Dienstag, 31. Dezember 2013
Das transsylvanische Gewässer wünscht seinen Leserinnen und Lesern ...
... ein neues Jahr voller Müßiggang und Bücherglück natürlich!
Labels:
Weder gedruckt noch gebunden
Donnerstag, 19. Dezember 2013
Neuzugänge
- Peter Benchley, Jaws
- Ellen Datlow/Terri Windling (Hgg.), Das neue Buch der Fantasy. Magisch – Unheimlich – Phantastisch
- Neil Gaiman, Fragile Things: Short Fictions and Wonders
- Mary Gentle, Herr der Ratten
- Frank Herbert, The Great Dune Trilogy
- George Langelaan, Die Fliege. Erzählungen aus der phantastischen Wirklichkeit
- Elizabeth A. Lynn, Der Rat der Hexer
- China Miéville, Embassytown
- Michael Moorcock, Der Eroberer
- Matthew Woodring Stover, Eiserne Dämmerung
- Mervyn Wall, Der unheilige Fursey
Labels:
SUB
Mittwoch, 18. Dezember 2013
Legend of Korra!!!!111einself
Ich habe es noch nie erwähnt, glaube ich, aber jetzt, nach dem wieder genialen Finale der zweiten Staffel von Legend of Korra muss ich mich doch endlich mal als großer Fan outen. Sowohl von der Vorgängerserie Avatar: The Last Airbender,* wie auch der aktuellen.
Also will ich mal, für die (hoffentlich wenigen) Menschen die noch nicht wissen was das alles ist und warum es so toll ist, etwas raven.
Die Serien spielen in einer überwiegend frühneuzeitlichen, asiatischen Fantasy-Welt, in der manche Menschen mittels Kampfkunstroutinen in der Lage sind die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft zu kontrollieren – zu bewegen, umzuformen etc. Und nur eine Person, Avatar genannt, kann alle vier Elemente bändigen. Die Aufgabe des Avatar ist es, Balance und Frieden in der Welt der Menschen zu wahren, und Mittler zur Geisterwelt zu sein. Entsprechend den Elementen ist die Welt geteilt in vier Völker: Die Feuernation, die zwei Wasserstämme, das Erdkönigreich, und die Luftnomaden.
Zu Beginn von Avatar: The Last Airbender ist der Avatar seit 100 Jahren verschwunden, und die frühindustrielle Feuernation hat die Chance genutzt einen Eroberungskrieg zu beginnen. Die Luftnomaden haben sie bereits ausgerottet, als der Avatar wiedergefunden wird: der 12jährige Luftbändiger Aang. Zusammen mit seinen Freunden stellt er sich der Aufgabe, den Krieg zu beenden.
Korra, eine jugendliche Wasserbändigerin mit flammendem Temperament, ist nach Aangs Tod die nächste Inkarnation des Avatar. Sie wird geboren in eine veränderte Welt, in die Verbrennungsmotoren und elektrisches Licht Einzug gefunden haben. Auch die Trennung in vier Nationen beginnt sich im Stadtstaat Republic City aufzulösen. Doch schon bald merkt Korra, dass sich in der Stadt eine Anti-Bändiger-Revolution unter einem charismatischen und gefährlichen Führer zusammenbraut.
TLA ist für eine jüngere Zielgruppe gedacht – die Serie ist mit mehr Humor durchsetzt (v.a. findet sich hier mehr Slapstick), hat jüngere Protagonisten, weniger fokussiertes Erzählen mit mehr Filler-Folgen, und weniger Romance.
Andererseits verfolgen alle drei Staffeln einen einzigen Handlungsbogen, der am Ende der dritten Staffel aufgelöst wird. LoK ist (und wird wohl auch weiterhin so sein) sequenzieller. Die ersten beiden Staffeln enden jeweils damit, dass das Problem überwunden ist, so dass man also am Ende jeder Staffel aussteigen könnte. Wie der Vergleich schon andeutet, sind Jugendliche hier die Zielgruppe, was sich in einer ernsteren Stimmung und mehr Teenage Romance niederschlägt.
Neben dem großartigen Humor der Serien zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie epische Fantasy mit exquisiter Dramatik und wunderbaren Bildwelten erzählen. Die Charaktere sind nuanciert und werden ernstgenommen – größtenteils ;-) Nicht nur, dass eine Reihe selbstbewusster, selbstständiger weiblicher Charaktere auftritt** – Geschlechterrollen und Emanzipation von diesen wird explizit thematisiert. In Kombination mit der Präsenz von asiatischer, Eskimo- und anderen Kulturen, und ethnischer Diversität, scheinen dies momentan herausragende Serien im Kinderprogramm zu sein. Leider nicht durchbrochen wird die Hetero- und Mononormativität in den romantischen Handlungsfäden – ich erhoffe mir immer noch mehr von LoK als die ewiggleichen love triangles.
Einen kleinen Haken haben beide Serien: Sie fangen jeweils vergleichweise subpar an; gerade bei TLA ist mir das kürzlich wieder aufgefallen: die ersten Folgen sind keine Reißer, eher langsam und undramatisch. Bei TLA würde ich sagen, dass das Finale der ersten Staffel einen guten Eindruck vom Rest der Serie gibt.
Auch die erste Staffel von LoK hat zwar insgesamt ein gutes Niveau an Spannung, aber m.E. keinen so herausragenden Höhepunkt – dafür aber leider Momente schwacher Dialoge und uninteressanter Abschweifungen (Autorennen?!? für mich nicht, danke!).
