Donnerstag, 27. Juni 2013

Neuzugänge

  • Richard Adams, Maia
    Ich glaube, das ist eine Omnibusausgabe. Hoffe ich zumindest. Ich bin nämlich bei dem Versuch, die Einzelbände nach und nach zu kaufen, ganz schön durcheinandergekommen ...
  • Susan Cooper, The Boggart
  • Dies., The Boggart and the Monster
  • Paul Freeman, Die Legenden von Ophir 
  • Barbara Frischmuth, Amy oder Die Metamorphose
  • Neil Gaiman (Hg.), Unnatural Creatures
  • Jean Gyory (Hg.), Phantastisches Österreich
  • E.T.A. Hoffmann, Phantasiestücke in Callots Manier
  • Tanya Huff, Blood Price
  • Stephen King, Insomnia 
  • Siegfried Lenz, Gespräche mit Manès Sperber und Leszek Kolakowski 
  • C.S. Lewis, Über die Trauer
  • Fanny Morweiser, Indianer-Leo und andere Geschichten aus dem Wilden Westdeutschland
  • Harry Mulisch, Die Elemente. Kleiner Roman
  • Keith Roberts, Pavane (deutsche Übersetzung)
  • Alev Tekinay, Der weinende Granatapfel
  • John Twelve Hawks, The Dark River
    Der Typ ist mir mit seinem Verschwörungsgehabe ja eigentlich eher suspekt. Aber irgendwie musste ich das »Sechs Bücher für zwo Euro fuffzig«-Angebot des Antiquariats vollkriegen.
  • Evangeline Walton, Die vier Zweige des Mabinogi
    Langsam wird meine Sammlung von Hobbit-Presse-Schubern immer umfangreicher. Yay!

Samstag, 22. Juni 2013

Intersectional Tolkienism: Typography

Tolkien’s calligraphy and decorative¹ handwriting (“worthy of an illuminated medieval manuscript”) are well worth some admiration, and Hammond & Scull’s J.R.R. Tolkien: Artist and Illustrator is an excellent place to start. There’s one ironic little twist to be gleaned from that book which I’d like to point out.

When designing the covers of the first edition of The Lord of the Rings, Tolkien commented on the typeface chosen by the Production Department of Allen & Unwin:
I think the lettering […] is unusually ugly. It has no affinity at all to ‘Black Letter’, being not decorative but brutally emphatic: the f e R g and J might be singled out for special condemnation. (It is much less unpleasant when smaller, but even then the e stands out as an ill-designed letter.)²
This is an approximation of what the lettering might have looked like:
“The Lord of the Rings: J. R. R. Tolkien” set in the Albertus typeface
Looks familiar? It’s Albertus, a typeface nearly contemporaneous (designed 1932–1940) with the publication of The Lord of the Rings. And, more saliently, since 2001 (or thereabouts) it has been in the style guide of the movie franchises helmed by Peter Jackson. Have a look at your movie merchandise, be it one of the official books on the The Lord of the Rings or The Hobbit movie trilogies, or the OSTs, or the recent trailer of The Hobbit: Desolation of Smaug … you’ll find it all over the place. Keep an eye out for the characteristic upper left corner of the capital M or N, for example.

I guess this might be one mosaic tile of what Tolkien would have thought of the movies.

¹Though not the other handwriting – “mere wavy lines rather like the print-out from an oscilloscope” (John D. Rateliff (ed.): The History of The Hobbit. HarperCollins, London 2011: p. xxix f.)
²W. G. Hammond, C. Scull: J.R.R. Tolkien: Artist and Illustrator. HarperCollins, London 2004: p. 182.

Mittwoch, 19. Juni 2013

Kalifornien, Insel der Kriegerinnen und Greifen

Opulent ausgestattete Bildbände mit Titeln wie Atlas der fiktiven Orte und Atlas der legendären Länder erfreuen sich momentan einiger Beliebtheit. Letzteren habe ich mir angesehen und fand ihn interessant, kann mich letztlich aber nicht zu einer wirklichen Empfehlung durchringen. Zu sehr schwelgt das Buch in den kolonialen Bildwelten seines Kartenmaterials, zu sehr hält sich die Autorin, Judyth A. McLeod, damit auf, die falschen Annahmen und fehlerhaften Daten hervorzuheben, auf denen die kartographische Darstellung legendärer Länder beruht, zu wenig wird der Kontext erhellt, in dem diese Karten entstanden. Welche kulturelle Funktion hatte es, die meist nur erahnten und manchmal gänzlich erfundenen Länder zu kartographieren, die man erobern wollte? Oft ist in dem Buch der Zusammenhang mehr zu erahnen, als dass er erläutert würde. Eine Ausnahme stellt das Kapitel über die Karten Amerikas kurz nach seiner »Entdeckung« dar: Noch lange nach 1492 wurde Amerika als ein schmaler, langgezogener Landstreifen dargestellt, der schnell in Richtung Westen zu durchqueren wäre. Die Erklärung dafür ist, dass man immer noch hoffte, auf kurzem Weg an die Reichtümer Asiens zu gelangen, weshalb man Amerika als vernachlässigbares Hindernis auf diesem Weg imaginierte. Die Eroberer gestalteten sich die Welt nach ihren Wünschen. Erst später, als die Hoffnung auf einen schnellen Seeweg nach Indien in den Hintergrund getreten war, begann man, sagenhaft reiche Phantasieländer wie El Dorado auf dem amerikanischen Kontinent anzusiedeln.

