Dienstag, 13. Dezember 2016

Vox Day ist ein Nazi

Letzte Woche erschien auf Black Gate ein Beitrag von Foz Meadows (hier eine archivierte Version). Thema: »The relationship between fiction and politics«. Meadows erwähnt darin die Sad und Rabid Puppies und weist daraufhin, dass beide Gruppen von »an actual neo-Nazi« angeleitet worden seien – gemeint ist natürlich Theo Beale alias Vox Day. Dass Beales Kopf eine Art ideologische Kloake ist, in der sich Ideen der religiösen Rechten, der sogenannten ›Islamkritik‹, des Antifeminismus und Versatzstücke von Rassentheorien zu einer stinkenden Brühe vermischt haben, ist bekannt. Ebenso ist klar, was all diese Vorstellungen gemeinsam haben: Sie stammen von rechtsaußen.

In jüngster Zeit versucht Beale, sich als eine Art Sprecher der Alt-right zu profilieren, also jener heterogenen Strömung von US-Rechtsradikalen, die seit ihrer Unterstützung für Donald Trump auch international von sich reden macht. Die Alt-right ist einerseits aus dem Verrohungsprozess entstanden, den ein beträchtlicher Teil des konservativen und libertären Lagers (in den USA eigentlich Teil des ›normalen‹ politischen Spektrums) durchgemacht hat. Andererseits mischen bei der Alt-right aber auch offen neonazistische Gruppen und solche, die aus der White-Supremacy-Bewegung stammen, mit (auch der Ku Klux Klan hat bekanntlich zur Wahl Trumps aufgerufen). Innerhalb der Alt-right hat sich insbesondere das Online-Magazin The Daily Stormer hervorgetan, das von dem bekennenden Nazi Andrew Anglin herausgegeben wird.

Trotz dieses Schulterschlusses reagiert Beale auffallend dünnhäutig, wenn er mit neonazistischen Bestrebungen assoziiert wird. Als die Tor-Books-Mitarbeiterin Irene Gallo vor einiger Zeit die Sad und Rabid Puppies auf ihrem privaten Facebook-Profil als »two extreme right-wing to neo-nazi groups« charakterisierte, forderte Beale den Verlag allen Ernstes auf, seine Mitarbeiterin zu entlassen. Dem kam Tor Books natürlich nicht nach, aber Verleger Tom Doherty sah sich dennoch veranlasst, sich von Gallos Aussage zu distanzieren, womit er dem Gernegroß Beale unnötig weit entgegen kam. (Beale schwafelt seit Jahren davon, dass sein Kleinverlag Castalia House den etablierten englischsprachigen SFF-Verlagen wie Tor über kurz oder lang das Wasser abgraben werde. Wer sich nicht sicher ist, wie ernst diese Prahlerei zu nehmen ist, mag diesem Blogpost entnehmen, dass Castalias mit Abstand bekanntester Autor, John C. Wright, im vergangenen Herbst seine Stromrechnung nicht bezahlen konnte. Wright, zuvor als relativ erfolgreicher Autor bei Tor unter Vertrag, wechselte aus ideologischen Gründen zu Beales Mikroverlag. Wright ist selber ein klerikalfaschistischer Dampfplauderer, aber ich muss sagen, dass er mir jetzt, wo er die Folgen einer Liaison mit Theo Beale am eigenen Leib erfährt, fast schon leid tut.)

Schon in Bezug auf Gallo sprach Beale von libel, also Verleumdung. So auch jetzt wieder in seiner Reaktion auf Foz Meadows’ Artikel: Er habe sich an John O’Neill gewandt, den Herausgeber von Black Gate, der den verleumderischen Charakter von Meadows’ Text sicher schnell erkennen und von seiner Website entfernen werde. Nun wissen wir aber dank File 770, dass Beale O’Neill gegenüber ganz andere Bedenken äußerte: Beale lebt in Italien, und da es in der EU Gesetze gegen Nazis gebe, befürchte er rechtliche Konsequenzen, wenn er fälschlicherweise als Neonazi bezeichnet werde. O’Neill hat ihm diesen Unsinn offenbar abgekauft, denn auf der Seite von Black Gate sind mittlerweile nur noch die ersten beiden Absätze des Artikels zu lesen. Der komplette Text findet sich jetzt bei Amazing Stories, deren Herausgeber Steve Davidson anscheinend weniger leichtgläubig als O’Neill ist.

Zwar ist in der EU sicherlich noch niemand juristisch belangt worden, weil er im Internet als Neonazi bezeichnet wurde, aber interessant finde ich vor allem, dass Beale sich selber anscheinend nicht sicher ist, ob Polizei oder Staatsanwaltschaft ihn nicht doch für einen Neonazi halten könnten. Denn allen Krokodilstränen und Beschwerden über Verleumdung zum Trotz enthält Beales rechter Ideologie-Mix auch neonazistische Elemente. Sein 16-Punkte-Programm für die Alt-right, das in diversen Sprachen auf seinem Blog zu lesen ist, enthält mit Punkt 14 eine kaum veränderte Variante von David Lanes »Fourteen Words«:
We must secure the existence of our people and a future for white children. 
Lane entwarf diesen Slogan als eine Art Maxime, die die rassistische Grundüberzeugung der radikalen Rechten weltweit zusammenfassen soll. Bei Beale liest sich das dann so:
The Alt Right believes we must secure the existence of white people and a future for white children.
David Lane war einer der führenden Ideologen des Neonazismus in den USA. Er durchwanderte im Laufe seines Lebens das gesamte Organisationsspektrum der radikalen Rechten, indem er nacheinander Mitglied der John Birch Society, des Ku Klux Klan und der Aryan Nations war. Schließlich landete er bei der rechtsterroristischen Gruppe The Order, die 1984 den jüdischen Radiomoderator Alan Berg ermordete. Lane diente bei der Tat als Fluchtfahrer, wofür er eine hohe Haftstrafe erhielt. 2007 starb er im Gefängnis. Seine »Fourteen Words«, die in der Tat zu einem beliebten Slogan von Neonazis auch in Europa geworden sind, stellen überdeutlich eine Paraphrase des folgenden Absatzes aus Mein Kampf dar:
Für was wir zu kämpfen haben, ist die Sicherung des Bestehens und der Vermehrung unserer Rasse und unseres Volkes, die Ernährung seiner Kinder und Reinhaltung des Blutes, die Freiheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes, auf daß unser Volk zur Erfülllung der auch ihm vom Schöpfer des Universums zugewiesenen Mission heranzureifen vermag.*
Meines Wissens hat Lane nie offen zugegeben, dass er die »Fourteen Words« aus Mein Kampf abgekupfert hat. Jedoch steht der Absatz in Band I, Kapitel 8 von Hitlers Weltanschauungsschrift, was der unter Neonazis beliebten Codezahl 18 (für AH = Adolf Hitler) entspricht. Lane war bekannt dafür, sich geradezu obsessiv mit solchen Zahlenspielchen zu beschäftigen. Zudem ist die Passage in Mein Kampf im Schriftbild hervorgehoben, also auch ohne intensive Lektüre leicht aufzufinden.

