Sonntag, 19. April 2009

James Graham Ballard R.I.P.

Der britische New-Wave-Autor J.G. Ballard (geboren am 15. November 1930 in Shanghai) ist heute nach langer Krankheit im Alter von 78 Jahren gestorben.

Ballard war eine derjenigen SF-Größen, die sich – wie Stanisław Lem, Kurt Vonnegut, Philip K. Dick und Carl Amery – auch außerhalb von Genre-Liebhaberkreisen unauslöschlich ins literarische Gedächtnis eingeprägt haben. Sein Einfluss war und ist enorm, als Beispiel sei nur der giftig-geniale hoax »Why I Want to Fuck Ronald Reagan« genannt. Unsterblich war er auch schon, bevor der Krebs ihn dahinraffte.

BBC-Meldung
BBC-Nachruf

Dienstag, 14. April 2009

Die Vampire

Weil ich gar nicht aufhören kann, Kim Newman und seine Vampire in den Himmel zu loben, und ich mich hier und öfter über den britischen Trash-Gott bereits mit unkritischen Lobhudeleien geäußert habe, folgt hier noch die förmliche Rezension.

Die Vampire ist, anders als vom Verlag angegeben, kein Roman, sondern eine Omnibus-Ausgabe der drei bisher erschienen Anno-Dracula-Romane:
  • Anno Dracula (1992)
  • The Bloody Red Baron (1995)
  • Dracula Cha Cha Cha (in den USA als Judgment of Tears erschienen) (1998)
Ob der im Hause Heyne ausgiebig gefrönten Neigung, auf so ziemlich alles — von der Storysammlung bis zur Omnibus-Edition — die Bezeichnung Roman anzuwenden, sich mit einem traumatischen Ereignis aus der Kindheit des zuständigen Verlagsmenschen erklären lässt, weiß ich nicht. Jedenfalls sind die beiden ersten Romane als Hardcover im Haffmans Verlag in deutscher Übersetzung erschienen; zu einer deutschen Ausgabe des abschließenden Bandes hat es anscheinend nicht mehr gereicht. Von Anno Dracula hat Heyne dann noch ein Taschenbuch nachgereicht, über das ich mit Newman bekannt wurde. Übersetzt wurden die beiden deutschen Ausgaben von Thomas Mohr.

Der in der Omnibus-Ausgabe erstmals auf Deutsch erhältliche dritte Roman hat dementsprechend mit Frank Böhmert einen anderen Übersetzer. Von geringen, nicht weiter störenden terminologischen Unterschieden einmal abgesehen, fügt seine Arbeit sich gut ins Bild ein. Da gibt’s wirklich nix zu meckern.

Auf den Inhalt der Romane muss ich mich wohl nicht  mehr eigens eingehen. Wer Newmans Trickkiste noch nicht kennt, möge sich überraschen lassen! Ansonsten bin ich ja bereits einige Gedanken dazu losgeworden, siehe oben.

Das Cover der neuen Ausgabe ist dagegen ziemlich abstoßend, was vor allem der traurigen Tatsache geschuldet ist, dass der Newman-Omnibus auf der Zwergetrolleorkselfen-Welle vermarktet wird. Nehmen wir’s als ästhetisch fragwürdige Erinnerung daran, dass Literatur unter kapitalistischen Bedingungen produziert und veröffentlicht wird.

Die Vampire von Kim Newman (1280 Seiten) ist 2009 bei Heyne erschienen. Die Übersetzungen sind von Thomas Mohr (Band 1 & 2) und Frank Böhmert (Band 3).

Amazon.com hat Angst vor Schwulen und Lesben

Es dürfte sich ja rumgesprochen haben, dass Amazon.com (also die US-Variante des Online-Buchhändlers) Bücher, die Homosexualität thematisieren, für einige Tage von seinen hauseigenen Bestsellerlisten entfernt hat. Bei Amazon.com behauptet man, schuld sei ein Fehler im Computersystem. Ich will mich hier gar nicht länger darüber auslassen, ob ich das für glaubwürdig halte oder nicht, denn diese Affäre ist eher der Anlass als der Grund für diesen Eintrag.

