Samstag, 31. August 2013

Neuzugänge

  • Greg Bear, Rogue Planet
  • Jonathan Carroll, Vor dem Hundemuseum
  • Julio Cortázar, Rayuela(deutsche Übersetzung)
  • David Eddings, Kind der Prophezeiung
  • Hans-Heino Ewers (Hg.), Deutsche Kunstmärchen von Wieland bis Hofmannsthal
  • Robert Holdstock, The Emerald Forest 
  • Thomas Le Blanc (Hg.), Goldmann-Fantasy-Foliant II
  • Paul Maar, Der tätowierte Hund
  • Ders., Lippels Traum
  • Friedrich Schlegel, Kritische und theoretische Schriften
  • Cordwainer Smith, Die Untermenschen
  • Jack Vance, Tales of the Dying Earth

Montag, 26. August 2013

Fools don’t claim that cats bark, but they talk about cats when everyone else is talking about dogs

Wie wir wissen, ist Theo Beale (alias Vox Day) mittlerweile bei den Science Fiction and Fantasy Writers of America (SFWA) rausgeflogen, nachdem er einen Twitter-Account der Organisation benutzt hat, um rassistische Ausfälle gegen N.K. Jemisin zu verbreiten. Jemisin hat ihre Reaktion auf Beales Rausschmiss auf ihrem Blog veröffentlicht (und auch bekannt gemacht, wie sie reagiert hätte, wäre Beale die SFWA-Mitgliedschaft nicht aberkannt worden). Die ganze Affäre könnte ein Anlass sein, darüber zu diskutieren, was genau das SFF-Fandom zu einem so anregenden Betätigungsfeld für Faschos wie Beale macht. Stattdessen gibt es jetzt ein ziemlich seltsames Nachspiel, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob ich es lächerlich oder gefährlich finden soll.

Will Shetterly ist ein Autor, dessen Werke ich schätze. Sein Roman Dogland zum Beispiel ist ausgesprochen empfehlenswert. Leider ist Shetterly aber nicht nur ein guter Schriftsteller, sondern auch eine nahezu perfekte Verkörperung des Dämlichen. Der Dämliche, wie Umberto Eco ihn in Das Foucaultsche Pendel definiert, ist ein »Träger eminent bürgerlicher Tugenden«. Er verrennt sich nicht in obskurantistischen Weltanschauungen, vielmehr misst er der Vernunft hohe Bedeutung bei. Das Problem des Dämlichen ist, dass er sich laufend vertut und es nicht mal bemerkt. Er verehrt die Vernunft, aber ihm fehlt jedes Gespür dafür, ob das, was er sagt, der Situation angemessen ist: »Der Dämliche sagt nicht, daß die Katze bellt, er spricht von Katzen, wenn die andern von Hunden reden.« Das ist in diesem Fall ganz wörtlich zu verstehen. Shetterly ist der Typ, der in eine Diskussion über rassistische Lynchjustiz hineinplatzt und davon zu reden beginnt, dass es auch Lynchmorde von Weißen an Weißen gab. Das ist faktisch richtig, aber das Problem mit dem Dämlichen ist ja auch nicht, dass er falsche Behauptungen aufstellen würde. Das Problem ist, dass es in einer Diskussion über rassistische Lynchjustiz vor allem um Rassismus geht, der Dämliche aber durch nichts davon zu überzeugen sein wird, dass er am Thema vorbeiredet. Schließlich treffen seine Aussagen zu und sind nicht zu widerlegen. Eine Aussage über Katzen wird nicht dadurch falsch, dass sie in einem Gespräch über Hunde fällt, deshalb fühlt der Dämliche sich im Recht und reagiert ausgesprochen erstaunt, wenn die anderen Gesprächsteilnehmer_innen ihm derailing vorwerfen.

