Samstag, 20. September 2014

The Song of Wandering Aengus

Gestern habe ich Ken Loachs neuen Film Jimmy’s Hall gesehen. Er lässt sich als Fortsetzung zu The Wind That Shakes the Barley (2006) verstehen – allerdings handelt es sich bei dem neuen Film um weniger starken Tobak als bei The Wind, und ich muss zugeben, dass ich darüber ganz erleichtert war. Stattdessen handelt es sich um einen Film, der intim und politisch zugleich ist.

Jimmy’s Hall spielt knappe zehn Jahre nach dem Ende des Irischen Bürgerkriegs, zu einer Zeit, als die katholische Kirche ihre kulturelle Hegemonie über Irland festigt und die Ideen des marxistischen Vorkämpfers der irischen Unabhängigkeit, des legendären James Connolly, zunehmend in Misskredit geraten, während auf der anderen Seite die faschistischen Schlägertrupps der Army Comrades Association die Privilegien der Großgrundbesitzer verteidigen. Held des Films ist der marxistische Aktivist und Connolly-Verehrer Jimmy Gralton (Barry Ward), der im ländlichen County Leitrim eine Dancehall betreibt. Nicht nur, dass dort zünftig gefeiert wird, auch die politischen Bildungsveranstaltungen, die unter Jimmys Blechdach stattfinden, sind der katholischen Kirche ein Dorn im Auge. Als Gralton sich bereit erklärt, bei einer Landbesetzung mitzuwirken, kommt es zu einem unheilvollen Bündnis zwischen der Kirche und dem lokalen Großgrundbesitzer. Gewalttätige Übergriffe auf Gralton und die Besucher_innen seiner Dancehall sind die Folge.

Eine Nebenhandlung widmet sich dem Wiedersehen Graltons, der lange in den USA gelebt hat, und seiner Jugendliebe Oonagh (Simone Kirby), die mittlerweile verheiratet ist. Oonagh genießt die Situation spürbar, ist aber zugleich ganz zufrieden mit ihrem Mann und ihren Kindern und denkt nicht daran, ihr bisheriges Leben für Gralton aufzugeben. In gewisser Hinsicht ist es einer der größten Momente dieses schönen Films, dass er dem müden Klischee von der Frau, die sich entscheiden muss zwischen Familienglück und dem Leben an der Seite eines charismatischen Mannes, konsequent eine Absage erteilt.

Der arme Gralton, der sich von Oonagh durchaus mehr erhofft hat, tröstet sich nun mit Gedichten von W.B. Yeats – was nicht der Ironie entbehrt, denn der alternde Yeats entwickelte just zu der Zeit, in der der Film spielt, Sympathien für die faschistische Army Comrades Association. »The Song of Wandering Aengus«, das Gedicht, das im Film rezitiert wird, stammt jedoch aus der frühen Schaffensphase Yeats’, als der Barde des Celtic Revival noch Mitglied der Irish Republican Brotherhood war. Es ist der Sammlung The Wind Among the Reeds von 1899 entnommen und in der Tat geeignet, Graltons Kummer zu illustrieren. Grund genug, das Gedicht hier wiederzugeben:


The Song of Wandering Aengus

I went out to the hazel wood,
Because a fire was in my head,
And cut and peeled a hazel wand,
And hooked a berry to a thread;
And when white moths were on the wing,
And moth-like stars were flickering out,
I dropped the berry in a stream
And caught a little silver trout.

When I had laid it on the floor
I went to blow the fire a-flame,
But something rustled on the floor,
And someone called me by my name:
It had become a glimmering girl
With apple blossom in her hair
Who called me by my name and ran
And faded through the brightening air.

Though I am old with wandering
Through hollow lands and hilly lands,
I will find out where she has gone,
And kiss her lips and take her hands;
And walk among long dappled grass,
And pluck till time and times are done,
The silver apples of the moon,
The golden apples of the sun.
 

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Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.