Mittwoch, 14. April 2021

Wolfsbane: Eisenhut oder Arnika?

Eine auffällige Veränderung, die Universals Dracula (1931) gegenüber der Romanvorlage vornimmt, ist die, dass Professor van Helsing den Grafen nicht mit Knoblauch im Schach zu halten versucht, sondern mit »wolfsbane«. Eine Pflanze dieses Namens spielt auch in Universals späterem Film The Wolf Man (1941) eine Rolle, und zwar in Form eines ominösen Reims:

Even a man who is pure in heart, and says his prayers by night;
May become a wolf when the wolfsbane blooms and the autumn moon is bright.

Hier wird also ein Zusammenhang zwischen »wolfsbane« und Lykanthropie hergestellt. Aber welche Pflanze ist damit überhaupt gemeint?

Es gibt zwei Pflanzen, die früher »wolfsbane« genannt wurden: Eisenhut und Arnika. Das hochtoxische Eisenhut wurde (behauptet jedenfalls Wikipedia) früher verwendet, um Wölfe zu vergiften. Das deutet darauf hin, dass in The Wolf Man tatsächlich Eisenhut gemeint ist.

Was Tod Brownings Dracula betrifft, hatte ich dagegen den Verdacht, dass sich »wolfsbane« auf Arnika bezieht. Arnika gehört zu den traditionellen Zauberpflanzen. Nicht zu Unrecht, denn äußerlich angewendet wirkt Arnika entzündungshemmend. (Leider kommt es im sogenannten alternativmedizinischen Milieu immer wieder zu innerlichen Anwendungen. Davon ist strikt abzuraten, denn auch Arnika ist giftig; wenn auch nicht so sehr wie Eisenhut.)

Ebenfalls spielt Arnika im katholischen Marienkult eine Rolle. Zu Mariä Himmelfahrt ist es Brauch, einen Strauß aus verschiedenen Pflanzen mit in die Kirche zu nehmen. Eine dieser Pflanzen ist Arnika. Der Brauch steht möglicherweise mit einer Legende in Verbindung, laut der in Marias leeren Grab (nach katholischem Glauben ist sie ja leiblich in den Himmel aufgefahren) ihre Lieblingsblumen und -kräuter wuchsen.

Da ist es nicht verwunderlich, dass Arnika eine apotropäische Wirkung nachgesagt wurde. Bauern steckten Arnikabüschel an die Ecken ihrer Getreidefelder. Sie sollten die Bilwisse, die Korndämonen, davon abhalten, die Ernte zu zerstören.

Warum sollte, was gegen Bilwisse hilft, nicht auch vor Vampiren schützen? Zumal Arnika in den Karpaten offenbar reichlich wächst. Der Gedanke ist verlockend, dass das Team von Brownings Dracula in irgendeiner Weise von der Folklore beeinflusst war, die sich um die Arnikapflanze rankt.

Ein Gedanke, der sich bei näherem Hinschauen allerdings nicht bestätigt. Universal ließ 1931 bekanntlich zwei Versionen von Dracula drehen: den bekannteren Film von Browning und eine spanischsprachige Fassung, bei der George Melford Regie führte. Melfords Film hält sich in vielen Details genauer an das Drehbuch. 

Das lässt einen eindeutigen Befund zu: Van Helsing (Eduardo Arozameno) bezeichnet seine Pflanze im spanischen Film als acónito, Eisenhut. Dazu erklärt er, dass mit dieser Pflanze Wölfe zum Verstummen gebracht werden können.

Damit wäre geklärt, dass es sich bei dem »wolfsbane« im Universal-Kanon um Eisenhut handelt. Ob es wirklich gegen Vampire hilft – wer weiß.

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Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.