Sonntag, 29. Juli 2012

Projekt zur Rettung des Valashu-Epos

In der anglophonen Bücherwelt ist Crowdfunding ein beliebtes Mittel zur Veröffentlichung von Büchern, denen anderweitige Publikationswege versperrt sind. Erfolgreich angewandt wird es insbesondere zur Veröffentlichung von Anthologien, die sich notorisch schlecht verkaufen bzw. oft nur von Liebhaber_innen wahrgenommen werden.

In Deutschland versucht sich seit einigen Wochen Susanne Gerold als Pionierin auf diesem Gebiet. Gerold (Übersetzerin u.a. von Kate Elliott, Raymond Feist und Cinda Williams Chima) hat sich zum Ziel gesetzt, eine deutsche Fassung des Abschlussbandes von David Zindells Ea Cycle durch Crowdfunding zu ermöglichen. Unter dem Gesamttitel Das Valashu-Epos sind die ersten drei Bände (Der magische Stein, Der Herr der Lügen, Der verfluchte Wald) 2003–06 bei Blanvalet erschienen und verkauften sich mäßig. Zur Übersetzung des finalen Bandes The Diamond Warriors (HarperCollins 2007) kam es dann nicht mehr.

Susanne Gerold, die nicht nur die ersten drei Bände übersetzt hat, sondern auch ein großer Fan von Zindells Reihe ist, hat für ihr Projekt eigens eine Internetseite und ein Blog eingerichtet. Direkt zur Seite der Crowdfunding-Plattform Startnext, auf der man alle Infos erhält und das Übersetzungsvorhaben unterstützen kann, geht es hier. Ebenfalls von Interesse ist ein Interview zum Thema, das Gerold dem Blog von Madame Books gab.

Das Valashu-Epos wird von Gerold als »spirituelle Fantasy« bezeichnet. Es ist der New-Age-Charakter seines Werkes, der dafür verantwortlich ist, dass ich mich bislang nicht aufraffen konnte, Zeit auf Zindells Bücher zu verwenden. Gerolds Vorhaben finde ich dennoch unterstützenswert, ist doch offenkundig, mit wieviel Liebe und Beharrlichkeit sie ihr Projekt verfolgt. Es war China Miéville, der in einem völlig anderen Zusammenhang gesagt hat, Zeuge einer Liebesgeschichte zu sein, sei immer bewegend, »even if you’re not over-fond of one of the lovers«. Das ist nicht nur wahr, es beschreibt auch ziemlich gut meine Gefühle gegenüber diesem Projekt: So suspekt mir Zindells »spirituelle« Botschaften auch sein mögen – wie könnte es mich kalt lassen, wenn Gerold schreibt, sie habe an die 60 Bücher übersetzt, es habe sie aber »noch keines davon so sehr berührt« wie Zindells Zyklus, dessen abschließender Band »einen Platz in der Welt« verdient habe?

Das Projekt richtet sich in erster Linie an Leser_innen, die bereits von Zindell begeistert sind, oder aber an solche, die Zindell noch nicht kennen, im Valashu-Epos aber ihre Leseinteressen wiedergespiegelt sehen. Interessant ist es aber auch einfach für Leute wie mich, die ein Liebhaberprojekt wie dieses für unterstützenswert halten. Wessen Interesse geweckt ist, die oder der möge sich auf den verlinkten Seiten umschauen.

Freitag, 27. Juli 2012

Neuzugänge

  • Ray Bradbury, Der illustrierte Mann
  • Mary Mackey, Kornmond und Dattelwein
  • Herbert Rosendorfer, Kadon, ehemaliger Gott
  • Herbert Rosendorfer/Fabius von Gugel, Die Erscheinung im Weißen Hotel. Unheimliche Geschichten zu unheimlichen Bildern
  • Richard Schwartz, Das blutige Land
  • Hans Dieter Stöver, Agon oder Der Ring des Demetrios 
  • Klaus Völker (Hg.), Künstliche Menschen. Dichtungen & Dokumente über Golems, Homunculi, Androiden und lebende Statuen (zwei Bände)
  • Paula Volsky, Das Weiße Tribunal
  • Jonas Wolf, Heldenzorn

