Irgendwie bin ich Ridley Scott ja dankbar dafür, dass Prometheus wohl eher ein Reboot als ein Prequel zu Alien ist. Mit dem Alien-Franchise ist in den letzten Jahren einfach zu viel Schindluder getrieben worden, als dass die Reihe auch noch ein ernstzunehmendes Prequel vertragen würde, welches auf den spinnerten Theorien eines Erich von Däniken beruht. Zwar bestehen Regisseur Scott und Drehbuchautor Damon Lindelof nach wie vor darauf, dass Prometheus in der Welt von Alien spielt, doch schien der Zusammenhang dünner zu werden, je weiter das Projekt fortentwickelt wurde. Zunächst sollte James Cameron bei einem fünften Alien-Film Regie führen. Als jedoch bekannt wurde, dass 20th Century Fox die Alien- und Predator-Reihen filmisch zusammenführen wollte, stieg er aus dem Projekt aus und fand deutliche Worte für die Pläne des Studios: »You do that you’re going to kill the validity of the franchise«. Das Ergebnis von 20th Century Fox’ Rumgemurkse mit Alien und Predator kennen und hassen wir alle.
Ridley Scott konkretisierte die Idee zu einem fünften Alien-Film dann zu dem Vorhaben, das schließlich in der Produktion von Prometheus mündete. Anfang 2011 bezeichnete Scott Alien als »jumping-off point for this project« und fügte hinzu, Prometheus enthalte »strands of ›Alien‹’s DNA, so to speak«. Der Film sei aber dennoch höchst eigenständig, denn er basiere auf »a new, grand mythology«. Scotts große Mythologie ist allerdings genau das, was mich in Bezug auf Prometheus das Schlimmste befürchten lässt. »[T]he ideas tackled in this film are unique, large and provocative«, so Scott. Was soll man dazu sagen? Nein, Ridley. Die Vorstellung, dass der Mensch durch irgendeine Einflussnahme außerirdischer Superintelligenzen entstanden sein soll, ist weder einzigartig noch groß, und schon gar nicht provokant. Es handelt sich dabei lediglich um die fixe Idee eines tatterigen Esoterikers aus der Schweiz, der durch die Leichtgläubigkeit der Leute in die bequeme Lage versetzt wurde, jede Menge Geld zu scheffeln. Als Idee ist das ganze Präastronautik-Zeugs ungefähr so spannend und geheimnisvoll wie Uri Geller, der im Fernsehen Löffel verbiegt, oder wie Jürgen Fliege, der (für 40 Euro das Fläschchen) Leitungswasser zur »Selbstheilung durch Seelenkraft« verkauft. In anderen Worten: Es ist reiner Blödsinn, der für viel Geld verkauft wird.
Nun lässt sich in einer Welt, in der alles zu Geld gemacht werden kann, schlechterdings nichts einwenden gegen Blödsinn, der zu Geld gemacht wird. Aber es gibt wohl keinen fühlenden und denkenden Fan, dem die Gewalt, die seit einigen Jahren dem Alien-Filmuniversum angetan wird, nicht das Herz zerreißt. Schon die Alien vs. Predator-Crossover von 2004 und 2007 waren die reinste Schande, da ist James Cameron uneingeschränkt recht zu geben. Erinnert sich noch jemand an die unendlich lächerliche Szene aus dem ersten der beiden Filme, in dem der außerirdische Ursprung der menschlichen Schriftsysteme erklärt wurde? So etwas darf sich eigentlich nicht wiederholen, aber Ridley Scott und Damon Lindelof tun gerade mit Prometheus genau das. Letzterer macht zudem mit kryptischen Wortmeldungen und bizarren Neologismen auf sich aufmerksam, welche das genaue Verhältnis von Prometheus und den Alien-Filmen zum Inhalt haben. Das hört sich dann ungefähr so an: »I’ve always felt that really good prequels should be original movies.
