Dienstag, 14. April 2009

Amazon.com hat Angst vor Schwulen und Lesben

Es dürfte sich ja rumgesprochen haben, dass Amazon.com (also die US-Variante des Online-Buchhändlers) Bücher, die Homosexualität thematisieren, für einige Tage von seinen hauseigenen Bestsellerlisten entfernt hat. Bei Amazon.com behauptet man, schuld sei ein Fehler im Computersystem. Ich will mich hier gar nicht länger darüber auslassen, ob ich das für glaubwürdig halte oder nicht, denn diese Affäre ist eher der Anlass als der Grund für diesen Eintrag.

Der Grund ist: Ich bin der Meinung, dass Amazon getreten werden muss, wo man kann. Warum dies? Verkürzt-kapitalismuskritisches Konzern-Bashing will ich mit Sicherheit nicht betreiben, doch liegt das Problem mit Amazon auch anderswo als in seiner wirtschaftlichen Monopolstellung: dass Amazon mittlerweile praktisch die Definitionshoheit darüber hat, welche Bücher erwerbbar sind (und das heißt ja mehr oder weniger: welche Bücher lesbar sind), ist der Kern des Problems. Mal ehrlich, wer sucht heutzutage noch anderswo, wenn ein Buch auf Amazon als nicht erhältlich gelistet ist? Mit Ausnahme von Bibliophilen und regelmäßigen AntiquariatsbenutzerInnen wohl niemand. Das heißt in der Konsequenz aber, dass Amazon einen gigantischen Einfluss auf das Leseverhalten des am Internet hängenden Teils der Menschheit hat. Und die Methoden, mit denen dieser Einfluss ausgeübt wird, sind auch nicht immer sauber: In den Kundenrezensionen, die auf Amazon alle veröffentlichen können, die dort irgendwann mal ein Buch bestellt haben, bewerben AutorInnen und Verlage mitunter auch recht zweifelhafter Publikationen ihre Machwerke ungeniert. Auch wird dumpfbackig-faschistoide Denke in einigen Kundenrezensionen offen zum Ausdruck gebracht. Ich erinnere mich insbesondere an eine Rezension auf Amazon.de, deren AutorIn sich überschwänglich freute, dass Franco Zeffirellis Film-Vierteiler Jesus von Nazareth endlich sichtbar mache, dass (O-Ton) »die Juden« schuld am Kreuzestod Jesu seien. Trotz wiederholter Hinweise dauerte es Monate, bis Amazon.de die antisemitische Rezension von seiner Seite entfernte.

Deshalb wird auf diesem Blog in Rezensionen nicht zu Amazon verlinkt. Wer’s noch nicht weiß: Nach lieferbaren Büchern kann man auch auf den entsprechenden Verlagsseiten gucken. Wird das Gesuchte nicht mehr aufgelegt, hilft das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

… nicht zu vergessen das »lebende« Gegenstück zum ZVAB: das VLB (Verzeichnis lieferbarer Bücher), mit online-Recherche und Bestellmöglichkeit: www.buchhandel.de

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.