Montag, 7. Juni 2010

So ruhet in Frieden

Bücher über den Tod haben es schwer, bei mir zu landen, weil sie häufig mit den »Lügen der Tröster« (Henning Luther) gesättigt sind.* John Ajvide Lindqvists So ruhet in Frieden ist eine Ausnahme, denn es beschäftigt sich zwar auch damit, wie wir mit dem Tod klarkommen, ist aber primär ein Roman darüber, wie der Tod mit uns klarkommt.

Der 2008 erschienene Roman ist mein erster von Lindqvist, zu einem vielerseits vermuteten Qualitätsabfall gegenüber seinem verfilmten Erstling kann ich daher nichts sagen. Ist vielleicht auch ganz gut so, denn so konnte ich So ruhet in Frieden einfach lesen und mich darüber freuen. Einer der wichtigsten Charaktere des Romans ist ein Stand-up-Comedian, und soeben lese ich in der Wikipedia, dass der Autor selbst einige Jahre lang als ein solcher gearbeitet hat. Auch das wusste ich beim Lesen nicht, musste den Roman also nicht nach autobiografischen Referenzen durchforsten. Beste Ausgangsvoraussetzungen für ein unschuldiges Lesevergnügen also.

Der Spaß bei So ruhet in Frieden ist hauptsächlich der, dass die Handlung so angelegt ist, dass sie ständig — sozusagen zwischen zwei Polen oszillierend — die Fragen »Ist es Splatter oder nicht?« und »Ist es eine Zombiegeschichte oder nicht?« aufwirft. Ich hab's ja als alter Romero-Fan mit den Zombies, aber in diesem Fall stört es nicht weiter, dass es (wie sich herausstellt) letztlich keine Zombiegeschichte ist. Vielleicht deshalb, weil Lindqvist die Fragen konsequent stellt, die Leser_innen damit weiterblättern lässt und auch sonst eine durch und durch spannende Geschichte erzählt. Eine makabre Komik liegt auch in einzelnen Szenen und Episoden, die Lindqvist mit einem Können ausarbeitet, dass einem glatt die Luft wegbleiben könnte. Meine Lieblingsszene ist, nebenbei bemerkt, die, in der Aderklemmen eine zentrale atmosphärische Rolle spielen. Ich finde so was halt komisch ...

Im Grunde handelt es sich bei So ruhet in Frieden jedoch um eine tiefernste Geschichte, etwa in dem Sinne, wie ein Clown ernst und lustig zugleich ist. Dies kommt besonders schön zum Tragen in einem fiktiven, auszugsweise in den Roman eingearbeiteten Kinderbuch. Diese Erzähltechnik kommt auch gar nicht postmodern daher (um das Buhwort zu gebrauchen), sondern fügt sich naht- und bruchlos ein. Außerdem sind die Kinderbuch-Passagen einfach sehnsuchterzeugend gut. Man kriegt richtig Lust, den Autor mit Fanpost zu bombardieren, damit er aus einem fiktiven ein reales Kinderbuch macht.

Und richtig gut ist ein Roman eben nur dann, wenn man ihn ernstnehmen kann. In diesem Sinne ist Lindqvists Geschichte vom Tod der beste Roman, der mir seit langem untergekommen ist.

So ruhet in Frieden von John Ajvinde Lindqvist ist 2008 bei Bastei Lübbe erschienen und hat 448 Seiten. Die Übersetzung aus dem Schwedischen ist von Paul Berf.

* Ein ebenso faszinierendes wie widersprüchliches Beispiel stellt für mich George MacDonalds  Hinter dem Nordwind dar.

1 Kommentar:

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

P.S.: Lindqvist sieht ein bisschen so aus, wie Willem Dafoe aussieht, wenn er versucht, wie Jesus auszusehen.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.