Dienstag, 19. Januar 2021

Los monstruos del terror (1970)

Deutscher Titel: Dracula jagt Frankenstein · Regie: Tulio Demicheli · Drehbuch: Jacinto Molina · Musik: Franco Salina · Kamera: Godofredo Pacheco · Schnitt: Emilio Rodríguez · Produktion: Castilla Films.

»That’s our mission here: to study the manufacture of monsters who will destroy mankind.« — Dr. Odo Varnoff

Dr. Varnoff (Michael Rennie), ein Außerirdischer vom sterbenden Planeten Ummo, will sich die Erde unterwerfen. Er überlegt, was die Menschen am meisten fürchten, und kommt auf die Idee, dass die größte Furcht der Menschen Monster sind, die sie selbst geschaffen haben. Wie er darauf wohl gekommen ist? Durch das Anschauen alter Universal-Filme vielleicht? Mit seinen minions Maleva (Karin Dor) und Kerian (Angel del Pozo) richtet er in einem verlassenen Kloster ein Labor ein und geht auf Monstersuche.

Zuerst stößt er auf zwei Geschöpfe der Nacht, die bereits aus dem ersten Film der Reihe, La marca del hombre lobo, bekannt sind: Das Skelett des Vampirs Janos de Mialhoff (Manuel de Blas) wird in einem Gruselkabinett auf der Kirmes ausgestellt. Der hölzerne Pfahl, der den Blutsauger zur Strecke gebracht hat, steckt noch zwischen seinen Rippen. Die Aliens müssen den Pfahl nur herausziehen, und sofort beginnen sich um die nackten Knochen wieder Fleisch und Sehnen zu bilden. (Im ersten Teil wurde Mialhoff übrigens noch Mikhelov geschrieben. Ich vermute, hinter beidem verbirgt sich der Versuch, den russischen Namen Michailow wiederzugeben.)

Und dann ist da der Werwolf Waldemar Daninsky (Paul Naschy), um den sich die ganze Filmreihe ja dreht. Im ersten Teil erfuhren wir, dass Daninsky nur dann von seinem Fluch befreit wird, wenn eine ihn liebende Frau bereit ist, ihm eine Silberkugel ins Herz zu schießen. Folgerichtig endete Daninsky in La marca mit einer Silberkugel im Herz. Jetzt aber erläutert Dr. Varnoff, dass der Fluch endgültig nur loszuwerden sei, wenn eine liebende Frau dem Werwolf eine Silberkugel ins Herz schießt – und außerdem bereit ist, zusammen mit ihm in den Tod zu gehen. Sie muss sich quasi von dem Werwolf zerreißen lassen, während er in seinen letzten Zuckungen liegt. (Es ist natürlich ein altes, übles gothisches Motiv, dass Frauen sterben müssen, damit Männer ihre Erlösung finden können.) Letztere Bedingung war im ersten Film nicht gegeben, und so kann Dr. Varnoff die Kugel einfach operativ entfernen. Waldemar erwacht also wieder zum Leben.

Da beginnen die Dinge auch schon schiefzugehen. Vampir Janos wetzt sich die Fangzähne nach der schönen Maleva. Und Waldemar zerreißt seine Ketten und läuft im nahegelegenen Städtchen Amok. Aber Varnoff stöbert unbeirrt weiter Monster auf. In Ägypten lässt er die Mumie Tao-Tet (Gene Reyes) aus ihrem Grab auferstehen. Außerdem erweckt er (nach bewährtem Rezept mit Elektrizität) Farancksalans Monster (Ferdinando Murolo) zu neuem Leben – ja, richtig gelesen, aus unerfindlichen Gründen wurde Victor Frankenstein für diesen Film in »Ulrich von Farancksalan« umbenannt.

Dr. Varnoffs Monstermanufaktur bleibt natürlich nicht unentdeckt. Der Kriminalbeamte Inspektor Tobermann (Craig Hill) ist ihm auf der Spur. So lässt Dr. Varnoff den Inspektor und seine Freundin Ilsa Sternberg (Patty Shepard) kurzerhand kidnappen, um sie auf sadistische Weise zu Tode zu bringen ...

Wer meint, mit den buntesten Stilblüten des klassischen europäischen Trash-Kinos vertraut zu sein, wird merken, dass Monstruos del terror dem allen locker noch einen drauf setzt. Und wer glaubt, die aberwitzige Handlung sei entstanden, indem eilig ein paar Ideen zu Papier gebracht wurden, täuscht sich. Wie bei allen außer dem letzten Eintrag der Reihe schrieb Paul Naschy (unter seinem bürgerlichen Namen Jacinto Molina) das Drehbuch selbst. Für diesen Film wurde ihm sogar ein besonders üppiges Budget in Aussicht gestellt, weshalb Naschy in der Überzeugung schrieb, einen Film ganz nach seinen Vorstellungen realisieren zu können.

