Beim Lesen eines Gesprächs zwischen Zoë Beck, Leander Wattig (finden E-Books knorke) und Roland Reuß (findet E-Books doof) ist mir eine beiläufige Bemerkung Wattigs ins Auge gefallen. Er sagt da über E-Books: »Man muss auch bestimmte Nutzungssituationen einbeziehen, etwa die größenverstellbare Anzeige von E-Readern.«
Das ist eine Sache, die mir bei der ganzen Diskussion, ob E-Books den kulturellen Bankrott oder eine Öffnung auf interessante neue Formen hin bedeuten, viel zu oft außen vor bleibt. Es gibt Menschen, für die sind aus einer Reihe von Gründen gedruckte Bücher schwerer zugänglich – Menschen mit Sehschwäche zum Beispiel. Das hat nicht unbedingt etwas mit Krankheit zu tun oder mit der oft vertretenen Vorstellung, dass manche Menschen eben Behinderungen haben und andere nicht. Phänomene wie Presbyopie, die sogenannte Altersweitsichtigkeit, zeigen, dass wir alle in vieler Hinsicht nur temporär nicht behindert werden, während in bestimmten Situationen unser Angewiesensein auf das Menschenrecht Barrierefreiheit steigt.
In dieser Hinsicht bieten E-Reader einige Vorteile etwa gegenüber Großdruck-Ausgaben. Die sind meist unhandliche Ziegelsteine und zudem auf ein bestimmtes Lesepublikum zugeschnitten: In der Genreliteratur sucht man sie in der Regel vergeblich. Hinzu kommt, dass für Menschen mit Sehschwäche bestimmte Fonts besser zu erkennen sind als andere. Die Möglichkeit, auf dem Reader zwischen verschiedenen Schrifttypen zu wechseln, ist also ein weiterer Vorteil. Kurzum: Als technische Innovation bieten E-Books Möglichkeiten gesellschaftlicher Inklusion, die es vorher nicht gab.
Ansonsten verläuft die Diskussion zwischen Beck, Reuß und Wattig weitgehend in den üblichen Bahnen:
- Wattig: E-Books ermöglichen neue literarische Formen. (Stimmt.)
- Beck: E-Publishing ermöglicht die Veröffentlichung von Werken, die sonst nie jemand zu Gesicht bekommen hätte. (Stimmt auch.)
- Reuß: E-Books bringen durch das verstärkte Feedback des Publikums die Gefahr mit sich, dass vermehrt stromlinienförmige, vor allem kommerziell interessante Bücher produziert werden. (Stimmt ebenfalls, gilt aber strukturell auch für den Printbereich.)
Die Lösung liegt im Kommunismus, und P.o.P. ist ein Schritt auf dem Weg dorthin.
5 Kommentare:
Eigentlich ist ein eBook nichts weiter als eine Sammlung von HTML-Seiten und insofern nichts anderes als eine Fassette des Internets.
Die freie Verfügbarkeit von Text, Kunst, Gedanken, Müll etc. ist irgendwie Bestandteil der Vernetzung von Menschen.
Geräte sind nur zeitlich stark begrenzte Hilfsmittel.
Klar. Ich wollte nur darauf hinaus, dass das Gerät in diesem Fall die Zugänglichkeit zu Text-Kunst-was-immer erleichtert. Es kann natürlich durch andere Geräte ersetzt werden.
Die Geschichte mit der wählbaren Schrift resp. Schriftgrösse hat allerdings auch eine Kehrseite: E-Books sind gedruckten Büchern typographisch deutlich unterlegen und das wird auch so bleiben. Technisch liesse sich das Layout zwar verbessern; . technisch ist bereits heute mehr möglich, als die meisten Anbieter nutzen- Letztlich kann aber auch der schlauste Algorithmus der Welt nicht mit einem guten Buchgestalter mithalten.
Mir ist natürlich auch klar, dass längst nicht alle gedruckten Bücher schön gesetzt sind. Wenn man aber mal eine gewisse Sensibilität für typographische Feinheiten entwickelt hat, sind E-Books ein Graus.
Deshalb hoffe ich sehr, dass schön gestaltete Bücher auch in Zukunft eine größere Bedeutung haben werden als z.B. Schallplatten im Musikbereich.
Die Schriftgröße und den Font wählen zu können ist nicht der einzige Zugänglichkeitsvorteil – E-Books sind im Grunde auch zugänglich für text-to-speech-Vorlesesoftware. Es wäre wichtig, die gebotenen Möglichkeiten dabei auch zu nutzen und E-Books mit Ausspracheinformationen anzureichern. Nicht zuletzt Fantasy mit erfundenen Namen und Kunstsprachen würde davon profitieren.
@simi: Was graust dir denn speziell? Ich finde ja schlechten Blocksatz in E-Books das grausigste, und das lässt sich noch recht gut vermeiden (durch Flattersatz).
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