Shetterly ist ein libertärer Sozialist, und er führt einen unermüdlichen Feldzug gegen alle, die sich in ihrem antirassistischen und antisexistischen Aktivismus auf Intersektionalitätstheorien berufen, und wirft ihnen unterschiedslos »Identitätspolitik« vor. Das Konzept der Intersektionalität wurde von der kritischen Rechtswissenschaftlerin Kimberlé Crenshaw geprägt und von Theorieansätzen wie den Critical Legal Studies und der Critical Race Theory aufgegriffen. In diesem Kontext stellt Intersektionalität ein Konzept dar, mit dessen Hilfe Formen sich überlappender Diskriminierung sichtbar gemacht werden sollen. Um es anhand eines bekannten Beispiels zu erläutern: Eine Person bewirbt sich auf eine Stelle, für die sie gut qualifiziert ist. Ihre Bewerbung wird abgelehnt. Die Person fragt sich, ob es daran liegt, dass sie schwarz ist und weiße Mitbewerber_innen ihr vorgezogen wurden. Auf Nachfrage wird sie jedoch darauf hingewiesen, dass die gleiche Stelle bereits an einen schwarzen Bewerber vergeben wurde. Als nächstes fragt die Person sich vielleicht, ob sie übergangen wurde, weil sie eine Frau ist, wird jedoch mit dem Hinweis, dass die gleiche Stelle auch schon einmal von einer Frau besetzt wurde, erneut abgewimmelt. Es scheint keine Diskriminierung vorzuliegen, die auf den Zuschreibungen »Frau« oder »schwarz« beruht. Die Antwort der Intersektionalitätstheorie auf dieses Problem lautet, dass die Person aus dem Beispiel durch zwei sich überschneidende Diskriminierungsformen benachteiligt wurde – nicht allein wegen ihres Schwarzseins oder ihres Frauseins, sondern weil sie eine schwarze Frau ist.

Ich möchte an dieser Stelle kein Urteil über die Wirksamkeit der Intersektionalitätstheorie bei der Bekämpfung gesellschaftlicher Ungleichheiten abgeben. Schon gar nicht ist der vorherige Absatz eine  vollständige Darstellung der Theorieansätze, die sich mit dem Konzept Intersektionalität verknüpfen. Worauf es aber ankommt, ist, dass die Intersektionalitätstheorie bestimmte politische Strategien impliziert. Wenn es zutrifft, dass bestimmte soziale Gruppen von sich überschneidenden diskriminierenden Zuschreibungen betroffen sind, heißt das im Umkehrschluss, dass gegenteilige Zuschreibungen mit Privilegien verbunden sind: Weißsein und Mannsein bewahrt vor Diskriminierung und versetzt mit diesen Zuschreibungen versehene Personen deshalb automatisch in einen Zustand der Privilegiertheit. Will man die daraus resultierenden Ungleichheiten bekämpfen, dann kommt es darauf an, den Bevorzugten ihre Privilegien streitig zu machen und die Position der Benachteiligten ihnen gegenüber zu stärken. Es kommt gewissermaßen darauf an, in politischen Auseinandersetzungen lautstark die Differenzen zu betonen – zu betonen, dass die einen aufgrund ihres Weißseins und Mannseins privilegiert sind und die anderen aufgrund ihres Schwarzseins und Frauseins benachteiligt, und dass dieser Zustand untragbar ist.* Dieses Vorgehen zur Verschiebung der Machtverhältnisse ist es, dass Shetterly der Intersektionalitätstheorie vorwirft und als »identitätspolitisch« bezeichnet.

Shetterly vertritt dagegen eine Position, die sich vereinfacht als »postrassistisch« beschreiben lässt. Er meint, die Kategorie »Rasse« sei dadurch, dass sie als gesellschaftliches Konstrukt entlarvt wurde, obsolet geworden. Sie ist in seinen Augen irrelevant, da sie unwahr ist, während es in Wirklichkeit darauf ankommt, ein möglichst hohes Maß an gesellschaftlicher Gleichheit zu etablieren, indem man von Differenzen absieht. Letzteres ist in meinen Augen der springende Punkt. Shetterly hat wiederholt die Ansicht geäußert, die Betonung der durch Rassismus hervorgerufenen Differenzen – egal, ob sie in kritischer oder in affirmativer Absicht erfolgt – spiele dem Rassismus in die Hände. Das ist eine plumpe Gleichsetzung von Rassismus und Antirassismus, der auf tautologischen Behauptungen wie »Rassismus entsteht, indem von Rassen gesprochen wird« beruht und gerade von Rechten gern als Argument gegen antirassistische Politik angeführt wird. Nicht, dass dies Shetterlys Absichten entspräche. Er vertritt vielmehr emphatisch die Ansicht, dass der Rassismus sich von selbst erledigen würde, wenn es zu einer Umverteilung von Reichtum käme. Rassismus ist für ihn vor allem ein Symptom ökonomischer Ungleichheit.