And the sequels to those prequels should not be the movie which already
exists.« Aha, das Sequel zum Prequel sollte also kein Film sein, den es schon gibt. Soll mir recht sein, wenn der 1979er Alien-Film zu dem Mist, den ihr gerade verzapft, nicht das Sequel ist, das es schon gibt, und deswegen kein Sequel sein sollte. Oder so ähnlich. Aber auch das: »It’s Ridley Scott. The movie is his vision, so I did my best to channel
it. We had almost no conversations about any other movies, other than
this one, which might have been hubris or it might have been freeing,
but it felt good, maybe just because we were drunk.« Ja, bitte! Sauft weiter und channelt eure komischen Ideen, aber kommt bloß nicht mehr auf die Idee, euch über Filme herzumachen, die anderen Menschen am Herzen liegen. Oder, um zum Schluss zu kommen, das hier: »If we’re fortunate enough to do a sequel to Prometheus, it will tangentialize even further away from the original Alien.« Denn genau diese Aussicht ist es, die bei all dem Unsinn das eingangs erwähnte Gefühl der Dankbarkeit in mir weckt: Tangentialisiert doch wohin ihr wollt, so lange es nur weit, weit weg von den vier Alien-Filmen ist.
6 Kommentare:
Die englische Wikipedia hat einen Artikel zu "Directed Panspermia", der nahelegt, dass die "Einflussnahme außerirdischer Superintelligenzen" auf die Entstehung irdischen Lebens auch von Carl Sagan und anderen vertreten wurde. Hat Ridley Scott also ein Däniken-Abo? Nein. Aber macht es die Idee sehr viel besser? Nein.
Nun habe ich den Film gerade gestern gesehen (legal, in Frankreich!) und würde ja gerne etwas dazu sagen. Nicht viel, aber wenigstens zu diesem Punkt.
Wer nicht mal das wissen will, also NICHT weiterlesen ab hier!
"Die Vorstellung, dass der Mensch durch irgendeine Einflussnahme außerirdischer Superintelligenzen entstanden sein soll" also -- ja, das ist in dem Film drin. Das ist aus naheliegenden Gründen (Verwandtschaft der Arten, Fossilienfunde) problematisch. Dieses Problem wird im Film sogar kurz angerissen, aber nicht wegerklärt.
Andererseits ist das, was da an "Einflussnahme" gezeigt wird, auch wieder so vage, dass man's sich zurechtbiegen könnte, wenn's einen nervt: die Außerirdischen haben einfach vor ganz langer Zeit alles Leben auf der Erde geschaffen. Dadurch werden sie natürlich lächerlich alt, und nicht unbedingt glaubhafter.
Der Film baut dieses Schöpfungsmotiv dann zu einem ähnlichen roten Faden auf wie Alien (1979) mit seiner verqueren Gebär-Metaphorik. Es ist immer noch ein Ridley-Scott-Film mit einer sehr stringenten Ästhetik und Stimmung. Deshalb fand ich nicht, dass diese durchaus kritikwürdige Prämisse den Film nachhaltig beschädigt. Fincher hat meines Erachtens mehr kaputtgemacht (wie kam ein Alien an Bord der Rettungskapsel?), auch Jeunet hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert (die geklonte Alienqueen).
Der Film ist vielleicht nicht so ein Kunstwerk wie "Alien", aber wirklich meilenweit vom Blödsinn der Predator-Crossover entfernt. Eher ist es ein Relaunch des Franchise, das sehr bewusst die ersten beiden Teile als Vorlage zitiert und alles, was danach kommt, ausblendet. Auch Scotts kryptische Kommentare zum Film ergeben einen neuen Sinn, nachdem man ihn gesehen hat. Die Marketingkampagne im Vorfeld war sehr, sehr geschickt angelegt. Trotzdem sollte man sich meines Erachtens nicht zu viele Trailer ansehen, da sie schon viele wichtige Szenen zeigen, auch wenn es beim Sehen des Films oft überrascht, wie sie zustande kommen.
Nachtrag / Korrektur: Okay, Scott hat zugegeben, sich bei Däniken bedient zu haben. Ich sehe es trotzdem eher unter einem Lovecraft-artigen Angle: Die Vorstellung, von außerirdischem Viechzeugs abzustammen, ist einfach ein guter Aufhänger für Horrorgeschichten. Hard Science ist es sicher nicht.
Hallo!