Sonntag, 22. Juli 2012

32. Wetzlarer Tage der Phantastik

Die diesjährigen Wetzlarer Tage der Phantastik finden vom 6. bis zum 9. September statt. Die Veranstalter_innen laden zum Thema »Phantastische Wesen« ein. Zitat aus der Ankündigung:
Die phantastische Literatur zeichnet sich nicht nur durch ihre Szenerien, sondern vor allem durch eine schier unerschöpfliche Vielfalt an phantastischen Wesen aus. [...] Das Symposion möchte einen Einblick in die Bandbreite der phantastischen Biologie und ihrer Evolution geben, Fragen der Bedeutungswandlung von Wesen nachgehen (warum haben Monster und Drachen und zuletzt sogar Vampire ihre Schrecken verloren?) und die Probleme der Kohabitation von Ethnien in der phantastischen Literatur erörtern.
Bleibt zu hoffen, dass auch die grundlegende Frage Beachtung findet, warum die phantastische Literatur überhaupt so besessen vom Konzept der ethnischen Identität ist. Das Programm der Tagung findet sich hier.

Samstag, 21. Juli 2012

Stephen King: Wind

The Wind Through the Keyhole, der Tie-in-Roman zum Dark-Tower-Zyklus, erscheint bei Heyne unter dem Titel Wind. Nun sind Ein-Wort-Titel bei den deutschen Übersetzungen von Stephen Kings Romanen gewissermaßen Programm. Ich schätze, das soll irgendwie geheimnisvoll und suggestiv wirken. Im Falle der Dark-Tower-Romane ist mir allerdings aufgefallen, dass das Ein-Wort-Prinzip nicht mit letzter Konsequenz angewendet wurde. Die Titel lauten im Original (ich folge hier der inneren Chronologie):
  • The Gunslinger
  • The Drawing of the Three
  • The Waste Lands
  • Wizard and Glass
  • The Wind Through the Keyhole
  • Wolves of the Calla
  • Song of Susannah
  • The Dark Tower
Das könnte man etwa folgendermaßen übersetzen, wollte man sich an den Originaltiteln und dem Inhalt der Bücher orientieren:
  • Der Revolvermann
  • Das Ziehen der Drei
  • Die Wüsten Lande
  • Der Zauberer und die Glaskugel
  • Der Wind durch das Schlüsselloch
  • Die Wölfe der Calla
  • Susannahs Lied
  • Der Dunkle Turm
Klingt stellenweise ziemlich holprig, nicht wahr? Die deutschen Titel lauten stattdessen so:
  • Schwarz
  • Drei
  • Tot
  • Glas
  • Wind
  • Wolfsmond
  • Susannah
  • Der Turm
Das ist verwirrend und folgt keiner inneren Logik. Wer würde den Leser_innen so etwas zumuten wollen? Eine gelungene, übersichtliche Titelgestaltung ohne überflüssigen Schnickschnack stelle ich mir eher so vor:
  • Schwarz
  • Drei
  • Tot
  • Glas
  • Wind
  • Wolf
  • Lied
  • Turm
Da weiß man wenigstens, dass man ein Stephen-King-Buch in den Händen hält. Ich hoffe sehr, dass der Verlag meine Vorschläge in zukünftigen Auflagen berücksichtigen wird.

Donnerstag, 12. Juli 2012

Das Gesetz des Vaters

J’étais dans le bureau de mon père, à Oxford. Il entrait et se mettait à chercher quelque chose avec une grande anxiété. Alors je réalisais avec horreur qu’il s’agissait du Silmarillion, et j’étais terrifié à l’idée qu’il découvre ce que j’avais fait.
Ich war im Arbeitszimmer meines Vaters in Oxford. Er trat ein und begann sehr unruhig nach etwas zu suchen. Da wurde mir mit Schrecken klar, dass es sich um das Silmarillion handelte, und voller Entsetzen stellte ich mir vor, dass er herausfinden könnte, was ich getan hatte.
So Christopher Tolkien in dem Interview, das er gemeinsam mit seiner Frau Baillie der französischen Tageszeitung Le Monde gab, über einen Traum, den er während der Arbeiten zur Veröffentlichung des Silmarillion hatte. Jetzt wüsste ich gern, wie man den Namen Ödipus (Οἰδίπους, ›geschwollener Fuß‹) ins Quenya oder Sindarin übersetzen könnte …

Mittwoch, 11. Juli 2012

Treueschwur

Mit dem Expanded Universe von Star Wars verbindet mich eine gewisse Hassliebe. Einerseits geht mir Military SF nicht nur am Arsch vorbei, sondern mit ihrem Waffen- und Gerätefetischismus oft auch gehörig auf den Senkel. Das im Expanded Universe publizierte Military-Zeugs finde ich entsprechend lästig. Andererseits waren im Expanded Universe durchaus gute bis sehr gute Autoren wie Sean Stewart und Matthew Stover tätig, die mir das gegeben haben, von dem ich im Zusammenhang mit Star Wars schwerlich genug bekommen kann: Jedi, Planetenabenteuer, die Macht, Fantasy im Weltraum, Schmugglerinnen und Piraten, Lichtschwertduelle und natürlich noch mehr Jedi!

