Donnerstag, 3. Mai 2012

Bakker’s Boys

Ich habe R. Scott Bakkers Krieg der Propheten ganz gern gelesen und fand die Trilogie im Gesamteindruck gut, aber nicht überragend. Was mich am meisten gestört hat, ist schnell gesagt: Im Unterschied zu Bakkers wiederholter Versicherung, ein »world-building nerd« zu sein, fand ich den Weltenbau von Krieg der Propheten eher schematisch und bemüht. Und die andere Sache ist Bakkers programmatischer Anspruch. Von Anfang an hat er zu verstehen gegeben, dass er Genreliteratur als ein geeignetes Vehikel sehe, um Aussagen über den Menschen, die Gesellschaft und den Rest der Welt zu treffen – ein »subversiver« Umgang mit dem Genre also. Dieser Anspruch erschien mir nach dem Lesen von Bakkers Trilogie wie angekündigt und nie eingeholt.

Bakkers programmatische Ansagen sind es auch, die den (oft unausgesprochenen) Hintergrund zu der anhaltenden Kontroverse um seine Bücher abgeben. Bakker sieht sich als Philosophen, hat auch einige Zeit lang ein Graduiertenstudium der Philosophie verfolgt und kommt oft auf das zu sprechen, was er als den philosophischen Subtext seiner Romane betrachtet. Ausformuliert scheint mir dieser Subtext jedoch nicht weit über eine Reihe eher banaler, auch fragwürdiger Statements über die menschliche Natur hinauszugehen: Bakker hält den Menschen für endlos manipulierbar und getrieben von evolutionär erworbenen Vorurteilen, die selten durchschaut, dafür aber um so häufiger rationalisiert werden. Evolutionspsychologie und Neurowissenschaften lieferten die Beweise dafür. Es sind anthropologische Plattitüden, die Bakker regelmäßig zur Begründung seiner eigenen Positionen angibt, als ob sie sich von selbst verstünden: »[W]e live in a universe so big that [...] we tend to economize by packing our terms with implicit judgements« oder »people abhor uncertainty almost as much as nature abhors vacuums« sind Beispiele für solche Mantras, wie sie in Bakkers Texten in fast beschwörender Regelmäßigkeit auftauchen. Die Grenze des Denkens, so lässt die zugrundeliegende Idee sich zusammenfassen, ist das menschliche Gehirn, und es ist zugleich auch die Grenze der Vernunft, denn es lässt sich mit naturwissenschaftlichen Mitteln erforschen und anhand der Ergebnisse manipulieren. Mit Philosophie, verstanden als kritisches Denken, welches die herrschaftlichen Voraussetzungen der Phänomene ans Licht zu bringen versucht, hat eine solche Auffassung allerdings nichts gemein. Bakkers Aussagen sind nicht unbedingt falsch, aber sie als Prämissen zu setzen, ist nicht kritisch, sondern schlicht reduktionistisch. