Je länger der Winter dauert, desto stärker mein Bedürfnis, an Sommerliches zu denken. Deshalb gibt es heute was von Heine.
Dämmernd liegt der Sommerabend
Über Wald und grünen Wiesen;
Goldner Mond, im blauen Himmel,
Strahlt herunter, duftig labend.
An dem Bache zirpt die Grille,
Und es regt sich in dem Wasser,
Und der Wandrer hört ein Plätschern
Und ein Atmen in der Stille.
Dorten an dem Bach alleine,
Badet sich die schöne Elfe;
Arm und Nacken, weiß und lieblich,
Schimmern in dem Mondenscheine.
Samstag, 31. Januar 2015
Freitag, 23. Januar 2015
Was gelernt: über Walter Sobchak
Über Frank Böhmerts Blog bin ich an diesen Clip über The Big Lebowski geraten:
Die Überraschung dabei war für mich, dass die Figur des Walter Sobchak von Regisseur und Drehbuchautor John Milius inspiriert ist. Milius ist bekanntlich ein Typ, in dessen Träumen kraftstrotzende, Nietzsche und Frazer lesende Krieger und Kraftkerle herumstapfen – Krieger von der Sorte, die gelassen ihr Schicksal akzeptieren, wenn sie (nach einem Leben voller Opfersinn und Kriegertum) durch einen Jüngeren vom Thron gestoßen werden. So wie Colonel Kurtz am Ende von Apocalypse Now: Fressen und gefressen gewerden. Der König ist tot, es lebe der König.
Außer für Coppolas Film, zu dem er das Drehbuch schrieb, ist Milius vor allem für Conan the Barbarian bekannt, das unerreichte Vorbild aller weiteren Sword-and-Sorcery-Filme. Es hat einen Typen gebraucht, der den Kalten Krieg wirklich ernst nahm (statt ihn als die Farce zu sehen, die er war), um Robert E. Howards manisch-depressiven, freiheitsliebenden Cimmerier zu dem Pop-Nietzscheaner zu machen, der stets sein Schicksal akzeptiert, ganz gleich, ob es sich dabei um das Rad des Schmerzes oder die Krone von Aquilonien handelt. Wahrscheinlich werde ich mir von jetzt an immer vorstellen, dass der Film-Conan Milius’ Ich-Ideal darstellt, während der reale Milius eben so wie Walter Sobchak drauf ist. Das ist aber gar nicht böse gemeint. Milius stilisiert sich selbst gern zum Außenseiter, der wegen seines konservativen Waffen-, Krieger- und Freiheitskults in Hollywood verfemt sei. Ich habe aber den Verdacht, dass Milius zu jenen Konservativen gehört, die sich ausgesprochen unwohl fühlen würden, wenn sie in einer Welt voller Konservativer leben müssten. Das wäre einfach zu langweilig und konformistisch. So glaube ich, dass Milius sich insgeheim unter Liberalen recht wohl fühlt. Seine Lieblingsbeschäftigung besteht ohnehin darin, Versatzstücke seiner persönlichen Mythologie in den Filmen anderer Leute unterzubringen, etwa bei Spielberg: Hai-Jäger Quints Bericht vom Untergang der USS Indianapolis in Jaws? Milius’ Idee. Das uber-pathetische Ende von Saving Private Ryan? Auf Milius’ Mist gewachsen.
Gleichzeitig verkörpert Milius so etwas wie eine aussterbende Art. Er ist Vertreter eines, nun ja, mit einer gewissen Haltung einhergehenden Konservativismus. Man vergleiche nur Milius’ Filme mit den völlig rückgratlosen Remakes von Conan the Barbarian und Red Dawn – und man wünscht sich einen Walter Sobchak, der mit der Knarre herumfuchtelt und brüllt, er habe nicht seine Kameraden im Matsch sterben gesehen, um sich so etwas bieten zu lassen.
P.S.: Die CineFix-Leute haben übrigens unrecht, wenn sie den Teppich des Dude als einen MacGuffin bezeichnen. MacGuffins gibt es in The Big Lebowski mindestens drei: Bunny Lebowski, den Koffer mit Walters getragener Unterwäsche und den Wagen des Dude. Der Teppich selber ist aber alles andere als ein MacGuffin, denn The Big Lebowski ist nun einmal wirklich ein Film über einen Typen, der sich auf eine heroische Queste begibt, um Genugtuung für seinen geschändeten Teppich zu erlangen. It really tied the room together.