Timothy Zahn, der das Expanded Universe geprägt hat wie kein anderer,* steht für mich in der Mitte zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Einige seiner Star-Wars-Romane schätze ich sehr, andere wiederum sind mir eindeutig zu Military-SF-lastig. Unvergessen ist natürlich Zahns Trilogie über Großadmiral Thrawn, die ursprünglich unter dem Namen The Star Wars Trilogy erschienen ist. Tatsächlich, so war das. Und obwohl es kaum beabsichtigt ist, steckt in dem Titel doch ziemlich viel Wahrheit: Zahn erzählt darin im Grunde die Geschichte von Lucas’ alter Filmtrilogie erneut. Als hätte es den souveränen, schwarzgekleideten jungen Ritter in Return of the Jedi nie gegeben, ist Luke Skywalker zu Beginn der Thrawn-Trilogie wieder so unsicher und bauernjungenhaft wie ganz zu Anfang. Wieder gilt es eine Superwaffe des Imperiums zu zerstören, wieder einen übermächtigen Feind zu schlagen, wieder den Umgang mit der Macht zu erlernen. Und trotzdem ist Zahns Trilogie gelungen. Das liegt vor allem daran, dass der übermächtige Feind kein bloßes Abziehbild des Imperators oder Vaders ist, sondern ein kühles, scharfsinniges, strategisch denkendes Genie, in dem Behutsamkeit und Wagemut vereint sind. Den Chiss in der weißen Traumschiff-Uniform zu erfinden und gegen die Rebellenallianz antreten zu lassen, war Zahns brillante Idee, vielleicht seine einzige.**

Nach dem Erfolg kommt der Absturz. Statt an das Ende seiner guten Geschichte zu glauben, legte Zahn den Doppelroman The Hand of Thrawn vor. Darin wollte er uns glauben machen, Thrawn hätte mit der Duldung des Imperators in einem entlegenen Winkel der Galaxis ein geheimes Parallel-Imperium aufgebaut, das Empire of the Hand. Sinn ergibt das keinen, es handelt sich eher um Zahns persönliche Wunscherfüllung. Denn das Empire of the Hand stellt natürlich die 501. Legion erneut auf – wir erinnern uns: Die 501. ist die faschistische Truppe, die Vader persönlich unterstellt ist und in Revenge of the Sith die Jedi-Zöglinge massakriert. Zahn ist von den Jungs mit den weißen Rüstungen und den großen Ballermännern fasziniert wie sonst wahrscheinlich nur vom US Marine Corps. Sein reichlich unglaubwürdiger Einfall, ein zweites Imperium einzuführen, dient ihm dabei als Deus ex machina. Das neue Imperium ist nämlich gar nicht so böse wie das alte. Es will einfach nur Frieden und Sicherheit. Um mit allen gut klarzukommen, hat es sogar Imperator Palpatines rassistische Ideologie aufgegeben. Und, o Wunder, die zuvor so gefürchteten Jungs von der 501. kämpfen jetzt, damit in der Galaxis Ruhe und Ordnung herrscht und brave Bürgersleut sich abends unbeschwert zur Ruhe betten könnten. Sogar Angehörige von Alien-Spezies hat die 501. in ihre Reihen aufgenommen. Es ist ein wenig so, als hätte die SA oder der Ku-Klux-Klan beschlossen, sich durch Diversity Management einen weltoffenen Anstrich zu geben, und es liest sich auch genauso bescheuert.

Als nächstes veröffentlichte Zahn zwei alleinstehende Romane, Survivor’s Quest und Outbound Flight, die weitaus erträglicher sind als The Hand of Thrawn. Sie erzählen die Nach- bzw. Vorgeschichte der ursprünglichen Thrawn-Trilogie, oder genauer gesagt die Geschichte der Kontaktaufnahme zwischen den Chiss und dem Imperium. Dankenswerterweise ohne Sturmtruppler-Nostalgie, so dass insbesondere Outbound Flight sogar richtig gut ist.

