Der deutsche Verlag vermerkt auf dem Cover von Robert E. Howards Tigers of the Sea, dass es sich um den ersten Roman um Cormac Mac Art handele. Blättert man das Buch auf, wird einem schnell klar, dass es sich in Wahrheit um vier Stories handelt, von denen zudem zwei Pastiches sind. Das ist jedoch kein Grund zur Verwirrung, denn es handelt sich um den Heyne-Verlag und der pappt bekanntlich auf alles, was zwischen zwei Buchdeckel passt, das Label ›Roman‹ drauf...
Worum handelt es sich also? Robert E. Howard vollendete lediglich zwei Stories über den gälischen Piraten Cormac Mac Art, zwei weitere ließ er unvollendet liegen. Richard L. Tierney überarbeitete die beiden Stories und vervollständigte auch die beiden Fragmente, und alles zusammen erschien mit einem erklärenden Vorwort von Tierney 1979 im Original bei Ace und 1987 in deutscher Übersetzung.* Es erschienen außerdem noch einige Pastiche-Romane über Cormac, die von Andrew J. Offutt und Keith Taylor verfasst wurden und Heyne zu seiner Cover-Beschriftung veranlassten. Im Grunde also das gleiche Konzept wie bei der ebenfalls im Heyne-Verlag erschienenen Conan-Reihe. Hier soll uns aber allein die Storysammlung interessieren, die Howards eigene Werke enthält.
Cormac Mac Art macht die Gewässer rund um Britannien zur Zeit Uther Pendragons und König Artus' unsicher. Obwohl er Gäle ist, gehört er zur Schiffsmannschaft seines Busenfreundes, des dänischen Wikingers Wulfhere Schädelspalter. Dass Cormac in ständiger Begleitung von Wulfhere und seinen Mannen anzutreffen ist, macht ihn zu einer ungewöhnlichen Ausnahme unter Howards einzelgängerischen Heldenfiguren. Auch sonst weisen die Stories (soweit sie von Howard stammen) ein bemerkenswert breites Charakterensemble auf, jedenfalls wenn man sie mit den simpleren unter den Conan-Stories vergleicht. Grundsätzlich ist Cormac aber nach altbewährter Weise gezeichnet: Schwarze Haare, graue Augen, nervöser Schwertarm.
Tierney verspricht im Vorwort, die innere Chronologie der Stories, über die Howard (der die Cormac-Geschichten zu Lebzeiten nie veröffentlichen konnte) sich anscheinend keine großen Gedanken gemacht hat, zu überarbeiten und die Geschichten damit in eine logische Reihenfolge zu bringen. Beim Lesen kam es mir allerdings eher so vor, als hätte Tierney vergessen, seine Ankündigung wahr zu machen, oder als hätte er eher noch mehr Durcheinander angerichtet. Vielleicht auch ein Fehler des Lektorats — oder ich habe Tierneys Überarbeitungskonzept einfach nicht kapiert. Der beteuert jedenfalls, in den beiden vollständigen Stories »Die Nacht der Schwerter« ("Swords of the Northern Sea") und »Die Rache der Pikten« ("The Night of the Wolf") nichts weiter verändert zu haben. Zu »Krieger des Nordens« ("Tigers of the Sea") und »Tempel des Grauens« ("The Temple of Abomination") hat er nach eigener Aussage ein Drittel bzw. die letzten drei Seiten hinzugefügt. Eine Rezension des englischsprachigen Originals, die sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, wer hier was geschrieben hat, findet sich in der Cimmerian Collection von Pulp and Dagger.
Mit Ausnahme von »Tempel des Grauens« handelt es sich um eher durchschnittliche, aber lesenswerte Howard-Geschichten (von Tierney im Vorwort peinlicherweise als »Epen« bezeichnet). Verfasst wurden sie für ein Publikum historischer Abenteuerstories und enthalten dementsprechend nicht die typischen Ingredienzen, wie Howard sie für seinen ungleich bekannteren Helden Conan verwendete. Riesenschlangen und ähnliches Getier lässt sich in diesem fiktiven Dunklen Zeitalter nicht blicken. Das ist aber kein Grund zur Enttäuschung für heute Fantasy-Leser_innen, denn spätestens wenn die sagenumwobenen Pikten — berühmt geworden mit Conan und Bran Mak Morn — in die Handlung einfallen, nimmt Howards Erzähle mythische Dimensionen an. »Tempel des Grauens« fällt demgegenüber deutlich ab. Das Fragment dürfte, als Howard es liegenließ, nicht mal eine richtige Handlung gehabt haben, und Tierney fällt auch keine mehr ein. Statt dessen versucht er der Story eine lovecrafteske Wende zu geben und scheitert dabei total. Ein stumpfsinnigeres und ideenloseres Cthulhu-Gequake als dieses ist mir selten untergekommen.** Solche Gurken sind für mich stets ein Anlass zu bemerken, wie unendlich viel anspruchsvoller doch historisch-kritische Ausgaben sind, die Fragment einfach Fragment sein lassen und uns Leser_innen ermöglichen, den Arbeitsprozessen eines Autors wie Robert E. Howard nachzuspüren.
Die Tiger der See (189 Seiten) von Robert E. Howard und Richard L. Tierney erschien 1987 und 1989 im Heyne-Verlag.
* Zuvor war bereits 1976 unter dem Titel Krieger des Nordens eine Übersetzung in Pabels Terra-Fantasy-Reihe (Band 23) erschienen. Auf welche amerikanische Ausgabe diese zurückgeht, weiß ich leider nicht.
** In dem anderen Pastiche von Tierney ist mir ähnlicher Pfusch nicht aufgefallen, aber da hatte Howard zumindest schon einige Charaktere und einen Teil der Handlung ausgearbeitet.
2 Kommentare:
Die Ace-Ausgabe von "Tigers" ist mW ein Nachdruck (aber nicht der erste) der bei Donald M. Grant 1973 oder '74 erschienenen ersten Ausgabe dieses Bandes. Das heißt, dass die innerhalb der Terra-Fantasy-Reihe erschienene Übersetzung auf der gleichen Originalausgabe fußt. Wie das mit der inneren Chronologie der Geschichten war bzw. ist, kriege ich jetzt aber auch nicht mehr auf die Reihe. ;)
Danke für die Info! ^^
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