Für wen Spoiler kein Sakrileg sind, kann schauen ob Folgen wie TLA 220 The Crossroads of Destiny oder LoK 108 When Extremes Meet anfixend wirken.
* Dem Pedantischen Prinzip in mir geht es gegen den Strich, dass die zwei Serien nicht kontinuitätwahrend Avatar: The Legend of Aang und Avatar: The Legend of Korra heißen.
** Und mit Tenzin in LoK auch ein Mann, der nach einem Streit mit seinen Geschwistern Geborgenheit bei seiner jungen Tochter sucht, seine Zuneigung zum fliegenden Bisonkalb namens Blueberry Spicehead offen ausdrückt, und seiner Schülerin Korra gegenüber seine Unzulänglichkeiten zugeben kann.
Also will ich mal, für die (hoffentlich wenigen) Menschen die noch nicht wissen was das alles ist und warum es so toll ist, etwas raven.
Die Serien spielen in einer überwiegend frühneuzeitlichen, asiatischen Fantasy-Welt, in der manche Menschen mittels Kampfkunstroutinen in der Lage sind die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft zu kontrollieren – zu bewegen, umzuformen etc. Und nur eine Person, Avatar genannt, kann alle vier Elemente bändigen. Die Aufgabe des Avatar ist es, Balance und Frieden in der Welt der Menschen zu wahren, und Mittler zur Geisterwelt zu sein. Entsprechend den Elementen ist die Welt geteilt in vier Völker: Die Feuernation, die zwei Wasserstämme, das Erdkönigreich, und die Luftnomaden.
Zu Beginn von Avatar: The Last Airbender ist der Avatar seit 100 Jahren verschwunden, und die frühindustrielle Feuernation hat die Chance genutzt einen Eroberungskrieg zu beginnen. Die Luftnomaden haben sie bereits ausgerottet, als der Avatar wiedergefunden wird: der 12jährige Luftbändiger Aang. Zusammen mit seinen Freunden stellt er sich der Aufgabe, den Krieg zu beenden.
Korra, eine jugendliche Wasserbändigerin mit flammendem Temperament, ist nach Aangs Tod die nächste Inkarnation des Avatar. Sie wird geboren in eine veränderte Welt, in die Verbrennungsmotoren und elektrisches Licht Einzug gefunden haben. Auch die Trennung in vier Nationen beginnt sich im Stadtstaat Republic City aufzulösen. Doch schon bald merkt Korra, dass sich in der Stadt eine Anti-Bändiger-Revolution unter einem charismatischen und gefährlichen Führer zusammenbraut.
TLA ist für eine jüngere Zielgruppe gedacht – die Serie ist mit mehr Humor durchsetzt (v.a. findet sich hier mehr Slapstick), hat jüngere Protagonisten, weniger fokussiertes Erzählen mit mehr Filler-Folgen, und weniger Romance.
Andererseits verfolgen alle drei Staffeln einen einzigen Handlungsbogen, der am Ende der dritten Staffel aufgelöst wird. LoK ist (und wird wohl auch weiterhin so sein) sequenzieller. Die ersten beiden Staffeln enden jeweils damit, dass das Problem überwunden ist, so dass man also am Ende jeder Staffel aussteigen könnte. Wie der Vergleich schon andeutet, sind Jugendliche hier die Zielgruppe, was sich in einer ernsteren Stimmung und mehr Teenage Romance niederschlägt.
Neben dem großartigen Humor der Serien zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie epische Fantasy mit exquisiter Dramatik und wunderbaren Bildwelten erzählen. Die Charaktere sind nuanciert und werden ernstgenommen – größtenteils ;-) Nicht nur, dass eine Reihe selbstbewusster, selbstständiger weiblicher Charaktere auftritt** – Geschlechterrollen und Emanzipation von diesen wird explizit thematisiert. In Kombination mit der Präsenz von asiatischer, Eskimo- und anderen Kulturen, und ethnischer Diversität, scheinen dies momentan herausragende Serien im Kinderprogramm zu sein. Leider nicht durchbrochen wird die Hetero- und Mononormativität in den romantischen Handlungsfäden – ich erhoffe mir immer noch mehr von LoK als die ewiggleichen love triangles.
Einen kleinen Haken haben beide Serien: Sie fangen jeweils vergleichweise subpar an; gerade bei TLA ist mir das kürzlich wieder aufgefallen: die ersten Folgen sind keine Reißer, eher langsam und undramatisch. Bei TLA würde ich sagen, dass das Finale der ersten Staffel einen guten Eindruck vom Rest der Serie gibt.
Auch die erste Staffel von LoK hat zwar insgesamt ein gutes Niveau an Spannung, aber m.E. keinen so herausragenden Höhepunkt – dafür aber leider Momente schwacher Dialoge und uninteressanter Abschweifungen (Autorennen?!? für mich nicht, danke!).
Für wen Spoiler kein Sakrileg sind, kann schauen ob Folgen wie TLA 220 The Crossroads of Destiny oder LoK 108 When Extremes Meet anfixend wirken.
* Dem Pedantischen Prinzip in mir geht es gegen den Strich, dass die zwei Serien nicht kontinuitätwahrend Avatar: The Legend of Aang und Avatar: The Legend of Korra heißen.
** Und mit Tenzin in LoK auch ein Mann, der nach einem Streit mit seinen Geschwistern Geborgenheit bei seiner jungen Tochter sucht, seine Zuneigung zum fliegenden Bisonkalb namens Blueberry Spicehead offen ausdrückt, und seiner Schülerin Korra gegenüber seine Unzulänglichkeiten zugeben kann.
