... in den vernetzten Kreisen, in denen epische Fantasy geschrieben, gelesen und kritisiert wird. Am 19. Februar veröffentlichte George R.R. Martin in seinem Not a Blog einen "To My Detractors" betitelten Eintrag als Reaktion auf die zahlreichen Hate-Mails und unfreundlichen Internetdiskussionen, die sich auf seinen – sich immer länger hinziehenden und stetig weiter ausdehnenden – Song of Ice and Fire beziehen. Den unmittelbaren Anlass dazu bot ein Posting GRRMs vom gleichen Tag, mit dem er seine Verspätungen zum wiederholten Male erklären wollte. Dieser Erklärungsversuch brachte die Suppe anscheinend dermaßen zum Kochen, dass Martin sich genötigt fühlte, die aufgebrachte Meute persönlich anzusprechen. Erwähnt werden muss natürlich auch, dass Martin einen Haufen Support bekam, für den er sich umgehend bedankte.
Vorangegangen war dieser Kontroverse ein Artikel von Shawn Speakman auf Suvudu "In Defense of George R.R. Martin" vom 26. Januar, der als Interpretationsversuch von Martins Schreib- und Veröffentlichungsschwierigkeiten gesehen werden kann (man verzeihe mir, dass ich nun schon zum wiederholten Male auf diesen Artikel hinweise). Und bereits am 14. Januar wurde auf The Cimmerian versucht zu ergründen, welchen Einfluss Martin denn nun eigentlich auf die rezente Entwicklung des Genres hatte.
An sich ist es nicht weiter verwunderlich, dass dieses Thema jetzt, zu Beginn des Jahres, auf den Tisch kommt, denn bekanntlich heißt Jahresbeginn in der Regel, dass wieder zwölf Monate ohne einen neuen ASoIaF-Band vergangen sind. Wobei ich, nebenbei bemerkt, immer noch nicht verstehe, wie man seine Zeit, ob vernetzt oder nicht, scheinbar ausschließlich mit dem Warten auf ein einziges (!) Buch verbringen kann. Eine Bringschuld des Autors gegenüber seiner Leserschaft gibt es in meinen Augen nicht (das wäre ja tödlich fürs Talent), und lange Pausen zwischen Reihen-Veröffentlichungsterminen gelassen hinzunehmen, erspart Enttäuschungen. Aber ich denke, es steckt noch ein wenig mehr dahinter, und Guy Gavriel Kay ist dem auf der Spur.
In einem Artikel in der Online-Ausgabe der kanadischen Zeitung The Globe and Mail weist Kay darauf hin, dass wir keineswegs an einer vom Himmel gefallenen Seuche leiden, die infizierte Autoren dazu bringt, mit Veröffentlichungsterminen zu schludern und ihre Fans zu beschimpfen (neben George R.R. Martin sah sich auch Patrick Rothfuss jüngst diesem Verdacht ausgesetzt), sondern dass wir mit dem bloggenden Autoren, der fest in die kommunikativen Strukturen des Internets eingebunden ist, einfach eine völlig neue Situation vor uns haben, was die Interaktion zwischen AutorInnen und LeserInnen angeht. Da haben wir den Fall der Autorin, die sich durch Amazon-Kundenrezensionen ungerecht behandelt fühlte und deshalb ihre Fan-Base aufforderte, eigene Reviews auf Amazon zu schreiben und negatives Feedback für allzu kritische Rezis abzugeben. Da sind die Fans von Stephenie Meyer, die nach Stephen Kings kritischen Interview-Äußerungen gegenüber ihrem Idol drohten, King mit Hate-Mails zu überschütten. Und da sind eben die zahlreichen Diskussionen über George R.R. Martin, in denen ohne jede Scham darüber debattiert wird, ob sein Gesundheitszustand und seine privatesten Gewohnheiten es zulassen, dass er ASoIaF beendet. Guy Kay bringt diese Exempel allesamt an. Als weitere Beispiele, wie auch Autoren aktiv in solche Diskurse eintreten, können vielleicht Richard Morgan und jener Sachbuchautor gelten, der zunächst sein eigenes Buch bei Amazon selbst mit der Höchstbewertung rezensiert und dann sämtliche kritischen Kundenbewertungen mit wüsten Beschimpfungen kommentiert. Diese Vereinnahmung von Lesern durch Autoren, und von Autoren durch Leser, ist das eigentlich Neue.
Ich fühle mich dabei ein wenig an Umberto Ecos Spekulationen über den Eintritt in ein neues Mittelalter erinnert, der mit der 68er-Bewegung begonnen habe. Eco beschreibt diese Sehnsucht nach dem neuen Mittelalter als die Suche nach einer gemeinsamen Sprache, einem überindividuellen, alle Menschen verbindenden Prinzip des Ausdrucks. Bisher hat kein philosophischer oder gesellschaftlicher Diskurs es geschafft, die Rolle dieser Sprache, in der alles auf allen verständliche Weise sagbar ist, einzunehmen (obwohl es im 20. Jahrhundert an den entsprechenden Versuchen wahrlich nicht gemangelt hat). Ein Medium, in dem dies möglich wäre, haben wir aber bereits: das Internet, den Raum grenzenloser Kommunikation, den nicht zufällig der Prophet unserer Postmoderne, Jorge Luis Borges, in seinen Schriften vorweggenommen hat. In Zeiten des Internets ist ein Roman eben nicht mehr nur individueller sprachlicher Ausdruck seines Autors, sondern aller Menschen, die ihn gelesen haben und sich durch das Medium universaler Kommunikation berechtigt fühlen, an diesem sprachlichen Ausdruck teilzuhaben und ihn mitzubestimmen. Dass dabei dem Autor mitunter ein fester Platz zugewiesen wird, eine Rolle, die ihn einengt und ihm nicht gefällt, kann nicht ausbleiben. Einen solchen festen Platz hatten auch die Menschen in der universal sprachfähigen mittelalterlichen Gesellschaft, von der Leibeigenen bis zum Feudalherren. Wehe dem, der seinem zugewiesenen Platz nicht gerecht wurde!
