Die Ausgabe 2/2009 von Bücher enthält ein Fantasy-Special. Ein Fantasy-»Überblick: Wen muss ich kennen, was soll ich lesen?!« (S. 26), der nicht aus der Fantasyszene stammt, sondern in einem Mainstream-Literaturmagazin publiziert wird, ist ein Novum. Das Ding erweist sich allerdings schnell als Enttäuschung. Es beginnt nämlich überflüssigerweise mit einer Kategorie Bestseller, in der Rowling, Hohlbein, King und Pratchett aufgelistet sind. Eine Erklärung, warum man Bestseller kennen und/oder lesen muss, bleibt Bücher leider schuldig. Es geht weiter mit einer Abteilung »Für junge Leser«, in der neben den zu erwartenden Erwähnungen Ende, Funke, Stroud und den beiden Meyers (Kai und Stephenie) lediglich Diana Wynne Jones zu überraschen weiß. In der Abteilung »Die Gegenwart« sind George R.R. Martin mit ASoIaF und China Miéville mit Perdido Street Station und Iron Council gut aufgehoben, vielleicht auch noch Lukianenko mit seinen Wächter-Romanen. Aber Mary Gentle mit ihrem Ash-Zyklus? Der stellt zwar einen hochinteressanten Versuch dar, der aber letztlich grandios gescheitert ist. Einflussreicher und daher im Zusammenhang eines solchen Rankings nennenswerter wären sicherlich Steven Erikson, R. Scott Bakker oder Scott Lynch gewesen, bedeutender Michael Swanwick oder Neil Gaiman. Auch zur abschließenden Klassiker-Abteilung von Bücher ist nicht viel zu sagen: Tolkien, Lewis und Howard; auf mehr ist man nicht gekommen. Erwähnungen von Lord Dunsany, James Branch Cabell, Hope Mirrlees, G.K. Chesterton und Mervyn Peake, oder auch von Clark Ashton Smith, Karl Edward Wagner, Fritz Leiber, Michael Moorcock und Jack Vance – das wäre wohl zuviel verlangt gewesen.
Mittwoch, 25. Februar 2009
Donnerstag, 19. Februar 2009
Fantasy noir … oder eher Blackout?
Richard Morgan hat einen rant gegen Tolkien vom Stapel gelassen, der tatsächlich eine ungenügend verkleidete – und reichlich plumpe – Werbeaktion für Morgans The Steel Remains ist. Krachten in den Anti-Tolkien-Polemiken Michael Moorcocks (»Epic Pooh«) und China Miévilles Weltanschauungen aufeinander, haben wir mit Morgans Essay »The Real Fantastic Stuff« das Marktgeschrei eines Händlers vorliegen. Der kurze Text läuft in seiner Gesamtheit darauf hinaus, dass Morgan mit zweifelhaften Argumenten seinen Roman anpreist.
Morgans These: So ziemlich das einzig interessante, menschliche und reale im LotR ist das Gespräch zwischen den Ork-Offizieren Gorbag und Schagrat auf dem Weg zum Turm von Cirith Ungol (Morgan gibt als Ort des Gesprächs fälschlicherweise den Turm selbst an, wie ich in meiner hier übernommenen Rolle als Tolkien-geek kritisch anmerken möchte). Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass diese Szene tatsächlich eine der intensivsten im gesamten LotR ist. Jedoch, wenn Morgan vom Inhalt des Ork-Dialogs ausgehend schlussfolgert, die Szene sei von JRRTs Weltkriegserfahrungen inspiriert – spätestens dann hapert es an Nachvollziehbarkeit. Denn eigentlich ist unschwer zu erkennen, dass Tolkien die beiden Ork-Hauptmänner als reine Söldner- und Bandenführernaturen gezeichnet hat. Gorbag und Schagrat sind alles andere als »disenchanted«, wie Morgan interpretiert. Sie treten nach unten und buckeln nach oben, sind sadistisch und auf Beute aus. Sie verhalten sich in etwa so, wie kleinliche Bösewichter in Abenteuerromanen des 19. Jahrhunderts aufzutreten pflegten. Dass Morgan derartig gezeichnete Charaktere für realistisch hält, sagt recht viel über seine Realitätswahrnehmung aus, aber nichts über den LotR selbst.
Interessant ist nun Morgans weitere Einschätzung der Gesprächsthemen Gorbags und Schagrats. Diesen sei zu entnehmen, dass die beiden Offiziere einen »rough good humour« und »some significant loyalty to the soldiers they command« besäßen – während sie sich tatsächlich darüber lustig machen, dass die Riesenspinne Kankra einen ihrer unachtsamen Untergebenen verspeisen will –, sie wollen laut Morgan, dass der Krieg eher heute als morgen vorbei ist – was schlecht damit zusammenpasst, dass sie sich Sorgen machen, nach Ende der Kampfhandlungen nicht mehr nach Lust und Laune plündern zu können –, und so geht es weiter. Morgan scheint an dem Landsknechtgehabe Gefallen finden zu können, indem er es missversteht und verklärt. Gorbag sei ein »hard-bitten survivor«, der die »messy human realities of a Great War [...] from ground level« sieht. Er habe eine Attitüde, die beinahe als noir zu bezeichnen sei. Autsch. Und damit soll es genug sein.