Labels:
Kinder- und Jugendliteratur,
TV-Serien
Dienstag, 10. Dezember 2013
Merkwürdige Geschöpfe
Zwei Zitate von US-amerikanischen Fantasy-Autor_innen, die eine gewisse Diskrepanz zwischen der nordamerikanischen und der europäischen Tolkien-Rezeption offenbaren. Man beachte, dass Tolkien, als der Lord of the Rings erschien, in Großbritannien als Autor ohne Publikum galt:
Man ist versucht, an George R.R. Martin zu denken, der in Deutschland und Schottland von Burgruine zu Burgruine reist, und fühlt sich an die Romantiker Wackenroder und Tieck erinnert, die sich in den historischen Gassen Nürnbergs Träumereien über die Vergangenheit hingaben – nur träumten die beiden frühreifen Genies aus Berlin vor 200 Jahren, als die Grenzen zwischen Geschichtsbewusstsein und Fiktion noch etwas verschwommen waren, während Yolen, Feist und Martin heute leben und schreiben. Ich bin doch immer wieder ein bisschen überrascht darüber, wie oft US-amerikanische Fantasy-Autor_innen rein gar keine Hemmungen zeigen, ihre romantischen Vorstellungen auf Europa zu projizieren. Allerdings ist dies eine Haltung, die die phantastische Literatur der USA von Anfang an begleitete. Henry James schrieb in seiner Nathaniel-Hawthorne-Biographie über die Schwierigkeiten, die ein Autor erfahren musste, der in den USA im ›gotischen‹ Stil schreiben wollte und in seiner Umgebung nach Inspiration suchte:
Das Bild des pseudomittelalterlichen Europa, das die epische Fantasy der Post-Tolkien-Ära nach wie vor dominiert, scheint in seiner Wirkmächtigkeit ungebrochen zu sein. Doch wird es noch verwickelter, wenn man sich den ersten US-amerikanischen Fantasy-Mehrbänder, der nicht nur in Reaktion auf Tolkien geschrieben wurde, sondern auch mit einem explizit pseudoamerikanischen Setting aufwartet, genauer ansieht: The Dark Tower von Stephen King. Im Vorwort der überarbeiteten Fassung des Auftaktbandes The Gunslinger schreibt King erwartungsgemäß, dass ihn die Lektüre des Lord of the Rings zu einer eigenen epischen Fantasy angeregt hat, er aber schnell gemerkt habe, dass mit Tolkien über Hobbits und Elben alles gesagt sei. Überraschend wird es dann, als King auf die alternativen Inspirationsquelle zu sprechen kommt, die er sich gesucht habe: Sergio Leones Spaghettiwestern. Nicht etwa John Ford oder Sam Peckinpah – nein, italienische Schauspieler_innen, die in spanischen Landschaften den amerikanischen Westen imitieren, spenden die Bilder für einen der ersten großen US-Gegenentwürfe zu Tolkien. Wer gerne darüber schimpft, dass wir in Europa nur noch japanische Autos fahren und jeden Abend Filme aus Hollywood im Fernsehen laufen, kann den Einfluss des Italowesterns auf Stephen King als unseren ureigenen europäischen Kulturimperialismus ansehen. Er dürfte sogar weitaus erfolgreicher sein als der in umgekehrter Richtung verlaufende, denn während vermutlich niemand ernsthaft an die Authentizität des Dornröschen-Schlosses in Disneyland glaubt, gibt es sicherlich gar nicht so wenige Menschen, deren Vorstellung vom Wilden Westen von Clint Eastwood geprägt ist, der in den ariden Landschaften von Almería herumstiefelt, oder von Franco Nero, der einen Sarg durch eine Schlammgrube im Latium zerrt.
Übrigens erwähnt Raymond E. Feist in dem eingangs zitierten Essay ganz nebenbei (als ob es nicht weiter bemerkenswert wäre), dass die Zwerge seiner Sekundärwelt Midkemia von »den hart arbeitenden schottischen Bergleuten, die sich im Westen Pennsylvanias niedergelassen haben« inspiriert seien. Merkwürdige Geschöpfe, diese Amis.
Im Jahre 1965 planten mein Mann und ich, mit dem Zelt nach Europa und dem Mittleren Osten zu reisen und dort zu bleiben, solange unser Geld reichte. Es gelang mir, eine britische Hardcover-Ausgabe des ›Herrn der Ringe‹ zu erstehen und ich las sie auf unserer Überfahrt nach England. [...] Zehn Tage später legten wir in Southampton an, und ich war nicht im geringsten überrascht, daß alle Häuser wie Hobbithöhlen aussahen. Ich mußte mich zurückhalten – und ich schaffte es nur mit Mühe –, einen Gastwirt zu bitten, seine Schuhe auszuziehen, damit ich die Oberseite seiner Füße sehen und die darauf wachsenden Haare betrachten konnte.
