Die Überraschung dabei war für mich, dass die Figur des Walter Sobchak von Regisseur und Drehbuchautor John Milius inspiriert ist. Milius ist bekanntlich ein Typ, in dessen Träumen kraftstrotzende, Nietzsche und Frazer lesende Krieger und Kraftkerle herumstapfen – Krieger von der Sorte, die gelassen ihr Schicksal akzeptieren, wenn sie (nach einem Leben voller Opfersinn und Kriegertum) durch einen Jüngeren vom Thron gestoßen werden. So wie Colonel Kurtz am Ende von Apocalypse Now: Fressen und gefressen gewerden. Der König ist tot, es lebe der König.
Außer für Coppolas Film, zu dem er das Drehbuch schrieb, ist Milius vor allem für Conan the Barbarian bekannt, das unerreichte Vorbild aller weiteren Sword-and-Sorcery-Filme. Es hat einen Typen gebraucht, der den Kalten Krieg wirklich ernst nahm (statt ihn als die Farce zu sehen, die er war), um Robert E. Howards manisch-depressiven, freiheitsliebenden Cimmerier zu dem Pop-Nietzscheaner zu machen, der stets sein Schicksal akzeptiert, ganz gleich, ob es sich dabei um das Rad des Schmerzes oder die Krone von Aquilonien handelt. Wahrscheinlich werde ich mir von jetzt an immer vorstellen, dass der Film-Conan Milius’ Ich-Ideal darstellt, während der reale Milius eben so wie Walter Sobchak drauf ist. Das ist aber gar nicht böse gemeint. Milius stilisiert sich selbst gern zum Außenseiter, der wegen seines konservativen Waffen-, Krieger- und Freiheitskults in Hollywood verfemt sei. Ich habe aber den Verdacht, dass Milius zu jenen Konservativen gehört, die sich ausgesprochen unwohl fühlen würden, wenn sie in einer Welt voller Konservativer leben müssten. Das wäre einfach zu langweilig und konformistisch. So glaube ich, dass Milius sich insgeheim unter Liberalen recht wohl fühlt. Seine Lieblingsbeschäftigung besteht ohnehin darin, Versatzstücke seiner persönlichen Mythologie in den Filmen anderer Leute unterzubringen, etwa bei Spielberg: Hai-Jäger Quints Bericht vom Untergang der USS Indianapolis in Jaws? Milius’ Idee. Das uber-pathetische Ende von Saving Private Ryan? Auf Milius’ Mist gewachsen.
Gleichzeitig verkörpert Milius so etwas wie eine aussterbende Art. Er ist Vertreter eines, nun ja, mit einer gewissen Haltung einhergehenden Konservativismus. Man vergleiche nur Milius’ Filme mit den völlig rückgratlosen Remakes von Conan the Barbarian und Red Dawn – und man wünscht sich einen Walter Sobchak, der mit der Knarre herumfuchtelt und brüllt, er habe nicht seine Kameraden im Matsch sterben gesehen, um sich so etwas bieten zu lassen.
East Side Gallery: Walter Sobchak und der Kalte Krieg |
P.S.: Die CineFix-Leute haben übrigens unrecht, wenn sie den Teppich des Dude als einen MacGuffin bezeichnen. MacGuffins gibt es in The Big Lebowski mindestens drei: Bunny Lebowski, den Koffer mit Walters getragener Unterwäsche und den Wagen des Dude. Der Teppich selber ist aber alles andere als ein MacGuffin, denn The Big Lebowski ist nun einmal wirklich ein Film über einen Typen, der sich auf eine heroische Queste begibt, um Genugtuung für seinen geschändeten Teppich zu erlangen. It really tied the room together.
Bildquelle: Wikimedia Commons
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