Bildquelle: Wikimedia Commons
Die Überraschung dabei war für mich, dass die Figur des Walter Sobchak von Regisseur und Drehbuchautor John Milius inspiriert ist. Milius ist bekanntlich ein Typ, in dessen Träumen kraftstrotzende, Nietzsche und Frazer lesende Krieger und Kraftkerle herumstapfen – Krieger von der Sorte, die gelassen ihr Schicksal akzeptieren, wenn sie (nach einem Leben voller Opfersinn und Kriegertum) durch einen Jüngeren vom Thron gestoßen werden. So wie Colonel Kurtz am Ende von Apocalypse Now: Fressen und gefressen gewerden. Der König ist tot, es lebe der König.
Außer für Coppolas Film, zu dem er das Drehbuch schrieb, ist Milius vor allem für Conan the Barbarian bekannt, das unerreichte Vorbild aller weiteren Sword-and-Sorcery-Filme. Es hat einen Typen gebraucht, der den Kalten Krieg wirklich ernst nahm (statt ihn als die Farce zu sehen, die er war), um Robert E. Howards manisch-depressiven, freiheitsliebenden Cimmerier zu dem Pop-Nietzscheaner zu machen, der stets sein Schicksal akzeptiert, ganz gleich, ob es sich dabei um das Rad des Schmerzes oder die Krone von Aquilonien handelt. Wahrscheinlich werde ich mir von jetzt an immer vorstellen, dass der Film-Conan Milius’ Ich-Ideal darstellt, während der reale Milius eben so wie Walter Sobchak drauf ist. Das ist aber gar nicht böse gemeint. Milius stilisiert sich selbst gern zum Außenseiter, der wegen seines konservativen Waffen-, Krieger- und Freiheitskults in Hollywood verfemt sei. Ich habe aber den Verdacht, dass Milius zu jenen Konservativen gehört, die sich ausgesprochen unwohl fühlen würden, wenn sie in einer Welt voller Konservativer leben müssten. Das wäre einfach zu langweilig und konformistisch. So glaube ich, dass Milius sich insgeheim unter Liberalen recht wohl fühlt. Seine Lieblingsbeschäftigung besteht ohnehin darin, Versatzstücke seiner persönlichen Mythologie in den Filmen anderer Leute unterzubringen, etwa bei Spielberg: Hai-Jäger Quints Bericht vom Untergang der USS Indianapolis in Jaws? Milius’ Idee. Das uber-pathetische Ende von Saving Private Ryan? Auf Milius’ Mist gewachsen.
Gleichzeitig verkörpert Milius so etwas wie eine aussterbende Art. Er ist Vertreter eines, nun ja, mit einer gewissen Haltung einhergehenden Konservativismus. Man vergleiche nur Milius’ Filme mit den völlig rückgratlosen Remakes von Conan the Barbarian und Red Dawn – und man wünscht sich einen Walter Sobchak, der mit der Knarre herumfuchtelt und brüllt, er habe nicht seine Kameraden im Matsch sterben gesehen, um sich so etwas bieten zu lassen.
East Side Gallery: Walter Sobchak und der Kalte Krieg |
P.S.: Die CineFix-Leute haben übrigens unrecht, wenn sie den Teppich des Dude als einen MacGuffin bezeichnen. MacGuffins gibt es in The Big Lebowski mindestens drei: Bunny Lebowski, den Koffer mit Walters getragener Unterwäsche und den Wagen des Dude. Der Teppich selber ist aber alles andere als ein MacGuffin, denn The Big Lebowski ist nun einmal wirklich ein Film über einen Typen, der sich auf eine heroische Queste begibt, um Genugtuung für seinen geschändeten Teppich zu erlangen. It really tied the room together.
Bildquelle: Wikimedia Commons
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Robert E. Howard
Samstag, 10. Januar 2015
Was dieses Jahr passieren soll
Meinem Vorsatz, hier auf dem Blog jedes Wochenende ein Gedicht zu posten und kurz zu kommentieren, bin ich bislang eher ungenügend nachgekommen. Das hält mich aber nicht davon ab, es weiterhin zu versuchen. Auch will ich dieses Jahr mit zwei weiteren Post-Reihen in die Pötte kommen: einmal mit meiner Lektüre der Mythenreihe, und einmal mit weiteren Buchvorstellungen unter der Überschrift »Lest alte Fantasy«. Mal sehen, wie weit ich damit komme.
