Sonntag, 11. August 2013

Pacific Rim

Was für ein Schlockfest.

Guillermo del Toros Werk wird ja oft in Arthouse-Fantasy einerseits und Hollywood-Produktionen andererseits geschieden. So ganz geht diese Einteilung allerdings nicht auf, denn die Hellboy-Filme befinden sich irgendwo in der Mitte. Pacific Rim allerdings, so viel lässt sich sagen, steht deutlich in einer Linie mit del Toros früherem Schlock-Abenteuer Blade II. Das finde ich völlig in Ordnung, möchte aber gleich zu Beginn ein Missverständnis ausräumen: Schlock ist nicht etwa deshalb okay, weil ... man von manchen Filmen einfach nicht mehr erwarten darf als solides Popcorn-Kino, über das man nicht groß nachdenken darf. Oder wie dergleichen Rhetorik lautet. Nichts da, sondern die Faustregel lautet: Wenn ein Film nur Spaß macht, weil man nicht über ihn nachdenkt, ist der Film Mist. Gerade weil das so ist, kann man an Filmen wie Pacific Rim, die zum direkten Vergleich herausfordern, besonders gut erkennen, was der Unterschied zwischen einem Michael Bay und einem Guillermo del Toro ist.

Pacific Rim hat mir also Spaß gemacht, und zwar nicht nur als Schlockfest, sondern auch als Hommage. Filme, die vor allem die nostalgische Vorliebe des Regisseurs für die Naivität eines bestimmten Genres zelebrieren, können arg scheitern. Die entsprechenden Beispiele, von Burton bis Jackson, fallen mir jedenfalls ziemlich schnell ein. Bei Pacific Rim funktioniert die Respektsbekundung vor dem japanischen Monsterfilm und dem US-amerikanischen Invasionsfilm gut. Man spürt die kindliche Liebe, die darin steckt. Die Orientierung an diesen beiden Genres bedingt natürlich auch, dass das grundlegende Handlungsmuster übernommen wird: Die scheinbar unaufhaltsame Gefahr wird am Ende durch eine Koalition aus Wissenschaft und Militär besiegt. In Pacific Rim ist das entsprechende Personal jedoch gründlich umgemodelt worden: Die Jaegerpilot_innen wirken in ihren Uniformen wenig soldatisch und machen bisweilen eher den Eindruck, als hätten sie sich zum Cosplay in Schale geschmissen. Newt Geiszler, einer von zwei obligatorischen Wissenschaftlern im Film, hat sogar den Ruf, ein »Kaijū-Groupie« zu sein, wie sein Kollege, der expressionistisch-ernste Hermann Gottlieb, tadelnd bemerkt. Es wirkt ein wenig so, als würden die Monster in Pacific Rim von Nerds besiegt, und das gibt dem Film ein spielerisches Flair. Ein solches Vorgehen birgt das Risiko, es zu weit zu treiben und Selbstreflexivität mit plumpen Anspielungen auf die Genregeschichte zu verwechseln, aber dessen war del Toro sich wohl von Anfang an bewusst: »I didn’t want to be postmodern, or referential, or just belong to a genre. I really wanted to create something new, something madly in love with those things.« Das ist gelungen, würde ich sagen.

Bruchlos beibehalten wurde die simple Botschaft der klassischen Invasionsfilme: Zusammenarbeiten, damit die Menschheit überleben kann. Ich kann wirklich nicht behaupten, dass diese Botschaft hier auch nur ein klein wenig frischer wirkt als in Earth vs. the Flying Saucers oder Independence Day. Auf interessante Weise gespiegelt wird sie aber durch das System der Jaegerpilot_innen: Die Jaeger (die gigantischen Roboter, die zum Kampf gegen die außerirdischen Monster gebaut wurden) können jeweils nur von zwei Personen gesteuert werden, die gefühlsmäßig miteinander übereinstimmen müssen. Es ist eine nette Idee für einen Actionfilm, einfach mal zu sagen: Gut miteinander klarzukommen ist wichtiger als Draufgängerei und Furchtlosigkeit.

Was die (insgesamt solide) Besetzung angeht, schauspielern Rinko Kikuchi und Idris Elba den Rest des Casts locker an die Wand. Was erstere angeht, ist die Beobachtung völlig zutreffend, dass der Film im Bechdel-Test versagt. Kikuchi spielt jedoch überzeugend in einer trotzdem interessanten Rolle als Jaegerpilotin. Zu Elba ist zu bemerken: Was für ein Glück, dass er und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, Tom Cruise die Rolle des Marschalls Stacker Pentecost übernommen hat. Cruise als militärischer Oberheini im Kampf gegen die Riesenmonster wäre absolut unerträglich gewesen. Elba dagegen wirkt selbst in den pathetischsten Szenen irgendwie gebrochen, als sei er des ewigen Befehlens und Gehorchens insgeheim müde.

