Mittwoch, 11. Juli 2012

Treueschwur

Mit dem Expanded Universe von Star Wars verbindet mich eine gewisse Hassliebe. Einerseits geht mir Military SF nicht nur am Arsch vorbei, sondern mit ihrem Waffen- und Gerätefetischismus oft auch gehörig auf den Senkel. Das im Expanded Universe publizierte Military-Zeugs finde ich entsprechend lästig. Andererseits waren im Expanded Universe durchaus gute bis sehr gute Autoren wie Sean Stewart und Matthew Stover tätig, die mir das gegeben haben, von dem ich im Zusammenhang mit Star Wars schwerlich genug bekommen kann: Jedi, Planetenabenteuer, die Macht, Fantasy im Weltraum, Schmugglerinnen und Piraten, Lichtschwertduelle und natürlich noch mehr Jedi!

Timothy Zahn, der das Expanded Universe geprägt hat wie kein anderer,* steht für mich in der Mitte zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Einige seiner Star-Wars-Romane schätze ich sehr, andere wiederum sind mir eindeutig zu Military-SF-lastig. Unvergessen ist natürlich Zahns Trilogie über Großadmiral Thrawn, die ursprünglich unter dem Namen The Star Wars Trilogy erschienen ist. Tatsächlich, so war das. Und obwohl es kaum beabsichtigt ist, steckt in dem Titel doch ziemlich viel Wahrheit: Zahn erzählt darin im Grunde die Geschichte von Lucas’ alter Filmtrilogie erneut. Als hätte es den souveränen, schwarzgekleideten jungen Ritter in Return of the Jedi nie gegeben, ist Luke Skywalker zu Beginn der Thrawn-Trilogie wieder so unsicher und bauernjungenhaft wie ganz zu Anfang. Wieder gilt es eine Superwaffe des Imperiums zu zerstören, wieder einen übermächtigen Feind zu schlagen, wieder den Umgang mit der Macht zu erlernen. Und trotzdem ist Zahns Trilogie gelungen. Das liegt vor allem daran, dass der übermächtige Feind kein bloßes Abziehbild des Imperators oder Vaders ist, sondern ein kühles, scharfsinniges, strategisch denkendes Genie, in dem Behutsamkeit und Wagemut vereint sind. Den Chiss in der weißen Traumschiff-Uniform zu erfinden und gegen die Rebellenallianz antreten zu lassen, war Zahns brillante Idee, vielleicht seine einzige.**

Nach dem Erfolg kommt der Absturz. Statt an das Ende seiner guten Geschichte zu glauben, legte Zahn den Doppelroman The Hand of Thrawn vor. Darin wollte er uns glauben machen, Thrawn hätte mit der Duldung des Imperators in einem entlegenen Winkel der Galaxis ein geheimes Parallel-Imperium aufgebaut, das Empire of the Hand. Sinn ergibt das keinen, es handelt sich eher um Zahns persönliche Wunscherfüllung. Denn das Empire of the Hand stellt natürlich die 501. Legion erneut auf – wir erinnern uns: Die 501. ist die faschistische Truppe, die Vader persönlich unterstellt ist und in Revenge of the Sith die Jedi-Zöglinge massakriert. Zahn ist von den Jungs mit den weißen Rüstungen und den großen Ballermännern fasziniert wie sonst wahrscheinlich nur vom US Marine Corps. Sein reichlich unglaubwürdiger Einfall, ein zweites Imperium einzuführen, dient ihm dabei als Deus ex machina. Das neue Imperium ist nämlich gar nicht so böse wie das alte. Es will einfach nur Frieden und Sicherheit. Um mit allen gut klarzukommen, hat es sogar Imperator Palpatines rassistische Ideologie aufgegeben. Und, o Wunder, die zuvor so gefürchteten Jungs von der 501. kämpfen jetzt, damit in der Galaxis Ruhe und Ordnung herrscht und brave Bürgersleut sich abends unbeschwert zur Ruhe betten könnten. Sogar Angehörige von Alien-Spezies hat die 501. in ihre Reihen aufgenommen. Es ist ein wenig so, als hätte die SA oder der Ku-Klux-Klan beschlossen, sich durch Diversity Management einen weltoffenen Anstrich zu geben, und es liest sich auch genauso bescheuert.