Ich persönlich bin durchaus der Überzeugung, dass wirkliche Gleichheit nur durch die Überwindung des Kapitalismus möglich ist. Ich glaube zwar anders als Shetterly nicht, dass Umverteilungspolitik gleichbedeutend mit der Überwindung des Kapitalismus ist, aber ich würde mir wünschen, dass es im Fandom mehr Menschen gäbe, die das Leben in einer auf Ausbeutung, Lohnarbeit und Konkurrenzzwang beruhenden Klassengesellschaft menschenunwürdig finden und für eine von diesen Zwängen befreite Gesellschaft eintreten. Mein Problem mit Shetterly liegt vor allem darin, dass sein Sozialismus vor allem aus einer Reihe von oft wiederholten, aber wenig aussagekräftigen Plattitüden wie »It’s time to share the wealth so no one will be economically dependent on anyone else.« besteht, die auch ein Sozialdemokrat im Wahlkampf von sich geben könnte.** Insbesondere der Zusammenhang zwischen Rassismus und Kapitalismus scheint mir bei Shetterly eher behauptet als theoretisch durchdacht zu sein. So richtig redselig wird Shetterly ohnehin nur dann, wenn er sich über Critical Race Theory, Intersektionalität und Antirassismus ereifern kann. Deren Vertreter_innen wirft er vor, nicht kapitalismuskritisch zu sein. Indem Shetterly auf das Fehlen einer kapitalismuskritischen Perspektive bei anderen hinweist, ohne in dieser Hinsicht selbst etwas vorweisen zu können, schwächt er seine (in diesem Fall auf einem berechtigten Einwand beruhende) Position unnötig.

Das alles wäre nicht weiter schlimm, sondern könnte eine interessante, fundierte Alternativen aufzeigende Diskussion sein. Ist es aber nicht, denn Shetterly, sofern man ihm nach seinen jüngsten Eskapaden noch einen guten Willen unterstellen will, steht sich vor allem selbst im Weg. Vor anderthalb Monaten veröffentlichte er einen Blogpost,*** in dem er seine Gleichsetzung von Rassismus und Antirassismus erneut vorbrachte und auf äußerst geschmacklose Weise konkretisierte. Theo Beale und N.K. Jemisin seien »similar in kind«, weil der eine ein Rassist ist und die andere eine Anhängerin der Critical Race Theory sei. Dabei ist nicht nur die Gleichsetzung der beiden Personen ungeheuerlich – zur Erinnerung: Beale ist der Faschist, der über Jemisin sagte, »savages« wie sie müssten zum Abschuss freigegeben werden –; Shetterly spekuliert außerdem mehr über Jemisins Ansichten, als dass er sie aus ihren konkreten Äußerungen belegen würde. Das Ergebnis ist vorhersehbar: Beales rechtsradikale Ansichten werden durch die Gleichsetzung aufgewertet und behandelt, als ob sie einer wohlwollenden Auseinandersetzung würdig seien. Beale und seine Kumpanen griffen die Möglichkeit, die ihnen da geboten wurde, gierig auf und fielen sofort bei Shetterly ein, um ihren Meinungsmüll zum Besten zu geben. Und natürlich führte Beale Shetterlys Post gegenüber der SFWA, die gerade darüber beriet, ihm die Mitgliedschaft zu entziehen, zu seiner Entlastung an.

Von Beale und seiner Fascho-Truppe einmal abgesehen, stieß Shetterlys Post auf wenig Zustimmung. Bemerkenswert, wenn auch nicht zu 100% zustimmungsfähig, finde ich vor allem die dezidierte Ablehnung durch Steven Brust. Aber anscheinend überblickt Shetterly die Folgen seiner Vorgehensweise nicht mal im Ansatz. Vor etwa einer Woche schrieb er einen weiteren Blogpost, in dem er erneut die Gleichwertigkeit von Beales und Jemisins Positionen behauptete. Wieder besteht seine Darstellung von Jemisins Ansichten weitgehend aus Unterstellungen, die diesmal auch noch als Suggestivfragen formuliert sind. Die kritischen Dialogversuche, die Shetterlys erster Post noch hervorrief, blieben weitgehend aus. Stattdessen führt Shetterly im Kommentarthread des zweiten Posts mehr oder weniger ein Selbstgespräch, das nur durch die rassistischen Ausführungen von vereinzelten Beale-Kumpeln, die des Spiels noch nicht müde geworden sind, unterbrochen wird.