Der Grund ist: Ich bin der Meinung, dass Amazon getreten werden muss, wo man kann. Warum dies? Verkürzt-kapitalismuskritisches Konzern-Bashing will ich mit Sicherheit nicht betreiben, doch liegt das Problem mit Amazon auch anderswo als in seiner wirtschaftlichen Monopolstellung: dass Amazon mittlerweile praktisch die Definitionshoheit darüber hat, welche Bücher erwerbbar sind (und das heißt ja mehr oder weniger: welche Bücher lesbar sind), ist der Kern des Problems. Mal ehrlich, wer sucht heutzutage noch anderswo, wenn ein Buch auf Amazon als nicht erhältlich gelistet ist? Mit Ausnahme von Bibliophilen und regelmäßigen AntiquariatsbenutzerInnen wohl niemand. Das heißt in der Konsequenz aber, dass Amazon einen gigantischen Einfluss auf das Leseverhalten des am Internet hängenden Teils der Menschheit hat. Und die Methoden, mit denen dieser Einfluss ausgeübt wird, sind auch nicht immer sauber: In den Kundenrezensionen, die auf Amazon alle veröffentlichen können, die dort irgendwann mal ein Buch bestellt haben, bewerben AutorInnen und Verlage mitunter auch recht zweifelhafter Publikationen ihre Machwerke ungeniert. Auch wird dumpfbackig-faschistoide Denke in einigen Kundenrezensionen offen zum Ausdruck gebracht. Ich erinnere mich insbesondere an eine Rezension auf Amazon.de, deren AutorIn sich überschwänglich freute, dass Franco Zeffirellis Film-Vierteiler Jesus von Nazareth endlich sichtbar mache, dass (O-Ton) »die Juden« schuld am Kreuzestod Jesu seien. Trotz wiederholter Hinweise dauerte es Monate, bis Amazon.de die antisemitische Rezension von seiner Seite entfernte.

Deshalb wird auf diesem Blog in Rezensionen nicht zu Amazon verlinkt. Wer’s noch nicht weiß: Nach lieferbaren Büchern kann man auch auf den entsprechenden Verlagsseiten gucken. Wird das Gesuchte nicht mehr aufgelegt, hilft das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher.

Samstag, 11. April 2009

Neues vom Dunklen Turm

Soeben bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, dass der zweite Band der Graphic Novel frei nach Stephen King bereits bei Heyne erschienen ist, in diesem Monat nämlich. Der deutsche Titel von The Long Road Home lautet Der lange Heimweg. Team (inklusive Übersetzer) und Verlag sind die gleichen wie beim ersten Band.

Anubis tickt manchmal eben, wie verschiedentlich schon bemerkt, etwas langsamer. In diesem Sinne: Dank an Herrn Rottenecker für den freundlichen Hinweis.

Freitag, 10. April 2009

Der Dunkle Turm – Graphic Novel

Obwohl sein Name dick und fett auf dem Cover prangt, hat Stephen King selbst nur die Idee zu diesem ersten Band einer auf seinem Meta-Epos The Dark Tower basierenden Graphic Novel geliefert. Geplottet wurde das Ding von Robin Furth, ihres Zeichens Assistentin im Hause King und Autorin des offiziellen Companions zu The Dark Tower. Optimale Voraussetzungen also, dass der Comic schön dicht am Romanzyklus bleibt, obwohl sich die Mitwirkung des Autors schätzungsweise auf ein Minimum beschränken dürfte.

Marvel-Zeichner Jae Lee hat genau die richtige Bildsprache gefunden, um Roland Deschains weird west Gestalt zu verleihen. Mir gefällt insbesondere der Look von Gilead als monumentaler Ruinenstadt. Bei der Lektüre der Romane habe ich mir ja nie so recht vorstellen können, wie der Sitz von Kings revolverschwingenden Gralsrittern denn nun aussieht. Lee, der übrigens eine Dracula-Ausgabe illustrierte, hat mich genialisch belehrt.

