Freitag, 27. September 2013

Unsortierte Gedanken zu N. K. Jemisins Dreamblood-Duologie

Dieser Tage habe ich N. K. Jemisins The Killing Moon und The Shadowed Sun gelesen. Wie üblich nach einem marathonartigen Buchverschlingen schwirren mir nun einige Gedanken durch den Kopf, die ich hier einfach kurz weitergeben will:

Die zwei Bücher folgen auf sehr angenehme Art und Weise aufeinander – das zweite baut stark auf dem ersten auf, entwickelt aber eine völlig eigenständige Geschichte. An keiner Stelle hat mich wiederholte Exposition oder fanservicemäßiges Referenzieren von Ereignissen aus dem ersten Buch gestört.

Die Sprache erscheint mir als alter Tolkienist an manchen Stellen etwas zu modern, was mir auch bei George R. R. Martin (noch stärker) so geht. Andererseits ist Jemisins Setting nicht quasi-europäisch-mittelalterlich, daher sollte ich vielleicht meine Lesegewohnheiten ablegen. Außerdem zeigt sich im Kontrast mit den Paratexten, wie unmodern der Stil doch eigentlich ist.

Jemisin hat um Nachsicht gebeten bei “armchair Egyptologists”, aber möglicherweise nicht mit “amateur Berberologists” gerechnet. Wie immer wenn sehr vertraute Dinge in einer Fiktion auftauchen, reißt es mich etwas aus der Versenkung. So auch hier mit Jemisins »Banbarra«, die (unter anderem) wesentlich von den Tuareg beeinflusst sind. Und wenn ich aus der Geschichte geschmissen werde, fange ich an sie überkritisch zu sehen: Ist es eine gute Idee, eine Ethnie zu fiktionalisieren und sie dann nach der Nachbarethnie zu benennen? Und was ist davon zu halten, dass Jemisin eher nur die oberflächlichsten kulturellen Eigenheiten der Tuareg übernommen hat, immateriellere aber nicht?
Es spricht für die erzählerische Qualität dieser Geschichten, dass ich über diesen Stolperstein hinweggekommen bin und wieder ins Vergessen des Unglaubens hineingezogen wurde.

“What he perceived [was] a femaleness so quintessential to her character that it almost had a texture.” – Ob Jemisin wohl auch die Idee einer essentiellen Weiblichkeit vertreten würde, oder ob das nur die Sicht des Charakters ist? Denn das wäre ein Standpunkt, den ich ablehnen würde.

Alles in allem werde ich sicher gerne mal wieder was von Jemisin lesen. Nicht zuletzt auch weil sie im Interview mit sich selbst (das es als Beigabe zum E-Book von The Killing Moon gibt) exzellenten Humor beweist.

4 Kommentare:

Murilegus rex hat gesagt…

Ich weiß nicht, wie es bei diesen Büchern ist, aber bei The Hundred Thousand Kingdoms (Die Erbin der Welt) hatte ich stark den Eindruck, dass Jemisin bei allen Archaismen (mit Messern bewaffnete Kriegerinnen etc.) eine im Grunde sehr moderne Welt beschreibt – also nicht modern im Sinne von »Leute, die denken wie wir vor pseudomittelalterlicher Kulisse«, sondern im Sinne politischer Strukturen etwa, die nach modernem Vorbild modelliert sind.

Eosphoros hat gesagt…

Oh ja. Nicht zuletzt ist eine der Hauptpersonen Botschafterin bzw. Politikerin.

Murilegus rex hat gesagt…

Meinst du Yeine aus The Hundred Thousand Kingdoms oder irgendeine Figur aus den Dreamblood-Büchern?

Generell ist mein Eindruck, dass in der Fantasy extrem wenige Politiker_innen im Sinne von Mandatsträger_innen auftreten. Meist gibt es nur die Modelle »Führungsposition qua Geburt/Auserwähltsein/militärisches Können« und »intrigante Hofbeamte«.

Eosphoros hat gesagt…

Nee, die Kingdoms habe ich ja noch nicht gelesen, also jemand aus den Dreamblood-Büchern.

In diesem Fall wird die Person wohl durch Ausbildung zur Botschafterin, und ihr Heimatland hat eine Meritokratie, wenn mich nicht alles täuscht.
Im fiktionalisierten Ägypten herrscht natürlich eine Monarchie.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.