Daraus wurde natürlich nichts. Das versprochene Budget löste sich in nichts auf, und Los monstruos del terror wurde genau so hastig und schludrig produziert wie tausende andere Euro-Horrorstreifen auch. Naschy wollte als fünftes Monster einen Golem auftreten lassen und auch die UFOs der Aliens vom Ummo zeigen. Beides wurde aber aus Kostengründen gestrichen. Der eigentlich vorgesehene Regisseur, Hugo Fregonese, warf nach einiger Zeit das Handtuch und wurde durch Tulio Demicheli ersetzt. Die Meinungen gehen auseinander, ob zwischenzeitlich noch ein oder zwei weitere Regisseure daran beteiligt waren, den Brei zu verderben. Am Ende wurde der Film jedenfalls Demicheli zugeschrieben.*

So ist es nicht verwunderlich, dass Los monstruos del terror kaum einen vernünftigen Spannungsbogen hinbekommt. Ausführlich werden die Ermittlungen Inspektor Tobermanns gezeigt, obwohl das Publikum von der ersten Szene an über die Machenschaften der Aliens informiert ist. Über diesen Film zu schreiben macht definitiv mehr Spaß, als ihn sich anzusehen. Doch ich finde es einfach liebenswert, dass Naschy glaubte, mit Monstruos del terror seine Vorstellungen von einem guten Film verwirklichen zu können – und daraus die oben geschilderte Story wurde.

Ein Hinweis zum Schluss: Los monstruos del terror lief in Großbritannien und auf dem Videomarkt unter dem Titel Dracula vs. Frankenstein. Er ist nicht zu verwechseln mit Al Adamsons gleichnamiger US-Produktion aus dem Jahr 1971.

Der VAMPYR: Janos de Mialhoff.

* Fregonese und Demicheli kamen beide aus Argentinien, ebenso wie der wohl bekannteste Regisseur der Daninsky-Reihe, León Klimovsky. Das Filmstudium ist in der Republik am La Plata sehr beliebt, und in den sechziger Jahren strömten offenbar die Absolvent:innen nach Europa, um sich in der B-Movie-Industrie zu verdingen.

Samstag, 16. Januar 2021

Desert of Blood (2008)

Regie: Don Henry · Drehbuch: Don Henry · Musik: Dean Harada, Jason Moss · Kamera: Pablo Santiago · Schnitt: Matthew McArdle · Produktion: Encantado Films.

Ein Gringo-Tourist auf Schatzsuche (Josh Adamson) buddelt im mexikanischen Tecate versehentlich den Vampir Luis Diego (Justin Quinn) aus. Der war vor 35 Jahren von Hochwürden Hernández (Flint Esquerra) unter die Erde gebannt worden. Er macht sich unverzüglich auf den Weg zu seiner alten Liebe Sarita (Yvonne Rawn), die aber in der Zwischenzeit um dreieinhalb Jahrzehnte gealtert ist und siech darnieder liegt.

Doch zu Luis’ Entzücken ist Saritas Nichte Maricela (Brenda Romero) aus L.A. gekommen, um ihre Tante zu pflegen. Luis fackelt nicht lange und wanzt sich an Mari ran.

Was folgt, ist mit narratologischen Begriffen wie histoire und discours nur sehr unzulänglich zu beschreiben – jedenfalls mir will es nicht gelingen. Vage meine ich die Umrisse der typischen Geschichte »Vampir sucht Erlösung durch die Liebe einer sterblichen Frau« wahrzunehmen. Ansonsten verfügt dieser Film weder über eine Handlung noch über Figuren, die in irgendeiner Weise im Gedächtnis haften bleiben. 

Desert of Blood, wiewohl eine US-Produktion, richtet sich klar an ein Latin@-Publikum. Jedenfalls besteht der Cast größtenteils aus Latin@s, die Dialoge sind stellenweise in Spanisch (mit Untertiteln) gehalten, und Drehort ist der Originalschauplatz (Tecate in Baja California).

Ich muss gestehen, dass ich keine Ahnung habe, ob es in den USA eine Industrie gibt, die speziell solche Filme produziert. Wenn ja, hoffe ich, dass sie nicht alle so läppisch ausfallen wie Desert of Blood.