Tolkien war ein höchst merkwürdiges Geschöpf, nämlich ein britischer christlicher Mystiker, und als solcher verfügte er über persönliche Anschauungen, die seine Kosmologie klar erkennbar beeinflusst haben, darunter der Glaube an den ewigen Konflikt zwischen den elementaren Kräften von Gut und Böse und die Auffassung, dass selbst die unschuldigsten und reinsten Menschen nicht gegen die Verlockungen dunkler Mächte gefeit sind. Gleichzeitig war jedoch klar, dass am Ende das Gute triumphieren würde. [...] Er schuf eine Welt, die sowohl fremdartig als auch vertraut wirkte. Das Auenland bedeutete ›Heimat‹. Selbst wenn der Leser weit entfernt von den grünen Wiesen der westlichen Grafschaften Englands lebte oder noch nie vom Ufer der Themse aus die Sonne hatte untergehen sehen, vermittelte das Auenland ihm ein Heimatgefühl.Das erste Zitat ist von Jane Yolen (aus der Einleitung zu Martin H. Greenbergs Anthologie Die Erben des Rings), das zweite von Raymond E. Feist (aus dem von Karen Haber herausgegebenen Aufsatzband Tolkiens Zauber). Nach der darin vertretenen Auffassung ist es die natürlichste Sache der Welt, dass Europäer_innen Tolkien lesen, denn sie leben in Hobbithöhlen, und wenn sie mal geistlichen Beistand brauchen, finden sie sicherlich einen christlichen Mystiker, der im nächstgelegenen Wald in seiner Klause haust. Und wer zwischen Southampton und der Themse, gemütlich vor der Tür der Hobbithöhle sitzend, des Abends den Sonnenuntergang betrachtet, sieht bestimmt auch keinen Widerspruch zwischen dem Glauben an einen ewigen Kampf zwischen Gut und Böse und der Auffassung, dass am Ende das Gute triumphieren wird. Lieber noch ein paar Rauchringe blasen, statt sich über so etwas den Kopf zu zerbrechen.
Man ist versucht, an George R.R. Martin zu denken, der in Deutschland und Schottland von Burgruine zu Burgruine reist, und fühlt sich an die Romantiker Wackenroder und Tieck erinnert, die sich in den historischen Gassen Nürnbergs Träumereien über die Vergangenheit hingaben – nur träumten die beiden frühreifen Genies aus Berlin vor 200 Jahren, als die Grenzen zwischen Geschichtsbewusstsein und Fiktion noch etwas verschwommen waren, während Yolen, Feist und Martin heute leben und schreiben. Ich bin doch immer wieder ein bisschen überrascht darüber, wie oft US-amerikanische Fantasy-Autor_innen rein gar keine Hemmungen zeigen, ihre romantischen Vorstellungen auf Europa zu projizieren. Allerdings ist dies eine Haltung, die die phantastische Literatur der USA von Anfang an begleitete. Henry James schrieb in seiner Nathaniel-Hawthorne-Biographie über die Schwierigkeiten, die ein Autor erfahren musste, der in den USA im ›gotischen‹ Stil schreiben wollte und in seiner Umgebung nach Inspiration suchte:
No sovereign, no court, no personal loyalty, no aristocracy, no church, no clergy, no army, no diplomatic service, no country gentlemen, no palaces, no castles, nor manors, nor old country houses, nor parsonages, nor thatched cottages, nor ivied ruin; no cathedrals, nor abbeys, nor little Norman churches ...In der US-amerikanischen Phantastik des 19. Jahrhunderts wurde immer wieder versucht, dieses Problem zu lösen und eigenständige Inspirationsquellen zu finden. Das ist auch durchaus gelungen, z.B. durch die Psychologisierung des Unheimlichen in den Kurzgeschichten Edgar Allan Poes – das berühmte Dictum über den Schrecken, der nicht aus Deutschland, sondern aus der Seele kommt. So ganz kam man von Europa aber nicht los. Poe selbst benutzte immer wieder typische Schauplätze, wie man sie aus der europäischen Schauerromantik kennt: Deutsche Adelsschlösser (»Metzengerstein«), das mittelalterliche London (»King Pest«) oder die Kanäle von Venedig (»The Assignation«). Mochte der Schrecken auch aus der Seele stammen, das Material, um ihn zur Darstellung zu bringen, holte man sich oft genug doch wieder aus Deutschland oder anderen europäischen Kontexten. Im Laufe der Zeit hat sich in den USA dann doch so etwas wie eine ›gotische‹ Topographie entwickelt, die von den brütenden Sümpfen und verfallenden Herrenhäusern des Südens bis zu den Hexenjagden in den alten Städten Neuenglands reicht. Aber es bleibt doch bemerkenswert, dass die vielleicht bekannteste auf Americana basierende Fantasy, American Gods, von dem Europäer Neil Gaiman geschrieben wurde.
Das Bild des pseudomittelalterlichen Europa, das die epische Fantasy der Post-Tolkien-Ära nach wie vor dominiert, scheint in seiner Wirkmächtigkeit ungebrochen zu sein. Doch wird es noch verwickelter, wenn man sich den ersten US-amerikanischen Fantasy-Mehrbänder, der nicht nur in Reaktion auf Tolkien geschrieben wurde, sondern auch mit einem explizit pseudoamerikanischen Setting aufwartet, genauer ansieht: The Dark Tower von Stephen King. Im Vorwort der überarbeiteten Fassung des Auftaktbandes The Gunslinger schreibt King erwartungsgemäß, dass ihn die Lektüre des Lord of the Rings zu einer eigenen epischen Fantasy angeregt hat, er aber schnell gemerkt habe, dass mit Tolkien über Hobbits und Elben alles gesagt sei. Überraschend wird es dann, als King auf die alternativen Inspirationsquelle zu sprechen kommt, die er sich gesucht habe: Sergio Leones Spaghettiwestern. Nicht etwa John Ford oder Sam Peckinpah – nein, italienische Schauspieler_innen, die in spanischen Landschaften den amerikanischen Westen imitieren, spenden die Bilder für einen der ersten großen US-Gegenentwürfe zu Tolkien. Wer gerne darüber schimpft, dass wir in Europa nur noch japanische Autos fahren und jeden Abend Filme aus Hollywood im Fernsehen laufen, kann den Einfluss des Italowesterns auf Stephen King als unseren ureigenen europäischen Kulturimperialismus ansehen. Er dürfte sogar weitaus erfolgreicher sein als der in umgekehrter Richtung verlaufende, denn während vermutlich niemand ernsthaft an die Authentizität des Dornröschen-Schlosses in Disneyland glaubt, gibt es sicherlich gar nicht so wenige Menschen, deren Vorstellung vom Wilden Westen von Clint Eastwood geprägt ist, der in den ariden Landschaften von Almería herumstiefelt, oder von Franco Nero, der einen Sarg durch eine Schlammgrube im Latium zerrt.