Als nächstes veröffentlichte Zahn zwei alleinstehende Romane, Survivor’s Quest und Outbound Flight, die weitaus erträglicher sind als The Hand of Thrawn. Sie erzählen die Nach- bzw. Vorgeschichte der ursprünglichen Thrawn-Trilogie, oder genauer gesagt die Geschichte der Kontaktaufnahme zwischen den Chiss und dem Imperium. Dankenswerterweise ohne Sturmtruppler-Nostalgie, so dass insbesondere Outbound Flight sogar richtig gut ist.

Mit Treueschwur bzw. Allegiance, wie der Originaltitel lautet, eröffnet Zahn einen neuen Handlungsbogen. Erzählt werden soll, wie es zur Neuaufstellung der 501. Legion durch das Empire of the Hand kommt. In Treueschwur lässt Zahn deshalb ein Grüppchen von Sturmtrupplern desertieren, nachdem ihm ein Massaker an der Zivilbevölkerung des Planeten Teardrop befohlen wurde. Statt aber dem Imperium einfach den ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen, tingeln die Sturmtruppler in voller Montur durch die Galaxis und spielen Robin Hood, indem sie versuchen, das bessere Imperium zu sein und gegen Korruption und Piraterie vorgehen. Allen Ernstes. Es geht eben, man achte auf den Titel, um irgendwelche soldatischen Ideale und darum, dass imperiale Militärmacht eigentlich gut ist, wenn sie nicht durch die falschen Zwecke missbraucht wird. Nicht schwer zu erraten (und darum kaum als Spoiler zu betrachten) ist, dass die desertierten Sturmtruppler die Keimzelle der geläuterten 501. Legion darstellen. In Zahns darauffolgendem Roman Choices of One wird ihre Geschichte fortgesetzt.

Auch abgesehen davon, dass Zahn die ungenießbare Suppe von The Hand of Thrawn erneut aufkocht, ist Treueschwur kein besonders guter Roman. Hauptschurke ist ein verräterischer Bürokrat des Imperiums – der ist ein echter Lump, nicht die braven Frontsäue, die noch an ihre Ideale glauben.*** Daneben tritt eine Reihe von Zahns altbekannten Figuren auf; Leia befindet sich (wieder mal) auf einer diplomatischen Mission; Luke, Han und Chewbacca laufen erwartungsgemäß den Deserteuren über den Weg. Dem Mythos wird nichts hinzugefügt, was Substanz oder Spannung aufzuweisen hätte. Spaßig ist allenfalls, dass Captain Ozzel (der imperiale Offizier, der in The Empire Strikes Back von Vader per Telekinese erwürgt wird) eine Nebenrolle spielt und wieder einmal nicht gerade durch Intelligenz auffällt. Das allein vermag die einmal verdorbene Suppe aber nicht zu retten.

Timothy Zahns Treueschwur (460 Seiten) ist 2008 bei Blanvalet erschienen. Andreas Kasprzak übersetzte.

* Mit Ausnahme vielleicht von Kevin J. Anderson, aber darüber breiten wir lieber den Mantel des Schweigens.
** Womit ich nicht sagen will, dass Zahn nicht noch weitere gute Ideen hatte. Talon Karrde ist eine davon. Und von Mara Jade kann man sagen, was man will, aber viele Fans lieben sie. An Thrawn reicht allerdings keine von Zahns anderen Figuren heran.
*** In einer Amazon-Bewertung heißt es denn auch in schönster Offenheit, Treueschwur sei ein Roman, der »der Geschichte ähnelt«  (welcher wohl?) und sogar eine Botschaft vertritt: »Nicht alle waren schlecht.« 

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Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.