Zwecks Verwirrungsvermeidung noch ein paar Worte: Bei dem Ding, das hier unter dem Namen Der Dunkle Turm – Graphic Novel rezensiert wird, handelt es sich um The Gunslinger Born (2007), den ersten Teil einer Reihe, von der im Original bereits zwei weitere Teile unter den Titeln The Long Road Home und Treachery (beide 2008) erschienen sind. Ob die Entscheidung, den Reihentitel für einen einzelnen Band zu verwursten, intelligent ist, sei dahingestellt. Jedenfalls kann Heyne ruhig mehr von dem Zeug veröffentlichen. Inhaltlich entspricht The Gunslinger Born in etwa Rolands Jugenderinnerungen in Wizard and Glass, dem vierten Dark-Tower-Roman. Der Comic erzählt die Handlung also, anders als die Romane, chronologisch.

Der Dunkle Turm – Graphic Novel von Stephen King (Idee), Robin Furth (Story), Peter David (Skript), Jae Lee (Zeichnungen) und Richard Isanove (Kolorierungen) ist 2008 bei Heyne erschienen. Die Übersetzung stammt von Wulf Bergner.

Donnerstag, 9. April 2009

Der Potterjunge und seine Klone

Alle sieben Bände sind veröffentlicht, das dritte Spin-off ist rausgehauen, nun stehen uns nur noch zwei mediokre Filme ins Haus. Dumbledores Coming-out ist auch schon eine Weile her, und so ist die allgemeine Aufregung abgeflaut. Zeit für mich, so dachte ich, mal einen historiografisch motivierten Blick in eine der zahlreichen phantastischen Internatsromanserien der letzten Jahre zu werfen. Zunächst lernte ich, dass im Kielwasser von Joanne K. Rowlings Harry Potter unter anderem Angie Sages Septimus Heap, Peter Freunds Laura Leander, Georgia Byngs Molly Moon und Jenny Nimmos Charlie Bone ihre schattenhafte Existenz fristen ...

... und entschied mich spontan für letzteres. Die Titelillustration stammt anscheinend aus der selben Hand wie die der deutschen HP-Ausgabe. Wenn schon Potter-Klon, dann richtig, dachte ich mir. Charlie Bone heißt im Original Children of the Red King und umfasst bislang sieben Bände.

Ich schlug den ersten Band Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder auf, freute mich ein wenig über den schön mythisch-atmosphärischen Einstieg, las 200 Seiten und dachte währenddessen, dass das ja eigentlich eine ganz nette, auch eine HP-vergleichsweise eigenständige und eingängige Lektüre ist. Tja, und dann war Schluss. Charlie kam zum ersten Schultag in sein Internat, lernte einige MitschülerInnen (darunter die obligatorischen Piesacker) sowie exzentrische Lehrkräfte kennen, und ich hatte keinen Bock mehr.

Ich stellte fest, dass mich diese Schulquerelen einfach nicht interessierten, und ich folgerichtig nicht die geringste Lust hatte, weiterzulesen. Ach ja. Manche Dinge funktionieren anscheinend nur einmal. Also Schluss damit.

Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder (352 Seiten) von Jenny Nimmo ist 2003 bei Ravensburger erschienen. Die Übersetzung stammt von Cornelia Hohlfelder-von der Tann.

Samstag, 4. April 2009

Medienschelte, die Dritte

Im Blogschke gibt es wieder mal eine Reaktion aufs Feuilleton, welches diesmal in Person von Titus Arnu gegen die Fantasy ficht (oder jedenfalls gegen das, was man so für Fantasy hält). Wiederum erschienen in der Süddeutschen. Und weil’s so schön ist, setze ich zu dieser Gelegenheit auch mal einen Link zur entsprechenden Diskussion im BP-Forum.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.