Wie wir wissen, ist Theo Beale (alias Vox Day) mittlerweile bei den Science Fiction and Fantasy Writers of America (SFWA) rausgeflogen, nachdem er einen Twitter-Account der Organisation benutzt hat, um rassistische Ausfälle gegen N.K. Jemisin zu verbreiten. Jemisin hat ihre Reaktion auf Beales Rausschmiss auf ihrem Blog veröffentlicht (und auch bekannt gemacht, wie sie reagiert hätte, wäre Beale die SFWA-Mitgliedschaft nicht aberkannt worden). Die ganze Affäre könnte ein Anlass sein, darüber zu diskutieren, was genau das SFF-Fandom zu einem so anregenden Betätigungsfeld für Faschos wie Beale macht. Stattdessen gibt es jetzt ein ziemlich seltsames Nachspiel, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob ich es lächerlich oder gefährlich finden soll.

Will Shetterly ist ein Autor, dessen Werke ich schätze. Sein Roman Dogland zum Beispiel ist ausgesprochen empfehlenswert. Leider ist Shetterly aber nicht nur ein guter Schriftsteller, sondern auch eine nahezu perfekte Verkörperung des Dämlichen. Der Dämliche, wie Umberto Eco ihn in Das Foucaultsche Pendel definiert, ist ein »Träger eminent bürgerlicher Tugenden«. Er verrennt sich nicht in obskurantistischen Weltanschauungen, vielmehr misst er der Vernunft hohe Bedeutung bei. Das Problem des Dämlichen ist, dass er sich laufend vertut und es nicht mal bemerkt. Er verehrt die Vernunft, aber ihm fehlt jedes Gespür dafür, ob das, was er sagt, der Situation angemessen ist: »Der Dämliche sagt nicht, daß die Katze bellt, er spricht von Katzen, wenn die andern von Hunden reden.« Das ist in diesem Fall ganz wörtlich zu verstehen. Shetterly ist der Typ, der in eine Diskussion über rassistische Lynchjustiz hineinplatzt und davon zu reden beginnt, dass es auch Lynchmorde von Weißen an Weißen gab. Das ist faktisch richtig, aber das Problem mit dem Dämlichen ist ja auch nicht, dass er falsche Behauptungen aufstellen würde. Das Problem ist, dass es in einer Diskussion über rassistische Lynchjustiz vor allem um Rassismus geht, der Dämliche aber durch nichts davon zu überzeugen sein wird, dass er am Thema vorbeiredet. Schließlich treffen seine Aussagen zu und sind nicht zu widerlegen. Eine Aussage über Katzen wird nicht dadurch falsch, dass sie in einem Gespräch über Hunde fällt, deshalb fühlt der Dämliche sich im Recht und reagiert ausgesprochen erstaunt, wenn die anderen Gesprächsteilnehmer_innen ihm derailing vorwerfen.

Shetterly ist ein libertärer Sozialist, und er führt einen unermüdlichen Feldzug gegen alle, die sich in ihrem antirassistischen und antisexistischen Aktivismus auf Intersektionalitätstheorien berufen, und wirft ihnen unterschiedslos »Identitätspolitik« vor. Das Konzept der Intersektionalität wurde von der kritischen Rechtswissenschaftlerin Kimberlé Crenshaw geprägt und von Theorieansätzen wie den Critical Legal Studies und der Critical Race Theory aufgegriffen. In diesem Kontext stellt Intersektionalität ein Konzept dar, mit dessen Hilfe Formen sich überlappender Diskriminierung sichtbar gemacht werden sollen. Um es anhand eines bekannten Beispiels zu erläutern: Eine Person bewirbt sich auf eine Stelle, für die sie gut qualifiziert ist. Ihre Bewerbung wird abgelehnt. Die Person fragt sich, ob es daran liegt, dass sie schwarz ist und weiße Mitbewerber_innen ihr vorgezogen wurden. Auf Nachfrage wird sie jedoch darauf hingewiesen, dass die gleiche Stelle bereits an einen schwarzen Bewerber vergeben wurde. Als nächstes fragt die Person sich vielleicht, ob sie übergangen wurde, weil sie eine Frau ist, wird jedoch mit dem Hinweis, dass die gleiche Stelle auch schon einmal von einer Frau besetzt wurde, erneut abgewimmelt. Es scheint keine Diskriminierung vorzuliegen, die auf den Zuschreibungen »Frau« oder »schwarz« beruht. Die Antwort der Intersektionalitätstheorie auf dieses Problem lautet, dass die Person aus dem Beispiel durch zwei sich überschneidende Diskriminierungsformen benachteiligt wurde – nicht allein wegen ihres Schwarzseins oder ihres Frauseins, sondern weil sie eine schwarze Frau ist.

