Sonntag, 29. März 2020

The Eight Dragon Swords (1972)

(Rassistischer) deutscher Titel: Die acht Drachenschwerter des gelben Teufels · Regie: Chin Sheng-en · Drehbuch: Chin Sheng-en · Kamera: Cheng Chieh · Schnitt: Sung Ming.

»Doktor« Hua Lichun (Chiang Pin) ist ein Arzt ganz eigener Art. Der wandernde Kämpfer besiegt Schurken, wo er sie findet. Dann zwingt er sie, ihn so lange zu begleiten, bis er sie von ihrer Neigung zum Bösen »geheilt« hat.

Der Film beginnt damit, dass Lichun erst einen Vergewaltiger, dann einen notorischen Falschspieler bezwingt. Beide müssen sich ihm wohl oder übel anschließen. Und Lichun haut ihnen ordentlich auf die Finger, sobald sie versuchen, ihrem Hang zur sexuellen Gewalt bzw. zum Spielbetrug nachzugehen.

Lichun ahnt jedoch nicht, dass die beiden Schurken dem gleichen Kampfkunst-Klan angehören. Sie schaffen es, dem Meister ihres Klans heimlich ein Signal zu senden. Prompt taucht der schwarz maskierte Meister auf und fordert Lichun zum Duell. Der Verlierer muss dem Sieger einen Wunsch erfüllen, oder er ist des Todes.

Lichun verliert den Zweikampf. Der Meister fordert von ihm, die Magische Feuerdrachenperle zu stehlen. Dieses Kleinod ist ein Familienerbstück des alten Meisters Hua Shiyin (Yen Chung), das noch aus der Han-Dynastie stammt. Es vermag, die Wirkung von Gift zu neutralisieren.

Von diesem Moment an ändert sich die Erzählweise des Films auf drastische Weise. Von der geradlinigen Abenteuergeschichte verwandelt er sich in eine Art Krimi mit Anleihen beim Whodunit und bei Poes berühmten »Purloined Letter«.

Lichun begibt sich zum Haus Meister Huas. Dort befinden sich außerdem Hua Yumei (Violet Pan), die Tochter des Meisters, und ihr Cousin Feng (Chen Hung-lieh). Der Cousin stellt Yumei nach. Er hofft, sie heiraten zu können und zum Erben der Feuerdrachenperle zu werden. Darauf hat Yumei allerdings nicht die geringste Lust. Und der greise Meister Hua erklärt, es sei besser, die Perle verschwinde mit ihm im Grab, als dass sie einem Menschen von schlechtem Charakter in die Hände fiele.

Yumei traut auch Lichun nicht. Sie konfrontiert ihn immer wieder mit dem Verdacht, er wolle die Magische Feuerdrachenperle für sich selber haben. Und die Identität des mysteriösen Meisters mit der schwarzen Maske, der ebenfalls hinter der Perle her ist, ist noch immer ungeklärt. Am Ende sind alle Beteiligten im Haus der Huas versammelt ...

Eine Eigenheit von Eight Dragon Swords besteht darin, dass fast alle Figuren mit skurrilen Waffen kämpfen, die an Gadgets aus James-Bond-Filmen erinnern. Es treten auf, u.a.: Ein mit verborgenen Klingen ausgestatteter Regenschirm. Eine hölzerne Krücke, in der ein Stockdegen verborgen ist. Ein Speer, der zugleich ein Flammenwerfer ist. Lichun selbst ist mit Dolchen bewaffnet, deren Klingen (wie bei einem Springmesser) aus den drachenförmigen Griffen hervorschnellen.

Letztere Waffen sind natürlich die »Drachenschwerter« aus dem Titel des in Taiwan entstandenen Streifens. Darüber hinaus wartet der Film in den Kampfszenen mit phantasievollen Stunts auf.

Sehenswert, besonders die zweite Hälfte mit ihrem »Rätselhafte Verbrechen in der Villa«-Thema.

Dienstag, 17. März 2020

The Close Encounter of the Vampire (1986)

Alternativtitel: The Close Encounter of Vampire · Regie: Yuen Woo-ping · Drehbuch: Yuen Clan · Musik: Tang Siu-lam · Kamera: Kuo Mu-sheng, Lam Chi-wing · Schnitt: Chen Po-yen.

In einem chinesischen Dorf muss ein daoistischer Priester alle 50 Jahre ein Bannritual vollziehen. Andernfalls stehen die Toten des Dorfes aus ihren Gräbern auf und gehen als Vampire umher. Da ist es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis ein Priester das Ritual verbockt. So gesehen, so geschehen. Ein Mann und ein kleiner Junge wühlen sich aus der Friedhofserde und suchen die Leute heim.