Kurz gefasst übernimmt Beale also den Slogan eines neonazistischen Mörders, der direkt aus Mein Kampf hergeleitet ist. Das hält ihn aber nicht davon ab, auf seinem Blog mit schriller Stimme zu erklären:
I am neither a neo-Nazi nor a National Socialist, I have never been a neo-Nazi or a National Socialist, I do not belong to, or subscribe to the tenets of, the German National Socialist Workers Party or any subsequent facsimile, and I do not appreciate the libelous attempts of Ms Meadows, to publicly and falsely assert that I am “an actual neo-Nazi”. 
Schon klar, dass er das nicht mag. Weil Beale aber ebenso menschenverachtend wie verlogen und feige ist, muss in aller Deutlichkeit erklärt werden: Teddy Beale, Vox Day, ist ein Nazi.

* Adolf Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition, Band I, hg. v. Christian Hartmann u.a., Berlin/München 2016, S. 575f.

Sonntag, 11. Dezember 2016

A Working Map of the Railsea

After the promised re-read of Railsea, taking notes on all mentions of place-names as I went along, I was able to add a few names to the map. Comments on additions & corrections are, of course, welcome.


Since I wasn’t able to figure them all out, I give below a table of: all place-names I found; page-numbers; non-exhaustive descriptions that might help to figure out the geography; &, of course, suggestions or guesses of the real-world (or present-day) equivalents.

intradiegetic place-name p/pp notes from the text extradiegetic equivalent
Amman Sun 367 cold
Bollons 55, 60 close to upland, volcano Bollons Seamount
Cabigo 56, 121, 195 federal
Cambellia 54, 52, 60 wild continent, bad legend, looming slopes, large, southeast of Nuzland, that farthest shore Campbell Plateau
Chatham, Cape of Chatham Rise
Clarion (island) 35, 56 Isla Clarión
Cold Basin 67 easter than Streggeye [sic] Chile (‘chill’) Basin, Robinson Islands?
Colony Cocos 115, 121 has updivers Cocos Island
Deggenlache 367 near Mornington
Gul Fofkal 120 Gulf of California
Gulflask 35 woods Gulf of Alaska
Kammy Hammy 56, 61, 113 Many-island nation, people with brick-coloured skin, South Kammy Hammy, far-off islands Hawaii
Kribbis Hole 265 pun on Scilla & Charybdis, no real equivalent
Leweavel Range
Manihiki 56, 74, 87, 112, 129, 193 Grey-skinned people, centre of the world, west of Streggeye, Subzi: a quarter of Manihiki City north of the old town, has southern outposts Society Islands (incl. Tahiti), French Polynesia
Marquessa 261 Macquarie I.? Or Marquesas?
Mendana 120 Solomon Islands, discovered by Álvaro de Mendaña y Neira
Molochai 300 Moloka’i, part of Hawaii / Kammy Hammy. A city?
Mornington 56, 367 far off, near Deggenlache
Norwest Peace 219 pun on Northwest Passage?
Nuzland (toxicontinent) 52 New Zealand
Pittman 121, 192 North Pittman Pitcairn Islands
Rockvane 35, 56 southern neighbour of Streggeye
Salaygo Mess (archipelago) 34 Sala y Gómez Ridge
Sowmerick (toxicontinent) 68 mythical South America
Streggeye 55, 92, 112 western tip of Salaygo Mess archipelago, east of Manihiki Easter Island
Teekhee (archipelago) 119
Tharp 121 Tharp Fault??

Mittwoch, 7. Dezember 2016

Taproot Texts: Der Eneasroman

Wen verführt sie nicht, die Tendenz, der Fantasy eine möglichst eindrucksvolle Ahnengalerie zu verschaffen, indem man dozierend anhebt: »Schon Homer und das Gilgamesch-Epos sind nichts anderes als Fantasy ...« So etwas erfordert zunächst nichts anderes als die klare Erwiderung, dass die Fantasy eine ausgesprochen neuzeitliche Veranstaltung ist. Sie ist weitgehend im 19. Jahrhundert entstanden. Allenfalls könnte man über die Gothic Novel, das französische und italienische Kunstmärchen sowie Shakespeares romances noch um etwa 200 Jahre zurückgehen. Bei allen älteren Werken ist es sinnvoll, den von John Clute und John Grant in der Encyclopedia of Fantasy geprägten Begriff des taproot texts zu verwenden. (Eine taproot ist eine lange, dünne Wurzel, die tief in den Erdboden reicht.) Homer und das Gilgamesch-Epos sind Quellen der Fantasy, aber sie sind noch nicht selber Fantasy, die sich dadurch auszeichnet, dass sie ältere, heroische Züge mit solchen vermischt, die dem neuzeitlichen Roman entnommen sind.

Ein Beispiel für einen solchen taproot text ist Beowulf, das angelsächsische heroische Gedicht aus dem 10. Jahrhundert. Es stellt den weitaus wichtigsten Einfluss auf J. R. R. Tolkiens Gesamtwerk dar. Ein anderes prominentes Beispiel wäre Sir Thomas Malorys Morte d’Arthur aus dem 15. Jahrhundert, der T. H. Whites Once and Future King zugrunde liegt. Ich habe Lust bekommen, in unregelmäßigen Abständen tatsächliche und potentielle Quellen der Fantasy vorzustellen, und beginne mit einem vergleichsweise unbekannten Beispiel.

Welches Buch?

Der Eneasroman des Heinrich von Veldeke, auch unter den Namen Eneit oder Eneide bekannt. Es handelt sich um den ersten höfischen Versroman in deutscher Sprache, verfasst zwischen 1170 und 1188. ›Roman‹ ist hier nicht im Sinne des neuzeitlichen, realistischen Romans zu verstehen, sondern im Sinne des englischen Wortes romance, »a story involving knights, heroes, adventures, quests, etc.«, wie Wiktionary sagt.

Die Entstehungsgeschichte des Romans ist kurios. Der Schriftsteller, der aus niederländischem Adel stammt, wurde von der Gräfin von Cleve gefördert. Die Gräfin konnte es anscheinend kaum erwarten, mit dem Lesen zu beginnen, denn sie lieh sich das unvollendete Werk, das ihr im Trubel ihrer Hochzeitsfeier prompt geklaut wurde. Der Dieb brachte die Handschrift nach Thüringen, wo sie neun Jahre liegen blieb. Endlich erhielt Heinrich die Gelegenheit nach Thüringen zu reisen, und bekam durch die Vermittlung des Landgrafen Hermann von Thüringen sein Werk zurück. Allerdings um einen Preis. Hermann bestand darauf, Heinrichs neuer Gönner zu werden, ließ sich das Werk widmen und nahm wahrscheinlich sogar Einfluss auf die Plotgestaltung. So erklärt sich wahrscheinlich die grummelige Bemerkung Heinrichs im Epilog, das Werk sei anders vollendet worden, als er es sich vorgestellt habe.

Worum geht’s?

Heinrich hat sich des Stoffs von Vergils Aeneis angenommen, der Geschichte des Aeneas, der aus dem brennenden Troja flieht und nach allerhand Abenteuern in Italien ankommt und Lavinia heiratet, die Tochter des Königs Latinus. So wird Aeneas zum Stammvater der Latiner_innen, also der Menschen, die in Rom und Umgebung leben. Vergil erzählt einen Gründungsmythos für Rom. Lavinia bleibt dabei eine blasse Figur im Hintergrund. Dem römischen Dichter geht es allein um Aeneas, den exemplarischen Helden. Über ihn wird die Geschichte Roms mit der Trojas verknüpft, die in der Antike wie im Mittelalter als Inbegriff des Heroischen galt. Lavinia wird eigentlich nur gebraucht, damit Aeneas Nachkommen zeugen kann, unter denen sich auch Romulus befindet, der Gründer Roms.

