Donnerstag, 9. April 2015

Awardverdächtiges beim verdächtigen Award

Eine Folge des Bloc Votings bei den Nominierungen zum diesjährigen Hugo Awards ist, dass eigentlich niemand den Preis mit ungetrübter Freude entgegennehmen können wird. Diejenigen, die nicht durch Bloc Voting für den Hugo nominiert wurden, müssen sich im Fall eines Sieges fragen, ob sie nur gewonnen haben, weil niemand die Sad/Rabid Puppies wählen will. Diejenigen, die ohne ihr Einverständnis per Bloc Voting nominiert wurden, steht jetzt nur noch die Möglichkeit offen, die Nominierung abzulehnen oder zum Wählen von »No Award« aufzurufen, wenn sie nicht als Opportunist_innen dastehen wollen.* Und die Puppies, falls denn einige von ihnen Preise bekommen sollten, wissen natürlich selber am besten, dass sie diese allein durch ihre Machenschaften bekommen haben.

Die Puppies versuchen sich mit der Behauptung zu rechtfertigen, es habe bei den Hugo-Wahlen schon früher regelmäßig Vorschlagslisten und darauf basierendes Bloc Voting gegeben. Dabei heißt es mal, diese früheren Vorschlagslisten seien ganz offen auf verschiedenen Blogs präsentiert worden (ganz wie die Listen der Puppies), dann wieder wird verbreitet, sie seien heimlich über Mailverteiler verbreitet worden, damit die Öffentlichkeit nichts mitbekommt. Was es bemerkenswerterweise nicht gibt, sind Links, Screenshots oder geleakte Dokumente, die die Existenz von früheren Vorschlagslisten belegen würden.**

Ich bin kein Worldcon-Besucher, aber mich ärgert die ganze Sache aus einem prinzipiellen Grund: Der Unterschied zwischen einem offenen Nominierungsprozess und dem Präzedenzfall, den die Puppies geschaffen haben, ist ein wenig wie der Unterschied zwischen Rätedemokratie und parlamentarischer Demokratie. Im ersten Fall haben alle die Möglichkeit, ihre individuellen Interessen und Vorlieben einzubringen. Im zweiten Fall gibt es nur die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Listen, die den Stimmberechtigten mehr oder minder fertig vorgesetzt werden. Das Ergebnis des Nominierungsprozesses zeigt, dass der Filtereffekt solcher Listen immens sein kann.

Matthew David Surridge, der ohne sein Wissen oder Einverständnis in der Kategorie »Best Fan Writer« auf den Vorschlagslisten der Puppies gelandet ist, ist den geraden Weg gegangen, hat seine Nominierung abgelehnt und eine ausführliche Begründung dazu verfasst. Ich finde, zu dieser Entscheidung kann man ihm nur gratulieren. Darüber hinaus ist Surridge aber auch ein fan writer, wie ich ihn mir wünsche: Belesen und mit großem Interesse nicht ausschließlich an den jährlichen Neuerscheinungen, sondern an der ganzen Tiefe und Breite der Fantasy. Ich erlaube mir deshalb, einige seiner Artikel zu empfehlen, die zwischen 2010 und 2014 in Black Gate erschienen sind:

* Es gibt mindestens einen Autor, der durch Bloc Voting nominiert wurde und gegenwärtig von Kommentarthread zu Kommentarthread eilt, mit einer halbherzigen Distanzierung von der Puppies-Aktion und gleichzeitig fordernd, da er nun einmal nominiert sei, könne man doch auch für ihn stimmen.
** Was natürlich nicht bedeutet, dass es gar keine Versuche gegeben hat, Preise wie den Hugo und den Nebula zu beeinflussen. Seit heute ist ein Blogpost von George R.R. Martin zu diesem Thema online.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

> Der Unterschied zwischen einem offenen Nominierungsprozess und dem Präzedenzfall, den die Puppies geschaffen haben, ist ein wenig wie der Unterschied zwischen Rätedemokratie und parlamentarischer Demokratie.

Du wirst doch nicht ernsthaft den manipulativen Sumpf, den du als "Präzedenzfall" bezeichnest (was er übrigens nicht ist), mit Parlamentarischer Demokratie vergleichen wollen?! Oder was meinst du mit "ein wenig"??

Murilegus rex hat gesagt…

Meine Frage wäre, inwiefern das Vorgehen der Puppies manipulativ ist? Allem Anschein nach haben sie nichts getan, was regelwidrig ist, insofern können etwaige zukünftige (Pro- oder Anti-Puppies)-slates sich auf SP 3 berufen.

Anonym hat gesagt…

> Meine Frage wäre, inwiefern das Vorgehen der Puppies manipulativ ist? Allem Anschein nach haben sie nichts getan, was regelwidrig ist

"Manipulativ" = zwangsläufig "regelwidrig"? Ich glaube nicht (leider). :-)

Aber zu deiner Frage (bitte denk auch daran, meine zu beantworten):

> Das könnte dieses Jahr passieren, denn die penetrante Vorgehensweise der Puppies hat dazu geführt, dass die Liste der endgültigen Nominierungen, die vor ein paar Tagen bekannt gegeben wurde, mit Puppy-Empfehlungen geradezu überflutet ist. (Zitat nach http://hermanstadt.blogspot.de/2015/04/hugogate.html)

Wenn nicht manipulativ (oder sogar "regelwidrig", wobei ich das nicht beurteilen kann und will), was genau meinst du mit "penetrant"?

Murilegus rex hat gesagt…

Mit penetrant meine ich das Werbegetrommel, mit dem die Puppies ihre Kampagne begleitet haben. Manipulativ finde ich ihr Vorgehen deshalb nicht, weil sie nichts und niemanden manipuliert haben (mit Ausnahme vielleicht von Leichtgläubigen, die jetzt tatsächlich an eine SJW-Verschwörung glauben). Sie haben lediglich etwas getan, was vorher noch nie jemand versucht hat.

Mein Vergleich zum Parlamentarismus rührt daher, dass die Puppies gewissermaßen eine gebundene Liste zur Wahl gestellt haben – unter dem Vorwand, dass die »andere Seite« schon seit Jahren mit solchen Listen antrete. Es scheint, als sähen die Puppies die Hugo-Wahlen (und so ziemlich jede andere Auseinandersetzung im Genre) nach dem Muster eines Zweiparteiensystems, mit den angeblichen SJWs auf der einen und den Puppies auf der anderen Seite. Und in einem Zweiparteiensystem sind die Wahlmöglichkeiten halt ziemlich eingeschränkt (was die Puppies sicherlich gern in Kauf nehmen).

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.