Zum Glück kommt ein wandernder Vampirjäger vorbei, der gleich zum nächsten Bambushain eilt und sich spitze Pflöcke schneidet. Leider gehört der Hain zu einem buddhistischen Nonnenkloster. Eine ansässige Nonne hält den wackeren Vampirjäger für einen Spanner und verprügelt ihn erst mal kräftig.

Damit ist auch schon das Wichtigste über den Charakter des Vampirjägers gesagt. Durch eigenes Ungeschick oder die Dummheit der Leute gerät er immer wieder in Situationen, die mit blauen Flecken enden. Nicht gerade beste Voraussetzungen für die Jagd nach Untoten.

Ein zweiter Handlungsstrang dreht sich um eine erfolglose Schauspielschule. Deren Besitzer hat vier Waisenkinder aufgenommen, um sie die Schauspielkunst zu lehren. Aber der Chef widmet sich oft lieber dem Weinkrug als der Ausbildung seiner vernachlässigten Zöglinge.

Die Kinder stoßen auf den Vampirjungen und halten ihn für ein normales, lediglich etwas begriffsstutziges Kind. Sie geben ihm den Spitznamen Dummer Junge und verstecken ihn in der Schauspielschule. Natürlich versucht auch der Nachwuchsvampir, sich von Menschenblut zu nähren. Allerdings fehlt ihm die Erfahrung im Blutsaugen, und so geht die Sache – zum Glück für seine Umgebung – meist schief.

The Close Encounter of the Vampire ist ein typischer Schnellschuss, der nach dem Erfolg von Mr. Vampire flugs abgedreht und ins Kino gebracht wurde. Mitte der Achtziger hüpften die Jiangshi (chinesische Vampire) bekanntlich reihenweise über die Leinwand. The Close Encounter ist denn auch kein Film Yuen Woo-pings, den man unbedingt gesehen haben muss.

Dennoch sei allen, die die Filmografie Yuens möglichst vollständig kennen wollen, gesagt, dass The Close Encounter durchaus einige bemerkenswerte Elemente enthält. Der Vampir (gespielt von Ma Chin-ku) sieht mit seinem Make-up und seiner Mandarinkleidung prächtig aus. Und die Szene, in der ein an eine Säule gefesselter Vampirjäger gegen den Jiangshi kämpft, ist durchaus spannend und, wie man es von Yuen Woo-ping erwarten kann, hervorragend choreographiert.

Solche Höhepunkte gehen in der Handlung, die auf mitunter sehr zweifelhafte Weise komödiantisch ist, aber leider unter. Zweifelhaft in dem Sinne, dass man etwa einen Kinderdarsteller vor der Kamera eine Zigarette rauchen ließ, um ein paar Lacher zu erzeugen. So etwas war auch vor 35 Jahren nicht in Ordnung.

Donnerstag, 5. März 2020

The One-Armed Swordsmen (1976)

Regie: David Chiang, Jimmy Wang Yu · Drehbuch: Ku Long · Musik: Stanley Chow · Schnitt: Kwok Ting-hung.

Eine Räuberbande will ihre Beute aufteilen. Ihr Anführer, der mysteriöse Bruder Drache, hat seine eigenen Vorstellungen, was ›aufteilen‹ bedeutet, und bringt seine Spießgesellen kurzerhand um. Bevor er sich mit dem Raubgut davon machen kann, wird er von dem Polizisten Chin Chuying (Chang Yu) gestört. Im Zweikampf schlägt Bruder Drache dem Polizisten einen Arm ab. Gerettet wird Chin in letzter Minute von einem einarmigen Schwertkämpfer, der wie aus dem Nichts auftaucht und Bruder Drache ebenfalls einen Arm abschlägt.

Damit hat sich die lokale Einarmigen-Population um zwei erhöht (oder so hat es den Anschein ...). Denn Bruder Drache kann trotz seiner Verletzung entkommen. Da er stets eine Maske trägt, kennt niemand seine Identität. Chin Chuying wiederum kann seinem Retter kaum danken, da macht auch der sich schon wieder aus dem Staub.

Chin hängt seinen Beruf an den Nagel und beschäftigt sich fortan mit einem Handbuch für einarmige Schwertkunst. Doch er wird ermordet – natürlich von einem maskierten Einarmigen, was auch sonst? Der Täter flieht unerkannt und nimmt das Handbuch mit. Nur zweierlei ist über ihn bekannt: Er hat ein Muttermal an seiner verbleibenden Hand. Und Chin erklärt mit seinen letzten Worten, es sei nicht Bruder Drache gewesen.