Übrigens erwähnt Raymond E. Feist in dem eingangs zitierten Essay ganz nebenbei (als ob es nicht weiter bemerkenswert wäre), dass die Zwerge seiner Sekundärwelt Midkemia von »den hart arbeitenden schottischen Bergleuten, die sich im Westen Pennsylvanias niedergelassen haben« inspiriert seien. Merkwürdige Geschöpfe, diese Amis.
Labels:
Der Dunkle Turm,
J.R.R. Tolkien
Montag, 9. Dezember 2013
Die Untoten
Die Untoten ist eine thematische Anthologie, die sich – anders als das Zombie-Beatles-Titelbild vermuten lässt – nicht nur der verwesenden, Gehirne fressenden Variante der Untoten widmet. Die Einleitung verspricht die ganze Bandbreite: »Geister, Gespenster, Ghule, Vampire und Zombies«. Die meisten der Geschichten erscheinen hier zum ersten Mal.
Die Ausnahme bildet »Stürmische Zeiten« von Bernhard Hennen, eine bereits in Wolfgang Hohlbeins Fantasy Selection 2001 gedruckte Story. Ähnlich wie Hennens Roman Nebenan handelt es sich um eine Art Campus-Fantasy. Hennen variiert das Motiv von der verführerischen Wiedergängerin, die in diesem Fall aber, wenn man es genau nimmt, gar keine Untote ist, sondern ein übernatürliches Wesen. Mein Fall ist »Stürmische Zeiten« nicht gerade, schon beim Erstabdruck nicht, und daran hat sich auch durch die erneute Lektüre nicht viel geändert. Schreiten wir also voran zu den Originalbeiträgen.
Thomas Plischkes »In Wort und Bild«, mehr eine Novelle als eine Kurzgeschichte, gefällt mir schon besser. Plischke greift moderne Mythen wie den von den geheimen Rückwärtsbotschaften auf Schallplatten auf und verbindet sie mit Spuk und Mord. Leider wirkt die Hauptfigur vom Typ »abgehalfterter Künstler, der traumatisches Erlebnis nicht verarbeiten kann« nicht sonderlich auf mich. Insgesamt bin ich mir nicht sicher, ob die für mich interessanten Aspekte in dieser Geschichte überwiegen oder nicht. Gern gelesen habe ich sie trotzdem.
»Stimmen, wehend leicht wie der Meereswind« von Christoph Marzi hält, was der Titel verspricht: Kitschmetaphern, die geballte Ladung. Da wird geschwiegen, »als sei es ein Schrei«. Die See ist das, »was sie immer war: tiefer, als man blicken kann«. Erinnerungen sind immer ein kostbarer Schatz, Tränen fließen immer heiß über das Gesicht, die Sonne taucht die Landschaft in warmes Gold und Hände sind wettergegerbt, aber zärtlich. Mit Marzis Schreibe werde ich wohl nie warm werden.
Oliver Dierssens »Akerbeltz« wirkt wie ein Seitenstück zu seinem Debütroman Fledermausland. Das ist schade, denn mit Fledermausland konnte ich (anders als mit Dierssens zweitem Roman, der YA-Fantasy Fausto) nicht viel anfangen. So sagt mir auch »Akerbeltz« nicht sonderlich zu. Wer allerdings Fledermausland mochte, wird diese Geschichte lieben.
»Ein kleiner Tod« von Victoria Schlederer fängt in medias res an und kommt deshalb so rüber, als müsse einem die Hauptfigur bekannt sein. Vielleicht aus Schlederers Debüt Des Teufels Maskerade? Das habe ich leider noch nicht gelesen, höchstens mal darin geblättert. Wie dem auch sei, »Ein kleiner Tod« funktioniert auch so. Und macht Lust, Des Teufels Maskerade endlich zu lesen.
Thilo Corzilius’ Geschichte »In der Wüste« spielt in Israel. Thematisch sicherlich der ungewöhnlichste Beitrag zu dieser Anthologie, denn es geht um ein aus dem Neuen Testament bekanntes Motiv – die Wüste als Ort der Versuchung. In diesem Fall besteht die Versuchung darin, sich der Einsamkeit in ihrer ultimativen Form, dem Tod, zu überlassen. Liest sich sehr interessant. Was aber gar nicht geht: In der Beschreibung von Figuren ausschließlich auf Stereotype zurückzugreifen. Es kommen fünf Personen vor. Eine davon mit Hakennase, eine mit Haut in der »Farbe der tiefsten, sternenlosesten Nacht« und »blitzendweißen Zähnen«, eine weitere »sichtlich mit etwas Latino-Blut in den Adern«, sowie ein »sehr groß gewachsener, schlaksiger Skandinavier«. (Die fünfte Person, der Ich-Erzähler, bleibt unmarkiert und ist daher wohl ebenfalls weiß und männlich.) Schade um eine Story, die sehr gut auch ohne solche Klischees hätte erzählt werden könnten.
