Dienstag, 13. Dezember 2016

Vox Day ist ein Nazi

Letzte Woche erschien auf Black Gate ein Beitrag von Foz Meadows (hier eine archivierte Version). Thema: »The relationship between fiction and politics«. Meadows erwähnt darin die Sad und Rabid Puppies und weist daraufhin, dass beide Gruppen von »an actual neo-Nazi« angeleitet worden seien – gemeint ist natürlich Theo Beale alias Vox Day. Dass Beales Kopf eine Art ideologische Kloake ist, in der sich Ideen der religiösen Rechten, der sogenannten ›Islamkritik‹, des Antifeminismus und Versatzstücke von Rassentheorien zu einer stinkenden Brühe vermischt haben, ist bekannt. Ebenso ist klar, was all diese Vorstellungen gemeinsam haben: Sie stammen von rechtsaußen.

In jüngster Zeit versucht Beale, sich als eine Art Sprecher der Alt-right zu profilieren, also jener heterogenen Strömung von US-Rechtsradikalen, die seit ihrer Unterstützung für Donald Trump auch international von sich reden macht. Die Alt-right ist einerseits aus dem Verrohungsprozess entstanden, den ein beträchtlicher Teil des konservativen und libertären Lagers (in den USA eigentlich Teil des ›normalen‹ politischen Spektrums) durchgemacht hat. Andererseits mischen bei der Alt-right aber auch offen neonazistische Gruppen und solche, die aus der White-Supremacy-Bewegung stammen, mit (auch der Ku Klux Klan hat bekanntlich zur Wahl Trumps aufgerufen). Innerhalb der Alt-right hat sich insbesondere das Online-Magazin The Daily Stormer hervorgetan, das von dem bekennenden Nazi Andrew Anglin herausgegeben wird.

Trotz dieses Schulterschlusses reagiert Beale auffallend dünnhäutig, wenn er mit neonazistischen Bestrebungen assoziiert wird. Als die Tor-Books-Mitarbeiterin Irene Gallo vor einiger Zeit die Sad und Rabid Puppies auf ihrem privaten Facebook-Profil als »two extreme right-wing to neo-nazi groups« charakterisierte, forderte Beale den Verlag allen Ernstes auf, seine Mitarbeiterin zu entlassen. Dem kam Tor Books natürlich nicht nach, aber Verleger Tom Doherty sah sich dennoch veranlasst, sich von Gallos Aussage zu distanzieren, womit er dem Gernegroß Beale unnötig weit entgegen kam. (Beale schwafelt seit Jahren davon, dass sein Kleinverlag Castalia House den etablierten englischsprachigen SFF-Verlagen wie Tor über kurz oder lang das Wasser abgraben werde. Wer sich nicht sicher ist, wie ernst diese Prahlerei zu nehmen ist, mag diesem Blogpost entnehmen, dass Castalias mit Abstand bekanntester Autor, John C. Wright, im vergangenen Herbst seine Stromrechnung nicht bezahlen konnte. Wright, zuvor als relativ erfolgreicher Autor bei Tor unter Vertrag, wechselte aus ideologischen Gründen zu Beales Mikroverlag. Wright ist selber ein klerikalfaschistischer Dampfplauderer, aber ich muss sagen, dass er mir jetzt, wo er die Folgen einer Liaison mit Theo Beale am eigenen Leib erfährt, fast schon leid tut.)

Schon in Bezug auf Gallo sprach Beale von libel, also Verleumdung. So auch jetzt wieder in seiner Reaktion auf Foz Meadows’ Artikel: Er habe sich an John O’Neill gewandt, den Herausgeber von Black Gate, der den verleumderischen Charakter von Meadows’ Text sicher schnell erkennen und von seiner Website entfernen werde. Nun wissen wir aber dank File 770, dass Beale O’Neill gegenüber ganz andere Bedenken äußerte: Beale lebt in Italien, und da es in der EU Gesetze gegen Nazis gebe, befürchte er rechtliche Konsequenzen, wenn er fälschlicherweise als Neonazi bezeichnet werde. O’Neill hat ihm diesen Unsinn offenbar abgekauft, denn auf der Seite von Black Gate sind mittlerweile nur noch die ersten beiden Absätze des Artikels zu lesen. Der komplette Text findet sich jetzt bei Amazing Stories, deren Herausgeber Steve Davidson anscheinend weniger leichtgläubig als O’Neill ist.