Anders als Vergil interessierte sich Heinrichs höfisches Publikum sehr für Liebesgeschichten. Heinrichs direkte Vorlage ist passenderweise nicht die Aeneis, sondern der französische Roman d’Énéas, der ein paar Jahrzehnte vor Heinrichs Werk entstand. Schon im französischen Roman wurde die Figur Lavinias stark ausgebaut, und Heinrich folgt dieser Tendenz. Der Eneasroman ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil landet Eneas (wie Heinrich ihn nennt) mit seinen Leuten in Karthago, dem heutigen Tunis, wo Königin Dido regiert. Dido ist eine interessante Figur, nicht nur Herrscherin eines mächtigen Reiches, sondern auch persönlich stark und unabhängig. Zu Eneas entbrennt sie nach einem One-Night Stand auf einem Jagdausflug in heftiger Liebe und beginnt aktiv um ihn zu werben. Didos Hof sieht das allerdings gar nicht gern, denn die Königin hat nach dem Tod ihres ersten Mannes geschworen, nicht wieder zu heiraten.

Und Eneas weiß ohnehin, dass ihm anderes bestimmt ist. Er tritt eine Reise in die Unterwelt an, die ihm sein künftiges Schicksal erhellen wird. Die Unterwelt ist dabei kurioserweise als christliche Hölle geschildert, also als Ort der verdammten Seelen. Mitten darin befindet sich aber das Elysium, nach antiker Auffassung der paradiesische Ort, an dem sich die großen Heroen nach ihrem Tod aufhalten. Heinrich versucht also, antik-heidnische mit mittelalterlich-christlichen Vorstellungen vom Jenseits zu verbinden. Im Elysium trifft Eneas auf seinen Vater Anchises, der ihm seine Zukunft enthüllt. Dido ist unterdessen an Liebeskummer gestorben.

Gemäß den Anweisungen seines verstorbenen Vaters macht sich Eneas (im zweiten Teil) mit seinen Leuten ins Reich des Königs Latinus auf. Der weiß aufgrund einer Prophezeiung schon, dass seine Tochter einem fremden Helden bestimmt ist, und hat deshalb nichts dagegen, dass sich zwischen Lavinia und Eneas innige Liebe anbahnt. Turnus, ein Gefolgsmann des Königs, ist jedoch sehr erzürnt, dass ein übers Mittelmeer dahergekommener Flüchtling die Prinzessin heiraten soll. Er stellt ein Heer auf, mit dem er die Eindringlinge vertreiben will. Nach einer Reihe von Schlachten und Belagerungen gelingt es Eneas jedoch, Turnus im Zweikampf zu besiegen, und dem Glück mit Lavinia steht nichts mehr entgegen.

Wie liest sich das?

Gut. Es gibt jede Menge Kämpfe, und die Reise in die Unterwelt ist sehr atmosphärisch geschildert. Dabei spielt sich die Handlung nicht wirklich in der Antike ab. Die Figuren kämpfen, jagen und techtelmechteln wie im höfischen Mittelalter. Bei Vergil greifen (ähnlich wie bei Homer) die Gottheiten ständig in die Geschicke der Menschen ein. Dieser Aspekt, den Heinrich seinem christlichen Publikum wohl nicht zumuten wollte, ist im Eneasroman stark reduziert. Einzig die Liebesgöttin Venus spielt eine prominente Rolle, da sie die ganze Zeit ihre schützende Hand über Eneas hält. Eine Episode aus dem Nachtleben der Götter ausführlich zu schildern, lässt Heinrich sich denn auch nicht entgehen: Venus betrügt ihren ungeliebten Gemahl Volcanus mit dem Kriegsgott Mars. Volcanus, der Schmiedegott, hat den Seitensprung allerdings kommen sehen und konstruiert ein magisches Netz, mit dem er Venus und Mars direkt aus dem Bett fischt. Er lädt dazu die ganze Götterversammlung ein, die sich beim Anblick des ertappten Paares, das nackig im Netz herumstrampelt, schier kaputt lacht.

Die Episode hat insofern eine wichtige Bedeutung für die Handlung, als sich Venus mit Volcanus versöhnen muss, damit er Eneas die perfekte Rüstung schmiedet, die dieser wiederum braucht, um Turnus zu besiegen. Venus tut also alles dafür, damit Eneas die wahre Liebe findet. Das lässt sich überhaupt als Thema des Romans beschreiben: Während die Beziehung zwischen Dido und Eneas als krankhaft dargestellt wird, weil Dido beim Anbahnen der Affäre den aktiven Part übernimmt, sich also zu ›männlich‹ verhält, läuft bei Lavinia/Eneas alles, wie es sein soll – denn Lavinia wartet prinzessinnenhaft darauf, dass der junge Recke aus fremden Landen eintrifft und um ihre Hand anhält. Interessanterweise ist auch Turnus’ Heer durch ein Übertreten von Geschlechternormen gekennzeichnet: In seinen Reihen kämpft die Jungfrau Camilla, die wie ein männlicher Ritter gerüstet ist. Heinrich stellt also starke, transgressive Frauen dar, aber nur, um sie letztlich scheitern zu lassen. Dagegen tritt Lavinia als das Ideal einer höfischen Jungfrau auf.

Hat das die Fantasy wirklich beeinflusst?

Wahrscheinlich nicht direkt. Ursula K. Le Guin hat jedoch mit Lavinia einen Roman geschrieben, der die Handlung aus der Perspektive der Titelfigur erzählt. Und zwar (wie immer bei dieser Autorin) auf hervorragende Weise. Le Guin setzt sich dabei vor allem mit Vergil auseinander. Es wäre aber eine interessante Frage, ob Le Guin auch mit den mittelalterlichen Bearbeitungen des Aeneasstoffs vertraut ist, die den weiblichen Figuren deutlich mehr Aufmerksamkeit widmen als der römische Dichter.

Wo kann ich das lesen?

Es gibt eine Reclam-Ausgabe, die den mittelhochdeutschen Text mit neuhochdeutscher Übersetzung enthält. Die Übersetzung stammt von Ludwig Ettmüller. Zusätzlich enthält der Band einen Kommentar von Dieter Kartschoke.

Freitag, 25. November 2016

Donald und die Stadt des Bösen

Beauregard, nein: Trump wurde gewählt. Dass das keine Ausnahme ist, zeigen die Faschisierungstendenzen, die derzeit auf der ganzen Welt zu beobachten sind: Da ist Viktor Orbán in Ungarn, Rodrigo Duterte auf den Philippinen, das Militärregime in Thailand, Wladimir Putin in Russland,* der Terror der Goldenen Morgenröte in Griechenland – und nicht zuletzt der mittlerweile schon seit Jahrzehnten zu beobachtende Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen in fast allen europäischen Ländern sowie den USA. Aber das macht Trumps Sieg dann doch wieder zu einer Ausnahme: Er wird Staats- und Regierungschef nicht Ungarns oder der Philippinen, sondern der Supermacht USA. Die Frage, die sich jetzt alle stellen, ist, warum Trump gewählt wurde. Es scheint mir vor allem zwei Erklärungen zu geben, die ich (um es gleich zu sagen) beide für falsch halte. Ich die erste die antiamerikanische und die zweite die Eliten-Erklärung.