Meister Wan der Fuchs (Lo Lieh), der Bruder des Toten, verkündet, er werde den Mörder zu finden. Doch das ist nicht so leicht. Gleich zwei berühmte einarmige Schwertkämpfer sind in der Gegend unterwegs: Der rauhbeinige Fong Ping (Jimmy Wang Yu) hat einen Groll auf den Charmeur Li Hao (David Chiang), denn der hat eine On-and-off-Beziehung mit Fongs Schwester Tingling (Liu Meng-yan). Meister Wan der Fuchs verkleidet sich – was auch sonst – als einarmiger Schwertkämpfer, um an Fong und Li heranzukommen.

Wir erinnern uns: 1967 kam Chang Chehs One-Armed Swordsman in die Kinos (deutscher Titel: Das goldene Schwert des Königstigers). Der Film brachte den Shaw Brothers jede Menge Geld (und Chang Cheh den Spitznamen »der Eine-Million-Dollar-Regisseur«) ein und avancierte neben Come Drink with Me und Die Herberge zum Drachentor zu einem der drei kanonischen Klassiker des neuen Wuxia-Films der sechziger Jahre. Chang Cheh bescherte den Shaw Brothers mit Return of the One-Armed Swordsman (1969) und The New One-Armed Swordsman (1971) noch zwei Fortsetzungen, die gemeinsam die offizielle Trilogie um den einarmigen Schwertkämpfer bilden.

Eine weitaus durchschlagendere Wirkung hatten jedoch die zahllosen Imitationen, die der ursprüngliche Erfolgsfilm hervorrief. Etwa zehn Jahre lang hielt die Welle von Einarmigen-Filmen an. Zu den immer mehr werden einarmigen Schwertkämpfern gesellten sich bald einarmige Schwertkämpferinnen und einarmige Faustkämpfer (ganz zu schweigen von zweiarmigen Kämpfern, die nur so tun, als ob sie einarmig wären).

The One-Armed Swordsmen ist ein Spätprodukt dieses Trends, aber ein bemerkenswertes. Es handelt sich um eine gemeinsame Regiearbeit von Jimmy Wang Yu und David Chiang, die auch die Hauptrollen spielen. Dazu sind die beiden prädestiniert, waren sie doch die Stars von Chang Chehs ursprünglicher Trilogie. In diesem Film nun toben Wang und Chiang sich richtig aus und pfeifen auf sämtliche Beschränkungen, die die Plausibilität ihnen auferlegen würde. Als Drehort diente Taiwan.

Für einen Wang-Yu-Film ist die Handlung erstaunlich wenig actionlastig. Das liegt daran, dass der Film einem klassischen Whodunit-Plot folgt. Schließlich gilt es, jede Menge Rätsel zu lösen: Wer verbirgt sich hinter Bruder Draches Maske? Wer ist der Einarmige, der Chin zu Hilfe kam? Wer ist Chins Mörder? Und natürlich die Frage aller Fragen: Wie viele Einarmige kommen in diesem Film überhaupt vor?

Ohne letzteres spoilern zu wollen, möchte ich hier verraten: Es sind insgesamt nur (›nur‹) vier. Trotzdem finden sich im Netz zahlreiche Rezensionen, in denen von bis zu sieben Einarmigen die Rede ist. Das liegt daran, dass der Film erzählerisch ein überaus geschicktes Verwirrspiel darstellt. Es kommen Einarmige vor, die sich als Zweiarmige ausgeben, und Zweiarmige, die sich als Einarmige ausgeben. Und eine Schlüsselszene zeigt die Perspektive eines unzuverlässigen Erzählers. Ich selbst habe einige Zeit überlegen müssen, ob nicht doch drei oder fünf die richtige Antwort ist ...

Wenn ich sage, der Film ist vergleichsweise wenig actionlastig, heißt das natürlich nicht, dass es in den Kampfszenen nicht richtig zur Sache geht. Im Gegenteil, der Kontrast zwischen Wangs rohem Kampfstil und Chiangs Eleganz ist äußerst sehenswert. Und ist es nicht besonders zu würdigen, dass der finale Kampf gegen den endlich entlarvten Oberbösewicht ausgerechnet in einem Hühnerstall stattfindet? Ich finde schon.

Weitere Verrücktheiten, mit denen der Film aufwartet: Ein Gasthaus, in dem Fong und Li sich mit Reiswein zuprosten, wird unversehens von einer Horde Schwertkämpfer überfallen, deren Kostüme so aussehen, als seien sie der Requisitenkammer eines Barbar:innen-Trashfilms der Achtziger entnommen. Und als ob der Genremix aus Whodunit und Kung Fu nicht schon abgedreht genug wäre, ist die Filmmusik von Stanley Chow auch noch die nahezu perfekte Imitation eines Morricone-Soundtracks.*

* Chow war in den 1970 für den Score von hunderten Filmen verantwortlich. Dabei bediente er sich gern großzügig bei Komponisten wie Ennio Morricone und Riz Ortolani.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.