Wenn von Russell Mulcahys Highlander irgendetwas bleibt, dann wahrscheinlich eine Reihe vager popkultureller Referenzen, die immer mal wieder aufgerufen werden, um eine Jugend in den späten Achtzigern oder frühen Neunzigern anzudeuten. Allen voran geht dabei natürlich das berühmte »There can be only one!!!«-Gebrülle, das namentlich vom Antagonisten des Films, dem Kurgan, ausgestoßen wird.
Der Kurgan trägt einen kuriosen Namen. Das Wort kurgan (кургáн) stammt aus dem Russischen und bezeichnet einen monumentalen Grabhügel, der etwa so aussieht:
Grabhügel wie diese finden sich in den Steppen Osteuropas. In Highlander ist aber von »the Kurgans« als einer Ethnie die Rede, und zwar einer, die sich durch eine besonders brutale und kriegerische Mentalität auszeichnet. Die Kurgans, heißt es im Film, »toss children into pits full of starved dogs, and watch them fight for meat«. Tatsächlich gab es nie ein Volk, das sich »die Kurgans« nannte (und hoffentlich nie eins, das Kinder gegen Hunde kämpfen ließ). Die Archäologie nennt lediglich die neolithische Zivilisation, die die Grabhügel errichtete, nach deren russischer Bezeichnung Kurgankultur.
Warum taucht nun ausgerechnet diese stein- und kupferzeitliche Kultur in einem Streifen wie Highlander auf? Um dafür einen Erklärungsansatz zu finden, muss man ein, zwei Jahrhunderte zurückgehen. Ende des 18. Jahrhunderts entdeckte die entstehende Sprachwissenschaft, dass Sprachen aus so weit auseinanderliegenden Regionen wie dem europäischen und dem indischen Subkontinent miteinander verwandt sind. Am Ende dieser Entdeckung stand die Erkenntnis, dass die betreffenden Sprachen einer Sprachfamilie angehören, also aus einer gemeinsamen Ursprache hervorgegangen sind, die als proto-indoeuropäische Sprache bezeichnet wird. So weit, so bekannt aus dem Schulunterricht. Die Entdeckung der indoeuropäischen Sprachfamilie hatte allerdings Folgen, die weit über rein linguistische Interessen hinausgingen. Die Sprecher_innen einer Sprache, so nahm man an, bilden ein Volk. Wenn es eine indoeuropäische Ursprache gab, dann muss es also auch ein indoeuropäisches Urvolk gegeben haben, von dem die neuzeitlichen europäischen Völker abstammen. Tatsächlich stimmt die Gleichung Sprache = Volk so nicht. Das lässt sich nicht nur an der Existenz von Weltsprachen (von Latein bis Englisch) erkennen, die ethnische Grenzen längst überwunden haben, sondern auch an Sprachen wie Swahili, die sich selbst zum Zeitpunkt ihrer Herausbildung nie einem bestimmten ›Volk‹ zuordnen ließen, sondern zur Verständigung in einer kosmopolitischen Handelsgesellschaft dienten.
Aber indem man im 19. Jahrhundert ein indoeuropäisches Volk postulierte, stellte man zugleich eine Hypothese über die Entstehung der westlichen Zivilisation auf. Noch im 18. Jahrhundert hatten die meisten europäischen Gelehrten angenommen, die Zivilisationen der Welt müssten irgendwie aus der hebräischen Kultur hervorgegangen sein: Die Menschen stammten noch von Adam und Eva ab, und die sprachen offensichtlich Hebräisch, die Sprache, in der das Alte Testament verfasst ist. Im 19. Jahrhundert neu etablierte Wissenschaften wie die Geologie, die biologische Evolutionstheorie, die Linguistik, die Archäologie und die historische Quellenkritik stellten jedoch fest, dass das so nicht gewesen sein konnte. Damit stand aber auch die Würde und das Alter der westlichen Zivilisation auf dem Spiel. Wenn man sie nicht aus der Bibel herleiten konnte, woher dann?