Die antiamerikanische Erklärung besagt etwa: Die Amis sind halt so hinterwäldlerisch, die wählen jeden Vollpfosten, der ihnen die Welt fein säuberlich in Gut und Böse einteilt. Siehe Reagan, siehe Bush junior. Diese Erklärung ist aus zwei Gründen abzulehnen. Zunächst einfach deshalb, weil sie antiamerikanisch ist. Wer die Amis verhöhnt, weil sie für einen offensichtlichen Betrüger stimmen, muss auch die langwährende Karriere Silvio Berlusconis erklären können. Wer es für typisch amerikanisch hält, dass ein Rassist bejubelt wird, sollte sich mal die massiven Erfolge von FN, FPÖ und Ukip näher anschauen. Wer es von Europa aus für unglaublich hält, dass man mit dem Versprechen, eine Grenzmauer zu bauen, eine Wahl gewinnt, vergisst die virtuelle Mauer rings um die Außengrenzen der EU. Der zweite Grund, warum diese Erklärung nicht zieht, ist der, dass Reagan und Bush junior zwar durchaus politische Schmierenkomödianten waren, innerhalb des US-Konservativismus aber für einen völlig anderen Typ stehen als Trump.

Traditionell war der Konservativismus in den USA isolationistisch geprägt. Seine Vertreter_innen waren der Überzeugung, die Vereinigten Staaten sollten sich nicht in internationale Konflikte einmischen, sich gegenüber den dekadenten Einflüssen Europas abschotten und vor allem die einheimische Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz schützen. Darüber hinaus glaubten sie fest an die natürliche Ungleichheit des Menschen: Die USA sind eine funktionierende Demokratie, meinten sie, weil sie von weißen, christlichen Männern regiert werden. Länder, deren Elite von braunen oder schwarzen, womöglich nicht mal christlichen Männern gestellt wird, sind barbarisch und gar nicht dazu in der Lage, sich eine demokratische Verfassung zu geben. Deshalb musste laut diesen Konservativen um jeden Preis verhindert werden, dass braune und schwarze Menschen jemals an den Regierungsgeschäften der USA beteiligt sein würden. (Dass diese Vorstellung auf eine völlig widersinnige Weise antidemokratisch ist, liegt auf der Hand.)

Mit dem Beginn des Kalten Krieges veränderte sich der US-amerikanische Konservativismus grundlegend, indem er antikommunistisch und interventionistisch wurde. Es traten Konservative eines neuen Typs auf, die die USA in der Pflicht sahen, einen internationalen Konflikt mit der Sowjetunion und ihren Verbündeten auszutragen. Zum Ziel dieses Konflikts erklärten sie die weltweite Ausbreitung von Kapitalismus und liberaler Demokratie (dass das politische Unternehmen Hand in Hand mit wirtschaftlichen Interessen ging, wurde eher als Vorzug gesehen). Sie beriefen sich also durchaus auf liberale Prinzipien wie Freiheit und Gleichheit. Um dieses Ziel zu erreichen, meinten die Konservativen neuen Typs, ist es nötig, sich mitunter die Hände schmutzig zu machen. Man muss zum Beispiel autokratische und repressive Staaten als Verbündete gewinnen, sofern sie nur antikommunistisch sind. Eingeleitet wurde diese Wende von Publizisten wie William F. Buckley und seinem Magazin National Review (1955 gegründet), und Ronald Reagan war ein typischer später Vertreter dieses Konservativismus.

Dabei handelt es sich um eine politische Option, die die gegenwärtige Konstellation der Weltpolitik nach wie vor prägt wie keine andere. Die USA als Führungsmacht eines internationalen Blocks, des »Westens«, und als Teil eines Militärbündnisses, der Nato, sind hier die bestimmende Realität (auch die Tatsache, dass der »Westen« so unappetitliche Verbündete wie Saudi-Arabien hat, von gewissen abtrünnigen Verbündeten ganz abgesehen, gehört dazu). Dennoch hatte der Kalte-Kriegs-Konservativismus spätestens seit dem Ende der Sowjetunion ein Problem: mit dem Antikommunismus war ihm ein ideologischer Grundpfeiler abhanden gekommen. George W. Bushs Versuch, Reagans Reich des Bösen (die Sowjetunion) durch eine Achse des Bösen (Diktaturen wie Nordkorea, Irak und Iran) zu ersetzen, war das kurzsichtig-verzweifelte Unternehmen, einen Nachfolger für den Antikommunismus zu finden – mit fatalen Folgen wie dem Irakkrieg und dem Aufstieg des IS, der seine militärische Stärke vor allem den Resten von Saddam Husseins 2003 aufgelöster Armee verdankt, die er in sich aufnehmen konnte.

Trump dagegen vertritt das völlige Gegenteil dieses konservativen Interventionismus, der im Kalten Krieg entstanden und im Nahen Osten zerplatzt ist. Trump hat nicht nur nichts dagegen, wenn irgendwo, scheinbar weit entfernt von den USA, hochgerüstete Diktaturen entstehen, er scheint sogar Gefallen an dieser Vorstellung zu finden. Und er hält nichts davon, die Ausbreitung von Massenvernichtungswaffen durch internationale Militäreinsätze zu verhindern. Er findet, die USA solle sich aus ihren Bündnisverpflichtungen innerhalb der Nato zurückziehen. Dagegen sprach er sich im Wahlkampf offen dafür aus, die USA sollten Raubkriege führen, um sich wertvolle Ressourcen anzueignen. In mancher Hinsicht ist Trump eine neue Verkörperung des alten US-Konservativismus, wie er vor dem Kalten Krieg existierte. Er ist gegen Freihandel und offene Grenzen, für Isolationismus, und vor allem ist er dafür, die politische und ökonomische Elite der USA weiß zu halten. Daneben weist Trumps politische Rhetorik aber auch Aspekte auf, die ihn zum Bestandteil des neuen Faschismus machen, wie er sich derzeit in der Welt ausbreitet. Die faschistische Alt-Right, die Trump im Wahlkampf unterstützt hat, ist offen antisemitisch, und Trumps Wahlkampagne spielte gelegentlich mit antisemitischen Ressentiments. Außerdem inszeniert er sich als Volkstribun, der gegen das korrupte liberale Establishment antritt. Im Wahlkampf verkündete er wörtlich, seine Wahl werde der Wiederaufstieg der amerikanischen Arbeiterklasse sein.

Womit wir bei der zweiten Erklärung wären, der Eliten-Erklärung. Sie besagt: Linke und liberale Positionen gehören längst dem Establishment. Insbesondere akademische Linke verlieren sich nur noch in immer komplizierteren Versuchen, politisch-korrekte Sprachregelungen aufzustellen, so dass ihnen die Sorgen und Bedürfnisse der Armen und Arbeiter_innen völlig aus dem Blick geraten sind. Da ist es kein Wunder, dass die einfachen Leute in Scharen einem Trump zulaufen, der sie wenigstens noch ernst nimmt und ihnen eine bessere Zukunft verspricht, statt sie mit Willkommenskultur, Multikulti und Gender Mainstreaming zu überfordern. Diese Erklärung erfreut sich besonderer Beliebtheit und wird gegenwärtig benutzt, um auf sämtliche Einstellungen verbal einzuprügeln, die im weitesten Sinne als liberal, emanzipatorisch oder gegen Diskriminierung gerichtet angesehen werden können. Im Hintergrund steht dabei die sogenannte Flüchtlingswelle: Wenn Deutschland bzw. Europa nicht sofort die Grenzen dicht macht, soll das heißen, wird sich das Volk (wer auch immer das in diesem Zusammenhang sein soll) einem Trump im hiesigen Format zuwenden.