Zu bemängeln habe ich vor allem zwei Dinge: Ich hätte gern mehr darüber erfahren, was sich auf der anderen Seite des Risses im Pazifischen Ozean, der die gigantischen Monster ausspuckt, verbirgt. Die wenigen Szenen dazu sind ziemlich nichtssagend. Wenn man über die Herkunft von Monstern keine gute Geschichte erzählen kann (was durchaus mit wenigen Szenen zu machen wäre, wenn man es richtig anstellt), sollte man sie am besten völlig im Dunkeln lassen. Die Monster-Ätiologie von Pacific Rim überzeugt leider nicht. Der andere Makel des Films ist der aus gefühlten zwei Akkorden bestehende Soundtrack von Ramin Djawadi. Selbstverständlich bin ich mir der Tatsache bewusst, dass der Score in einem Film wie diesem vor allem dazu dient, die Actionszenen mit ordentlich Gewummer zu untermalen. Aber da man in del Toros Filmen normalerweise mit Klängen von Marco Beltrami oder Javier Navarrete verwöhnt wird, ist das hier schon eine heftige Enttäuschung.

Abschließend noch einige Bemerkungen zum bislang recht unbekannten Drehbuchautor Travis Beacham. Verschiedentlich wurde gemutmaßt, ob Beacham bei Pacific Rim nicht von China Miéville beeinflusst gewesen sein könnte. Immerhin kommen im Film ein Dimensionsriss auf dem Grund des Ozeans und ein unter den gewaltigen Rippenknochen eines Monsters errichtetes Stadtviertel vor. Beacham hat ein bisher noch unverfilmtes Drehbuch namens A Killing on Carnival Row geschrieben, dessen Zusammenfassung sich noch mehr nach Miéville anhört:
The “urban hodgepodge” city of Burgue, a “melting pot a few degrees from boiling over,” is segmented into four sections, each housing bizarre races like the “selkies,” a seal-like group who work the docks on the north side of town, or the west-side ghettos of Carnival Row, home to the faeries and their “sordid brothels.” There in the Row, a dark menace is plaguing its winged people, preying on the stragglers by ripping off their wings and draining the life out of them before discarding their bodies as a warning to the others.
Inspector Rycroft Philostrate is the Burgue detective on the case whose mysterious past and present make him a rare, secret sympathizer of the faeries among a government largely intolerant of them. (They call them derogatory terms like “pixes.”) As if humans investigating the draining of faeries isn’t bizarre enough, the constabulary is assisted by the Haruspex, a decrepit soothsayer capable of glimpsing the last memories of the corpses, and the “Special Loupgarou Unit,” a team of leashed werewolves tasked with sniffing out clues.
At the center of Burgue is a human controlled government, run by an uncaring, selfish mayor who regards other kinds with disdain. From inside the ominous black dome of Parliament, the humans control the hierarchy through censorship and economic oppression, which serves as a backdrop to the brutal murders that continue without any leads.
New Line Cinema setzte erst Guillermo del Toro und dann Neil Jordan auf dieses Script an, bevor das New Yorker Ex-Indie-Studio das Interesse verlor.* Der letzte Name, der im Zusammenhang mit einer Verfilmung von A Killing on Carnival Row fiel, ist Tarsem Singh, und angeblich gibt es auch Verhandlungen mit einem neuen Studio. Mit del Toro oder Jordan hätte aus diesem Drehbuch sicherlich ein großartiger Film werden können, und selbst Tarsem wäre keine schlechte Wahl, wenn er dabei bleibt (obwohl noch zu beweisen wäre, ob er auch ohne die im vergangenen Jahr verstorbene Eiko Ishioka sehenswerte Filme machen kann). Ich wünsche Beacham jedenfalls, dass irgendein Studio sich für sein Script erwärmen kann, bevor ihm beim Überarbeiten verquaster Blockbuster-Plots seine Kreativität abhanden kommt. Es wäre schade darum.

* A Killing on Carnival Row habe ich bei den Recherchen zu meinem letztjährigen Blogpost über del Toros unvollendete Projekte glatt übersehen. Mehr über Beachams Drehbuch hier.

4 Kommentare:

Raskolnik hat gesagt…

"Filme, die vor allem die nostalgische Vorliebe des Regisseurs für die Naivität eines bestimmten Genres zelebrieren, können arg scheitern. Die entsprechenden Beispiele, von Burton bis Jackson, fallen mir jedenfalls ziemlich schnell ein."