Vorangegangen war dieser Kontroverse ein Artikel von Shawn Speakman auf Suvudu "In Defense of George R.R. Martin" vom 26. Januar, der als Interpretationsversuch von Martins Schreib- und Veröffentlichungsschwierigkeiten gesehen werden kann (man verzeihe mir, dass ich nun schon zum wiederholten Male auf diesen Artikel hinweise). Und bereits am 14. Januar wurde auf The Cimmerian versucht zu ergründen, welchen Einfluss Martin denn nun eigentlich auf die rezente Entwicklung des Genres hatte.
An sich ist es nicht weiter verwunderlich, dass dieses Thema jetzt, zu Beginn des Jahres, auf den Tisch kommt, denn bekanntlich heißt Jahresbeginn in der Regel, dass wieder zwölf Monate ohne einen neuen ASoIaF-Band vergangen sind. Wobei ich, nebenbei bemerkt, immer noch nicht verstehe, wie man seine Zeit, ob vernetzt oder nicht, scheinbar ausschließlich mit dem Warten auf ein einziges (!) Buch verbringen kann. Eine Bringschuld des Autors gegenüber seiner Leserschaft gibt es in meinen Augen nicht (das wäre ja tödlich fürs Talent), und lange Pausen zwischen Reihen-Veröffentlichungsterminen gelassen hinzunehmen, erspart Enttäuschungen. Aber ich denke, es steckt noch ein wenig mehr dahinter, und Guy Gavriel Kay ist dem auf der Spur.
In einem Artikel in der Online-Ausgabe der kanadischen Zeitung The Globe and Mail weist Kay darauf hin, dass wir keineswegs an einer vom Himmel gefallenen Seuche leiden, die infizierte Autoren dazu bringt, mit Veröffentlichungsterminen zu schludern und ihre Fans zu beschimpfen (neben George R.R. Martin sah sich auch Patrick Rothfuss jüngst diesem Verdacht ausgesetzt), sondern dass wir mit dem bloggenden Autoren, der fest in die kommunikativen Strukturen des Internets eingebunden ist, einfach eine völlig neue Situation vor uns haben, was die Interaktion zwischen AutorInnen und LeserInnen angeht. Da haben wir den Fall der Autorin, die sich durch Amazon-Kundenrezensionen ungerecht behandelt fühlte und deshalb ihre Fan-Base aufforderte, eigene Reviews auf Amazon zu schreiben und negatives Feedback für allzu kritische Rezis abzugeben. Da sind die Fans von Stephenie Meyer, die nach Stephen Kings kritischen Interview-Äußerungen gegenüber ihrem Idol drohten, King mit Hate-Mails zu überschütten. Und da sind eben die zahlreichen Diskussionen über George R.R. Martin, in denen ohne jede Scham darüber debattiert wird, ob sein Gesundheitszustand und seine privatesten Gewohnheiten es zulassen, dass er ASoIaF beendet. Guy Kay bringt diese Exempel allesamt an. Als weitere Beispiele, wie auch Autoren aktiv in solche Diskurse eintreten, können vielleicht Richard Morgan und jener Sachbuchautor gelten, der zunächst sein eigenes Buch bei Amazon selbst mit der Höchstbewertung rezensiert und dann sämtliche kritischen Kundenbewertungen mit wüsten Beschimpfungen kommentiert. Diese Vereinnahmung von Lesern durch Autoren, und von Autoren durch Leser, ist das eigentlich Neue.
Ich fühle mich dabei ein wenig an Umberto Ecos Spekulationen über den Eintritt in ein neues Mittelalter erinnert, der mit der 68er-Bewegung begonnen habe. Eco beschreibt diese Sehnsucht nach dem neuen Mittelalter als die Suche nach einer gemeinsamen Sprache, einem überindividuellen, alle Menschen verbindenden Prinzip des Ausdrucks. Bisher hat kein philosophischer oder gesellschaftlicher Diskurs es geschafft, die Rolle dieser Sprache, in der alles auf allen verständliche Weise sagbar ist, einzunehmen (obwohl es im 20. Jahrhundert an den entsprechenden Versuchen wahrlich nicht gemangelt hat). Ein Medium, in dem dies möglich wäre, haben wir aber bereits: das Internet, den Raum grenzenloser Kommunikation, den nicht zufällig der Prophet unserer Postmoderne, Jorge Luis Borges, in seinen Schriften vorweggenommen hat. In Zeiten des Internets ist ein Roman eben nicht mehr nur individueller sprachlicher Ausdruck seines Autors, sondern aller Menschen, die ihn gelesen haben und sich durch das Medium universaler Kommunikation berechtigt fühlen, an diesem sprachlichen Ausdruck teilzuhaben und ihn mitzubestimmen. Dass dabei dem Autor mitunter ein fester Platz zugewiesen wird, eine Rolle, die ihn einengt und ihm nicht gefällt, kann nicht ausbleiben. Einen solchen festen Platz hatten auch die Menschen in der universal sprachfähigen mittelalterlichen Gesellschaft, von der Leibeigenen bis zum Feudalherren. Wehe dem, der seinem zugewiesenen Platz nicht gerecht wurde!
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