Inge Merkels Roman Sie kam zu König Salomo steht für eine Art von Literatur, die es in Deutschland eigentlich nicht gibt. Sie wird höchstens, etwa von Herbert Rosendorfer oder Carl Amery, in Form von Satire geduldet. Will solche Literatur dagegen ernst, aber heiter, leicht zu lesen, aber schön, unterhaltsam, aber anspruchsvoll sein, muss sie — wie Merkel — aus Österreich kommen. Anderenfalls, bei neugroßdeutscher Provenienz, müsste sie es sich nämlich gefallen lassen, ignoriert, missverstanden oder verlästert zu werden, wie es Wolf von Niebelschütz passiert ist. Dabei ist man — bin ich — eigentlich geneigt, solche Literatur für selbstverständlich zu halten, in der ›Erzählen‹ und ›Unterhalten‹ nicht im Widerspruch steht zu ›etwas zu sagen haben‹. In deutschen Feuilletons besteht man jedoch noch immer (immer schon, verstärkt wieder?) auf diesem Widerspruch. Möge die Pest über diese rezensierenden literati kommen...
Inge Merkel jedoch erzählt die Liebesgeschichte zwischen König Salomo und der Königin von Saba auf angenehm unprätentiöse Weise. Gerade dadurch wird der kleine Roman in meinen Augen interessant, ist der gewählte Stoff doch Material für zahlreiche Machwerke welche vor historisierender Pappkulisse fragwürdiges Eso-Gesummse oder anachronistische Emanzipationsgeschichten verkaufen. In solchen ›historischen‹ Romanen gibt es bekanntlich stets eine Protagonistin/einen Protagonisten, die/der vor dem Hintergrund einer als starr und verknöchert geschilderten — meist mittelalterlichen — Gesellschaftsordnung durch ihren Individualismus und Aufstiegswillen auffällt, damit sich auch das verblödetste spätmodern-kapitalistische Publikum identifizieren kann. Oder, wenn selbst ein Dünnbrettbohrer wie Paulo Coelho noch zu anspruchsvoll ist, dann lässt man sich vom Autor gleich zum esoterischen Fuselrausch bequatschen. Als vorläufig erbärmlichstes Beispiel letzterer Sorte, selbstverständlich mit sabäisch-salomonischem Personal, ist mir Christian Jacqs Tempel zu Jerusalem in leidiger Erinnerung geblieben — Zusammenhänge zwischen solchem in Deutschland vielfach geschriebenen, übersetzten und aufgelegten Massen-Müll und der Abwesenheit von lesenswerter Erzählliteratur mit historisierendem Sujet sind natürlich rein zufälliger Natur.
Aber glücklicherweise gibt es ja auch noch die österreichische Schriftstellerei. Genügend, um mit Inge Merkel zufrieden zu verfolgen, wie der nüchterne König und die Besucherin aus dem Süden (mit ihrer halbdämonischen Biografie) ihre Liebe entwickeln. Die beiden sind reif genug, um ihrer Liebe einen selten schönen Inhalt zu geben: sich über interessante Dinge austauschen und so dem geliebten Menschen die Erfahrung eines Lebens zu schenken. Dies reichert die Autorin, die bereits vor einigen Jahren gestorben ist, mit dezenter Phantastik an — man möchte fast die Inflationsvokabel ›magischer Realismus‹ gebrauchen, die hier jedenfalls besser passt als dies meist der Fall ist.
Schön also. Dabei ist Sie kam zu König Salomo nicht mal ein Buch, dass ich mehrfach lesen würde, was aber vollkommen in Ordnung ist. Es gibt einfach Bücher, die man immer wieder in die Hand nehmen muss, aber genauso gibt es welche, die man sich am besten als einmaliges Leseerlebnis im Gedächtnis aufhebt. Um so mehr Lust habe ich, weitere Bücher von Merkel zu lesen, etwa ihr Hauptwerk Das große Spektakel.
Sie kam zu König Salomo (200 Seiten) von Inge Merkel ist als Taschenbuch im Fischer-Verlag erhältlich.
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