Sonntag, 15. April 2012

Habibi von Craig Thompson

Dies ist keine ausgewachsene Rezension, denn ich staune viel zu sehr über Craig Thompsons Werk, als dass ich es bewerten könnte. Habibi ist einfach in jeder Hinsicht imposant, und Nnedi Okorafors Einschätzung, es sei das beste Buch des Jahres 2011, kann ich in voller Überzeugung zustimmen. Thompsons Zeichnungen, inspiriert von arabischer Kalligraphie und orientalistischer Malerei, sind hinreißend, Seite für Seite. Una à propos Orientalismus: Es ist bemerkenswert, wie Thompson Klischees über »den Orient« aufgreift, ohne ihnen zu verfallen. Er nutzt sie stets, um den Leser_innen unbequem zu sein, ihre Annahmen zu dekonstruieren und Perspektiven zu verschieben.

So viel ich jetzt schreiben könnte über die zahlreichen Bezugnahmen auf koranische, biblische und apokryphe Sagen und die einfühlsame Darstellung der Figuren – es würde doch nur die Lobeshymne auf Thompsons Buch verlängern, das aber einfach so gut, so überzeugend, so ernst ist, dass nur eines zählt: Lest es und lasst euch anrühren, aufwühlen, erschrecken und tut nie wieder so, als ließe euch kalt, was Thompson erzählt.

Nur eines noch: Eine ebenso begeisterte Empfehlung muss ich auch für Thompsons Carnet de Voyage (Tagebuch einer Reise) aussprechen, ein sehr intimes und nachdenkliches Reisetagebuch, welches aus Vorarbeiten zu Habibi entstanden ist und sich geradezu komplementär dazu verhält. Beide Bücher sind in Deutschland bei Reprodukt erschienen. Lesen!

2 Kommentare:

Fremdling hat gesagt…

Achja, um "Habibi" schleiche ich tatsächlich auch schon seit Nnedi Okorafors Blogeintrag herum, zum Teil auch deswegen, weil ich wirklich gespannt bin, wie darin mit den orientalistischen Klischees umgegangen wird.

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Es bleiben natürlich Klischees, ganz klar. Interessant ist aber der Kontext, in den Thompson sie stellt. Ich würde jetzt total gerne ausplaudern, was er z.B. mit der klassisch orientalistischen Vorstellung macht, dass »der Orient« dekadent, sinnenfreudig und wolllüstig sei, aber ich fürchte, dass ich dich damit verspoilern würde ...

Ich hätte echt nicht gedacht, dass man diese Vorstellungswelt so aufgreifen könnte, wie Thompson das macht. Trotzdem frage ich Biodeutscher mich natürlich, was Menschen, die persönlich orientalistischen Festschreibungen ausgesetzt sind, davon halten würden, dass Thompson so etwas überhaupt benutzt.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.