So begann die Suche nach irgendwelchen materiellen Hinterlassenschaften, die von den sagenhaften Indoeuropäer_innen zeugen könnten. Man war sich nicht mal sicher, ob das »Urvolk« aus Europa oder Indien stammte. Wenn es gelänge, auf archäologischem Wege die »Urheimat« (ein Wort, das sogar in den englischen Sprachgebrauch eingegangen ist) der Indoeuropäer_innen zu identifizieren, dann hätte man damit zugleich den Ursprung Europas entdeckt. Aus heutiger Sicht ist das ein reichlich unsicheres Vorhaben. Wie soll man Hinterlassenschaften im Boden, sofern nicht mit Inschriften versehen, den Sprecher_innen einer bestimmten Sprache zuordnen? Und wie soll man beides, Sprache und archäologische Funde, ohne Willkür mit einer so abstrakten Größe wie einem ›Volk‹ identifizieren? Aber das 19. Jahrhundert glaubte an seine Wissenschaften – leider nicht immer zum Guten. Eine fatale Erklärung für das Problem der indoeuropäischen Urheimat bot eine ebenfalls im 19. Jahrhundert etablierte Pseudowissenschaft, die Rassenkunde.
Man brauchte nicht länger in der Vergangenheit nach dem Urvolk zu suchen, denn es lebte mitten unter uns. Das behauptete die Rassenkunde, indem sie hochgewachsene Menschen mit heller Haut, blonden Haaren und blauen Augen zu direkten Nachfahren der Indoeuropäer_innen erklärte. Das Konstrukt der arischen ›Rasse‹ war vor 1945 nicht etwa eine Spinnerei von Nazi-Ideologen. Vielmehr war es in der Wissenschaft wie im Alltagsverstand beinahe Konsens, dass die vermeintliche Überlegenheit Europas (von der griechisch-römischen Antike über das aus der germanischen Völkerwanderung hervorgegange Mittelalter bis zur westlichen Zivilisation der Neuzeit) auf dem »arischen Rasseelement« in den europäischen Bevölkerungen beruhe. Man ging selbstverständlich davon aus, dass Intelligenz an ›Rasse‹ gekoppelt sei. Bevölkerungen, denen das arische Element abging, waren weniger intelligent, standen mithin auf einer niederen Kulturstufe und waren zu imperialistischen Raubzügen oder sogar zum Genozid freigegeben. Die Folgen dessen sind bis heute zu spüren: David Sonboly, der faschistische Amokläufer von München, verehrte nicht nur Hitler, sondern sah sich aufgrund seiner doppelten indoeuropäischen Sprachzugehörigkeit (Deutsch und Persisch) als Angehörigen der arischen ›Rasse‹.
Nach 1945 zeigte sich die Wissenschaft ernüchtert. Die Nazis hatten sich bei ihren Genoziden und ihrem Vernichtungskrieg auf das indoeuropäische Erbe berufen. Der rassenkundliche Teil des indoeuropäischen Komplexes war einigermaßen diskreditiert. Die Suche nach den Sprecher_innen des Proto-Indoeuropäischen ging weiter, aber man war nicht mehr so erpicht darauf, die eigene Identität auf sie zu gründen. In den 1950er Jahren versuchte sich die Archäologin Marija Gimbutas an einem Neuansatz – und damit komme ich endlich wieder zu den Kurgans (den Grabhügeln wie der Filmfigur). Gimbutas sah in den Kurgans materielle Spuren der Indoeuropäer_innen. Die »Urheimat« verortete sie damit in der russischen Steppe. Doch Gimbutas ging noch weiter. Sie postulierte eine vor-indoeuropäische Zivilisation Alteuropas, die friedliebend, matriarchal und ackerbauend gewesen sei. Über diese neolithische Utopie seien die Indoeuropäer_innen, die Gimbutas sich als kriegslüstern und nomadisch vorstellte, mordend und brandschatzend hereingebrochen. Die matriarchale alteuropäische Zivilisation sei nach einem gewaltigen Eroberungszug durch die patriarchale Gesellschaftsform der Indoeuropäer_innen ersetzt worden. Aus den arischen Kulturträger_innen von einst ist damit ein barbarischer Haufen geworden, der seinerseits eine höher entwickelte Zivilisation vernichtete.
Ob Marija Gimbutas mit ihrer Kurganhypothese recht hatte, ist zweifelhaft, denn für einen Ansturm nach Hunderttausenden zählender, berittener Horden aus dem Osten, wie Gimbutas ihn sich vorstellte, gibt es weder historische noch archäologische Belege. Mir kommt es an dieser Stelle darauf an, dass die Indoeuropäer_innen à la Gimbutas haargenau so sind wie der Kurgan in Highlander: kriegerisch, barbarisch und brutal. Der Film-Kurgan ist der popkulturelle Niederschlag des Bedeutungswandels, den das indoeuropäische Erbe in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchgemacht hat.