Rivers of London kommt als Police Procedural mit Fantasy-Einschlag daher; eine Kombination, die mir bislang noch nicht begegnet ist. Und der Roman wird gepriesen von allen Seiten. Die Blurbs auf meiner Ausgabe kommen von Prominenz wie Diana Gabaldon, Peter F. Hamilton und Charlaine Harris. Statt darüber zu erschrecken, was für eine Art Buch von diesen drei höchst unterschiedlichen Autor_innen beworben wird, habe ich es einfach mal gelesen – Höhe der Zeit und so.
Peter Grant ist Constable im Metropolitan Police Service, also ein kleiner Bulle im Großraum London. Konfrontiert mit der Schreckensaussicht, nach dem Ende seiner Probezeit an den Schreibtisch versetzt zu werden, macht er sich keine allzugroßen Hoffnungen auf ein interessantes Leben mehr. Das ändert sich, als er zur Bewachung eines Tatorts beordert wird, an dem ihm ein Gespenst erscheint, welches den Tathergang beobachtet hat. Durch diese Begegnung ergibt sich für Grant eine nicht wenig überraschende Änderung in seiner eigentlich vorgezeichnet erscheinenden Karriere: Seine Vorgesetzten beschließen, ihn Inspector Nightingale zu unterstellen, dem letzten Zauberer im Dienst der Met. Grant soll zu seinem Nachfolger ausgebildet werden.
So viel zum Ausgangspunkt der Story. Nightingale ist – wie könnte es anders sein – ein technikferner Exzentriker, der die Innovationen (Computer! Internet!), die Grant in die magischen Ermittlungen des ungleichen Duos einzubringen versucht, mit Misstrauen beobachtet. An Arbeit besteht kein Mangel: Neben Vampirjagden und ähnlichen Alltagsaufträgen müssen gleich zwei komplexe Fälle mit übernatürlichem Einschlag gelöst werden. Da ist zum einen der unheimliche Killer, der in der Gestalt von Mr. Punch wahllos mordet und allein durch seine Gegenwart Menschen zu unerklärlichen Gewaltausbrüchen anstiftet. Und zeitgleich bricht auch noch ein Krieg zwischen Mama Thames und dem »Old Man of the River« aus, zwei um die Londoner Flüsse konkurrierenden Lokalgottheiten.
Klar ersichtlich ist Rivers of London Urban Fantasy im klassischen Sinne, keine mit Bodysuits und Karatetritten angereicherte Paranormal Romance. Es tritt jede Menge wiederbelebtes Personal aus der Geschichte der Londoner Halbwelt auf, dazu gibt es skurrile Magie-Erklärungen und an Neil Gaiman erinnernde Götterfiguren. Diese Szenerie (und es tut gut, so etwas nach langer Zeit wieder mal zwischen zwei Buchdeckeln zu finden) macht sich erstaunlich gut in Kombination mit den Police-Procedural-Elementen. In dieser Hinsicht ist Rivers of London lustig und interessant zu lesen.
Plottechnisch hapert es dagegen ein wenig. Zum Höhepunkt hin gerät die Handlung arg ins Straucheln, während sie doch eigentlich dynamischer und schneller werden sollte. Auch fragt man sich, welcher Teufel den Autor eigentlich geritten hat, die beiden Erzählstränge – den vom übernatürlichen Serienmörder und den von der Fehde der Flussgottheiten – in einen einzigen Roman zu packen. Andererseits wirkt genau das irgendwie auch wieder sympathisch, denn man kann sich sicher sein, dass zumindest kein kommerzielles Kalkül im Sinne von »aus eins mach zwei« dahintersteckt.
So richtig verblüfft hat mich aber eher, dass Rivers of London seinen Protagonisten völlig ironiefrei als Verkörperung britischer Tugenden darstellt. Peter Grant hat eine schwarze Mutter und einen weißen Vater, aber das (post-)koloniale Gepäck, dass er aufgrund seiner Herkunft mit sich herumschleppt, ist ihm eigentlich nur lästig. Viel lieber als mit den Sorgen und Mentalitäten seiner Eltern möchte er sich mit »keeping the Queen’s peace« befassen, wie eine häufig im Roman gebrauchte Phrase lautet. Fast alles, was Grant tut oder lässt, wird als irgendwie typisch britisch herausgestellt. Polizeiarbeit in London, so lässt dieser Roman uns wissen, bedeutet eine Mischung aus hartem Durchgreifen gegen den »spirit of riot and rebellion« und sanfter Vermittlung zwischen nervigen Multikulti-Partikularinteressen. Was diese Botschaft angeht, wirkt Rivers of London völlig ernsthaft und deshalb auch ein wenig infantil.
Womit wir beim nächsten Stichwort wären. Peter Grant ist als Ich-Erzähler und Identifikationsfigur ... ziemlich kindisch. Zwar nicht so uncool wie der Junge aus der Schule, der immer nur Polizist spielen wollte, aber irgendwie doch ähnlich. Nicht so asexuell natürlich, aber entschieden pubertär. Dazu passt, dass man interessant und vielschichtig gezeichnete Frauenfiguren in Rivers of London vergeblich sucht. Fast alle auftretenden Frauen wirken wie lebensgroße, aber unechte Pappfiguren, die links und rechts an den Rändern der Handlung aufgestellt wurden. Man hätte sie überwiegend auch weglassen können, ohne sie auch nur zu vermissen. Da hoffe ich doch schwer, dass sich das in den weiteren Romanen um Constable Grant und Inspector Nightingale bessert. Sonst würde es mir nämlich am Ende noch zu kindisch werden, und das wäre irgendwie auch wieder schade.
Rivers of London von Ben Aaronovitch (392 Seiten im Taschenbuch) ist 2011 bei Gollancz erschienen.
2 Kommentare:
.... womit das Buch vom oberen Ende meiner "Noch lesen"-Liste wieder etwas nach unten gewandert ist. Aber das Thema interessiert mich dennoch. Es gibt einfach zu wenig Fantasy-Krimis.
In dieser Hinsicht (wie sich Krimi und Fantasy kombinieren lassen) finde ich das Buch auch recht aufschlussreich. Ansonsten sollte man halt nicht zu viel erwarten.
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