Man muss Tolkiens epochemachendes Werk nicht mögen, um Morgans Polemik als die Luftblase zu erkennen, die sie ist. Vage ist noch ein wenig die Rede von »archetypical idea(s)«, die Tolkien gehabt habe – Morgan entgehen die ethischen Fragen, die der LotR aufwirft, indem er sie jungianisch verpsychologisiert –, um schließlich (damit zum Eingemachten kommend) seinen eigenen Roman mit dem Hinweis zu loben, dass es kein Kinderbuch wie der LotR, sondern für Erwachsene geschrieben sei. Was eigentlich nur zeigt, dass er zweierlei nicht verstanden hat: Erstens ist der LotR kein Kinderbuch – und zweitens kritisiert man einen Roman nicht, indem man ihn als Kinderbuch bezeichnet.
Morgans These: So ziemlich das einzig interessante, menschliche und reale im LotR ist das Gespräch zwischen den Ork-Offizieren Gorbag und Schagrat auf dem Weg zum Turm von Cirith Ungol (Morgan gibt als Ort des Gesprächs fälschlicherweise den Turm selbst an, wie ich in meiner hier übernommenen Rolle als Tolkien-geek kritisch anmerken möchte). Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass diese Szene tatsächlich eine der intensivsten im gesamten LotR ist. Jedoch, wenn Morgan vom Inhalt des Ork-Dialogs ausgehend schlussfolgert, die Szene sei von JRRTs Weltkriegserfahrungen inspiriert – spätestens dann hapert es an Nachvollziehbarkeit. Denn eigentlich ist unschwer zu erkennen, dass Tolkien die beiden Ork-Hauptmänner als reine Söldner- und Bandenführernaturen gezeichnet hat. Gorbag und Schagrat sind alles andere als »disenchanted«, wie Morgan interpretiert. Sie treten nach unten und buckeln nach oben, sind sadistisch und auf Beute aus. Sie verhalten sich in etwa so, wie kleinliche Bösewichter in Abenteuerromanen des 19. Jahrhunderts aufzutreten pflegten. Dass Morgan derartig gezeichnete Charaktere für realistisch hält, sagt recht viel über seine Realitätswahrnehmung aus, aber nichts über den LotR selbst.
Interessant ist nun Morgans weitere Einschätzung der Gesprächsthemen Gorbags und Schagrats. Diesen sei zu entnehmen, dass die beiden Offiziere einen »rough good humour« und »some significant loyalty to the soldiers they command« besäßen – während sie sich tatsächlich darüber lustig machen, dass die Riesenspinne Kankra einen ihrer unachtsamen Untergebenen verspeisen will –, sie wollen laut Morgan, dass der Krieg eher heute als morgen vorbei ist – was schlecht damit zusammenpasst, dass sie sich Sorgen machen, nach Ende der Kampfhandlungen nicht mehr nach Lust und Laune plündern zu können –, und so geht es weiter. Morgan scheint an dem Landsknechtgehabe Gefallen finden zu können, indem er es missversteht und verklärt. Gorbag sei ein »hard-bitten survivor«, der die »messy human realities of a Great War [...] from ground level« sieht. Er habe eine Attitüde, die beinahe als noir zu bezeichnen sei. Autsch. Und damit soll es genug sein.
Man muss Tolkiens epochemachendes Werk nicht mögen, um Morgans Polemik als die Luftblase zu erkennen, die sie ist. Vage ist noch ein wenig die Rede von »archetypical idea(s)«, die Tolkien gehabt habe – Morgan entgehen die ethischen Fragen, die der LotR aufwirft, indem er sie jungianisch verpsychologisiert –, um schließlich (damit zum Eingemachten kommend) seinen eigenen Roman mit dem Hinweis zu loben, dass es kein Kinderbuch wie der LotR, sondern für Erwachsene geschrieben sei. Was eigentlich nur zeigt, dass er zweierlei nicht verstanden hat: Erstens ist der LotR kein Kinderbuch – und zweitens kritisiert man einen Roman nicht, indem man ihn als Kinderbuch bezeichnet.
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Montag, 16. Februar 2009
Warten auf George
Hier steht eine sympathische Verteidigungsrede für George R.R. Martins hartnäckig ausbleibenden vierten Band von A Song of Ice and Fire. Eher etwas für LeserInnen, die die Hoffnung auf A Dance with Dragons noch nicht aufgegeben haben. Alle anderen werden bei der Lektüre wohl eher wieder das große Wutschnauben gekriegt haben ...
Was ich, nebenbei bemerkt, nicht ganz verstehe. Das übermäßige Wertschätzen abgeschlossener bei gleichzeitigem Verfluchen unfertiger oder mit-dem-Ende-auf-sich-warten-lassender Zyklen ist mir eher fremd. Ich lese zum Beispiel ein Fragment von einem Autor wie Robert E. Howard tausendfach lieber als ein Conan-Pastiche von Lin Carter oder L. Sprague de Camp. Same goes for a bunch of other authors.
Was ich, nebenbei bemerkt, nicht ganz verstehe. Das übermäßige Wertschätzen abgeschlossener bei gleichzeitigem Verfluchen unfertiger oder mit-dem-Ende-auf-sich-warten-lassender Zyklen ist mir eher fremd. Ich lese zum Beispiel ein Fragment von einem Autor wie Robert E. Howard tausendfach lieber als ein Conan-Pastiche von Lin Carter oder L. Sprague de Camp. Same goes for a bunch of other authors.
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Foto-Disclaimer
Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.