Regie: David Chiang, Jimmy Wang Yu · Drehbuch: Ku Long · Musik: Stanley Chow · Schnitt: Kwok Ting-hung.
Eine Räuberbande will ihre Beute aufteilen. Ihr Anführer, der mysteriöse Bruder Drache, hat seine eigenen Vorstellungen, was ›aufteilen‹ bedeutet, und bringt seine Spießgesellen kurzerhand um. Bevor er sich mit dem Raubgut davon machen kann, wird er von dem Polizisten Chin Chuying (Chang Yu) gestört. Im Zweikampf schlägt Bruder Drache dem Polizisten einen Arm ab. Gerettet wird Chin in letzter Minute von einem einarmigen Schwertkämpfer, der wie aus dem Nichts auftaucht und Bruder Drache ebenfalls einen Arm abschlägt.
Damit hat sich die lokale Einarmigen-Population um zwei erhöht (oder so hat es den Anschein ...). Denn Bruder Drache kann trotz seiner Verletzung entkommen. Da er stets eine Maske trägt, kennt niemand seine Identität. Chin Chuying wiederum kann seinem Retter kaum danken, da macht auch der sich schon wieder aus dem Staub.
Chin hängt seinen Beruf an den Nagel und beschäftigt sich fortan mit einem Handbuch für einarmige Schwertkunst. Doch er wird ermordet – natürlich von einem maskierten Einarmigen, was auch sonst? Der Täter flieht unerkannt und nimmt das Handbuch mit. Nur zweierlei ist über ihn bekannt: Er hat ein Muttermal an seiner verbleibenden Hand. Und Chin erklärt mit seinen letzten Worten, es sei nicht Bruder Drache gewesen.
Meister Wan der Fuchs (Lo Lieh), der Bruder des Toten, verkündet, er werde den Mörder zu finden. Doch das ist nicht so leicht. Gleich zwei berühmte einarmige Schwertkämpfer sind in der Gegend unterwegs: Der rauhbeinige Fong Ping (Jimmy Wang Yu) hat einen Groll auf den Charmeur Li Hao (David Chiang), denn der hat eine On-and-off-Beziehung mit Fongs Schwester Tingling (Liu Meng-yan). Meister Wan der Fuchs verkleidet sich – was auch sonst – als einarmiger Schwertkämpfer, um an Fong und Li heranzukommen.
Wir erinnern uns: 1967 kam Chang Chehs One-Armed Swordsman in die Kinos (deutscher Titel: Das goldene Schwert des Königstigers). Der Film brachte den Shaw Brothers jede Menge Geld (und Chang Cheh den Spitznamen »der Eine-Million-Dollar-Regisseur«) ein und avancierte neben Come Drink with Me und Die Herberge zum Drachentor zu einem der drei kanonischen Klassiker des neuen Wuxia-Films der sechziger Jahre. Chang Cheh bescherte den Shaw Brothers mit Return of the One-Armed Swordsman (1969) und The New One-Armed Swordsman (1971) noch zwei Fortsetzungen, die gemeinsam die offizielle Trilogie um den einarmigen Schwertkämpfer bilden.
Eine weitaus durchschlagendere Wirkung hatten jedoch die zahllosen Imitationen, die der ursprüngliche Erfolgsfilm hervorrief. Etwa zehn Jahre lang hielt die Welle von Einarmigen-Filmen an. Zu den immer mehr werden einarmigen Schwertkämpfern gesellten sich bald einarmige Schwertkämpferinnen und einarmige Faustkämpfer (ganz zu schweigen von zweiarmigen Kämpfern, die nur so tun, als ob sie einarmig wären).
The One-Armed Swordsmen ist ein Spätprodukt dieses Trends, aber ein bemerkenswertes. Es handelt sich um eine gemeinsame Regiearbeit von Jimmy Wang Yu und David Chiang, die auch die Hauptrollen spielen. Dazu sind die beiden prädestiniert, waren sie doch die Stars von Chang Chehs ursprünglicher Trilogie. In diesem Film nun toben Wang und Chiang sich richtig aus und pfeifen auf sämtliche Beschränkungen, die die Plausibilität ihnen auferlegen würde. Als Drehort diente Taiwan.
Für einen Wang-Yu-Film ist die Handlung erstaunlich wenig actionlastig. Das liegt daran, dass der Film einem klassischen Whodunit-Plot folgt. Schließlich gilt es, jede Menge Rätsel zu lösen: Wer verbirgt sich hinter Bruder Draches Maske? Wer ist der Einarmige, der Chin zu Hilfe kam? Wer ist Chins Mörder? Und natürlich die Frage aller Fragen: Wie viele Einarmige kommen in diesem Film überhaupt vor?
Ohne letzteres spoilern zu wollen, möchte ich hier verraten: Es sind insgesamt nur (›nur‹) vier. Trotzdem finden sich im Netz zahlreiche Rezensionen, in denen von bis zu sieben Einarmigen die Rede ist. Das liegt daran, dass der Film erzählerisch ein überaus geschicktes Verwirrspiel darstellt. Es kommen Einarmige vor, die sich als Zweiarmige ausgeben, und Zweiarmige, die sich als Einarmige ausgeben. Und eine Schlüsselszene zeigt die Perspektive eines unzuverlässigen Erzählers. Ich selbst habe einige Zeit überlegen müssen, ob nicht doch drei oder fünf die richtige Antwort ist ...
Wenn ich sage, der Film ist vergleichsweise wenig actionlastig, heißt das natürlich nicht, dass es in den Kampfszenen nicht richtig zur Sache geht. Im Gegenteil, der Kontrast zwischen Wangs rohem Kampfstil und Chiangs Eleganz ist äußerst sehenswert. Und ist es nicht besonders zu würdigen, dass der finale Kampf gegen den endlich entlarvten Oberbösewicht ausgerechnet in einem Hühnerstall stattfindet? Ich finde schon.
Weitere Verrücktheiten, mit denen der Film aufwartet: Ein Gasthaus, in dem Fong und Li sich mit Reiswein zuprosten, wird unversehens von einer Horde Schwertkämpfer überfallen, deren Kostüme so aussehen, als seien sie der Requisitenkammer eines Barbar:innen-Trashfilms der Achtziger entnommen. Und als ob der Genremix aus Whodunit und Kung Fu nicht schon abgedreht genug wäre, ist die Filmmusik von Stanley Chow auch noch die nahezu perfekte Imitation eines Morricone-Soundtracks.*
* Chow war in den 1970 für den Score von hunderten Filmen verantwortlich. Dabei bediente er sich gern großzügig bei Komponisten wie Ennio Morricone und Riz Ortolani.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen