Mittwoch, 20. Mai 2009

Die tollkühnen Homo-Heiler auf ihren fliegenden Kongressen

LeserInnen werden sicherlich bemerkt haben, dass hier seit einiger Zeit auf die Seite des Bündnisses »Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus« verlinkt wird. Von Donnerstag an soll nämlich in Räumen der Marburger Universität ein Kongress der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge (APS) stattfinden, ein obskurantistischer Verein aus der Evangelikalenszene, der durch unangenehme Nähe zu Quacksalbern auffällt, die Homosexualität als therapiebedürftige Persönlichkeitsstörung verkaufen wollen.

Von dem pseudowissenschaftlichen Kongress bzw. von den menschenverachtenden Positionen einzelner ReferentInnen distanziert hat sich u.a. eine Gruppe von Marburger PsychotherapeutInnen, die AIDS-Hilfe Marburg und der Fachbereich Evangelische Theologie. Publizistische Schützenhilfe erhält die APS dagegen – wenig überraschend – vom Stammtischblatt für neurechte AkademikerInnen, der Jungen Freiheit, und dem katholisch-traditionalistischen Nachrichtenportal kreuz.net, auf dessen Internetplattform gern auch mal NS-Verbrechen relativiert oder geleugnet werden. Zur Unterstützung des Kongresses an die Öffentlichkeit gegangen ist auch eine »Initiative für Freiheit und Selbstbestimmung«, welche eine Erklärung samt Unterschriftenliste präsentiert. Unterzeichnet hat z.B. CSU-MdB Norbert Geis, der im Themenfeld Homophobie mit folgender denkwürdiger Aussage glänzt:
Es ist … an der Zeit, dass diese Lebensform [Homosexualität, Anm. von mir] endlich auch in der Öffentlichkeit als das bezeichnet wird, was sie ist: die Perversion der Sexualität. Die Aufdringlichkeit, mit der sich Homosexuelle öffentlich prostituieren, ist nur noch schwer zu ertragen. Sie lassen jede Scham vermissen. Der Verlust der sexuellen Scham aber ist immer ein Zeichen von Schwachsinn, wie es Freud formuliert hat. Deshalb muss in der Öffentlichkeit Widerspruch laut werden, damit der Schwachsinn nicht zur Mode wird.
Amüsant ist, dass die APS verzweifelt beteuert, Thema des Kongresses sei nicht Homosexualität, sondern Identität (was die Sache natürlich nicht besser macht), während die Initiative in ihrer Erklärung folgendes dummdreist herumposaunt:
Es ist ein Widerspruch, wenn durch die Gender-Mainstreaming-Bewegung propagiert wird, der Mensch könne und solle sein Geschlecht und seine sexuelle Orientierung (homo-, bi- oder transsexuell) frei wählen, andererseits aber die Möglichkeit zur Veränderung von der Homosexualität zur Heterosexualität geleugnet wird und konkrete therapeutische Angebote für Menschen, die eben dies anstreben, unterdrückt werden.
Scheint die APS selbst nicht zu glauben, dass es auf ihrem Kongress um Homo-Heilung gehen soll, so glauben zahlreiche UnterstützerInnen der Veranstaltung dies anscheinend sehr wohl – ebenso eine Reihe von zum Kongress geladenen ReferentInnen, die die Erklärung unterzeichnet haben. Bei so viel ideologischem Schwurbel und strategischer Planlosigkeit darf natürlich auch die extreme Rechte nicht fehlen, die ob der Anschlussfähigkeit ihrer eigenen Positionen an die des Kongresses derzeit mit feuchten Flecken am Hosenlatz durch die Medienlandschaft stolziert: Andreas Molau, seines Zeichens ehemaliger Kandidat für den NPD-Parteivorsitz und jetziger DVU-Sprecher, hat zum Kongress solches abgesondert und setzt damit gleich noch einen drauf:
Denn es geht eben nicht nur um die Therapiefreiheit von Homosexuellen, die ihre Veranlagung als belastend empfinden. Es geht darum, dass unsere Kultur dadurch belastet wird, dass Randgruppen zunehmend über das Maß der richtigen Toleranzforderung hinausgehen und ihre Maßstäbe zum Maßstab der Allgemeinheit machen.
Zieht also ziemlich weite Kreise, die Sache, vor allem nach rechts außen. Da darf die schweigende Mehrheit, der aus der Mitte der Gesellschaft kommende Extremismus natürlich nicht abseits stehen (das wäre ja auch eine contradictio in se), und so haben, ähem, »engagierte Marbürger Bürger« ein Blog aufgemacht – jedoch nur um sich in ihren eigenen verplanten Kommunikationsguerilla-Taktiken zu verheddern, wie man dort sehr schön beobachten kann. Kritische Kommentare sind auf diesem Blog, bei dem ganz oben die Meinungsfreiheit als fettes Schlagwort prangt, übrigens nicht willkommen, das habe ich schon ausprobiert.

Und warum schreibe ich das alles hier, wo es doch um spekulative Literatur und Verwandtes gehen soll? Nun, mittlerweile hat das von den Homophoben entfachte Spektakel die Peripherien der Fantasy- und SF-Szene erreicht. So hat Marcus Hammerschmitt einen lesenswerten Artikel zum Kongress in der Telepolis veröffentlicht und darin kundgetan, dass die als Referentin geladene Gabriele Kuby zu den berüchtigten Harry-Potter-HexenverbrennerInnen gehört. Ihr wisst schon, in HP tauchen Zauberer auf, also geht's darin um Okkultismus, also verfallen die HP-lesenden Kids allesamt dem Satan und ...

... der Untergang des christlichen Abendlandes ist nahe. Das ist er zwar schon recht lange, wenn man dem (un-)geistigen Milieu, dem Kuby & Co. entsprungen sind, Glauben schenkt. Aber schließlich, wenn das Abendland denn einmal untergeht, dann sind wir diesem Untergang in jedem Moment ein wenig näher, oder nicht? Ein Zitat von Kuby:
Hogwarts, die Schule für Zauberei und Hexerei, ist eine geschlossene Welt der Gewalt und des Grauens, der Verfluchung und der Verhexung, der Rassenideologie und des Blutopfers, des Ekels und der Besessenheit.
Darin wird wohl deutlich, dass Tante Kuby sich die Hölle – ja, wie Hogwarts vorstellt. Unter dieser Prämisse wäre die Hölle glatt ein angenehmer Aufenthaltsort, schon deshalb, weil man ihn sich nicht mit Leuten wie Kuby teilen muss. Den Himmel stellt sich die katholische Rechtsauslegerin vermutlich, wie man in Anlehnung an ein Diktum von Jorge Luis Borges sagen möchte, wie den Vatikan vor ...

Lobend zitiert kreuz.net einen lettischen Kardinal mit den auf homosexuelle Menschen gemünzten Worten:
Die Hölle ist zwar der Ort grenzenlosen Leidens, aber es fehlt dennoch nicht an Anwärtern, die unbedingt in die Hölle möchten.
Ob Homophobie oder Potter-Paranoia – an dem einen oder anderen Punkt finden die Spinner aller Schattierungen anscheinend stets irgendwie zusammen.

Pressespiegel

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Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.