tag:blogger.com,1999:blog-7135020945775760693.post4136398783246648122..comments2024-01-10T23:24:47.684+01:00Comments on Lake Hermanstadt: Sketch for a Marxist Interpretation of FantasyMurilegus rexhttp://www.blogger.com/profile/08705192064646504148noreply@blogger.comBlogger9125tag:blogger.com,1999:blog-7135020945775760693.post-11941785353995841522012-06-19T23:00:50.344+02:002012-06-19T23:00:50.344+02:00@Raskolnik:
Diese Aussage hat schon etwas von Irr...@Raskolnik:<br /><br />Diese Aussage hat schon etwas von Irrsinn, ganz klar. Letztlich wirft eine Haltung wie die von Upward eine Frage auf, auf die eine linke Antwort* noch aussteht: Wie kann es sein, dass der Großteil der europäischen Linken sich dem Stalinismus geradezu in den Rachen warf, wo doch die Opfer des Stalinismus nahezu ausschließlich Arbeiter_innen und Kommunist_innen waren?<br /><br />* Dass die Antikommunist_innen zu blöd sind, diese Frage zu beantworten, haben sie ja zur Genüge bewiesen.Murilegus rexhttps://www.blogger.com/profile/08705192064646504148noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-7135020945775760693.post-49128005518899195752012-06-18T05:10:38.149+02:002012-06-18T05:10:38.149+02:00Jetzt muss ich aber doch noch eine Lanze für Ernst...Jetzt muss ich aber doch noch eine Lanze für Ernst Bloch brechen. Ihn als "Arschkriecher des Kremlherrn" zu bezeichnen, auch wenn es polemisch gemeint ist, schießt, glaube ich, deutlich über das Ziel hinaus.<br /><br />Es stimmt natürlich, dass Ernst Bloch nie einen wirklichen Bruch mit den traditionellen KPs vollzogen hat, wie z.B. Karl Korsch, und es stimmt auch, dass er neun Jahre in der DDR an der Uni Leipzig tätig gewesen ist, nachdem ihm dort Ende der 40er Jahre ein Lehrstuhl angeboten worden war.<br /><br />Was man aber bei alledem nicht vergessen sollte ist, dass sich Ernst Bloch keinesfalls der stalinistischen Bürokratie angebiedert hat und auch deren Kulturpolitik scharf kritisierte. Seine Auseinandersetzung mit Georg Lukács in "Das Wort" zur Expressionismusdebatte in den 30er Jahren bezeugen das, denke ich.<br /><br />Auch was seine Tätigkeit in der DDR angeht, hat er diese aus politischen Gründen nach den Ereignissen von 1956 und 1961 wieder verlassen. <br /><br />Man sollte ihm glaube ich schon anrechnen, dass er Zeit seines Lebens ein undogmatischer linker Intellektueller war und die kritische marxistische Philosophie auf ganz entscheidende Art und Weise mitgeprägt hat, bis weit in die Kreise der Kritischen Theorie hinein, die einer Anbiederung an den Sowjetmarxismus ja ganz und gar unverdächtig ist.sadhttps://www.blogger.com/profile/15210961343987342391noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-7135020945775760693.post-91091793750748584072012-06-18T02:01:19.774+02:002012-06-18T02:01:19.774+02:00Mir ist schon klar, dass Upwards Einstellung zur h...Mir ist schon klar, dass Upwards Einstellung zur herrschenden Kaste der UdSSR von vielen linken Intellektuellen der 30er Jahre geteilt wurde. Nur macht es das nicht besser, und ich finde es nach wie vor bizarr,wenn jemand über den Realismus schwadroniert und zugleich seine Augen vor der brutalen Realität der Moskauer Prozesse verschließt.<br /><br />Was die 'Sorge über Faschismus und Kriegsgefahr' angeht, so habe ich ja selbst von den vermutlich ehrenwerten Motiven Upwards gesprochen. Aber leider war es nun einmal gerade der Stalinismus, der dem Faschismus in Deutschland und Spanien zum Sieg verhalf. Eine etwas kritischere Einstellung gegenüber dem Kreml wäre 1937 mehr als angebracht gewesen, gerade wenn man den Ausbruch des nächsten Weltkrieges verhindern wollte.<br /><br />Upward mag keine Loblieder auf Väterchen Stalin singen, aber er glaubt ernsthaft, dass "in Russia [...] writers are better off than anywhere else in the world." Ist eine solche Behauptung 1937 etwa nicht bizarr?Raskolnikhttps://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-7135020945775760693.post-26734339472145079352012-06-18T00:41:25.405+02:002012-06-18T00:41:25.405+02:00Hmm, »bizarr« würde ich das nicht gerade nennen, s...Hmm, »bizarr« würde ich das nicht gerade nennen, schließlich war Upwards Einstellung in den 30ern alles andere als ungewöhnlich. Bizarr finde ich da eher noch die literarischen Ergebnisse, die die Hörigkeit gegenüber dem Stalinismus bisweilen zeitigte. (Pablo Neruda: »Stalin ist der Mittag. Die Reife des Menschen und der Völker.«)<br /><br />Es stimmt natürlich, dass Upward sich schon in seinen Formulierungen an die Doktrin des Sozialistischen Realismus (»wahrheitsgetreue, historisch konkrete Darstellung der Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung«) anlehnt. Eine direkte Aufforderung an Schriftsteller_innen, der KP beizutreten, findet sich im »Sketch« zwar nicht, aber ich denke, es wird hinreichend deutlich, dass sein »going over to socialism« gleichbedeutend ist mit einer Hinwendung zur Sowjetunion bzw. den offiziellen KPs. Dennoch finde ich es immerhin bemerkenswert, dass sein Essay mehr von der Sorge über Faschismus und Kriegsgefahr geprägt ist als von Lobreden auf den Stalinismus.*<br /><br />Was Orwell betrifft, glaube ich übrigens, dass er und Upward sich in einer Hinsicht gar nicht so unähnlich sind: Auch Orwell wurde in den 30er und 40er Jahren von der Sorge umgetrieben, dass die großen Schriftsteller der Moderne zu der erstickenden politischen Situation der Zeit nichts mehr zu sagen hätten, bzw. falls doch, dies eher dem Faschismus entgegenkäme. Orwells Antwort auf dieses Problem (konkrete Bekämpfung des Faschismus statt Partei- und Bewegungstaumel) ist es natürlich, die den Unterschied zu Upward ausmacht. Auch setzt er nicht wie dieser Autoren und Werk gleich.<br /><br />* Wie sich das an anderer Stelle in Upwards Werk verhält, kann ich allerdings nicht sagen.Murilegus rexhttps://www.blogger.com/profile/08705192064646504148noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-7135020945775760693.post-74698894924783910592012-06-17T22:57:55.221+02:002012-06-17T22:57:55.221+02:00Ich finde es ja schon etwas bizarr, wenn ein Autor...Ich finde es ja schon etwas bizarr, wenn ein Autor, der sich selbst als Sozialist versteht, 1936/37 von den Schriftstellern verlangt, sie sollten die Wirklichkeit in ihrer ganzen Komplexität wahrheitsgetreu darstellen, und selbst die Sowjetunion offenbar für das Bollwerk des Fortschritts hält. Das waren schließlich genau die Jahre des Großen Terrors, als Stalin eine ganze Generation von Revolutionären und linken Intellektuellen (darunter nicht wenige begnadete Künstler wie Pilnjak, Babel und Meyerhold) ausradieren ließ. Aber so waren sie halt, diese Intellektuellen, die glaubten, sie würden der Menschheit dienen, indem sie sich den stalinistischen KPs anbiederten. Ich kann verstehen, warum Orwell für diese Kreise nichts als Verachtung übrig hatte, auch wenn man Leuten wie Upward (oder Auden und Spender) wohl zugestehen sollte, dass ihre Motive nicht die schlechtesten waren. <br />Und da der Name hier bereits mehrfach gefallen ist: Ernst Bloch war leider auch einer dieser Arschkriecher des Kremlherrn.<br /><br />Alles in allem sehe ich Upwards Aufsatz ähnlich wie Sad: Der Verfasser vertritt mehr oder weniger die 'reine Lehre' des sog. Sozialistischen Realismus, die 1934 auf dem 1. Allunionskongress der Sowjetschriftsteller zur allgemeinen Richtlinie erklärt worden war, nachdem die Stalinisten in den vorangegangenen fünf Jahren die sowjetische Literaturwelt bereits weitgehend gleichgeschaltet hatten. Interessant ist vielleicht, dass eine der einflussreichsten Reden auf diesem Kongress (die von Karl Radek) eine 'Kritik' an James Joyce enthielt, die der von Upward sehr ähnlich war.<br /><br />Die Vorstellung, in der Gegenwart könnten nur 'marxistische' Bücher gute Bücher sein, hätten wohl alle echten Marxisten, die sich mit Kunst beschäftigten, wie Trotzki, Alexander Woronski, Plechanow oder Rosa Luxemburg (und auch Anatoli Lunatscharski in seinen besseren Tagen) für lächerlich gehalten. Im Falle von Upward läuft diese Forderung darauf hinaus, dass der Künstler oder die Künstlerin sich der Parteilinie unterzuordnen hat. Das wird besonders deutlich, wenn er die Identifikation des Schriftstellers mit der revolutionären Bewegung ganz einfach mit dem Eintritt in die Partei und der Unterordnung unter ihre Disziplin gleichsetzt. Die typische stalinistische Servilität.<br /><br />Dass soll nicht heißen, dass Upwards Aufsatz nicht trotzdem einige Ideen enthalten würde, die ich für nicht ganz so falsch halte. Im Moment fehlt mir jedoch leider die Muße, meine Gedanken da richtig auszuformulieren.<br /><br />PS: Was die Märchen angeht,so glaubte William Morris, dass sie in der künftigen klassenlosen Gesellschaft zu hohem Ansehen gelangen würden (vgl. seine "News From Nowhere").Raskolnikhttps://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-7135020945775760693.post-62992770644480033322012-06-16T14:06:49.028+02:002012-06-16T14:06:49.028+02:00»Man sollte aber vielleicht noch darauf hinweisen,...»Man sollte aber vielleicht noch darauf hinweisen, dass nicht alle marxistischen Literaturkritiker_innen zu dieser Zeit verbohrte Realist_innen waren. Undogmatische linke Intellektuelle wie Walter Benjamin, Bertolt Brecht oder Ernst Bloch hatten in den 20er und 30er Jahren schon sehr viel fortschrittlichere Positionen zu diesem Thema.«<br /><br />Auf jeden Fall. Fortschrittlichere Positionen auch spezifisch zu Fantasy im weitesten Sinne, vergleiche Blochs Gedanken zum Märchen. Und Benjamin hat sich meines Wissens in einem Vortrag über E.T.A. Hoffmann und Oskar Panizza über phantastisches Erzählen geäußert. Habe ich noch nicht gelesen, aber ich spiele mit dem Gedanken, das bald nachzuholen und einen dem hier vergleichbaren Post darüber zu schreiben. Falls der Text das hergibt.<br /><br />Danke auch für den Literaturtipp.Murilegus rexhttps://www.blogger.com/profile/08705192064646504148noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-7135020945775760693.post-69990376790156233492012-06-16T12:11:19.782+02:002012-06-16T12:11:19.782+02:00Ich weiß was du meinst, aber es würde mich schon i...Ich weiß was du meinst, aber es würde mich schon interessieren, ob er in den Geschichten genau das konsequent umsetzt, was er in dem Essay vorgetragen hat oder ob er nicht vielleicht doch selbst darüber hinausgeht.<br /><br />Was das verhältnis der individuellen Positionierung der Autor_in zur Aussagekraft ihrer Werke in Upwards Ausatz angeht, stimme ich dir völlig zu. Interessant ist auch, dass genau diese Haltung eigentlich von marxistischen Intellektuellen immer konsequent verneint wurde. Selbst jemand wie Georg Lukács beharrte ja darauf, dass gerade auch eine bürgerliche Autor_in das gesellschaftliche Rohmaterial in ihrer Literatur auf unbewusste Weise materialistisch aufarbeiten kann. Das war für ihn selbstverständlich nur in einem ganz bestimmten Modus möglich, abseits dem alles dazu verdammt war direkt in den Faschismus zu münden, aber dennoch fällt Upwards hier noch hinter Lukács' Position zurück.<br /><br />Man sollte aber vielleicht noch darauf hinweisen, dass nicht alle marxistischen Literaturkritiker_innen zu dieser Zeit verbohrte Realist_innen waren. Undogmatische linke Intellektuelle wie Walter Benjamin, Bertolt Brecht oder Ernst Bloch hatten in den 20er und 30er Jahren schon sehr viel fortschrittlichere Positionen zu diesem Thema.