Und weil dieser Post sonst allzu prosaisch wäre, gibt es zum Schluss einen Clerihew aus der Feder von W. H. Auden:
Und weil dieser Post sonst allzu prosaisch wäre, gibt es zum Schluss einen Clerihew aus der Feder von W. H. Auden:
- Sir Henry Rider Haggard
- Was completely staggered
- When his bride-to-be
- Announced, “I am She!”
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Reim dich oder ich fress dich
Dienstag, 6. Januar 2015
καθεῖλεν δυνάστας ἀπὸ θρόνων
Ich bin gerade in Pasolini-Mood: Zur Feier von Epiphanias gibt es heute eine Szene aus Il Vangelo secondo Matteo. Den Film, den die FAZ als »das einzige wirkliche Wunder des Bibelkinos« bezeichnete, halte ich für die einzige wirklich gelungene Leinwandadaption des Evangeliumsstoffes.* Pasolini selbst hatte ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu seinem Werk; um so größer ist meine Bewunderung. Es ist einzigartig, wie Musik und kleine Details eine Szene, wie hier den Besuch der drei Weisen bei Maria und ihrem Kind, lebendig machen: Nicht nur Odettas großartige Stimme, sondern auch das Mienenspiel Marias und der Dorfkinder, die sichtlich grinsen müssen, als sie die würdevollen weisen Männer vor einem Baby niederknien sehen, tragen dazu bei, dass dieser Film so verrückt, spöttisch und ehrfürchtig zugleich ist.
* Einschränkend muss ich jedoch sagen, dass ich Roberto Rosselinis Messias noch nicht gesehen habe.
* Einschränkend muss ich jedoch sagen, dass ich Roberto Rosselinis Messias noch nicht gesehen habe.
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Pasolini
Samstag, 3. Januar 2015
Truth Lies not in One Dream, but in Many
Am Neujahrstag habe ich mir mit meiner Geliebten neben jede Menge Chaplin-Filmen (aus der Mutual-Ära) Il fiore delle Mille e una notte von Pasolini angesehen. Der in Deutschland mit Erotische Geschichten aus 1001 Nacht etwas softpornomäßig betitelte Film* ist bekanntlich der Schlussteil von Pasolinis Trilogie des Lebens. Nun halte ich die ersten beiden Teile der Trilogie, Il Decameron (1970) und I racconti di Canterbury (Pasolinis tolldreiste Geschichten, 1972), nicht gerade für Höhepunkte von Pasolinis künstlerischem Schaffen, war aber wieder einmal überrascht, wie abwechslungsreich und lebendig Il fiore, der abschließende Film von 1974, ist. Und weil wir beim Schauen viel über die verschachtelte Handlung diskutiert haben und die verschiedenen Wikipedien mit Inhaltsangaben geizen, habe ich beschlossen, einmal aufzudröseln, wie die verschiedenen Plot-Episoden zusammenhängen. Wer den Film noch nicht kennt und nicht gespoilert werden möchte, sollte also nicht weiterlesen.
Definitive Heldin von Il fiore ist die Sklavin Zumurrud, die ihrem Besitzer das Versprechen entlockt hat, sich ihren Käufer selbst aussuchen zu dürfen. Zumurrud erweist sich im Laufe der Handlung aufgrund ihrer Klugheit als allen anderen Handlungsträger_innen überlegen. Außer ihr gibt es kaum eine Figur, die sich nicht tollpatschig verhält oder unachtsam großes Unglück auslöst. Durch geschicktes Verhandeln bewirkt Zumurrud, dass sie von dem hübschen Jüngling Nur ed-Din gekauft wird – das Geld zum Bezahlen überreicht sie ihm heimlich selber. Das erweckt den Zorn des reichen Rashid, der Zumurrud für sich selber haben wollte. Zumurrud erzählt Nur ed-Din
In einer prächtigen Stadt in der Wüste wird Zumurrud bereits am Tor festlich in empfangen. Sie erfährt, dass der König der Stadt gestorben ist. Gemäß dem Brauch, den ersten aus der Wüste heranreitenden Mann zum neuen König zu machen, wird Zumurrud diese Ehre zuteil – wobei sie gar nicht erst dazu kommt, sich zu fragen, was passieren wird, wenn die Bürger_innen der Stadt herausfinden, dass sie gar kein Mann ist, denn ihr wird mitgeteilt, dass sie von der Zinne eines Turms geworfen würde, falls sie die Königswürde nicht anzunehmen bereit ist. Eine Braut ist für den neuen König auch schon ausersehen. Diese schüttelt sich vor Lachen, als Zumurrud in der Brautkammer aus ihrer Männerkleidung steigt, und verspricht, das Geheimnis zu bewahren. Nachdem Zumurrud den Thron bestiegen hat, treffen nacheinander der schurkische Christ Barsum und der Bandit in der Stadt ein. Zumurrud lässt die beiden kurzerhand ans Kreuz schlagen.