»Im Gasthaus zum Schwarzen Eber« ist ein weiterer Beitrag von Thomas Plischke, der diesmal unter seinem Pseudonym Jonas Wolf auftritt. Und hier sind sie endlich, die untotesten aller Untoten: Zombies. Eine kleine Gruppe von Überlebenden hat sich in einem einsam gelegenen Gasthaus verschanzt, während von allen Seiten die lebenden Leichen heranschlurfen.* Wie die Romane Heldenwinter und Heldenzorn spielt die Geschichte in einer Sekundärwelt, der »Welt des Skaldat«. Ein interessanter Genre-Crossover, denn wie man weiß, ist das Gasthaus in der Fantasy typischerweise der Ort, an dem eine Heldengruppe sich zusammenfindet, um zur Weltrettungsqueste aufzubrechen. Nette Idee, das mal in sein Gegenteil zu verkehren, indem das Fantasy-Gasthaus mit dem stets bedrohten Zufluchtsort vor der ringsherum tobenden Zombie-Apokalypse verbunden wird. Einziger Kritikpunkt: Die Geschichte hätte ein sorgfältigeres Korrektorat vertragen können.
Ich bin selten ganz zufrieden mit Anthologien, weshalb ich diese hier, in der zwei Beiträge mir gut gefallen, zwei ein interessantes, aber ambivalentes Leseerlebnis darstellen und drei nicht bei mir ankommen, als eine überwiegend gelungene Zusammenstellung empfinde. Bemerkenswert ist außerdem das schön skurrile Titelbild von Jan Warncke.
Die von Ole Johan Christiansen und Oliver Dierssen herausgegebene Anthologie Die Untoten ist 2011 bei Nerdpol als Kindle-E-Book erschienen.
* Ich habe natürlich keinen Moment lang daran gezweifelt, dass sie irgendwann auftauchen würden. Wenn es einen Zombie-Connaisseur unter den deutschen Fantasy-Autor_innen gibt, dann Plischke.
Die Ausnahme bildet »Stürmische Zeiten« von Bernhard Hennen, eine bereits in Wolfgang Hohlbeins Fantasy Selection 2001 gedruckte Story. Ähnlich wie Hennens Roman Nebenan handelt es sich um eine Art Campus-Fantasy. Hennen variiert das Motiv von der verführerischen Wiedergängerin, die in diesem Fall aber, wenn man es genau nimmt, gar keine Untote ist, sondern ein übernatürliches Wesen. Mein Fall ist »Stürmische Zeiten« nicht gerade, schon beim Erstabdruck nicht, und daran hat sich auch durch die erneute Lektüre nicht viel geändert. Schreiten wir also voran zu den Originalbeiträgen.
Thomas Plischkes »In Wort und Bild«, mehr eine Novelle als eine Kurzgeschichte, gefällt mir schon besser. Plischke greift moderne Mythen wie den von den geheimen Rückwärtsbotschaften auf Schallplatten auf und verbindet sie mit Spuk und Mord. Leider wirkt die Hauptfigur vom Typ »abgehalfterter Künstler, der traumatisches Erlebnis nicht verarbeiten kann« nicht sonderlich auf mich. Insgesamt bin ich mir nicht sicher, ob die für mich interessanten Aspekte in dieser Geschichte überwiegen oder nicht. Gern gelesen habe ich sie trotzdem.
»Stimmen, wehend leicht wie der Meereswind« von Christoph Marzi hält, was der Titel verspricht: Kitschmetaphern, die geballte Ladung. Da wird geschwiegen, »als sei es ein Schrei«. Die See ist das, »was sie immer war: tiefer, als man blicken kann«. Erinnerungen sind immer ein kostbarer Schatz, Tränen fließen immer heiß über das Gesicht, die Sonne taucht die Landschaft in warmes Gold und Hände sind wettergegerbt, aber zärtlich. Mit Marzis Schreibe werde ich wohl nie warm werden.
Oliver Dierssens »Akerbeltz« wirkt wie ein Seitenstück zu seinem Debütroman Fledermausland. Das ist schade, denn mit Fledermausland konnte ich (anders als mit Dierssens zweitem Roman, der YA-Fantasy Fausto) nicht viel anfangen. So sagt mir auch »Akerbeltz« nicht sonderlich zu. Wer allerdings Fledermausland mochte, wird diese Geschichte lieben.
»Ein kleiner Tod« von Victoria Schlederer fängt in medias res an und kommt deshalb so rüber, als müsse einem die Hauptfigur bekannt sein. Vielleicht aus Schlederers Debüt Des Teufels Maskerade? Das habe ich leider noch nicht gelesen, höchstens mal darin geblättert. Wie dem auch sei, »Ein kleiner Tod« funktioniert auch so. Und macht Lust, Des Teufels Maskerade endlich zu lesen.
Thilo Corzilius’ Geschichte »In der Wüste« spielt in Israel. Thematisch sicherlich der ungewöhnlichste Beitrag zu dieser Anthologie, denn es geht um ein aus dem Neuen Testament bekanntes Motiv – die Wüste als Ort der Versuchung. In diesem Fall besteht die Versuchung darin, sich der Einsamkeit in ihrer ultimativen Form, dem Tod, zu überlassen. Liest sich sehr interessant. Was aber gar nicht geht: In der Beschreibung von Figuren ausschließlich auf Stereotype zurückzugreifen. Es kommen fünf Personen vor. Eine davon mit Hakennase, eine mit Haut in der »Farbe der tiefsten, sternenlosesten Nacht« und »blitzendweißen Zähnen«, eine weitere »sichtlich mit etwas Latino-Blut in den Adern«, sowie ein »sehr groß gewachsener, schlaksiger Skandinavier«. (Die fünfte Person, der Ich-Erzähler, bleibt unmarkiert und ist daher wohl ebenfalls weiß und männlich.) Schade um eine Story, die sehr gut auch ohne solche Klischees hätte erzählt werden könnten.