Findest du "Mars Attacks!" und "Sleepy Hollow" wirklich so mies? Ich bin ja nun echt kein großer Fan von dem, was Burton nach "Ed Wood" so verzapft hat, aber als ironische Hommagen halte ich die beiden eigentlich immer noch für recht nett. "Planet of the Apes" hingegen hat meiner Ansicht nach absolut nichts mit Nostalgie zu tun.
Und was Jackson angeht: Hast du da an "King Kong" gedacht? Das ist in meinen Augen keine Hommage, sondern der größenwahnsinnige Versuch eines Filmemachers, dem nach "Lord of the Rings" niemand mehr Grenzen zu setzen wagt, einen Kindheitstraum Wirklichkeit werden zu lassen.

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Sleepy Hollow mag ich sehr, was vor allem daran liegt, dass opulente Grusel-Kostümfantasies wie Bram Stoker’s Dracula, Interview with the Vampire oder eben Sleepy Hollow in den Neunzigern so was wie mein Lebenselixier waren. Von Mars Attacks! war ich dagegen eher enttäuscht. Als ich ihn zuerst gesehen habe, war er mir zu überdreht, und mittlerweile, da ich die dahinterstehende Genregeschichte ein wenig besser kenne, finde ich, dass der Film zu sehr die Absurdität der SF-Filme der Fünfziger herauskehrt, aber nicht deutlich macht, dass sie auch ihren Charme haben. Aber gut, andererseits würde ich auch nicht behaupten, dass Mars Attacks! zu den Nieten in Burtons Œuvre gehört. Vielleicht bin ich dem Film gegenüber zu kritisch.

Planet of the Apes würde ich nicht als Hommage sehen. Aus Burtons nachträglichen Äußerungen zu dem Film wird ja ziemlich deutlich, dass er selber keinen Plan hatte, was man mit so einem Remake anstellen könnte – abgesehen davon natürlich, dass Remakes in erster Linie kommerziell erfolgreich sein sollen.

Bei Peter Jackson habe ich in der Tat an King Kong gedacht. Den würde ich schon als Hommage sehen, insofern er nur durch den Bezug auf das Original überhaupt verständlich wird, allerdings als ganz und gar misslungene Hommage. Der Versuch, einfach die gleiche Geschichte noch mal zu erzählen und nur die Tricktechnik zu updaten (die beeindruckend ist, zugegeben), musste ja schiefgehen. Dazu als einzige eigene Akzentsetzung ein paar Anspielungen auf den früheren King-Kong-inspirierten Film Braindead ... ach ja, Schwamm drüber.

Raskolnik hat gesagt…

Interessanter Gedanke, was "Mars Attacks!" angeht. Und wenn ich ein bisschen drüber nachdenke, sehe ich das glaub' ich sogar ganz ähnlich.

Was mich an "Planet of the Apes" irgendwie fasziniert {nicht ganz das richtige Wort} ist, dass das in gewisser Weise der einzige Versuch Burtons war, aus dem Käfig seines eigenen Stils auszubrechen. Ein gänzlich misslungener Versuch - keine Frage -, aber irgendwie gehen mir einige seiner späteren "burtonesken" Werke noch sehr viel mehr auf die Nerven als dieser nichtssagende Blockbuster.

Jacksons "King Kong" ist sicher irgendwie eine Hommage, aber gleichzeitig scheint er mir zu versuchen, sein Vorbild zu übertreffen. Nach dem Motto: Jetzt haben wir die technischen Möglichkeiten und drehen "King Kong" so, wie er eigentlich hätte aussehen müssen. Und diese Einstellung passt für mich nicht so recht zu einer ehrlichen Hommage.

Rodolfo Mangosta Peferbaum hat gesagt…

Als einen Versuch Burtons, zu einem anderen Stil zu finden, könnte man vielleicht auch Big Fish sehen. Ein Film mit weitaus mehr Substanz als Planet of the Apes, mit dem ich allerdings auch nicht viel anfangen kann, weil ich Ewan McGregor in der Hauptrolle für eine ziemliche Fehlbesetzung halte und diesen Vater-Sohn-Versöhnungsschmalz nicht mag.

Ich glaube auch, dass Jacksons King Kong so eine Art Überbietungsversuch darstellt. Wobei ich dem Regisseur abnehme, dass er das Original aufrecht verehrt – nur scheint mir diese Verehrung eine ungebrochen kindliche zu sein: »Stell dir mal vor, es gäbe den gleichen Film nochmal, nur mit modernster CGI!« So oder so ähnlich lautet meinem Eindruck nach der Gedanke hinter Jacksons Remake. Nur wird leider ein ehrlicher Kindheitstraum zu etwas durchaus Unehrlichem, wenn man als Erwachsener immer noch meint, aus so einer Idee könnte ein guter Film werden.

Leider habe ich den Eindruck, dass Jackson den Überbietungsgestus zum künstlerischen Prinzip machen will, wenn er im Zusammenhang mit seiner Hobbit-Trilogie verkündet, eine gute Geschichte verdiene es, erweitert zu werden. Es reicht eben nicht, einfach nur das Buch zu verfilmen – es muss irgendwie größer werden.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.