Shetterly ist Ecos Dämlicher in Reinform: Antirassist_innen tauschen sich darüber aus, wie mit den Beales dieser Welt umgegangen werden kann. Shetterly tritt auf, um die Antirassist_innen zu belehren, dass ihre Ansichten verfehlt sind. Er tut dies auf eine Art und Weise, die Beales Fascho-Kumpels eine Plattform zur Verbreitung ihrer Weltanschauung bietet, wie sie sie wahrscheinlich schon lange nicht mehr zur Verfügung hatten. Und es ist noch nicht einmal so, dass Shetterly etwas dagegen hätte. Wenn andere über Rassismus reden, redet er über Meinungsfreiheit. Eine seiner Lieblingsüberzeugungen ist die, dass jeder Form von Meinungsäußerung überall eine Plattform geboten werden müsse, da alles andere eine Einschränkung der Meinungsfreiheit sei. Konkret bedeutet dies für Shetterly offenbar vor allem, für die Meinungsfreiheit von Faschist_innen einzutreten:
You want to tell me Vox Day and his posse are all kinds of bad, and I’m totally with you. But just as I supported the ACLU when they supported the right of Nazis to march, I support Vox Day and his posse’s right to be as creepy as they want to be. I do not know a single speech code that cannot backfire ...
Well, Shetterly, I know a strategy that can backfire, and it just did so spectacularly: Set up a stupid equation between fascist thought and anti-racism. Drive off all the right people you might want to discuss the ways and means to overcome racism with. Give a bunch of white supremacists a space to freely articulate their views on your blog. Honor them by acting as if the fascist filth they spread was worthy of debate. Celebrate your achievement by repeating the stupid equation. — Congratulations. You just made sure that for a lot of people, your blog is not a space where meaningful exchange about a society free of racism and inequality seems even remotely possible.

Shetterlys erster Post endet mit folgender Aussage:
This should be an easy message to understand: Respect everyone because we’re all equal. But it’s a message that threatens many people’s worldview. It’s no surprise that people like Jemisin and Beale haven’t gotten it yet.
Beale redet davon, Jemisin zu erschießen, weil sie schwarz ist. Shetterly redet davon, dass Jemisin Beale nicht respektiert. Und er glaubt allem Anschein nach, dass letzteres eine adäquate Reaktion auf ersteres ist. Ist das naiv, heuchlerisch oder dämlich? Da es sich um Shetterly handelt, tippe ich auf letzteres.

* Es ist nicht meine Absicht, durch Einengung meines Beispiels auf die Kategorien »Rasse« und Geschlecht zu sagen, diese seien die einzigen oder auch nur die wichtigsten Formen sozialer Ungleichheit. Ich halte aber auch nichts davon, möglichst viele Formen von Ungleichheit aufzuzählen und mit einem lapidaren »etcetera« zu beschließen, da dies die Illusion einer vollständigen Beschreibung von sozialer Ungleichheit erzeugt. Ich beschränke mich auf die Kategorien »Rasse« und Geschlecht, weil sie in Beales Angriffen auf Jemisin zum Tragen kommen.
** Shetterly hat einen Blogpost angekündigt, in dem er sein Verständnis von Sozialismus erläutern will. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll.
*** Trigger-Warnung: Shetterly verwendet in seinem Blog rassistische Ausdrücke.  

Sonntag, 25. August 2013

Hellboy – Die goldene Armee

Am Hermanstädter See ist gerade Monat der kurzen Rezensionen, wie mir soeben klar wurde. Der Grund dafür ist neben diesem Hörbuch Robert Greenbergers Roman zu Guillermo del Toros Film Hellboy II: The Golden Army, oder genauer gesagt: dessen deutsche Übersetzung. Solche novelizations sind ja in der Regel ziemlich uninspiriert und muten schlimmstenfalls wie Deutscharbeiten aus der achten Klasse an (»Lies dir den Text zweimal durch und schreibe eine zusammenfassende Nacherzählung!«). Das muss aber nicht so sein. Matthew Stovers Revenge of the Sith ist mein Paradebeispiel für eine auf eigenen Füßen stehende und spannend erzählte novelization.*