Kurz gesagt: Linke und liberale Eliten haben sich von denen, deren Interessen sie doch eigentlich vertreten wollen, hochnäsig abgewandt, um statt dessen »Randgruppenpolitik« für People of Colour, Migrant_innen, LGBTIQs und andere verdächtige Minderheiten zu betreiben. Auch diese Erklärung ist in zweifacher Hinsicht abzulehnen. Zum einen zeichnet sie implizit ein Bild von weißen Armen und Arbeiter_innen als einer einhellig rassistischen, xenophoben und sexistischen Bande, die willig jedem Rattenfänger hinterherläuft. Eine solche Sicht ist, auch wenn sie gerade das Gegenteil verkünden will, so hochnäsig und elitär, wie es von der Ostküste bis nach Berlin noch keine Genderprofessorin mit akademischer Festanstellung zu sein geschafft hat. Zum anderen widerspricht sie schlicht den Fakten.

Insgesamt hat Trump 47 % der Stimmen bekommen, Clinton 48 %. Unter denjenigen Wähler_innen, deren jährliches Familieneinkommen unter 30.000 $ liegt, hat Clinton sogar 53 % erhalten, Trump dagegen nur 41 %.** Vor Clinton liegt Trump bei den mittleren Einkommen, während die Stimmen der Reichen sich mehr oder minder gleichmäßig auf beide Kandidat_innen verteilen. Einen deutlichen Sieg gegenüber Clinton hat Trump zwar unter der Gruppe der Weißen ohne Hochschulabschluss davongetragen (67 % gegenüber Clintons 28 %), aber damit haben sich die empirischen Belege für Trump, den selbsternannten Held der Arbeiter_innenklasse, auch schon erledigt. Insgesamt ist die Tendenz sehr deutlich: Trump wurde vor allem von Menschen gewählt, die weiß, älter und konservativ-religiös sind, in heterosexuellen Kleinfamilien leben und ein mittleres Einkommen haben.

Manchmal wird Trumps angeblich gegen links-liberal-akademische Eliten gerichteter Erfolg auch damit erklärt, dass er es geschafft habe, massenhaft Menschen zu mobilisieren, die sich vom politischen Establishment gar nicht mehr vertreten fühlten. So orakelte Hans Ulrich Gumbrecht vor der Wahl, das weiße Subproletariat, der sogenannte White Trash (traditionell eine Gruppe, die gar nicht zur Wahl geht), werde sich Trump zuwenden. Auch dem widersprechen die Zahlen. Seit zwölf Jahren ist die Zahl der Menschen, die republikanisch stimmen, nämlich ausgesprochen konstant. 2004 erhielt Bush 62 Millionen Stimmen, 2008 McCain 60 Millionen, 2012 Romney 61 Millionen, und 2016 Trump 62 Millionen. Will man also behaupten, Trump habe mit seiner rechtspopulistischen Kampagne ein riesiges Reservoir von Nichtwähler_innen angezapft, dann müsste der in absoluten Zahlen gleich gebliebene republikanische Stimmenanteil der aktuellen Wahl schon das Ergebnis einer gigantischen Wanderungsbewegung unter den Wahlberechtigten sein. Übrigens gilt auch hier, dass Clinton unter denjenigen, die zum ersten Mal gewählt haben, mit 56 % gegenüber Trumps 40 % deutlich vorne liegt.

Ich glaube aber, dass der fundamentalste Unterschied unter Trumps und Clintons Wähler_innen in den aufgeregten Debatten über den rechtspopulistischen Sieg meist übersehen wird: Unter denen, die in Städten leben, liegt Clintons Anteil bei satten 59 %, während Trump hier nur auf 35 % kommt. Dagegen fuhr Trump unter den Bewohner_innen von Suburbia 50 % (Clinton 45 %) und unter der Landbevölkerung ganze 62 % (Clinton 34%) ein. Es ist ein fester Bestandteil der rechtspopulistischen Weltsicht, Städte als dekadent, korrupt und kriminell darzustellen. Und in der Tat war es für Trumps Kampagne zentral, Clinton als aalglatte, sich hemmungslos bereichernde Kosmopolitin darzustellen. Man ist dem Rechtspopulismus aber schon auf den Leim gegangen, wenn man daraus den Schluss zieht, städtische Eliten (gewissermaßen der Geldadel) hätten Clinton gewählt und gegen den von Trump entfachten Aufstand des einfachen Landvolks verloren. Natürlich konzentriert sich in den Städten die ökonomische Macht und damit der Reichtum. Aber genau deshalb konzentrieren sich dort auch die Unterprivilegierten. Das liegt daran, dass der Kapitalismus ein System ist, das mit globaler Verstädterung und der entsprechenden Mobilität einhergeht. Eine mögliche Reaktion auf diesen Prozess ist es, die Großstadt symbolisch als einen Hexenkessel der Verkommenheit und der Gewalt anzuprangern – allerdings eine rückwärtsgewandte Reaktion, die vor den Zumutungen des Kapitalismus (aber auch vor den historischen Möglichkeiten, die er überhaupt erst eröffnet hat) in eine Situation verminderter Komplexität fliehen will. Wer arm ist und in der Stadt lebt, weiß in der Regel um seine Lage. Wer vor der Zukunft nach Suburbia flieht, wählt dagegen mitunter Trump.

Nun ist das Bild von der Stadt als einem zügellosen Untier, dem von einem im Lande verwurzelten Helden der Kopf abgeschlagen werden muss, in der US-amerikanischen Mythologie tief verwurzelt. Das macht sich nicht zuletzt in der Fantasy-Tradition der US-Literatur bemerkbar. The Hunger Games ist gegenwärtig das deutlichste Beispiel dafür. Allerdings muss der Stadt-Land-Gegensatz nicht unbedingt auf reaktionäre Weise behandelt werden, wie ein Blick auf die Anfänge dieser Tradition verrät: L. Frank Baum verfolgte mit The Wonderful Wizard of Oz die Idee, eine amerikanische Märchentradition zu erschaffen, und schon er bediente sich des Stadt-Land-Gegensatzes: Dorothy, das bodenständige Farmkind, wandert in die Großstadt und entlarvt den betrügerischen Zauberer, der in ihr herrscht. Aus heutiger Sicht wird Dorothy als typisch amerikanische Heldin wahrgenommen. Zu der Zeit, als Baum schrieb, waren die armen Farmer_innen des Mittleren Westens für die Bourgeoisie aber keine Held_innen und schon gar keine Vorbilder für wohlerzogene Kinder, sondern wenig mehr als Pöbel und Abschaum. Damals war es noch kein Distinktionsmerkmal, auf dem Land zu leben. Doch seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begeht das gutsituierte Bürgertum Stadtflucht und identifiziert sich mit dazu mit dem heimat- und erdverbundenen Landmann, der von den Verlockungen und Gefahren der Großstadt nichts wissen will.