Der VAMPYR: Luis Diego.

Donnerstag, 14. Januar 2021

The Return of Dracula (1958)

Alternativtitel: Curse of Dracula / The Fantastic Disappearing Man · Deutscher Titel: Draculas Blutnacht / Die Rückkehr des Dracula · Regie: Paul Landres · Drehbuch: Pat Fielder · Musik: Gerald Fried · Kamera: Jack McKenzie · Schnitt: Sherman Rose · Produktion: United Artists.

Nach The Vampire machte sich Paul Landres, als Regisseur eigentlich eher im Westerngenre beheimatet, unverzüglich an die Arbeit an einem zweiten Vampirfilm. Gedreht wurde mit dem gleichen Team und einem ähnlich mageren Budget wie beim Vorgänger. Aber diesmal sollte als untoter Protagonist der Prince of Cats persönlich auftreten.

Der Maler Bellac Gordal (Norbert Schiller) will aus seinem (ungenannten) osteuropäischen Land in die USA auswandern, um ein neues Leben zu beginnen. Zu Gordals Unglück wurde Dracula (Francis Lederer) soeben von einem Trupp Vampirjäger aus seiner Gruft vertrieben. Der Graf saugt Gordal aus und nimmt seine Identität an.

Angekommen im kalifornischen Städtchen Carleton, nistet Dracula sich bei Gordals Verwandten, der Familie Mayberry, ein. Gordals Cousine Rachel (Norma Eberhardt) freut sich besonders über den Besuch des vermeintlichen Malers. Sie hat selber eine künstlerische Ader, die sie jedoch nicht ausleben kann, da sie eine Ausbildung zur Krankenschwester macht.

Dracula ist indes an ganz anderen Adern interessiert. Rachels Patientin Jenny (Virginia Vincent) dient ihm als lebende Blutbank. Und natürlich hat er auch Rachel selbst als unfreiwillige Blutspenderin vorgemerkt.

Hauptdarsteller Francis (eigentlich Franz) Lederer begann seine Karriere als Bühnenschauspieler in der Tschechoslowakei. Den Grafen spielt er als zugleich öligen und boshaften Verführer mit old-world-Charme. Leider kann der restliche Cast ihm nicht das Wasser reichen.

Auch sonst verschenkt der Film einiges an Potential. Rachels Wunsch, mit Hilfe der Kunst dem Kleinstadtmuff zu entfliehen, wird vom Drehbuch nicht wirklich ernst genommen. Er dient nur als Aufhänger, um Rachel als willkommene Beute für Dracula darzustellen. So bleiben die Rollen leider sehr klar verteilt: Rachel ist das Opfer. Immerhin ist es am Ende so, dass sie sich mehr oder weniger selbst rettet; das sei festgehalten. Aber ihr Charakter bleibt eindimensional. 

So ergibt die Performance Lederers einen ganz interessanten Film-Dracula abseits der ›großen‹ Darsteller wie Lugosi, Lee und Langella. Das allein vermag jedoch schwerlich den ganzen Film zu tragen, dem es dann, wenn Lederer nicht in der Szene ist, allzuoft an Atmosphäre und Spannung mangelt. 

Ein etwas überraschendes Handlungselement bilden die zu Anfang eingeführten Vampirjäger, die Dracula natürlich bis nach Kalifornien verfolgen. Diese wirken im Fortgang der Handlung immer mehr wie eine weltweit agierende Geheimpolizei, die mit wenig Respekt für civil liberties auftritt. Angesichts der Tatsache, dass Landres’ Film sich mit seinem Einwanderungsthema große Mühe gibt, die USA als Land der Freiheiten hochleben zu lassen, kommt man mit dieser Darstellung (wohl unabsichtlich) den internationalen Machenschaften der CIA zu Zeiten des Kalten Krieges doch sehr nahe.

Eine interessante Anekdote zu Hauptdarsteller Lederer muss ich zum Schluss erwähnen: Franz Lederer war Jude. Während der Machtübernahme der Nazis hielt er sich anlässlich eines Theaterengagements in Los Angeles auf. Lederer beschloss kurzerhand, nicht nach Europa zurückzukehren. Diese Entscheidung rettete ihn vor den Nazis.

Nun schlüpfte Lederer nach The Return of Dracula 1971 noch einmal in die Rolle des transsylvanischen Grafen. In einer Episode von Rod Serlings Fernsehserie Night Gallery legen sich die Nazis mit dem von Lederer gespielten Dracula an – und ziehen natürlich den Kürzeren. Es war einer von Lederers letzten Auftritten.