Leider ist es mir nicht möglich, herauszufinden, ob Greenbergers Hellboy-Roman ähnliche Qualitäten aufweist. Die Übersetzung verhindert es. Da wird ständig etwas »realisiert«, wenn einer Figur etwas klar wird, und wenn jemand Erinnerungen nachhängt, dann »gehen« seine Gedanken zurück zu früheren Ereignissen. In diesem Buch hat niemand die Vorstellung, dass etwas Schlimmes passieren könnte, sondern stets die »Idee«, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Und to listen to a discourse wird zu »einen Diskurs hören« – »sich einen Vortrag anhören« hätte es in meinen Augen auch getan, aber die Übersetzerin sieht das anscheinend anders. Den Leser_innen wird etwas zugemutet, was ich nur als Rohübersetzung bezeichnen kann. Heißt es von einer der Figuren »Bedeutungsschwer begann er zu lesen.«, dann fragt man sich nur einen Moment lang, wie das geht: bedeutungsschwer lesen, und beginnt dann zu kombinieren, dass das englische Verb to read an dieser Stelle als »vorlesen« übersetzt werden müsste. Nun sind Übersetzungen eigentlich dazu da, dass man nicht selber entscheiden muss, welche Bedeutung to read in diesem Fall hat. Solche Entscheidungen hat die Übersetzerin zu treffen, und einen Satz einfach wortwörtlich zu übertragen ist keine Entscheidung.

Dem Titelblatt zufolge wurde das Buch lektoriert. Dennoch finden sich gleich auf den ersten Seiten Sätze wie dieser: »Zu seinen eigenen Büchern über Dämonologie und dem Paranormalen [sic!] kamen Sammlungen aus Europa, Asien und dem Südpazifik [usw.].« Auch abenteuerlich: die Kommasetzung.

Meine Empfehlung: Nicht lesen. Dem Verlag, der so was fabriziert, den Vogel zeigen.

* Und sie ist nicht etwa nur deshalb gut, weil der Film so unfassbar schlecht ist. In diesem Fall muss man das ja leider ausdrücklich dazusagen.

Robert Greenbergers Hellboy – Die goldene Armee (306 Seiten) ist 2008 bei Cross Cult erschienen. 

Mittwoch, 21. August 2013

Neuzugänge

  • Joan Aiken, Mitternacht ist ein Ort
  • Octavia E. Butler, Die Genhändler. Die Xenogenesis-Trilogie
  • Susan Cooper, Bevor die Flut kommt
    Wenn mich nicht alles täuscht, dann fehlt mir jetzt nur noch ein Band des Wintersonnenwende-Zyklus.
  • Samuel R. Delany, Babel-17
  • Irene Fleiss, Die Leibwächterin und der Magier
  • Joseph Heller, Endzeit
  • Stephen Lawhead, Krieg im Paradies
  • John Shirley, Eclipse
  • Ders., Eclipse Penumbra
  • Ders., Eclipse Corona
  • Peter Straub, Der Hauch des Drachen
  • Gene Wolfe, Frees Vermächtnis

Sonntag, 11. August 2013

Pacific Rim

Was für ein Schlockfest.

Guillermo del Toros Werk wird ja oft in Arthouse-Fantasy einerseits und Hollywood-Produktionen andererseits geschieden. So ganz geht diese Einteilung allerdings nicht auf, denn die Hellboy-Filme befinden sich irgendwo in der Mitte. Pacific Rim allerdings, so viel lässt sich sagen, steht deutlich in einer Linie mit del Toros früherem Schlock-Abenteuer Blade II. Das finde ich völlig in Ordnung, möchte aber gleich zu Beginn ein Missverständnis ausräumen: Schlock ist nicht etwa deshalb okay, weil ... man von manchen Filmen einfach nicht mehr erwarten darf als solides Popcorn-Kino, über das man nicht groß nachdenken darf. Oder wie dergleichen Rhetorik lautet. Nichts da, sondern die Faustregel lautet: Wenn ein Film nur Spaß macht, weil man nicht über ihn nachdenkt, ist der Film Mist. Gerade weil das so ist, kann man an Filmen wie Pacific Rim, die zum direkten Vergleich herausfordern, besonders gut erkennen, was der Unterschied zwischen einem Michael Bay und einem Guillermo del Toro ist.