Aber ganz ignorieren kann man die Stadt auch nicht. So entsteht ein Held_innentypus, der sich in dem Moment in die Stadt aufmacht, wenn von ihr aus Gefahr droht. In Robert E. Howards Conan-Geschichten sind Städte typischerweise dekadent, und es braucht den ebenso brutalen wie großmütigen und ehrlichen Barbaren, um der Stadt den dringend benötigten Erneuerungsschock zu verpassen. Ein bestimmter Heldentyp des US-amerikanischen Spionage- und Actionthrillers*** lässt sich geradezu als Weiterentwicklung des Howardschen Protagonisten ansehen: der verschlossene Einzelkämpfer à la Rambo, der sich nach Erledigung seines Auftrags in die Abgeschiedenheit zurückzieht, um sich nicht von den Intrigen der Großstadt beschmutzen zu lassen. Aber wenn die Heimat in Not ist, verlässt der Held die Waldeinsamkeit und tut erneut seine Pflicht, ohne sich je korrumpieren zu lassen. Colonel Kurtz in Apocalypse Now, den gerade die Waldeinsamkeit zum größenwahnsinnigen Despoten werden lässt, ist eine Parodie dieses Heldentyps, noch bevor er sich ganz entwickelt hat. Ein wesentlicher Unterschied zwischen ihm und dem Howardschen Protagonisten ist allerdings, dass er aus Patriotismus handelt, wo Conan & Co. einfach eigennützig und abenteuerlustig sind.

Aber auch die von L. Frank Baum begründete Tradition lebt weiter, in der die positive Eigenschaft der ländlichen Heldenfigur nicht ihre urtümliche Vitalität und Kampfkraft ist, sondern ihre Einfachheit und Naivität. Die Familie Ohmsford aus Shady Vale ließe sich hier als Beispiel nennen. Besonders schlagend ist aber The Stand von Stephen King. Die Handlung ist bekannt (wenn nicht aus dem Roman, dann aus der TV-Serie): Es geht um eine apokalyptische Auseinandersetzung zwischen der mütterlichen Prophetin Mother Abagail und dem Antichristen Randall Flagg. Beide sammeln Gruppen von Menschen um sich, die eine weltweite Seuche überlebt haben. Mother Abagail lebt in Nebraska (also wie Dorothy im Mittleren Westen), während Flagg seine grausame Herrschaft von Las Vegas aus ausübt (dem Inbegriff der sündigen Stadt). Aufschlussreich ist das Ende des Romans. Um Flagg zu besiegen, muss eine kleine Gruppe von Helden sich direkt ins Zentrum seines Reichs aufmachen. Die Gruppe besteht aus dem Protagonisten Stu Redman und drei Begleitern: einem Soziologiedozenten, einem Rockmusiker und einem Army-Veteran. Redman, der als einfacher Junge aus dem ländlichen Texas eingeführt wird, verfügt als einziger über die erforderliche Reinheit, um nach dem endzeitlichen Kampf eine neue menschliche Gesellschaft zu begründen, während die Vertreter von Wissenschaft, Unterhaltungsindustrie und Militär ihr Leben opfern müssen. King hat The Stand bewusst als US-amerikanisches Gegenstück zu The Lord of the Rings konzipiert, wie er im Vorwort verrät.

Fazit: Wo eine allzu simple Gut-Böse-Dichotomie zwischen Land und Stadt aufgemacht wird, ist der Faschismus nicht weit. Trumps Rhetorik beweist, wie wirkmächtig es sein kann, das Urbane, Kosmopolitische als Einkleidung des Bösen darzustellen. Die US-amerikanische Fantasy enthält zahlreiche Beispiele für diesen mythischen Gegensatz. Es könnte sich lohnen, sie daraufhin stärker zu hinterfragen.

* Putins Regime lässt sich nicht so einfach mit den anderen genannten Beispielen gleichsetzen, weil es weltweit einzigartige Züge trägt: Kein anderer Staat wird von einem Machtzirkel regiert, dessen Angehörige sich fast ausschließlich aus dem Geheimdienstmilieu rekrutieren. Putin und seine Kreise gehören aber zu den wichtigsten Förderern und Stichwortgebern des euramerikanischen Rechtspopulismus und werden von diesem auch immer wieder als Vorbild gerühmt. Diesen Zusammenhang herauszustellen, ist sehr wichtig.
** Zum Vergleich: Die offizielle Armutsgrenze liegt in den USA derzeit bei einem jährlichen Familieneinkommen von 24.000 $. 
*** Literaturgeschichtlich gesehen verdankt der (ursprünglich britische) Spionageroman der Fantasy des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts sehr viel: Von den kolonialen Fantasies H. Rider Haggards zu den ebenso kolonialen Spionageromanen John Buchans ist es nur ein kleiner Schritt.

Samstag, 19. November 2016

Ph’nglui mglw’nafh Cthulhu Phantásien wgah’nagl fhtagn

Gerade habe ich es wieder mal mit Michael Ende, und dabei ist mir eine skurrile Sache über den Weg gelaufen, von der ich noch nichts wusste: Zu Endes Hochzeiten machten evangelikale Christ_innen sich große Sorgen, Ende könnte mit dunklen Mächten im Bunde sein. Um der Sache auf den Grund zu gehen, führte der evangelikale Journalist Ulrich Skambraks 1986 ein Interview mit Ende und fand seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Ende bekannte, bei der Abfassung von Momo und Die unendliche Geschichte unter dem Einfluss einer Gottheit namens »Oliven-Dryas« gestanden zu haben. Was Ende damit gemeint haben könnte, ist mir nicht ganz klar: Vielleicht eine Dryade, die einen Olivenbaum bewohnt? Eine andere Frage ist, ob Ende das ernst meinte. Endes Biographin Birgit Dankert glaubt, er habe seinen evangelikalen Fragesteller verscheißern wollen. Das halte ich für nicht unwahrscheinlich, denn Ende war bekannt dafür, während Gesprächen und Interviews kräftig dem Alkohol zuzusprechen, und ließ sich von seinen Gesprächspartner_innen gern dazu anstacheln, allerhand Unsinn von sich zu geben (wobei man hinzufügen muss, dass es sich nicht selten um Unsinn handelte, an den Ende nichtsdestotrotz glaubte, oder gern glauben wollte).

Aber nicht nur Michael Ende, auch Otfried Preußler bereitete der evangelikalen Publizistik Kopfzerbrechen. 2008 gab Skambraks gemeinsam mit seinem Kollegen Lothar Gassmann einen Rundbrief heraus (PDF-Download). Der Anlass war ein Focus-Interview mit Preußler, in dem folgende Bemerkung fällt:
Ich bin ja fest davon überzeugt, dass es eine schwarze Magie gibt, mit der man Menschen schadet, und auf der anderen Seite die weiße Magie. Das ist ein uralter Begriff, der schon in der Kabbala auftaucht. Auch für die weiße Magie muss man ein Bündnis mit dem Teufel eingehen, anders geht es nun mal nicht. Aber man bewirkt Gutes, das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Und ich glaube, ein bisschen Weißmagier bin ich schon. Das sage ich übrigens ohne Koketterie.
Nicht nur Ende, sondern auch Preußler also ein finsterer Nekromant. Skambraks und Gassmann konstatieren düster: »Nimmt man das ernst, was Preußler sagte, so ist er ein Bündnis mit dem Teufel eingegangen.« Welche Interview-Enthüllungen kommen als nächstes? J. K. Rowling hat für jeden Harry-Potter-Band einen Hauselfen rituell geopfert? C. S. Lewis war ein Pseudonym für Aleister Crowley?

Demnächst will ich übrigens mehr darüber schreiben, was es mit der Magie so auf sich hat.