Ich möchte an dieser Stelle kein Urteil über die Wirksamkeit der Intersektionalitätstheorie bei der Bekämpfung gesellschaftlicher Ungleichheiten abgeben. Schon gar nicht ist der vorherige Absatz eine  vollständige Darstellung der Theorieansätze, die sich mit dem Konzept Intersektionalität verknüpfen. Worauf es aber ankommt, ist, dass die Intersektionalitätstheorie bestimmte politische Strategien impliziert. Wenn es zutrifft, dass bestimmte soziale Gruppen von sich überschneidenden diskriminierenden Zuschreibungen betroffen sind, heißt das im Umkehrschluss, dass gegenteilige Zuschreibungen mit Privilegien verbunden sind: Weißsein und Mannsein bewahrt vor Diskriminierung und versetzt mit diesen Zuschreibungen versehene Personen deshalb automatisch in einen Zustand der Privilegiertheit. Will man die daraus resultierenden Ungleichheiten bekämpfen, dann kommt es darauf an, den Bevorzugten ihre Privilegien streitig zu machen und die Position der Benachteiligten ihnen gegenüber zu stärken. Es kommt gewissermaßen darauf an, in politischen Auseinandersetzungen lautstark die Differenzen zu betonen – zu betonen, dass die einen aufgrund ihres Weißseins und Mannseins privilegiert sind und die anderen aufgrund ihres Schwarzseins und Frauseins benachteiligt, und dass dieser Zustand untragbar ist.* Dieses Vorgehen zur Verschiebung der Machtverhältnisse ist es, dass Shetterly der Intersektionalitätstheorie vorwirft und als »identitätspolitisch« bezeichnet.

Shetterly vertritt dagegen eine Position, die sich vereinfacht als »postrassistisch« beschreiben lässt. Er meint, die Kategorie »Rasse« sei dadurch, dass sie als gesellschaftliches Konstrukt entlarvt wurde, obsolet geworden. Sie ist in seinen Augen irrelevant, da sie unwahr ist, während es in Wirklichkeit darauf ankommt, ein möglichst hohes Maß an gesellschaftlicher Gleichheit zu etablieren, indem man von Differenzen absieht. Letzteres ist in meinen Augen der springende Punkt. Shetterly hat wiederholt die Ansicht geäußert, die Betonung der durch Rassismus hervorgerufenen Differenzen – egal, ob sie in kritischer oder in affirmativer Absicht erfolgt – spiele dem Rassismus in die Hände. Das ist eine plumpe Gleichsetzung von Rassismus und Antirassismus, der auf tautologischen Behauptungen wie »Rassismus entsteht, indem von Rassen gesprochen wird« beruht und gerade von Rechten gern als Argument gegen antirassistische Politik angeführt wird. Nicht, dass dies Shetterlys Absichten entspräche. Er vertritt vielmehr emphatisch die Ansicht, dass der Rassismus sich von selbst erledigen würde, wenn es zu einer Umverteilung von Reichtum käme. Rassismus ist für ihn vor allem ein Symptom ökonomischer Ungleichheit.

