Häha, ich wollte schon immer mal einen Artikel mit einer Suggestivfrage als Titel schreiben ...
Diesen Monat ist unter dem Titel Die Vampire bei Heyne ein Sammelband mit den drei bereits fertiggestellten Romanen von Kim Newmans Anno-Dracula-Reihe erschienen: Anno Dracula (1992), The Bloody Red Baron (1995) und Dracula Cha Cha Cha (1998; in den USA Judgment of Tears betitelt). Letzterer ist meines Wissens in diesem Sammelband erstmals in deutscher Übersetzung erhältlich. Newmans verspielte Gaslight Romances seien hiermit ausdrücklich empfohlen. Wer schon immer genervt war von den schier endlosen, nach Mittelerde-Kreaturen benannten Romanserien, sollte jetzt über seinen Schatten springen und zugreifen.
Die Zwerge, Drachen und Trolle, die derzeit die Fantasy-Ecken der Buchläden blockieren, haben wir bekanntermaßen einem Herrn namens Stan Nicholls zu verdanken. Der warf um die Jahrtausendwende rum ein paar Romane auf den Markt, die sich nicht sonderlich gut verkauften, bis sein deutscher Verleger auf die Idee kam, die Dinger damit zu bewerben, dass sie gewissermaßen eine inoffizielle Fortsetzung des LotR seien. Und weil dies die Zeit war, in der Peter Jacksons Tolkien-Verfilmungen im Kino liefen, funktionierte der nicht sonderlich subtile Trick besser, als wohl irgendjemand erwartet hätte. Und die Folgen dieser Marketing-Strategie gehen uns momentan allen ziemlich auf die Nüsse.
Es ist eine Ironie des Schicksals, dass der in Deutschland bislang sträflich missachtete Newman nun ausgerechnet auf der Welle dieser als Tolkien-Klone vermarkteten Papierschwemme etwas breitere Anerkennung gewinnen könnte. Die Aufmachung des Sammelbands ist jedenfalls zu 100% auf Kundenfang ausgerichtet: Auf dem Cover steckt diesmal keine Axt und auch kein Schwert im Boden, dafür aber ein angespitztes Kreuz. Zum Davonlaufen also. Aber wenn’s hilft ...
Wer weiß, vielleicht könnte ein Verkaufs-Boost auf dem deutschen Markt ja sogar die Prozesse etwas beschleunigen, die hoffentlich irgendwann mal zur Fertigstellung und Veröffentlichung des vierten, abschließenden Anno-Dracula-Bandes, Johnny Alucard, führen? Der ist seit 2000 angekündigt und lässt ganz schön auf sich warten.
Der gute JRRT, dessen Leiche momentan auf eine Weise gefleddert wird, dass sich wohl der Fürst der Ghule selbst angewidert davon abwenden würde, taucht übrigens im zweiten Anno-Dracula-Band als durchaus lebendiger Weltkriegssoldat auf und sehnt sich gehörig nach seiner Edith. Allen ErstleserInnen Newmans wünsche ich viel Spaß beim Herausfinden, wer sich außer JRRT sonst noch alles in den Nebeln Londons, den Schützengräben des Ersten Weltkriegs und auf den Plätzen Roms herumtreibt.
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