Sonntag, 19. Februar 2012

The Stepsister Scheme

The Stepsister Scheme ist der erste Roman in Jim C. Hines’ bislang vierbändiger Princess Series. Das Prinzip der Reihe ist einfach: Hines spinnt auf humorvoll-revisionistische Weise die Geschichte bekannter Märchenfiguren nach dem »happily ever after« fort, wobei das glückliche Ende sich bei Hines meist als zweischneidiges Schwert, wenn nicht als glatte Lüge darstellt. Die Romane sind daher eine Art Anti-Shrek, denn während in dem DreamWorks-Film und seinen Sequels die disneyfizierte Märchenwelt – so sehr sie auch aufs Korn genommen wird – am Ende stets wieder in Ordnung ist, steuert Hines dieser neokonservativen Versuchung bewusst entgegen.* Am krassesten zeigt sich diese Tendenz in Hines’ Dornröschenfigur Talia, die ihren Prinzen ermordet, nachdem dieser sie, um den Feenfluch zu brechen, vergewaltigt und anschließend zur Heirat gezwungen hat.

Zum Plot: Danielle (alias Aschenputtel) gewöhnt sich langsam an das neue Leben ohne böse Stiefmutter, als ihr Ehemann Prinz Armand entführt wird. Schnell ist klar, dass Danielles rachsüchtige Stiefschwestern Charlotte und Stacia hinter dem Kidnapping stecken, und die beiden haben sich nicht nur Hexenkräfte angeeignet, sondern auch mächtige Verbündete gefunden. Königin Beatrice, Armands Mutter, setzt ihren persönlichen Geheimdienst, bestehend aus der Spiegelmagierin Snow (alias Schneewittchen) und der Kampfkunst-Meisterin Talia (alias Dornröschen), auf den mit diplomatischn Schwierigkeiten behafteten Fall an. Danielle lässt es sich nicht nehmen, die beiden bei ihrem gefährlichen Auftrag zu begleiten.

Es ist klar, dass das Muster für einen solchen Plot von Drei Engel für Charlie und anderen Krimi- und Spionageserien vorgegeben ist. The Stepsister Scheme enthält folgerichtig eine Menge Briefing-Szenen, geheime Hauptquartiere, Gadgets und Verfolgungsjagden. Hines gelingt die Verarbeitung dieser Elemente, und vor allem ihre Fantasy-Umdeutung, durchaus überzeugend. Er verfällt aber nicht dem Irrtum, damit allein schon genug originelles Material zur Verfügung zu haben. Vielmehr gebraucht er die Krimi- und Spy-Elemente als unterhaltsame Oberfläche, um eine feministische Selbstermächtigungsgeschichte zu erzählen. Danielle, Talia und Snow tragen alle ihre Geschichten von Kinderarbeit, familiärer Gewalt und sexueller Ausbeutung mit sich herum, die sie sich auch untereinander nur bruchstückhaft anvertrauen. Sicher sind sie sich nur darin, dass auch ihr neues Leben sie nicht vor Verletzungen und Heimsuchungen bewahrt. Insbesondere Talia und Snow verarbeiten ihre Vergangenheit mit Hilfe von Wut und Hass auf ihre Unterdrücker_innen und sind kein bisschen bereit, das sanfte Opfer zu geben.

Die schlagkräftige Fantasy-Heroine, die austeilt statt einzustecken, ist natürlich ein reichlich ausgetretenes Klischee. Durch die Nuancierungen und ernsten Untertöne, die Hines in seine Charakterzeichnungen einbringt, gerät The Stepsister Scheme aber nie in Gefahr, langweilig zu werden oder einem 08/15-Schema zu folgen. In meinen Augen genau die richtige Mischung aus straighter Unterhaltung und queerem Subtext. Ich bin gespannt auf die weiteren Prinzessinnenromane.**

Stilistisch ist der Roman überaus simpel gehalten, mit durchgängig kurzen und einfachen Sätzen. Das ist nun etwas, was mich nach einer Weile durchaus stören könnte, weshalb ich hoffe, dass Hines in den Folgebänden sprachlich etwas zulegt.

The Stepsister Scheme von Jim C. Hines (344 Seiten in der Massenmarkt-Ausgabe) ist 2009 bei DAW erschienen.

* So enthält The Stepsister Scheme als kleines Bonbon eine kurze ironische Anspielung auf die Shrek-Figur. Man achte beim Lesen darauf.
** Die Handlung von The Stepsister Scheme ist übrigens in sich abgeschlossen. Wer möchte, kann also in den ersten Band reinlesen, ohne sich gleich die ganze Reihe vornehmen zu müssen. 

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Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.