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Film eine stringente Ästhetik und Stimmung hat, auch wenn mir seine »Botschaft« äußerst zweifelhaft vorkommt. Ich glaube, ich kann mir das – stimmungsvolle Ästhetik, bemüht-bizarre Botschaft – sogar genau deshalb gut vorstellen, weil es ein Film von Ridley Scott ist. Jedenfalls will ich keinen Zweifel daran lassen, dass von Scott handwerklich/künstlerisch (wie man’s nimmt) mehr zu erwarten ist als beispielsweise von Paul W.S. Anderson.
Mein Problem mit der Sache ist eher folgendes: Die Botschaft der Alien-Filme lautet, dass manchmal eine bemerkenswerte Koinzidenz vorliegt zwischen der blindwütigen, zerstörerischen Natur einerseits, und den Dingen, die der Mensch als seine ureigenen Mittel zur Ausübung von Kontrolle und Herrschaft betrachtet (Wissenschaft, Militär, Industrie) andererseits. Sowohl die Crossoverfilme als auch Prometheus nehmen dieser erschreckenden Erkenntnis die Spitze, indem sie sie religiös (v)erklären: Der Mensch ist ohnehin nicht Herr der Lage, so die Botschaft, sondern höheren, mächtigeren Wesenheiten hilflos ausgeliefert. Diese Rolle wird im einen Fall den Predators zugeschrieben, im anderen den Space Jockeys.* Da ich Theologie studiere, reizen mich solche Messages halt immer enorm.
Dabei stimme ich durchaus zu, dass dieses Motiv der »perversen Schöpfung« eine gute Geschichte abgeben kann. In Christian Alvarts Pandorum, den ich letztens erst gesehen habe, fand ich es z.B. sehr interessant abgehandelt.
* Letzteres schließe ich natürlich nicht aus dem Film selbst, den ich noch nicht gesehen habe, sondern aus Scotts und Lindelofs Aussagen.
Die Kritik sehe ich durchaus ein. In wieweit der Mensch höheren Mächten hilflos ausgeliefert ist ... und nach wessen "Bild" er geschaffen wurde ... Fragen der Gemeinsamkeit / Koinzidenz / Selbstbestimmtheit ... das lässt sich anhand dieser Filme wirklich sehr interessant diskutieren. Ich möchte inhaltlich jetzt aber nicht mehr vorwegnehmen (und natürlich gibt es nicht nur eine Antwort oder Sichtweise).
Es würde mich jedenfalls interessieren, ob Du Dich in Deinem Urteil bestätigt oder vielleicht doch (hoffentlich angenehm) überrascht fühlst, wenn der Film im August hier anläuft.
Mal schauen, ob ich dazu komme, mir den Film im Kino anzuschauen, oder ob es bis zur DVD/Blu-ray dauern wird. Ich melde mich dann auf jeden Fall wieder zu Wort.
In der Wertzone gab es übrigens gerade einen nerdigen Versuch, Prometheus und Alien zu synchronisieren, wobei ich bei diesem Kommentar dazu ziemlich lachen musste.
Nachdem ich den Film nun gesehen habe, fällt mir vor allem eins ein: Hätte Scott das Bramarbasieren über Mythologie und Religion einfach unterlassen – niemand, der Prometheus gesehen hat, hätte es vermisst. Nach all den großen Worten hätte ich erwartet, dass Scott mit diesem Film »etwas sagen« will, ähnlich wie in seinen stets mit Wohlfühlbotschaften versehenen Historienstreifen. Jetzt denke ich eher, dass die DNA-Mixerei der Engineers/Space Jockeys eine reine plot device ist, und der Film ein Reboot der Alien-Reihe darstellt, welches die markanten Szenen des 1979er Films mal mehr, mal weniger originell variiert.
Was gibt es zu loben? Prometheus ist in der Tat optisch beeindruckend, außerdem spielt Fassbender gut. Insgesamt kann mich der Film aber nicht überzeugen. Dazu ist er zu wirr erzählt, ist nachgerade bereit, seine Geschichte zu opfern, um genügend Löcher zu lassen, an die dann (eingestandenermaßen!) die geplante Fortsetzung anknüpfen soll.
Als persönliche Maxime ziehe ich daraus vor allem: Niemals auf Ridley Scott hören, wenn er seine Filme erklären will.
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