Zwar ist in der EU sicherlich noch niemand juristisch belangt worden, weil er im Internet als Neonazi bezeichnet wurde, aber interessant finde ich vor allem, dass Beale sich selber anscheinend nicht sicher ist, ob Polizei oder Staatsanwaltschaft ihn nicht doch für einen Neonazi halten könnten. Denn allen Krokodilstränen und Beschwerden über Verleumdung zum Trotz enthält Beales rechter Ideologie-Mix auch neonazistische Elemente. Sein 16-Punkte-Programm für die Alt-right, das in diversen Sprachen auf seinem Blog zu lesen ist, enthält mit Punkt 14 eine kaum veränderte Variante von David Lanes »Fourteen Words«:
We must secure the existence of our people and a future for white children. 
Lane entwarf diesen Slogan als eine Art Maxime, die die rassistische Grundüberzeugung der radikalen Rechten weltweit zusammenfassen soll. Bei Beale liest sich das dann so:
The Alt Right believes we must secure the existence of white people and a future for white children.
David Lane war einer der führenden Ideologen des Neonazismus in den USA. Er durchwanderte im Laufe seines Lebens das gesamte Organisationsspektrum der radikalen Rechten, indem er nacheinander Mitglied der John Birch Society, des Ku Klux Klan und der Aryan Nations war. Schließlich landete er bei der rechtsterroristischen Gruppe The Order, die 1984 den jüdischen Radiomoderator Alan Berg ermordete. Lane diente bei der Tat als Fluchtfahrer, wofür er eine hohe Haftstrafe erhielt. 2007 starb er im Gefängnis. Seine »Fourteen Words«, die in der Tat zu einem beliebten Slogan von Neonazis auch in Europa geworden sind, stellen überdeutlich eine Paraphrase des folgenden Absatzes aus Mein Kampf dar:
Für was wir zu kämpfen haben, ist die Sicherung des Bestehens und der Vermehrung unserer Rasse und unseres Volkes, die Ernährung seiner Kinder und Reinhaltung des Blutes, die Freiheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes, auf daß unser Volk zur Erfülllung der auch ihm vom Schöpfer des Universums zugewiesenen Mission heranzureifen vermag.*
Meines Wissens hat Lane nie offen zugegeben, dass er die »Fourteen Words« aus Mein Kampf abgekupfert hat. Jedoch steht der Absatz in Band I, Kapitel 8 von Hitlers Weltanschauungsschrift, was der unter Neonazis beliebten Codezahl 18 (für AH = Adolf Hitler) entspricht. Lane war bekannt dafür, sich geradezu obsessiv mit solchen Zahlenspielchen zu beschäftigen. Zudem ist die Passage in Mein Kampf im Schriftbild hervorgehoben, also auch ohne intensive Lektüre leicht aufzufinden.

Kurz gefasst übernimmt Beale also den Slogan eines neonazistischen Mörders, der direkt aus Mein Kampf hergeleitet ist. Das hält ihn aber nicht davon ab, auf seinem Blog mit schriller Stimme zu erklären:
I am neither a neo-Nazi nor a National Socialist, I have never been a neo-Nazi or a National Socialist, I do not belong to, or subscribe to the tenets of, the German National Socialist Workers Party or any subsequent facsimile, and I do not appreciate the libelous attempts of Ms Meadows, to publicly and falsely assert that I am “an actual neo-Nazi”. 
Schon klar, dass er das nicht mag. Weil Beale aber ebenso menschenverachtend wie verlogen und feige ist, muss in aller Deutlichkeit erklärt werden: Teddy Beale, Vox Day, ist ein Nazi.

* Adolf Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition, Band I, hg. v. Christian Hartmann u.a., Berlin/München 2016, S. 575f.

3 Kommentare:

SF-Dinosaurier hat gesagt…

Diverse Kommentare über Farbige hast Du ausgelassen. Die sind noch deutlicher.

Anonym hat gesagt…

Merci für die Aufklärung über V. Day, kannte ich bis eben nicht: Bin über die Heise-Foren auf sein Machwerk über SJW gestolpert, weil der Werbeblocker Pause machte - als Amazon-Partnerwerbung, weil ein heise-Artikel das Thema Streitkultur auf dt. Hochschulen aufgriff, und das rechts geflutete Forum schäumt bei solchen Themen über. Widerwärtig, aber nun weiß ich, woher die ihr Propaganda-Material beziehen und wo sie abschreiben. Gruß W-Day

Anonym hat gesagt…

So ein unsinn.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.