Ich persönlich bin durchaus der Überzeugung, dass wirkliche Gleichheit nur durch die Überwindung des Kapitalismus möglich ist. Ich glaube zwar anders als Shetterly nicht, dass Umverteilungspolitik gleichbedeutend mit der Überwindung des Kapitalismus ist, aber ich würde mir wünschen, dass es im Fandom mehr Menschen gäbe, die das Leben in einer auf Ausbeutung, Lohnarbeit und Konkurrenzzwang beruhenden Klassengesellschaft menschenunwürdig finden und für eine von diesen Zwängen befreite Gesellschaft eintreten. Mein Problem mit Shetterly liegt vor allem darin, dass sein Sozialismus vor allem aus einer Reihe von oft wiederholten, aber wenig aussagekräftigen Plattitüden wie »It’s time to share the wealth so no one will be economically dependent on anyone else.« besteht, die auch ein Sozialdemokrat im Wahlkampf von sich geben könnte.** Insbesondere der Zusammenhang zwischen Rassismus und Kapitalismus scheint mir bei Shetterly eher behauptet als theoretisch durchdacht zu sein. So richtig redselig wird Shetterly ohnehin nur dann, wenn er sich über Critical Race Theory, Intersektionalität und Antirassismus ereifern kann. Deren Vertreter_innen wirft er vor, nicht kapitalismuskritisch zu sein. Indem Shetterly auf das Fehlen einer kapitalismuskritischen Perspektive bei anderen hinweist, ohne in dieser Hinsicht selbst etwas vorweisen zu können, schwächt er seine (in diesem Fall auf einem berechtigten Einwand beruhende) Position unnötig.

Das alles wäre nicht weiter schlimm, sondern könnte eine interessante, fundierte Alternativen aufzeigende Diskussion sein. Ist es aber nicht, denn Shetterly, sofern man ihm nach seinen jüngsten Eskapaden noch einen guten Willen unterstellen will, steht sich vor allem selbst im Weg. Vor anderthalb Monaten veröffentlichte er einen Blogpost,*** in dem er seine Gleichsetzung von Rassismus und Antirassismus erneut vorbrachte und auf äußerst geschmacklose Weise konkretisierte. Theo Beale und N.K. Jemisin seien »similar in kind«, weil der eine ein Rassist ist und die andere eine Anhängerin der Critical Race Theory sei. Dabei ist nicht nur die Gleichsetzung der beiden Personen ungeheuerlich – zur Erinnerung: Beale ist der Faschist, der über Jemisin sagte, »savages« wie sie müssten zum Abschuss freigegeben werden –; Shetterly spekuliert außerdem mehr über Jemisins Ansichten, als dass er sie aus ihren konkreten Äußerungen belegen würde. Das Ergebnis ist vorhersehbar: Beales rechtsradikale Ansichten werden durch die Gleichsetzung aufgewertet und behandelt, als ob sie einer wohlwollenden Auseinandersetzung würdig seien. Beale und seine Kumpanen griffen die Möglichkeit, die ihnen da geboten wurde, gierig auf und fielen sofort bei Shetterly ein, um ihren Meinungsmüll zum Besten zu geben. Und natürlich führte Beale Shetterlys Post gegenüber der SFWA, die gerade darüber beriet, ihm die Mitgliedschaft zu entziehen, zu seiner Entlastung an.

Von Beale und seiner Fascho-Truppe einmal abgesehen, stieß Shetterlys Post auf wenig Zustimmung. Bemerkenswert, wenn auch nicht zu 100% zustimmungsfähig, finde ich vor allem die dezidierte Ablehnung durch Steven Brust. Aber anscheinend überblickt Shetterly die Folgen seiner Vorgehensweise nicht mal im Ansatz. Vor etwa einer Woche schrieb er einen weiteren Blogpost, in dem er erneut die Gleichwertigkeit von Beales und Jemisins Positionen behauptete. Wieder besteht seine Darstellung von Jemisins Ansichten weitgehend aus Unterstellungen, die diesmal auch noch als Suggestivfragen formuliert sind. Die kritischen Dialogversuche, die Shetterlys erster Post noch hervorrief, blieben weitgehend aus. Stattdessen führt Shetterly im Kommentarthread des zweiten Posts mehr oder weniger ein Selbstgespräch, das nur durch die rassistischen Ausführungen von vereinzelten Beale-Kumpeln, die des Spiels noch nicht müde geworden sind, unterbrochen wird.

Shetterly ist Ecos Dämlicher in Reinform: Antirassist_innen tauschen sich darüber aus, wie mit den Beales dieser Welt umgegangen werden kann. Shetterly tritt auf, um die Antirassist_innen zu belehren, dass ihre Ansichten verfehlt sind. Er tut dies auf eine Art und Weise, die Beales Fascho-Kumpels eine Plattform zur Verbreitung ihrer Weltanschauung bietet, wie sie sie wahrscheinlich schon lange nicht mehr zur Verfügung hatten. Und es ist noch nicht einmal so, dass Shetterly etwas dagegen hätte. Wenn andere über Rassismus reden, redet er über Meinungsfreiheit. Eine seiner Lieblingsüberzeugungen ist die, dass jeder Form von Meinungsäußerung überall eine Plattform geboten werden müsse, da alles andere eine Einschränkung der Meinungsfreiheit sei. Konkret bedeutet dies für Shetterly offenbar vor allem, für die Meinungsfreiheit von Faschist_innen einzutreten:
You want to tell me Vox Day and his posse are all kinds of bad, and I’m totally with you. But just as I supported the ACLU when they supported the right of Nazis to march, I support Vox Day and his posse’s right to be as creepy as they want to be. I do not know a single speech code that cannot backfire ...
Well, Shetterly, I know a strategy that can backfire, and it just did so spectacularly: Set up a stupid equation between fascist thought and anti-racism. Drive off all the right people you might want to discuss the ways and means to overcome racism with. Give a bunch of white supremacists a space to freely articulate their views on your blog. Honor them by acting as if the fascist filth they spread was worthy of debate. Celebrate your achievement by repeating the stupid equation. — Congratulations. You just made sure that for a lot of people, your blog is not a space where meaningful exchange about a society free of racism and inequality seems even remotely possible.

Shetterlys erster Post endet mit folgender Aussage:
This should be an easy message to understand: Respect everyone because we’re all equal. But it’s a message that threatens many people’s worldview. It’s no surprise that people like Jemisin and Beale haven’t gotten it yet.
Beale redet davon, Jemisin zu erschießen, weil sie schwarz ist. Shetterly redet davon, dass Jemisin Beale nicht respektiert. Und er glaubt allem Anschein nach, dass letzteres eine adäquate Reaktion auf ersteres ist. Ist das naiv, heuchlerisch oder dämlich? Da es sich um Shetterly handelt, tippe ich auf letzteres.

* Es ist nicht meine Absicht, durch Einengung meines Beispiels auf die Kategorien »Rasse« und Geschlecht zu sagen, diese seien die einzigen oder auch nur die wichtigsten Formen sozialer Ungleichheit. Ich halte aber auch nichts davon, möglichst viele Formen von Ungleichheit aufzuzählen und mit einem lapidaren »etcetera« zu beschließen, da dies die Illusion einer vollständigen Beschreibung von sozialer Ungleichheit erzeugt. Ich beschränke mich auf die Kategorien »Rasse« und Geschlecht, weil sie in Beales Angriffen auf Jemisin zum Tragen kommen.
** Shetterly hat einen Blogpost angekündigt, in dem er sein Verständnis von Sozialismus erläutern will. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll.
*** Trigger-Warnung: Shetterly verwendet in seinem Blog rassistische Ausdrücke.  

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.