Nur ed-Din sucht unterdessen weiter nach seiner Geliebten, ohne sich allerdings sonderlich geschickt anzustellen. Da ihm Geld fehlt, verlegt er sich aufs Betteln. Eine Frau engagiert ihn, ihre Markteinkäufe nach Hause zu tragen. Dort erzählt sie
Wer kennt sie nicht, die Rahmengeschichte von Scheherazade, die den misogynen König Schahrijar davon abhalten will, jeden Morgen eine Frau zu töten? Mehr noch als die einzelnen Geschichten (deren Anzahl und Inhalt ohnehin changiert) scheint die Rahmenhandlung die Quintessenz des gesamten Erzählwerks zu sein. Insofern war es vielleicht Pasolinis radikalste Tat bei seiner Bearbeitung des Stoffes von Tausendundeiner Nacht, die herkömmliche Rahmenhandlung durch die Geschichte von Zumurrud und Ali Shar (wie Nur ed-Din in der Vorlage heißt) zu ersetzen. Zumurrud ist eine veritable Tricksterin, die sich aus jeder Zwickmühle befreit und sich dabei noch souverän ihrer Feinde entledigt. Kaum vorstellbar, dass sie sich der Gnade eines Königs ausliefern würde. Lieber heiratet sie eine Frau und wird selber König – natürlich ohne ihren geliebten Nur ed-Din im Stich zu lassen, der allerdings zunächst befürchtet, den Rest seines Lebens als Lustknabe eines fremden Tyrannen fristen zu müssen.
Wie immer bei Pasolini liegen Sex und Gewalt nah beieinander. Der Bandit, der Zumurrud entführt, droht ihr mit Vergewaltigung durch seine komplette Gang. Der Dämon, der die Prinzessin gefangen hält, vergewaltigt sie alle anderthalb Wochen. Und was ist von der Wette Haruns und Zeudis zu halten? Beim Ansehen von Il fiore ist mir oft nicht klar, wo die Grenze zwischen der selbstbestimmten, fröhlichen Sexualität Zumurruds und den eher gewaltförmigen, manipulativen Spielen anderer Figuren liegt. Mir scheint, die Feier der Lüste, die Pasolini da inszeniert, führt manchmal dazu, dass Ambivalenzen und Grausamkeiten verdeckt werden. In solchen Momenten wünsche ich mir, der Film würde stärker die Perspektive von Aziza und Dunya einnehmen als die von Zumurrud.
Definitive Heldin von Il fiore ist die Sklavin Zumurrud, die ihrem Besitzer das Versprechen entlockt hat, sich ihren Käufer selbst aussuchen zu dürfen. Zumurrud erweist sich im Laufe der Handlung aufgrund ihrer Klugheit als allen anderen Handlungsträger_innen überlegen. Außer ihr gibt es kaum eine Figur, die sich nicht tollpatschig verhält oder unachtsam großes Unglück auslöst. Durch geschicktes Verhandeln bewirkt Zumurrud, dass sie von dem hübschen Jüngling Nur ed-Din gekauft wird – das Geld zum Bezahlen überreicht sie ihm heimlich selber. Das erweckt den Zorn des reichen Rashid, der Zumurrud für sich selber haben wollte. Zumurrud erzählt Nur ed-Din
- Die Geschichte vom König Harun, der mit seiner Königin Zeudi eine reichlich übergriffige Wette abschließt, bei der es darum geht, ob sich der Junge Berhane zuerst in das Mädchen Giana verlieben wird oder andersherum. Um das herauszufinden, setzen die beiden Berhane und Giana unter Drogen und wecken sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf. Da sowohl Berhane mit der schlafenden Giana als auch Giana mit dem schlafenden Berhane Sex hat, geht die Wette unentschieden aus.
