Montag, 2. September 2013

Das Festmahl des John Saturnall

Ich habe mich entschlossen, den Monat der kurzen Rezensionen noch etwas auszudehnen – da ich sehr hobbymäßig blogge, wollte ich mich nicht verpflichtet sehen, einem Buch, das mir nicht gefallen hat, allzuviel Zeit zu widmen. Die passionierten und damit ausführlicheren Posts sind hiermit versprochen!

The story so far:
John wird gemobbt, dann verwaist er und wird vertrieben, bringt es als Koch in einem Herrenhaus aber noch weit im Leben. Zwischenrein wird noch ein König und ein Krieg gestreut. Dazu eine hetero-Liebesgeschichte, die Standesgrenzen überwindet (bahnbrechend!).

Wie auch im Guardian zugegeben, die Plot-Elemente sind äußerst generisch. Eine Story, die schleppend in Gang kommt, und dann weiterhin eher mäßig spannend bleibt. Außerdem mit abstruser Mystik verbrämt: Der hedonistische, lebensbejahende, kulinarische Saturnus-Kult sei von dem in allen Punkten gegensätzlichen Kult Jehovas¹ verdrängt worden. Unter diesen Jehova-Anhängern² sind übrigens Christen zu verstehen, scheint es. Weiterhin reagiert der Protagonist auf jede Provokation indem er versucht den Provokateur zu verprügeln – was nie auch nur ansatzweise kritisiert wird.

Viel mehr ist nicht hängen geblieben.

Lawrence Norfolk: Das Festmahl des John Saturnall. Gekürzte (autorisierte) Lesung, gesprochen von Heikko Deutschmann. Random House Audio 2012.

¹ Er hat Jehova gesagt!
² Er wiederholt seine Sünde!

3 Kommentare:

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Hmm, ja. Das lebenslustige, optimistische Heidentum der Antike. Und das lustfeindliche Christentum, das all die Späße abschaffte. Eine Erfindung von Goethe, glaube ich:

Und der alten Götter bunt Gewimmel
Hat sogleich das stille Haus geleert.
Unsichtbar wird Einer nur im Himmel
Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt;
Opfer fallen hier,
Weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört.

gero hat gesagt…

Äh ... da du dich in Sachen Christentum ganz gewiss viel besser auskennst als ich, würde es mich jetzt aber doch interessieren, welche Lust und welchen Spaß das Christentum eigentlich gutheißt. Denn auch wenn ich das Heidentum der Antike nicht mit lebenslustig und optimistisch gleichsetzen würde, geht für mich die Gleichung Christentum = lustfeindlich sehr wohl auf. Aber wie gesagt, vielleicht habe ich da einfach nur die falschen Bücher gelesen oder falsche (im Sinne von unglückliche, da aus dem Rahmen fallende) Erfahrungen gemacht ...

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Ist eine Frage, glaube ich, die sich nicht leicht beantworten lässt. Ich würde sagen, dass das Christentum insofern lustfeindlich ist, als in der Moderne die Kirchen zu selbsternannten Hüterinnen von Sexual- und Familienmoral geworden sind. Was vorher Common Sense war, z.B. dass die Sexualität von Frauen auf die Ehe beschränkt bleiben muss, wurde irgendwann zu einer konservativen Haltung, und der haben die Kirchen sich im Großen und Ganzen angeschlossen. Deswegen würde ich nicht annehmen, dass es aus dem Rahmen fällt, wenn man heute die Erfahrung macht, dass das organisierte Christentum tendenziell lustfeindlichere Vorstellungen vertritt als andere Sektoren der Gesellschaft.

Was das mittelalterliche Christentum angeht, damit kenne ich mich zu wenig aus.

In der Zeit seiner Entstehung, bevor es zur dominanten Religion wurde, war das Christentum meiner Einschätzung nach nicht lustfeindlich, bzw. nicht lustfeindlicher oder -freundlicher als seine heidnische Umgebung. Sexualethische Kontroversen im Neuen Testament drehen sich um Fragen wie die, ob ein Mann nach dem Tod seines Vaters mit seiner Stiefmutter Sex haben kann, was eher mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen zu tun hat: Paulus war Jude und hielt das für Inzest; der Typ mit der Stiefmutter war Grieche und hielt das für völlig normal. Es ging dabei aber nicht um die Frage, ob Sex an sich gut oder schlecht ist.

Generell finde ich, dass es schwierig ist, kulturelle und religiöse Phänomene trennscharf zu unterscheiden. Die Auffassung, dass Lust durch Tugend bekämpft werden muss, dass Pflichterfüllung vor Müßiggang geht, dass der Geist das Fleisch beherrschen sollte und dass man es im Leben nur dann zu etwas bringt, wenn man Fleiß, Nüchternheit und Verzicht gelernt hat, zieht sich wie ein roter Faden durch die westliche Kulturgeschichte – und eben nicht nur durch die Epochen, die als besonders religiös gelten. Fragt man sich, warum das so ist, gerät man schnell in eine Henne-oder-Ei-Situation: Hat das Christentum die Kultur geprägt? Oder die Kultur das Christentum? Je mehr ich mich mit Religion befasse, desto schwieriger finde ich es, innerhalb oder neben der Kultur eine eigenständige »religiöse« Sphäre zu definieren.

That said, halte ich es für wichtig zu betonen, dass Kirchenvertreterinnen und frömmelnde Politiker, die lustfeindlich-reaktionären Moralismus verbreiten wollen, zu bekämpfen sind.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.