»Im Gasthaus zum Schwarzen Eber« ist ein weiterer Beitrag von Thomas Plischke, der diesmal unter seinem Pseudonym Jonas Wolf auftritt. Und hier sind sie endlich, die untotesten aller Untoten: Zombies. Eine kleine Gruppe von Überlebenden hat sich in einem einsam gelegenen Gasthaus verschanzt, während von allen Seiten die lebenden Leichen heranschlurfen.* Wie die Romane Heldenwinter und Heldenzorn spielt die Geschichte in einer Sekundärwelt, der »Welt des Skaldat«. Ein interessanter Genre-Crossover, denn wie man weiß, ist das Gasthaus in der Fantasy typischerweise der Ort, an dem eine Heldengruppe sich zusammenfindet, um zur Weltrettungsqueste aufzubrechen. Nette Idee, das mal in sein Gegenteil zu verkehren, indem das Fantasy-Gasthaus mit dem stets bedrohten Zufluchtsort vor der ringsherum tobenden Zombie-Apokalypse verbunden wird. Einziger Kritikpunkt: Die Geschichte hätte ein sorgfältigeres Korrektorat vertragen können.
Ich bin selten ganz zufrieden mit Anthologien, weshalb ich diese hier, in der zwei Beiträge mir gut gefallen, zwei ein interessantes, aber ambivalentes Leseerlebnis darstellen und drei nicht bei mir ankommen, als eine überwiegend gelungene Zusammenstellung empfinde. Bemerkenswert ist außerdem das schön skurrile Titelbild von Jan Warncke.
Die von Ole Johan Christiansen und Oliver Dierssen herausgegebene Anthologie Die Untoten ist 2011 bei Nerdpol als Kindle-E-Book erschienen.
* Ich habe natürlich keinen Moment lang daran gezweifelt, dass sie irgendwann auftauchen würden. Wenn es einen Zombie-Connaisseur unter den deutschen Fantasy-Autor_innen gibt, dann Plischke.
Labels:
Plischke,
Rezensionen,
Zombies
Sonntag, 8. Dezember 2013
Die Zufallsmaschine
Alex Smart (jung, Brite, Allerweltstyp) reist quer durch die Vereinigten Staaten, um seiner Freundin Carey einen Heiratsantrag zu machen (was Carey umtreibt, erfahren wir zunächst nicht). Problem: Der Ring in Alex’ Tasche ist vielleicht die titelgebende Zufallsmaschine. Vielleicht auch nicht. Zufallsmaschine heißt, dass sich damit die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen beeinflussen lässt. Erfunden hat die Maschine ein exzentrischer Mathematiker, Nicolas Banacharski, der in einer abgelegenen Ecke Frankreichs in einer Hütte lebt. Wie die Maschine in Alex’ Tasche gelangte, ist unklar. Aber wie sich das für einen jungen Mann gehört, der ahnungslos in die Welt hinauszieht, wird er verfolgt: Das DEI ist das Direktorat für das Extrem Unwahrscheinliche, soll heißen, eine geheime Behörde, die für genau solche Fälle wie Alex’ Ring zuständig ist. Das DEI hält die Maschine für eine Waffe und möchte sie in die Hände bekommen.
Flashback. Banacharski, der brillante Wissenschaftler, wird durch den Mai ’68 politisiert und schmeißt seinen Lehrstuhl an der Sorbonne hin. Er wird immer eigentümlicher, schreibt seltsame Briefe und verschwindet schließlich von der Bildfläche – bis Isla Holderness, eine junge Mathematikerin, ihn in den Pyrenäen findet, wo er eine Einsiedlerexistenz führt. Ihre Kontaktaufnahme zu Banacharski wird in einem zweiten Handlungsstrang erzählt; Banacharskis Vorgeschichte dagegen nur kurz rekapituliert.
200 Seiten später ist nichts passiert. Alex tingelt noch immer durch die USA, während rings um ihn her bizarre Ereignisse geschehen, die vielleicht durch den Ring in seiner Tasche ausgelöst werden, der vielleicht Banacharskis Zufallsmaschine ist. Man hat beim Lesen nicht das Gefühl, dass er sich einem Ziel nähert. Er selbst ist auch nicht gerade übermäßig interessant. Eine Art Neil-Gaiman-Held, ein Allerweltstyp eben. Allerdings gibt es bei Gaiman meist eine spannende Handlung und liebenswerte Nebenfiguren. Holderness ist es zwar gelungen, das Vertrauen Banacharskis zu gewinnen. Aber nichts deutet daraufhin, dass aus ihrem Zusammentreffen irgendeine den Roman voranbringende Dynamik entstehen könnte.
Natürlich geht es in diesem Buch ums Paradoxe (mitsamt den obligatorischen Anspielungen auf Lewis Carroll). Logik, Mathematik und Physik sollen dazu benutzt werden, eine schräge Geschichte zu erzählen. Also wird am Ende wohl alles ganz anders sein, als man zu Beginn annimmt. Was wiederum nicht wirklich paradox ist, sondern einfach nur ein trope. Dennoch könnte das Buch spannend sein. Es wäre sogar möglich, dass die zweite Hälfte sehr viel mitreißender ist als die erste.