Der VAMPYR: Graf Dracula / Bellac Gordal.

Mittwoch, 6. Januar 2021

The Vampire (1957)

Alternativtitel: Mark of the Vampire · Deutscher Titel: Immer bei Anbruch der Nacht · Regie: Paul Landres · Drehbuch: Pat Fielder · Musik: Gerald Fried · Kamera: Jack MacKenzie · Schnitt: John Faure · Produktion: United Artists.

Mit seinem letzten Atemzug drückt der Wissenschaftler Dr. Campbell (Wood Romoff) Paul Beecher (John Beal) ein Fläschchen mit Pillen in die Hand. Beecher ist ein gutmütiger Kleinstadtarzt und alleinerziehender Vater, der nur ein Problem hat: Er leidet an Migräne. Das Unheil beginnt, als Beecher Campbells Pillen mit seinen Kopfschmerztabletten verwechselt und eine davon schluckt.

Beecher merkt schnell, dass die mysteriösen Pillen süchtig machen. Er findet heraus, woran der verstorbene Dr. Campbell in seinem Labor arbeitete: an Mitteln und Wegen, wie sich im modernen Menschen tierische Instinkte wecken ließen. Und das Ergebnis dieser Bemühungen sind Beechers Pillen, die Campbell aus dem Blut von Vampirfledermäusen herstellte – kein Wunder, dass Beecher plötzlich Blackouts hat und Sheriff Donnelly (Kenneth Tobey) Leichen mit Bissspuren am Hals findet ...

Dafür, dass The Vampire nur ein Fünziger-Jahre-B-Movie unter vielen ist, gehen die Meinungen über diesen Film erstaunlich weit auseinander. Fangoria erklärte ihn zu einem der besten Horrorfilme der fünfziger Jahre. Halliwell’s Film Guide sah dagegen einen »dummen Versuch« darin, den Vampirmythos mit den Mitteln der Science Fiction zu erklären.

Ich würde nun nicht behaupten, dass The Vampire ein guter Film ist. Dazu enthalten die Dialoge zu viel langwieriges pseudowissenschaftliches Gerede. Und die Maske, die John Beal in den Vampirszenen trägt, sieht eher wie eine Fango-Schlammpackung als wie ein Filmaccessoire aus. Man merkt dem Streifen einfach an, dass er innerhalb weniger Wochen entstanden ist.

Und doch ist The Vampire ein ungewöhnliches Werk. Bis dahin war der Vampirmythos in den USA vor allem mit den ikonischen Filmmonstern von Universal Pictures verbunden. Aber Universal selbst hatte seine Figuren für allerlei Blödeleien missbraucht und so dafür gesorgt, dass niemand sie mehr ernst nehmen konnte.

Das Team hinter Paul Landres fragte sich ganz einfach, wie ein zeitgemäßer Vampirfilm der fünfziger Jahre aussehen konnte, und kam auf die naheliegende Antwort: Die Menschen der Nachkriegszeit hatten allen Grund, gegenüber Laboratorien skeptisch zu sein, denn aus ihnen kamen Massenvernichtungswaffen und bewusstseinsverändernde Drogen. Es war die Zeit nicht nur der Atombombentests, sondern auch von CIA-Programmen wie MKUltra, bei dem einer großen Menge (oft unfreiwilliger) Proband:innen LSD verabreicht wurde, um zu erforschen, ob Gehirnwäsche möglich ist.

Folgerichtig war im Horrorkino der Fünfziger (neben der durch nukleare Strahlung mutierten Bestie) der mad scientist die Angstfigur par excellence. Und anders als der alte Victor Frankenstein wollen diese Wissenschaftler nicht Leben schaffen, sondern Leben vernichten. The Vampire spielt dieses Thema konsequent aus, indem sie den Vampir als unwissendes Opfer eines skrupellosen Experiments darstellt. Passend dazu verzichtet der Film nahezu komplett auf gothische Elemente.

Das Pech dieses Films war, dass zur gleichen Zeit Terence Fisher und Hammer Film Productions mit einer ganz anderen Idee aufwarteten: klassische Horrorstoffe in leuchtenden Farben zu fotografieren. In Fishers Filmen wie The Curse of Frankenstein (1957) und Dracula (1958) kehrte der Gothic Horror mit Macht zurück. Landres’ immerhin beachtlicher Versuch, dem Vampirmythos eine neue Richtung zu geben, geriet dagegen in Vergessenheit.

Der VAMPYR: Dr. Paul Beecher.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.