<br /><br />Im Übrigen ist da auf Englisch auch ein schöner Sammelband mit einleitenden Texten von Fredric Jameson erschienen:<br />http://fckvrso.wordpress.com/2011/02/23/theodor-adorno-et-al-aesthetics-and-politics/sadhttp://golem.blogsport.eunoreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-7135020945775760693.post-85352206677212200252012-06-16T00:07:08.626+02:002012-06-16T00:07:08.626+02:00Es scheint ja überhaupt ein Denkfehler Upwards zu ...Es scheint ja überhaupt ein Denkfehler Upwards zu sein, aus den Positionen von Autor_innen auf die Aussagekraft ihrer Werke zu schließen. Lawrence, Joyce und Proust unterstellt er Ignoranz bzw. bösen Willen und meint, <i>deshalb</i> mangele es ihren Werken an Substanz. Und wenn er umgekehrt so sehr darauf beharrt, gute Literatur könne nur aus einer Hinwendung zur Arbeiter_innenbewegung entstehen, spricht auch dies einer individuellen politischen Entscheidung höchste Bedeutung zu. Letztlich eine sehr wenig materialistische Auffassung.<br /><br />Bemerkenswerterweise hat der Essay bei mir überhaupt kein Verlangen ausgelöst, Upwards Erzähltexte zu lesen. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass ich in seinem »Sketch« in literaturtheoretischer Hinsicht das am interessantesten fand, was er nur andeutet und sich und anderen eigentlich versagen will.Murilegus rexhttps://www.blogger.com/profile/08705192064646504148noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-7135020945775760693.post-43581248357483238332012-06-15T15:09:37.011+02:002012-06-15T15:09:37.011+02:00Interessanter Beitrag, ich kannte Upwards Namen bi...Interessanter Beitrag, ich kannte Upwards Namen bislang nur flüchtig (ich erinnere mich an einige Nachrufe als er gestorben ist) und habe bislang noch nichts von ihm gelesen. Ich finde es ist immer spannend, sich solche alten Debatten um spekulative und fantastische Literatur wieder anzuschauen, vor allem weil sie immer drohen in Vergessenheit zu geraten.<br /><br />Wenn man Upwards Essay so liest, fühlt man sich allerdings so ein bischen an den bornierten Realismus von Georg Lukács und Alfred Kurella in der Expressionismusdebatte erinnert, die nahezu zeitgleich stattgefunden hat. Zumindest drücken beide die rigide stalinistische Kulturpolitik aus, wie sie in den Kommunistischen Parteien zu dieser Zeit exerziert wurde.<br /><br />Von Schriftsteller_innen wird kategorisch abverlangt, die Welt so zu interpretieren, wie die KPs das getan haben. Upward schreibt zwar, es gehe ihm vor allem darum, dass Literatur "true to life" sein müsse und die realen Kräfte aufzeigen soll, die das gesellschaftliche Leben bestimmen ("real forces at work beneath the surface of life"), er macht aber auch sofort klar, was damit gemeint ist: Die einseitige und oberflächliche Betrachtungsweise unrealistischer und schlechter Literatur zeige sich hin und wieder darin, dass sie mitunter pessimistisch sei und die sozialistische Bewegung nicht in ausreichend positivem Licht repräsentiere. ("it would be pessimistic, would represent militant socialism as a comparatively insignificant movement having not more than a few thousand adherents") [Seite 5]. Das ist für meine Begriffe im Wesentlichen ein Propagandaprogramm, wie es in den Warschauer Vertragsstaaten dann später auch als "Sozialistischer Realismus" verwirklicht wurde.<br /><br />Eigentlich, denke ich, sollte eine kritische marxistische Auseinandersetzung mit Literatur und Kunst aber vor allem danach fragen, wie sich die gesellschaftlichen Widersprüche überhaupt zu Kunst, Literatur und Ästhetik verhalten. Wie sie sich in diese einschreiben und durch sie vermittelt werden, auch ohne dass sich die Künstler_in oder Autor_in dessen bewusst wird. Es kann dabei weniger darum gehen im Werksinhalt positive politische Programme finden zu wollen, als in der Form der Kunst die lebendigen Antagonismen der jeweiligen Epoche zu entdecken. <br /><br />Leider habe ich, wie gesagt, bislang nichts von Upward gelesen. Es wäre nach diesem Essay mal spannend sich seine Geschichten anzuschauen.sadhttp://golem.blogsport.eunoreply@blogger.com