Mit Treueschwur bzw. Allegiance, wie der Originaltitel lautet, eröffnet Zahn einen neuen Handlungsbogen. Erzählt werden soll, wie es zur Neuaufstellung der 501. Legion durch das Empire of the Hand kommt. In Treueschwur lässt Zahn deshalb ein Grüppchen von Sturmtrupplern desertieren, nachdem ihm ein Massaker an der Zivilbevölkerung des Planeten Teardrop befohlen wurde. Statt aber dem Imperium einfach den ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen, tingeln die Sturmtruppler in voller Montur durch die Galaxis und spielen Robin Hood, indem sie versuchen, das bessere Imperium zu sein und gegen Korruption und Piraterie vorgehen. Allen Ernstes. Es geht eben, man achte auf den Titel, um irgendwelche soldatischen Ideale und darum, dass imperiale Militärmacht eigentlich gut ist, wenn sie nicht durch die falschen Zwecke missbraucht wird. Nicht schwer zu erraten (und darum kaum als Spoiler zu betrachten) ist, dass die desertierten Sturmtruppler die Keimzelle der geläuterten 501. Legion darstellen. In Zahns darauffolgendem Roman Choices of One wird ihre Geschichte fortgesetzt.

Auch abgesehen davon, dass Zahn die ungenießbare Suppe von The Hand of Thrawn erneut aufkocht, ist Treueschwur kein besonders guter Roman. Hauptschurke ist ein verräterischer Bürokrat des Imperiums – der ist ein echter Lump, nicht die braven Frontsäue, die noch an ihre Ideale glauben.*** Daneben tritt eine Reihe von Zahns altbekannten Figuren auf; Leia befindet sich (wieder mal) auf einer diplomatischen Mission; Luke, Han und Chewbacca laufen erwartungsgemäß den Deserteuren über den Weg. Dem Mythos wird nichts hinzugefügt, was Substanz oder Spannung aufzuweisen hätte. Spaßig ist allenfalls, dass Captain Ozzel (der imperiale Offizier, der in The Empire Strikes Back von Vader per Telekinese erwürgt wird) eine Nebenrolle spielt und wieder einmal nicht gerade durch Intelligenz auffällt. Das allein vermag die einmal verdorbene Suppe aber nicht zu retten.

Timothy Zahns Treueschwur (460 Seiten) ist 2008 bei Blanvalet erschienen. Andreas Kasprzak übersetzte.

* Mit Ausnahme vielleicht von Kevin J. Anderson, aber darüber breiten wir lieber den Mantel des Schweigens.
** Womit ich nicht sagen will, dass Zahn nicht noch weitere gute Ideen hatte. Talon Karrde ist eine davon. Und von Mara Jade kann man sagen, was man will, aber viele Fans lieben sie. An Thrawn reicht allerdings keine von Zahns anderen Figuren heran.
*** In einer Amazon-Bewertung heißt es denn auch in schönster Offenheit, Treueschwur sei ein Roman, der »der Geschichte ähnelt«  (welcher wohl?) und sogar eine Botschaft vertritt: »Nicht alle waren schlecht.« 

Neuzugänge

  • Peter S. Beagle, Die Sonate des Einhorns
  • Ray Bradbury, Fahrenheit 451 
  • Marion Zimmer Bradley, Gildenhaus Thendara
  • Dies., Herrin der Stürme
  • Dies., Das Licht von Atlantis
    Ist reiner Zufall, dass sich in dieser Liste zwei Atlantis-Titel befinden.
  • Terry Brooks, Die Elfensteine von Shannara
  • Michael Chabon, Die Geheimnisse von Pittsburgh
  • Philip José Farmer, Dayworld 
  • Uwe Grüning, Das Vierstromland hinter Eden
  • Stephen King, It
    Endlich eine eigene originalsprachliche Ausgabe!
  • Stephen King, Atlantis
  • Ursuala K. Le Guin, Erdsee (Vierband-Omnibus von Piper)
  • Ira Levin, Son of Rosemary
  • Foz Meadows, Solace and Grief
  • Roman Sander (Hg.), Drachennächte. Fantasy-Geschichten
  • Leslie Marmon Silko, Almanach der Toten
  • Mary Stewart, Wolfswald
  • Thomas Burnett Swann, Der letzte Minotaurus
  • Oscar Wilde, Erzählungen und Märchen
    Insel-Ausgabe von Wildes Sammlungen Der glückliche Prinz, Ein Granatapfelhaus und Lord Arthur Saviles Verbrechen.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.