In einer prächtigen Stadt in der Wüste wird Zumurrud bereits am Tor festlich in empfangen. Sie erfährt, dass der König der Stadt gestorben ist. Gemäß dem Brauch, den ersten aus der Wüste heranreitenden Mann zum neuen König zu machen, wird Zumurrud diese Ehre zuteil – wobei sie gar nicht erst dazu kommt, sich zu fragen, was passieren wird, wenn die Bürger_innen der Stadt herausfinden, dass sie gar kein Mann ist, denn ihr wird mitgeteilt, dass sie von der Zinne eines Turms geworfen würde, falls sie die Königswürde nicht anzunehmen bereit ist. Eine Braut ist für den neuen König auch schon ausersehen. Diese schüttelt sich vor Lachen, als Zumurrud in der Brautkammer aus ihrer Männerkleidung steigt, und verspricht, das Geheimnis zu bewahren. Nachdem Zumurrud den Thron bestiegen hat, treffen nacheinander der schurkische Christ Barsum und der Bandit in der Stadt ein. Zumurrud lässt die beiden kurzerhand ans Kreuz schlagen.
Nur ed-Din sucht unterdessen weiter nach seiner Geliebten, ohne sich allerdings sonderlich geschickt anzustellen. Da ihm Geld fehlt, verlegt er sich aufs Betteln. Eine Frau engagiert ihn, ihre Markteinkäufe nach Hause zu tragen. Dort erzählt sie
- Die Geschichte vom Prinzen Tagi, der auf der Jagd einen Mann in schwarzer Kleidung trifft, welcher ihm mit Leichenbittermiene von seinem Geschick erzählt:
- Aziz, der Schwarzgekleidete, ist mit seiner Cousine Aziza verlobt. Den Tag der Hochzeitsfeier vertändelt er jedoch zunächst mit seinen Freunden. Als er von der Straße aus eine geheimnisvolle Schönheit am Fenster erblickt, bleibt er bis in die Nacht hinein unter ihrem Fenster sitzen. Die Hochzeit fällt aus. Aziza, an der der eitle und selbstsüchtige Aziz wenig Interesse zeigt, leidet an einem gebrochenen Herzen. Ihr Opferwille ist jedoch so groß, dass sie Aziz hilft, Kontakt zu Budur, der schönen Unbekannten am Fenster, aufzunehmen. Die Affäre mit Budur nimmt Aziz völlig ein, während er für Aziza nicht die geringste Empathie aufbringt. Schließlich stirbt Aziza vor Kummer (wobei offen bleibt, wen sie eigentlich unglücklich liebt – ihren Verlobten oder Budur). Die Affäre zwischen Budur und Aziz endet, als dieser heiratet und Vater eines Kindes wird. Nach einem Jahr trifft er Budur wieder, die nun weiß, dass er seine Verlobte in den Tod getrieben und eine andere Frau geheiratet hat. Zur Strafe lässt sie ihn kastrieren.
- Prinz Shahzaman ist der einzige Überlebende eines Überfalls auf seine Karawane. Mit letzter Kraft schleppt er sich in die nächste Stadt, wo er von einem Bürger freundlich aufgenommen wird. Allerdings muss er seine Identität verheimlichen, denn die Stadt ist mit der Shahzamans verfeindet. Auch seine hohe Bildung nützt ihm nichts, und er muss als Holzfäller seinen Lebensunterhalt verdienen. Eines Tages entdeckt er bei der Arbeit ein unterirdisches Gemach, in dem eine Prinzessin von einem Dämon gefangen gehalten wird. Shahzaman will die Prinzessin befreien, gerät aber ebenfalls in die Gefangenschaft des Dämons. Der verspricht zunächst der Prinzessin, sie nicht zu bestrafen, wenn sie Shahzaman töte. Als sie sich weigert, verspricht er Shahzaman, ihn laufen zu lassen, wenn er die Prinzessin töte. Der Prinz weigert sich ebenfalls, und so zerstückelt der Dämon die Prinzessin und verwandelt Shahzaman in einen Schimpansen, den er an einem fernen Ufer aussetzt. Dort wird Shahzaman von einem Schiff aufgegriffen. Als Schimpanse kann er nicht sprechen, demonstriert jedoch, dass er Kalligraphie beherrscht. Das Schiff kehrt in seinen Heimathafen zurück, wo Shahzaman dem König vorgeführt wird. Der König ahnt, dass der Schimpanse ein verzauberter Mensch ist, und bittet seine Tochter Ibriza, ihn zurückzuverwandeln. Ibriza kommt der Bitte nach, lässt dabei aber ihr Leben. Zur Buße legt Shahzaman ein schlichtes Gewand an und will fortan sein Leben allein der Suche nach Weisheit widmen.