Montag, 19. September 2016

Das Kind bei Ende und Tolkien

J. R. R. Tolkiens Lord of the Rings (1954/55) verhält sich zu Terry Brooks’ Sword of Shannara (1977) wie Michael Endes Unendliche Geschichte (1979) zu Heike und Wolfgang Hohlbeins Märchenmond (1982). Dabei ist zu beachten, dass es sich um eine Strukturanalogie handelt: In beiden Fällen hat sich gezeigt, dass sich ein erfolgreiches Imitat herstellen lässt.* Damit liegt zwischen den beiden englisch- und den deutschsprachigen Büchern eine Art Relation der Relationen vor. Unzulässig wäre es, die Analogie auf die einzelnen Autor_innen auszudehnen: Ende ist kein Tolkien.

Der Unterschied zwischen Ende und Tolkien lässt sich in ihrer Stellung zum Kind ausdrücken. So sagt Ende:
Ich glaube, daß die Werke der großen Dichter, Künstler und Musiker dem Spiel des ewigen und göttlichen Kindes in ihnen entstammen – dieses Kind, das ganz unabhängig vom äußeren Alter in uns lebt, ob wir neun Jahre alt sind oder neunzig, dieses Kind, das nie die Fähigkeit verliert zu staunen, zu fragen, sich zu begeistern; dieses Kind in uns, das so verletzlich und ausgeliefert ist, das leidet und nach Trost verlangt und hofft; dieses Kind in uns, das bis zu unserem letzten Lebenstag unsere Zukunft bedeutet.
Nichts liegt Tolkien, der die Rede vom ewigen Kind im Menschen als waggery bezeichnete (meines Erachtens zu recht), ferner als diese mythische Kind-Vorstellung:
I think this is an error; at best an error of false sentiment, and one that is therefore most often made by those who [...] tend to think of children as a special kind of creature, almost a different race, rather than as normal, if immature, members of a particular family, and of the human family at large.
So Tolkien im Abschnitt über Kinder in »On Fairy-stories«. Kinder als besondere Geschöpfe, als eine Spezies für sich zu sehen, ist genau der Fehler, den Ende begeht. Zwar könnte man sagen, dass Ende in dem obigen Zitat gar nicht von realen Kindern spricht, sondern lediglich von einem bestimmten ästhetischen Vermögen des Menschen, das er in einer Laune als das ewige und göttliche Kind bezeichnet. Ende wäre aber kaum zu einer solchen Aussage gekommen, wenn sie nicht von seiner Sichtweise auf reale Kinder inspiriert wäre. In jedem Fall ist »dieses Kind, das [...] in uns lebt« merkwürdig passiv: Es leidet, ist verletzlich und ausgeliefert. Sein aktives Tun besteht nur darin, zu staunen und sich zu begeistern – und ab und an darf es mal eine Frage stellen. Nun ist kein Zweifel daran, dass Kinder tatsächlich oft leiden und ausgeliefert sind. Ende weigert sich jedoch zu sehen, was Kinder tun, um diesem Zustand zu entkommen: Reale Kinder wollen nicht leiden und ausgeliefert sein. Gerade weil sie diesen Zustand so gut kennen, wollen sie ihm entrinnen. Tolkien schreibt über seine Kindheit:
I had no special ›wish to believe‹. I wanted to know. Belief depended on the way in which stories were presented to me, by older people, or by the authors, or on the inherent tone and qualitiy of the tale. [...] But humility and innocence [...] do not necessarily imply an uncritical wonder, nor indeed an uncritical tenderness.
Und er schließt daraus:
Children are meant to grow up, and not to become Peter Pans. Not to lose innocence and wonder, but to proceed on the appointed journey: that journey upon which it is certainly not better to travel hopefully than to arrive, though we must travel hopefully if we are to arrive.
Tolkien betont das Recht des Kindes, Wissen zu erlangen, um der Hilflosigkeit zu entkommen. Kinder sollen nicht nur fragen, sondern hinterfragen, was Erwachsene ihnen präsentieren. Wenn Ende dagegen sagt, er »schreibe überhaupt nicht für Kinder. [...] Ich schreibe für ›das Kind in uns allen‹, das schöpferisch ist und fähig Schicksal zu erleben«, dann präsentiert er allen realen Kindern sein inneres Idealkind als Vorbild – ein mythisches Kind, das passiv und ausgeliefert sein und nicht erwachsen werden will, das also letztlich eher kindisch als kindlich ist. Wie aber Tolkien sagt, dass es Erwachsene sind (niemals die Kinder selbst), die den »error of false sentiment« begehen und Kinder mit dem mythischen »ewigen und göttlichen« Kind verwechseln, so sind es auch stets nur Erwachsene, die nicht erwachsen sein wollen.

* Das ist übrigens kein Verbrechen. Sogenannte Unterhaltungsliteratur lebt davon, dass Muster sich erfolgreich variieren lassen.

Mittwoch, 14. September 2016

A Preliminary Map of the Railsea

Update: A Working Map

I have wanted to create a map of the Railsea for a long time now. Today I gave in & started. Note that this is very much work in progress!
Now, a re-read is in order, with the map at hand, to try & fill in some names. (The south-western landmass ought to be Manihiki, I guess?)


southern marking: Streggeye Land
northern marking: speculative position of the abyss

Samstag, 6. August 2016

The Meek, it’s aliiive! (und ein bisschen The Nameless City)

Ich hatte vor einer Weile schonmal meinen Lieblings-Webcomic empfohlen: The Meek von Der-Shing Helmer* – damals stuk der Comic aber in einer jahrelangen Pause. Das hat sich erledigt, seit die Autorin und Künstlerin seit letztem Jahr über Patreon crowdgefundet wird. (Spannende Zeiten für Kreativlinge – N. K. Jemisin hat ja auch kürzlich ihren Hauptberuf durch Crowdfunding-Mäzenatentum ersetzt.) Da gerade dieser Tage erst gelesen, muss ich auch sagen, schon die bisher vollständigen Kapitel von The Meek übertreffen The Nameless City von Faith Erin Hicks – obwohl letzteres beworben wird mit dem Blurb “sharp observations about power and history” finden sich darin m.E. wenig tiefschürfende Darstellungen dieser Thematik. Da bringt The Meek quasi mehr auf weniger Seiten unter (ohne einen zu direkten Vergleich aufmachen zu wollen).

Jetzt ist es auch so weit, die ersten drei Kapitel als Printcomic herauszubringen – auch dies mittels Crowdfunding. Das Finanzierungsziel wurde schon in den ersten sieben Stunden erreicht, nächsten Januar gibt’s dann einen feinen, überarbeiteten (und voraussichtlich erweiterten) Comic als Hardcover.

Ich finde am Webcomic-Format schon lange faszinierend, dass sich hier kostenfreie Erstveröffentlichung und spätere ›Monetarisierung‹ nicht ausschließen.

* Auch ihren zweiten Webcomic, Mare Internum, near-future SciFi, Science-Fantasy, und Drama, finde ich sehr lesenswert.