Pacific Rim hat mir also Spaß gemacht, und zwar nicht nur als Schlockfest, sondern auch als Hommage. Filme, die vor allem die nostalgische Vorliebe des Regisseurs für die Naivität eines bestimmten Genres zelebrieren, können arg scheitern. Die entsprechenden Beispiele, von Burton bis Jackson, fallen mir jedenfalls ziemlich schnell ein. Bei Pacific Rim funktioniert die Respektsbekundung vor dem japanischen Monsterfilm und dem US-amerikanischen Invasionsfilm gut. Man spürt die kindliche Liebe, die darin steckt. Die Orientierung an diesen beiden Genres bedingt natürlich auch, dass das grundlegende Handlungsmuster übernommen wird: Die scheinbar unaufhaltsame Gefahr wird am Ende durch eine Koalition aus Wissenschaft und Militär besiegt. In Pacific Rim ist das entsprechende Personal jedoch gründlich umgemodelt worden: Die Jaegerpilot_innen wirken in ihren Uniformen wenig soldatisch und machen bisweilen eher den Eindruck, als hätten sie sich zum Cosplay in Schale geschmissen. Newt Geiszler, einer von zwei obligatorischen Wissenschaftlern im Film, hat sogar den Ruf, ein »Kaijū-Groupie« zu sein, wie sein Kollege, der expressionistisch-ernste Hermann Gottlieb, tadelnd bemerkt. Es wirkt ein wenig so, als würden die Monster in Pacific Rim von Nerds besiegt, und das gibt dem Film ein spielerisches Flair. Ein solches Vorgehen birgt das Risiko, es zu weit zu treiben und Selbstreflexivität mit plumpen Anspielungen auf die Genregeschichte zu verwechseln, aber dessen war del Toro sich wohl von Anfang an bewusst: »I didn’t want to be postmodern, or referential, or just belong to a genre. I really wanted to create something new, something madly in love with those things.« Das ist gelungen, würde ich sagen.

Bruchlos beibehalten wurde die simple Botschaft der klassischen Invasionsfilme: Zusammenarbeiten, damit die Menschheit überleben kann. Ich kann wirklich nicht behaupten, dass diese Botschaft hier auch nur ein klein wenig frischer wirkt als in Earth vs. the Flying Saucers oder Independence Day. Auf interessante Weise gespiegelt wird sie aber durch das System der Jaegerpilot_innen: Die Jaeger (die gigantischen Roboter, die zum Kampf gegen die außerirdischen Monster gebaut wurden) können jeweils nur von zwei Personen gesteuert werden, die gefühlsmäßig miteinander übereinstimmen müssen. Es ist eine nette Idee für einen Actionfilm, einfach mal zu sagen: Gut miteinander klarzukommen ist wichtiger als Draufgängerei und Furchtlosigkeit.

Was die (insgesamt solide) Besetzung angeht, schauspielern Rinko Kikuchi und Idris Elba den Rest des Casts locker an die Wand. Was erstere angeht, ist die Beobachtung völlig zutreffend, dass der Film im Bechdel-Test versagt. Kikuchi spielt jedoch überzeugend in einer trotzdem interessanten Rolle als Jaegerpilotin. Zu Elba ist zu bemerken: Was für ein Glück, dass er und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, Tom Cruise die Rolle des Marschalls Stacker Pentecost übernommen hat. Cruise als militärischer Oberheini im Kampf gegen die Riesenmonster wäre absolut unerträglich gewesen. Elba dagegen wirkt selbst in den pathetischsten Szenen irgendwie gebrochen, als sei er des ewigen Befehlens und Gehorchens insgeheim müde.

Zu bemängeln habe ich vor allem zwei Dinge: Ich hätte gern mehr darüber erfahren, was sich auf der anderen Seite des Risses im Pazifischen Ozean, der die gigantischen Monster ausspuckt, verbirgt. Die wenigen Szenen dazu sind ziemlich nichtssagend. Wenn man über die Herkunft von Monstern keine gute Geschichte erzählen kann (was durchaus mit wenigen Szenen zu machen wäre, wenn man es richtig anstellt), sollte man sie am besten völlig im Dunkeln lassen. Die Monster-Ätiologie von Pacific Rim überzeugt leider nicht. Der andere Makel des Films ist der aus gefühlten zwei Akkorden bestehende Soundtrack von Ramin Djawadi. Selbstverständlich bin ich mir der Tatsache bewusst, dass der Score in einem Film wie diesem vor allem dazu dient, die Actionszenen mit ordentlich Gewummer zu untermalen. Aber da man in del Toros Filmen normalerweise mit Klängen von Marco Beltrami oder Javier Navarrete verwöhnt wird, ist das hier schon eine heftige Enttäuschung.