- Prinz Yunan ist ein verträumter, noch sehr kindlicher Jugendlicher. Als ihn im Traum eine Stimme auffordert, zur See zu fahren, bittet er seinen Vater, für ihn ein Schiff auszurüsten. Die Expedition gerät in die Nähe eines Magnetbergs, der Schiffe anzieht und an seinen Klippen zerschellen lässt. Yunan wird als einziger Überlebender auf den Magnetberg geschleudert. Wieder hört er die Stimme im Traum. Sie gebietet ihm, einen Pfeil auf den kupfernen Ritter zu schießen, der unter einem kupfernen Gewölbe auf dem Gipfel des Berges steht. Getroffen stürzt der Ritter ins Meer, und der Magnetberg versinkt in den Fluten. Yunan kann sich schwimmend auf eine nahe Insel retten. Vom Strand aus beobachtet er, wie ein Junge an Land gebracht und in einem unterirdischen Gemach versteckt wird. Als Yunan in das Gemach hinabsteigt, teilt ihm der erschrockene Junge den Grund seines Verstecks mit: Ihm wurde geweissagt, dass er an seinem fünfzehnten Geburtstag ermordet werde. Yunan verspricht, ihn zu beschützen. In der Nacht hört er zum dritten Mal die Stimme im Traum, die ihm nun mitteilt, dass er den Magnetberg zerstört habe, mache zum Ausgleich ein Opfer erforderlich. Yunan erhebt sich schlafwandelnd und ersticht den Jungen. Am Morgen ist er voller Entsetzen über seine Tat und beschließt, wie schon Shahzaman, ein Leben als Büßer zu führen.
Wer kennt sie nicht, die Rahmengeschichte von Scheherazade, die den misogynen König Schahrijar davon abhalten will, jeden Morgen eine Frau zu töten? Mehr noch als die einzelnen Geschichten (deren Anzahl und Inhalt ohnehin changiert) scheint die Rahmenhandlung die Quintessenz des gesamten Erzählwerks zu sein. Insofern war es vielleicht Pasolinis radikalste Tat bei seiner Bearbeitung des Stoffes von Tausendundeiner Nacht, die herkömmliche Rahmenhandlung durch die Geschichte von Zumurrud und Ali Shar (wie Nur ed-Din in der Vorlage heißt) zu ersetzen. Zumurrud ist eine veritable Tricksterin, die sich aus jeder Zwickmühle befreit und sich dabei noch souverän ihrer Feinde entledigt. Kaum vorstellbar, dass sie sich der Gnade eines Königs ausliefern würde. Lieber heiratet sie eine Frau und wird selber König – natürlich ohne ihren geliebten Nur ed-Din im Stich zu lassen, der allerdings zunächst befürchtet, den Rest seines Lebens als Lustknabe eines fremden Tyrannen fristen zu müssen.
Wie immer bei Pasolini liegen Sex und Gewalt nah beieinander. Der Bandit, der Zumurrud entführt, droht ihr mit Vergewaltigung durch seine komplette Gang. Der Dämon, der die Prinzessin gefangen hält, vergewaltigt sie alle anderthalb Wochen. Und was ist von der Wette Haruns und Zeudis zu halten? Beim Ansehen von Il fiore ist mir oft nicht klar, wo die Grenze zwischen der selbstbestimmten, fröhlichen Sexualität Zumurruds und den eher gewaltförmigen, manipulativen Spielen anderer Figuren liegt. Mir scheint, die Feier der Lüste, die Pasolini da inszeniert, führt manchmal dazu, dass Ambivalenzen und Grausamkeiten verdeckt werden. In solchen Momenten wünsche ich mir, der Film würde stärker die Perspektive von Aziza und Dunya einnehmen als die von Zumurrud.
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Foto-Disclaimer
Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.