Ich hab’s trotzdem aufgegeben. Es gibt nämtlich noch ein zweites Problem mit Die Zufallsmaschine. Das Buch liest sich, als hätte Leith versucht, einen Roman von Matt Ruff zu schreiben. Stellenweise fühlt man sich so sehr an Bad Monkeys erinnert, wie man sich beim Lesen von The Sword of Shannara an den Lord of the Rings erinnert fühlt. Tatsächlich, auch wenn dieser Vergleich nicht zu falschen Schlussfolgerungen führen sollte. Hervorzuheben ist nämlich, dass Leiths Buch an keiner Stelle wie ein Rip-off wirkt. Eher wie das, was es wahrscheinlich auch ist: Der Debütroman eines Autors, der einem großen Vorbild nacheifern will.
Dabei müsste das alles – die unspannenden Figuren, der trödelige Plot, die Anleihen bei Ruff – nicht sein. Leith kann schreiben, er hat ein Gespür für witzige Szenen. Folgendes geht im Kopf eines Professors vor, der vom DEI entführt wird, um über seinen Kollegen Banacharski ausgequetscht zu werden:
Die Zufallsmaschine von Sam Leith (349 Seiten) ist bei Manhattan erschienen. Die Übersetzung besorgte Thomas Mohr.
Flashback. Banacharski, der brillante Wissenschaftler, wird durch den Mai ’68 politisiert und schmeißt seinen Lehrstuhl an der Sorbonne hin. Er wird immer eigentümlicher, schreibt seltsame Briefe und verschwindet schließlich von der Bildfläche – bis Isla Holderness, eine junge Mathematikerin, ihn in den Pyrenäen findet, wo er eine Einsiedlerexistenz führt. Ihre Kontaktaufnahme zu Banacharski wird in einem zweiten Handlungsstrang erzählt; Banacharskis Vorgeschichte dagegen nur kurz rekapituliert.
200 Seiten später ist nichts passiert. Alex tingelt noch immer durch die USA, während rings um ihn her bizarre Ereignisse geschehen, die vielleicht durch den Ring in seiner Tasche ausgelöst werden, der vielleicht Banacharskis Zufallsmaschine ist. Man hat beim Lesen nicht das Gefühl, dass er sich einem Ziel nähert. Er selbst ist auch nicht gerade übermäßig interessant. Eine Art Neil-Gaiman-Held, ein Allerweltstyp eben. Allerdings gibt es bei Gaiman meist eine spannende Handlung und liebenswerte Nebenfiguren. Holderness ist es zwar gelungen, das Vertrauen Banacharskis zu gewinnen. Aber nichts deutet daraufhin, dass aus ihrem Zusammentreffen irgendeine den Roman voranbringende Dynamik entstehen könnte.
Natürlich geht es in diesem Buch ums Paradoxe (mitsamt den obligatorischen Anspielungen auf Lewis Carroll). Logik, Mathematik und Physik sollen dazu benutzt werden, eine schräge Geschichte zu erzählen. Also wird am Ende wohl alles ganz anders sein, als man zu Beginn annimmt. Was wiederum nicht wirklich paradox ist, sondern einfach nur ein trope. Dennoch könnte das Buch spannend sein. Es wäre sogar möglich, dass die zweite Hälfte sehr viel mitreißender ist als die erste.
Ich hab’s trotzdem aufgegeben. Es gibt nämtlich noch ein zweites Problem mit Die Zufallsmaschine. Das Buch liest sich, als hätte Leith versucht, einen Roman von Matt Ruff zu schreiben. Stellenweise fühlt man sich so sehr an Bad Monkeys erinnert, wie man sich beim Lesen von The Sword of Shannara an den Lord of the Rings erinnert fühlt. Tatsächlich, auch wenn dieser Vergleich nicht zu falschen Schlussfolgerungen führen sollte. Hervorzuheben ist nämlich, dass Leiths Buch an keiner Stelle wie ein Rip-off wirkt. Eher wie das, was es wahrscheinlich auch ist: Der Debütroman eines Autors, der einem großen Vorbild nacheifern will.
Dabei müsste das alles – die unspannenden Figuren, der trödelige Plot, die Anleihen bei Ruff – nicht sein. Leith kann schreiben, er hat ein Gespür für witzige Szenen. Folgendes geht im Kopf eines Professors vor, der vom DEI entführt wird, um über seinen Kollegen Banacharski ausgequetscht zu werden:
Amerika war zwar ein totalitärer Feind der freien Rede, ermordete aber im Allgemeinen keine weißen Männer aus der Mittelschicht. Er würde Schmerzen erdulden, eloquente Reden halten und zu einer cause célèbre werden. Er stellte sich vor, wie Chomsky auf CNN über ihn referierte und Glenn Beck auf Fox über ihn herzog.Beim Guardian schreibt Leith u.a. über C.S. Lewis, Christopher Priest und Stephen King. Seine Rezensionen sind ausgesprochen lesenswert. In Die Zufallsmaschine fehlt es nicht an Stil, es fehlt an Struktur und einer eigenständigen Idee. Sollte Leith es noch einmal mit einem Roman versuchen, bei dem ersichtlich ist, dass er das hat, was seinem Debüt fehlt – ich würde ihm gern noch einmal eine Chance geben.
Die Zufallsmaschine von Sam Leith (349 Seiten) ist bei Manhattan erschienen. Die Übersetzung besorgte Thomas Mohr.
Labels:
Rezensionen
Abonnieren
Posts (Atom)
Foto-Disclaimer
Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.