Dienstag, 5. März 2013

Drachen und Giganten

Ich habe zu sogenannter Fantasy-Art ein eher gespaltenes Verhältnis. Die Klassiker, Frank Frazetta und Boris Vallejo, entlocken mir jedenfalls keine Jubelschreie, Coverillustratoren der Gegenwart wie Michael Whelan meist ebensowenig. Und was diejenigen betrifft, die sich an Tolkiens Legendarium versuchen: Die Brüder Hildebrandt finde ich zum Davonlaufen. John Howe, Alan Lee und Ted Nasmith machen dagegen in meinen Augen ganz gute Arbeit, obwohl ich auch hier zugeben muss, dass ihr Werk mich eher selten wirklich anspricht.*

Unter anderem aus diesem Grund freute ich mich sehr, als ich hörte, dass Guillermo del Toro sich bei seiner gescheiterten Hobbit-Verfilmung an Märchenillustratoren wie Arthur Rackham** orientieren wollte und auch in den Bildern, die der Meister selbst seinem Buch beigegeben hatte, Inspiration suchte. Der Film hat leider nicht sein sollen, wie wir allerspätestens seit letztem Dezember wissen, aber er hat ein paar flüchtige Spuren hinterlassen. Eine davon ist John Howes Buch Forging Dragons, zu dem del Toro ein Vorwort verfasste. Darin enthüllt der mexikanische Regisseur, dass er in El laberinto del fauno einen Drachen vorkommen lassen wollte – genauer gesagt, in dem Märchen, das Ofelia ihrem ungeborenen Bruder erzählt:
[E]in schwarzer Drache mit Hörnern, mit einem Flintstein-Berg verschmolzen und von Dornengestrüpp umgeben. Und auf dem Gipfel des Berges eine zarte blaue Rose, die dem, der sie zu pflücken wagt, Unsterblichkeit verleiht. Aber der Drache (ich nannte ihn Varanium Silex) war so grimmig, dass die Menschen lieber den Schmerz mieden, als zum ewigen Leben zu gelangen. Die Fabel war für den Kern der Botschaft des Films wichtig, aber der Drache musste trotzdem aus der Sequenz fliegen. Geld-, Ressourcen- und Zeitmangel besiegelten sein Schicksal. Doch vermisse ich ihn bis heute – denn wie die Rose ist der Drachen [sic!] ein polyvalentes Symbol. Eines, das sich je nach Mythologie wandelt, aber dennoch seine universelle Macht nicht einbüßt.
Howe hat für das Vorwort zu seinem Buch eine Bleistiftzeichnung von Varanium Silex angefertigt, die wahrscheinlich alles ist, was wir von diesem Drachen jemals sehen werden. Auch hier bleibt also nur eine flüchtige Spur, die Größeres erahnen lässt. Del Toros Worte sind ganz im Sinne Tolkiens, für den Drachen ein Objekt des Verlangens, der Sehnsucht waren. Die Sehnsucht nach Varanium Silex kann ich gut verstehen.

Leider ist das Vorwort auch schon das interessanteste an diesem Buch, das in der deutschen Ausgabe aus unerfindlichen Gründen Drachen und Giganten heißt, obwohl letztere in ihm nicht vorkommen. Der den Bildern beigegebene Text besteht zum größten Teil aus langweiligen mythologischen Erläuterungen, die ich etwa ab der Hälfte der Seiten zu überblättern begonnen habe. Lesenswert sind dagegen Howes Kommentare zu den einzelnen Bildern und Skizzen, die ein lebendiges Bild von der Arbeitsweise des kanadischen Malers geben. Howe spart in seinen Anmerkungen nicht an Selbstkritik und deutet manchmal an, was er an dem gleichen Bild, hätte er es noch einmal zu malen, im zweiten Versuch anders machen würde. Das hinterlässt einen sehr ehrlichen und sympathischen Eindruck.

Der erste Teil des Buches widmet sich mythischen Ungeheuern wie Tiamat, Ouroboros und Nidhöggr. Im zweiten Teil werden die Drachen der Sage behandelt, von Fafnir bis Melusine. Im dritten Teil geht es unter dem Titel »Drachen anderer Welten« um verschiedene Werke der Fantasy, in denen Drachen eine zentrale Rolle spielen: Anne McCaffreys Pern, Robin Hobbs Liveship Traders, Ursula K. Le Guins Erdsee und natürlich Tolkiens Legendarium.*** Zu diesem Teil haben Hobb und McCaffrey kurze Geleittexte beigesteuert. Aufgefallen ist mir, dass die Übersetzerinnen scheinbar keine Ahnung von Tolkien haben, so ist in der deutschen Ausgabe von einer »Schlacht von Valar« und einem »Schwarzen Turm« die Rede. Das Buch ist außerdem mit einem Index versehen, in dem einige der Stichwörter seltsamerweise nicht übersetzt wurden.

Drachen und Giganten von John Howe ist 2009 in der Edition Michael Fischer erschienen. Die Übersetzung besorgten Heike Rosbach und Hanne Henninger.

* Nasmith’ Illustrationen zu A Song of Ice and Fire gefallen mir dagegen fast uneingeschränkt.
** Del Toro erwähnte in diesem Zusammenhang den Einfluss, den Rackhams Stil auf die 1977er Verfilmung des Hobbit hatte – meines Erachtens die gelungenste unter den Zeichentrickadaptionen von Tolkiens Werk.
*** Mehr am Rande kommen auch Illustrationen zu Werken von Robert E. Howard und Barbara Hambly vor.

3 Kommentare:

Raskolnik hat gesagt…

In Sachen Fantasy-Art bin ich ja nun wirklich nicht sonderlich bewandert, aber die Sache mit Guillermos Schwarzem Drachen finde ich doch echt faszinierend. Allerdings halte ich die Szene auch ohne Varanium Selix bereits für äußerst beeindruckend.

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Beeindruckend finde ich die Szene auch. Ich hätte zwar gern gesehen, was del Toro mit einem größeren Budget aus ihr gemacht hätte, hoffe aber andererseits auch, dass der jodido gordo loco aus Guadalajara sich nicht irgendwann in eine Art Jorge Lucas verwandelt, der das nachträgliche Herumspielen an seinen Filmen nicht lassen kann.

Raskolnik hat gesagt…

Oh bitte, bitte nicht !!!

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.