Torsten Finks Nomade ist ein Buch, das ich nach drei Leseversuchen endgültig beiseite gelegt habe. Bei keinem dieser Versuche bin ich über S. 70 hinausgekommen, weil der Roman – um es platt auszudrücken – mich an keiner Stelle in seinen Bann gezogen hat. Das sage ich absichtlich so, weil ich mir gut vorstellen kann, dass Nomade bei vielen Leser_innen Gefallen finden könnte, auch bei solchen, die nicht ganz anspruchslos in der Wahl ihrer Fantasy-Lektüre sind. Die Sache stellt sich also folgendermaßen dar: Ich kann nicht beurteilen, ob mich an Nomade irgendetwas erheblich stört bzw. ob ich es bereut hätte, den Roman bis zum Ende zu lesen. Sagen kann ich nur, was mich vom Weiterlesen abgehalten hat und weitere Eindrücke beschreiben, die die eine oder den anderen vielleicht bewegen wird, in das Buch hineinzuschauen.
Nomade ist der Auftakt zur Trilogie Der Sohn des Sehers, deren Folgebände Lichtträger und Renegat bereits erschienen sind (allesamt 2010). Sie spielen in einer Sekundärwelt, die an das antike Zweistromland angelehnt ist, mit dem fiktiven Reich von Neu-Akkesch im Mittelpunkt. Wer bereits etwas von Fink gelesen hat, kennt diese Welt vielleicht schon aus seiner 2009er Trilogie Die Tochter des Magiers. Für mich ist es jedoch der erste Versuch mit einem Roman des Mainzer Autors.
Die Handlung nimmt beim Nomadenvolk der Hakul seinen Anfang, das nördlich von Neu-Akkesch lebt. Protagonist ist der junge Awin, der beim Seher seines Clans in Ausbildung ist und ansonsten als Außenseiter gilt. Er ist unsicher und steht unter dem Zwang, sich beweisen zu müssen, doch natürlich zeichnet sich bei einer derartig angelegten Story gleich zu Anfang ab, dass in Awin mehr steckt, als es für seine Mitcharaktere den Anschein hat. Der Plot wird angeschoben von einem brutalen Überfall auf das Heiligtum der Hakul, bei dem die Familie eines Hirten ermordet und der bedeutendste Kultgegenstand der Clans entwendet wird. Grundlegende Erzählelemente also: Ein junger Mann, der seinen Platz im Leben noch nicht gefunden hat, ein wertvolles Artefakt, das gesucht werden muss – so weit, so konventionell.
Mehr kann ich zur Story gar nicht sagen, denn über diese beiden Ausgangspunkte bin ich leider nicht hinaus gekommen. Man verzeihe mir also meine Ignoranz, falls ich die Gelegenheit verpasst haben sollte, eine originelle, subversive Brechung dieses doch recht verbrauchten Handlungsaufbaus zu erleben. Aber wie es auch immer weiter gehen mag, auf den ersten 70 von 458 Seiten (ohne Anhang) war nichts von einer solchen Möglichkeit zu entdecken. Mein Hauptproblem mit dem Buch ist, dass beim Lesen weder Spannung aufkam (was auch bei einem konventionellen Plot möglich ist), noch das Setting irgendwie mein Interesse wecken konnte (was für einen konventionellen Plot vielleicht entschädigt hätte). In der Tat finde ich, dass es dem Autor nicht gelungen ist, die Lebenswelt und die Gesellschaft der Hakul überzeugend zu schildern. Als Beispiel ein Detail, das mich besonders irritiert hat: Im Prolog wird berichtet, wie ein Vater mit seinen fünf (!) Söhnen Kleinvieh hütet – für eine nomadische Gesellschaft eine absolut ineffektive Verteilung von Arbeit, die an keiner Stelle erklärt wird. Dennoch ist die Mühe erkennbar, die Fink sich bei der Ausgestaltung seiner Welt gegeben hat. In der Tat wäre die Weltgestaltung ein Punkt, von dem ich glaube, dass er begeisterte Leser_innen finden könnte, und bin zu dem Eingeständnis bereit, dass das Setting von Nomade bei mir einfach deshalb nicht funktioniert, weil ich mich eben bei solchen Details wie dem oben erwähnten aufhalte. Von Magie im engeren Sinne und von typischen Fantasy-Kreaturen (Stichwort Völkerromane) ist auf den ersten Seiten von Nomade übrigens nichts zu bemerken. Stattdessen geben Prolog und Anhang des Romans zu verstehen, dass Mythen und Göttergeschichten eine wichtige Rolle für die Handlung spielen werden.
Was kann ich also abschließend sagen, von der bereits getroffenen Feststellung, dass das Buch nicht mein Fall ist, einmal abgesehen? Wer eine Trilogie von einem deutschsprachigen Autor lesen möchte, die anstelle von Ogern, Orks und Elfen auf ein ungewöhnliches Setting Wert legt, könnte es mit Nomade durchaus mal versuchen. Das gilt sicherlich auch für Leute, die die vorangegangene Trilogie Die Tochter des Magiers kennen und etwas damit anzufangen wussten. Ob der Roman (oder die Trilogie) auch größere Erwartungen zu erfüllen vermag, kann ich dagegen nicht mit Sicherheit sagen – und vorstellen kann ich es mir leider auch nicht.
Nomade von Torsten Fink (462 Seiten) ist 2010 bei Blanvalet erschienen.
1 Kommentar:
Vielen Dank für die Rezension!
Liebe Grüße vom Blanvalet-Team
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