Manchmal geschah dies mit einer so überschießenden Kraft der Imagination, dass die sagenhaften Länder geradezu subversiven Charakter annahmen. So stellte man sich Kalifornien lange Zeit als eine westlich vom nordamerikanischen Kontinent gelegene Insel vor. Die Insel Kalifornien wurde von schwarzen Kriegerinnen bewohnt, über die die Königin Califia herrschte. Califia gebot über eine Luftflotte von Greifen, deren Aufgabe es war, Männer am Betreten der Insel zu hindern. In Garci Rodríguez de Montalvos Ritterroman Las sergas de Esplandián, der um 1500 herum erschien, beteiligen sich Califia und ihre Kriegerinnen, gekleidet in goldene Rüstungen, an einer muslimischen Belagerung Konstantinopels. Eine bemerkenswerte Zusammenstellung von Motiven: Die Subversion der Geschlechterrollen wird mit den muslimischen »Anderen« und dem erhofften Goldreichtum Amerikas verknüpft.

Hernán Cortés, der blutrünstige Eroberer Mexikos, hatte Rodríguez de Montalvas Roman gelesen, und sandte Expeditionen aus, um die mythische Insel Kalifornien zu finden. 1534 landete eine von ihnen tatsächlich in Baja California. Hat nicht jemand Lust, eine Fantasy zu schreiben, in der Königin Califia mit ihren Kriegerinnen und Greifen der Bevölkerung Mexikos zu Hilfe kommt und Cortés und seine Leute besiegt? Ich würde das sofort lesen!

Freitag, 14. Juni 2013

Fresse, Theo

Das US-Fandom hat jetzt seinen eigenen John Asht. Oder, je nachdem, seinen eigenen Akif Pirinçci. Wie es dazu kam: N.K. Jemisin hat kürzlich auf dem Continuum (der Continuum?), einer australischen Con, zu der sie als Ehrengast geladen war, eine Rede gehalten. Darin sprach sie, neben anderen Dingen, die Kandidatur Theo Beales in den Präsidentschaftswahlen der SFWA (der Vereinigung von SF- und Fantasy-Autor_innen in in den USA) an, und bezeichnete Beale als »misogynist, racist, anti-Semite, and a few other flavors of asshole«. Das ist eine ziemlich akkurate Beschreibung, wie sich durch einen kurzen Blick in Beales Blogs bestätigen lässt. Beale zeigte sich jedoch überaus empört – wie Rechte es immer tun, wenn man sie und ihre Ansichten als rechts einordnet – und verfasste eine rassistische Invektive gegen Jemisin, die er anschließend über einen Twitter-Account der SFWA verschickte. Screenshots von Beales Gekeife bringt Amal El-Mohtar auf ihrem Blog (»posted with warnings for truly vicious racism and misogyny«). 

Wer Beale und den faschistischen Dreck, den er am laufenden Band von sich gibt, nur einigermaßen kennt, wird davon nicht überrascht sein. Beale tritt auch unter dem Pseudonym Vox Day auf (ich vermute, er will das wie einen Scherz aussehen lassen, meint es im Grunde aber ernst). Er beschreibt seine politischen und religiösen Ansichten als libertär und evangelikal. Seine fixe Idee scheint zu sein, dass Intelligenz an »Rasse« gekoppelt ist, dass also verschiedene »Rassen« existierten, die mit unterschiedlichen Intelligenzgraden ausgestattet seien. Das ist bemerkenswert, denn Rassismus kommt heutzutage häufig in einem kulturalistischen Gewand daher, als Rassismus ohne »Rassen«. Es schwadroniert sich schließlich hervorragend über unterschiedliche Kulturen, die nicht zueinander passen, über Konflikte zwischen »westlichen« Werten und solchen, die angeblich Deutschlands Abschaffung befördern. Ganz anders Beale. Sein Rassismus liest sich so, als sei er einem 150 Jahre alten Pamphlet zur Beförderung des kolonialen Gedankens entsprungen. Man sollte halt nicht vergessen: Nicht jeder intellektuelle Fascho macht heute einen auf modern und offene Gesellschaft. Es gibt auch noch welche von der alten, stinkenden Sorte, die sich kein freiheitliches Parfüm über den ewiggestrigen Schweiß kippen.