Abschließend noch einige Bemerkungen zum bislang recht unbekannten Drehbuchautor Travis Beacham. Verschiedentlich wurde gemutmaßt, ob Beacham bei Pacific Rim nicht von China Miéville beeinflusst gewesen sein könnte. Immerhin kommen im Film ein Dimensionsriss auf dem Grund des Ozeans und ein unter den gewaltigen Rippenknochen eines Monsters errichtetes Stadtviertel vor. Beacham hat ein bisher noch unverfilmtes Drehbuch namens A Killing on Carnival Row geschrieben, dessen Zusammenfassung sich noch mehr nach Miéville anhört:
The “urban hodgepodge” city of Burgue, a “melting pot a few degrees from boiling over,” is segmented into four sections, each housing bizarre races like the “selkies,” a seal-like group who work the docks on the north side of town, or the west-side ghettos of Carnival Row, home to the faeries and their “sordid brothels.” There in the Row, a dark menace is plaguing its winged people, preying on the stragglers by ripping off their wings and draining the life out of them before discarding their bodies as a warning to the others.
Inspector Rycroft Philostrate is the Burgue detective on the case whose mysterious past and present make him a rare, secret sympathizer of the faeries among a government largely intolerant of them. (They call them derogatory terms like “pixes.”) As if humans investigating the draining of faeries isn’t bizarre enough, the constabulary is assisted by the Haruspex, a decrepit soothsayer capable of glimpsing the last memories of the corpses, and the “Special Loupgarou Unit,” a team of leashed werewolves tasked with sniffing out clues.
At the center of Burgue is a human controlled government, run by an uncaring, selfish mayor who regards other kinds with disdain. From inside the ominous black dome of Parliament, the humans control the hierarchy through censorship and economic oppression, which serves as a backdrop to the brutal murders that continue without any leads.
New Line Cinema setzte erst Guillermo del Toro und dann Neil Jordan auf dieses Script an, bevor das New Yorker Ex-Indie-Studio das Interesse verlor.* Der letzte Name, der im Zusammenhang mit einer Verfilmung von A Killing on Carnival Row fiel, ist Tarsem Singh, und angeblich gibt es auch Verhandlungen mit einem neuen Studio. Mit del Toro oder Jordan hätte aus diesem Drehbuch sicherlich ein großartiger Film werden können, und selbst Tarsem wäre keine schlechte Wahl, wenn er dabei bleibt (obwohl noch zu beweisen wäre, ob er auch ohne die im vergangenen Jahr verstorbene Eiko Ishioka sehenswerte Filme machen kann). Ich wünsche Beacham jedenfalls, dass irgendein Studio sich für sein Script erwärmen kann, bevor ihm beim Überarbeiten verquaster Blockbuster-Plots seine Kreativität abhanden kommt. Es wäre schade darum.

* A Killing on Carnival Row habe ich bei den Recherchen zu meinem letztjährigen Blogpost über del Toros unvollendete Projekte glatt übersehen. Mehr über Beachams Drehbuch hier.

Montag, 5. August 2013

Die Hüterin Midgards

Sexistische Kackscheiße.¹

Ivo Pala: Die Hüterin Midgards. Elbenthal-Saga, Teil 1 von 3 [eine Trilogie, nein sowas!]. Gekürzte Lesung, gesprochen von Torsten Michaelis. Sauerländer 2012.

¹ Ich rate vom Kauf ab. Das Buch ist auch nicht so wichtig dass man sich unbedingt selbst ein Bild machen müsste, denke ich. Vielleicht genügen folgende Schlaglichter: (Exaktes Zitieren aus Hörbüchern ist eher anstrengend, daher könnte es sein dass im Folgenden das eine oder andere Wort nicht ganz getroffen ist.) ›Auch ohne Erfahrung mit Beziehungen wusste sie, dass Männer mit dem Thema Kleidung nicht viel anfangen konnten.‹ (Später wird klargestellt, dass das für Schwule aber nicht gilt.) ›Stutenbissigkeit war also nicht ein rein menschliches Phänomen.‹ ›Stellt Euch nicht an wie ein Mädchen!‹ etc.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.