Freitag, 1. Juli 2016

Dienstag, 7. Juni 2016

Norvel Arlington Trump

Woah. Ich lese gerade den ersten Band von George R. R. Martins Traumliedern. Darin befindet sich die Erzählung »Tod war sein Vermächtnis«. Sie handelt von einem »amerikanischen Propheten«, Norvel Arlington Beauregard, der vom Privatjet aus Wahlkampf betreibt und »die Patrioten und die Superpatrioten, die Veteranen und die GIs, die Wütenden und die Ängstlichen« um sich versammelt. Ein Zitat aus einer Wahlkampfrede des Propheten:
»Ich bin für den kleinen Mann,« sagte er in New York City. »Ich unterstütze das Recht eines jeden Amerikaners, sein Haus an jeden zu vermieten oder seine Waren an jeden zu verkaufen, den er sich auswählt, ohne irgendeine Beeinflussung durch Bürokraten mit Aktentaschen oder eierköpfige Professoren, die in ihren Elfenbeintürmen sitzen und entscheiden, wie ihr und ich leben müssen.« Und die Menschen jubelten und jubelten, und sie schwenkten ihre Fahnen und gelobten Gefolgschaft und riefen: »Beauregard, Beauregard, Beauregard«, immer und immer wieder, bis die Arena vor Lärm bebte.
Auch das, was auf den Wahlkampfveranstaltungen im Publikum vor sich geht, wird eindrücklich beschrieben:
Und die Menschen jubelten und jubelten [...]. Ein langhaariger Gammler schrie »Nazi«, aber sein einsamer Ruf ging in dem tosenden Applaus unter. Abgesehen von zwei stämmigen Sicherheitsleuten am Ende der Halle, die ihn bemerkten, sich zunickten und schnell und ruhig begannen, sich durch die Menge zu bewegen.
Schließlich ist die Rhetorik der von ›The Norvel‹ Begeisterten exakt getroffen: »Ich bin kein Rassist, und Beauregard ist auch keiner, aber würdest du wollen, dass so jemand deine Schwester heiratet?«

Das Unheimliche an der Gegenwartsnähe dieser Geschichte? Sie wurde vor fast 40 Jahren geschrieben.

Montag, 16. Mai 2016

Eine kleine Gruselgeschichte aus der zentralen Sahara

Es war einmal ein Targi, der mit seinem Kamel durch die Wüste reiste. In einer Nacht kam er in ein grünes Tal und sah ein Lagerfeuer brennen. Als er bei dem Lager anlangte, grüßte ihn eine Frau. Er ließ sein Kamel niederknien und stieg ab; sie übernahm das Kamel und sattelte es ab. Er setzte sich ans Feuer und wartete, dass sie ihm das Gastessen bringt.

Er wartete, aber sie kam nicht zurück. Schließlich verlor er die Geduld und wollte weiterreiten. Als er sein Kamel suchen ging, hörte er von weitem ein Stimmengewirr: »Mir auch!« – »Mir auch!« – »Mir auch!« …

Er folgte den Stimmen in die Dunkelheit — und fand seine Gastgeberin. Sie hatte sein Kamel geschlachtet und fraß es. Die Stimmen riefen: »Mir auch!« – »Mir auch!« …

Die Frau hatte einhundert Münder, überall am Körper hatte sie Münder, mit denen sie das Kamel verschlang. Wenn sie sich in einen Mund Fleisch steckte, verlangten neunundneunzig andere: »Mir auch!« …

»Wer bist du?« fragte der Targi. Der Chor ihrer Münder antwortete: »Ich bin Djelwán, Tochter der Leere.« Da lief er fort in die Wüste, allein, ohne Proviant und ohne Kamel.


Dies ist eine relativ direkte Übersetzung einer Geschichte, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Franzosen aufgezeichnet und publiziert wurde (Chaker, S., Claudot, H., & Gast, M. (1984). Textes touaregs en prose de Charles de Foucauld et A. de Calassanti-Motylinski, réédition critique avec traduction. Aix-en-Provence, Édisud. S. 296). Hier noch der Originaltext:


Tənnɐ tanəḳḳist: âləs ijən irŭən n Amâhaṛ, juṛâr amis-ənnît jəssûkal, ad jus eṛahar ijən s ehoḍ, inə̆j d-əs temse, ikk-êt, iʒʒən edis-ənnît, tus-ê-hid taməṭ, təḑ-âs »ma n ə̆vîn«, təḳḳə̆l edəg-ənnît. Âləs iṛil taməṭ təmûsət avadəm. Jəḳḳîm, jəḳḳâl i amaḑaru, ad ikkə̆s əṭṭəma n harət; iglɐ, iḑmə̆j amis-ənnît; ad inə̆j taməṭ tanṛ amis, islɐ i: »Nək! Nək! Nək!« jəḑḑîn. Isvŏḍ, inə̆j taməṭ təlât têmeḍe n ə̆mi, eləm-ənnît imdâ imavən, ənta tâtt əs mavən əmdân; əmi daṛ ḑâ sân, ed jənn ə̆mi va haḍən: »Nək!«. Imavən əmdân ḑânnin: »Nək! Nək! Nək!«. Innɐ-hâs âləs: »Kem-âk, ma təmûsəd?« Tənnɐ-hâs: »Nək Ḑəlvân, ult-ə̆sûf.« As islɐ i avâl-ənnît, jərvə̆l.

Donnerstag, 11. Februar 2016

Newsflash zu “Winds of Winter”

Zugegebenermaßen, keine bahnbrechende Neuigkeit, aber ich dachte mir: statt mir vorzunehmen ab sofort monatlich lange, tiefgründige Blogposts zu schreiben, nur um dann bei den guten Vorsätzen zu bleiben – lieber mal ein kleiner Anfang.

Dass George R. R. Martin The Winds of Winter nicht mehr rechtzeitig fertig bekommen hat, um es vor der nächsten Staffel der TV-Adaption herauszubringen, dürfte wohl hinlänglich bekannt sein. Immerhin, die Fertigstellung des Manuskripts sei nun “months away” – schonmal besser als years away.

Nun soll GRRM ehrenhalber einen akademischen Grad (vermutlich einen Ehrendoktor, aber das geht aus “honorary degree” nicht direkt hervor) von der Texas A&M University verliehen bekommen. GRRMs Kommentar dazu: Er werde die Ehrung erst entgegennehmen, wenn Winds fertig sei. Entgegennehmen hier im physischen Sinne einer Zeremonie an der Texas A&M Uni.

Offenbar lehnt GRRM nun also auch kleinere Unterbrechungen seiner Schreibarbeit ab. Das ist an sich schon erfreulich für alle, die auf sein nächstes Buch gierig sind. Für mich klingt dies auch so, als könne er eine halbwegs zeitnahe Fertigstellung absehen, und konzentriert sich nun auf einen Endspurt. Die Zeremonie, bei der Ehrentitel verliehen werden, findet als nächstes Mitte Mai statt. Da GRRM ankündigt, vorläufig nicht verfügbar zu sein, glaube ich nicht dass er diesen Termin für machbar hält. Danach wären Mitte August und Mitte Dezember möglich. Ist das also der Zeitrahmen, in dem GRRM momentan denkt, mit Winds of Winter fertig werden zu können?

Bei A Dance with Dragons lagen auch noch Monate zwischen dem näherrückenden und dem letztendlichen Abschluss des Manuskripts, entsprechend könnte es mit Winds auch noch dauern. Soll mir recht sein, solange sich etwas tut.

Freitag, 5. Februar 2016

David Hartwell (1941–2016)

Vor zwei Wochen ist der SFF-Kritiker und -Herausgeber David Geddes Hartwell im Alter von 74 Jahren gestorben. Ich komme mir ein wenig schäbig vor, erst jetzt an Hartwell zu erinnern, aber es ist mir ein Anliegen, auf seinen Essay »The Making of the American Fantasy Genre« hinzuweisen (abgedruckt in dem von Peter S. Beagle herausgegebenen Band The Secret History of Fantasy). Denen möchte ich allen ans Herz legen, die Genre-Gelehrsamkeit zu schätzen wissen.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.