Wie Asht sieht Beale sich als einsamen Kämpfer gegen eine allmächtige Mafia. Wo Asht eine »Rezi-Mafia« am Werk sieht, fühlt Beale sich herausgefordert, die SFWA aus dem Würgegriff der liberalen Intelligenzija zu befreien. Gegen John Scalzi, SFWA-Präsident von 2010 bis 2013, führt er seit längerer Zeit einen immer fanatischere Züge annehmenden Kleinkrieg, bei dem kaum noch zu erkennen ist (oder nie zu erkennen war?), was Beale Scalzi eigentlich vorwirft. Scalzi hat sich deshalb vor einigen Monaten entschieden, immer dann, wenn Beale in herabsetzender Absicht seinen Namen erwähnt, fünf Dollar an Organisationen zu spenden, die sich gegen Homophobie oder Rassismus engagieren, und wendet diese Praxis auch auf die gegenwärtige Situation an, wie seinem Blog zu entnehmen ist.

Mit Asht hat Beale auch gemein, dass er ein Autor ist, dessen Bücher nicht gelesen werden – eher Internetphänomen als Schriftsteller ist. Beales Bekanntheit rührt vor allem aus seiner Tätigkeit für die ultrarechte Newssite WND.com, seiner Beteiligung am Blog des SFF-Magazins Black Gate, seinen Dauerfehden mit Scalzi und anderen, seiner generellen Großmäuligkeit und seiner Beliebtheit in evangelikalen Kreisen. Für letztere hat er das Sachbuch The Irrational Atheist verfasst, mit dem er beansprucht, eine fundierte Kritik der »neuen Atheist_innen« (Richard Dawkins, Christopher Hitchens und andere) geleistet zu haben. Nirgendwo wird deutlicher als hier, wie sehr Beale seine eigene Bedeutung überschätzt. Denn während ich etwa die Ausführungen Dawkins’ höchstens zum Seufzen finde (und mich frage, ob der Typ eigentlich schon mal was von Kant, Feuerbach oder Freud gehört hat), ist bei Beale nach wenigen Seiten klar, dass er schlichtweg nicht in der Lage ist, ein kohärentes Argument zu formulieren. Die religiöse Rechte, die das Buch abfeiert (ob sie es tatsächlich auch liest, weiß ich nicht), stört das nicht. Beale ist dumm wie ein Backstein, aber nicht so dumm, um nicht erkannt zu haben, dass er immer noch die Möglichkeit hat, andere Dummköpfe zu beeindrucken.

Auf seinem Blog präsentiert Beale eine kurze Liste von »standout SF authors«. Ein wahres Panoptikum von Gestalten, die aus einer Parallelwelt bizarrer Ideologien entsprungen zu sein scheinen: Orson Scott Card, der seit Jahren für seine homophoben Ausfälle bekannt ist (hier nur ein Beispiel). John C. Wright, der Sprachvirtuose, der sich als »practicing philosopher« ausgibt und das als Rechtfertigung sieht, solche Sätze zu schreiben: »It behooves us to begin by identifying those axioms tacitly assumed by everyone, even by those who claim to refute them.« It behooves you, na klar ... Could you please shut up? Tom Kratman, der sich als politischer Flüchtling bezeichnet, weil sein Heimatstaat Massachussetts kommunistisch unterwandert worden sei. Der die US Army verlassen haben will, weil er nicht politisch korrekt genug für sie sei. Der in seinem mit John Ringo verfassten Roman Watch on the Rhine über die Wiederauferstehung der Waffen-SS deliriert. Und viele, blödsinnige, paranoid-rechtsradikale Sachen mehr von sich gibt.

Doch so sehr Beales Autorenriege wie eine unfreiwillige Parodie der Tea-Party-Bewegung (die ihrerseits schon so etwas wie eine unfreiwillige Parodie ist) wirken mag, es bleibt festzustellen: Isoliert sind diese Figuren im US-Fandom nicht. Card und Wright galten zumindest früher mal als reputable Autoren. Von Beale würde das wohl niemand behaupten, der einigermaßen bei Trost ist, aber seine Mitwirkung bei Black Gate und andere Fandom-Aktivitäten zeigen zur Genüge, dass es Menschen gibt, die bereit sind, sich mit ihm abzugeben. Als SFWA-Präsidentschaftskandidat erhielt er immerhin 10 % der Stimmen. Insofern ist Beale vielleicht doch mehr Pirinçci als Asht, denn statt wie letzterer einfach unbeirrt weiterzumachen, wird ihm wohl gedämmert sein, dass er es als Autor nicht mehr weit bringen wird. Akif Pirinçci mag sich als Schriftsteller auf einem höheren Niveau bewegt haben, aber auch seine Karriere stagniert seit Jahren. Wenn man mit dem entsprechenden Charakter ausgestattet ist, mag es in so einer Situation aussichtsreich erscheinen, seinen Schwerpunkt vom Bücherschreiben aufs Hetzen zu verlagern.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.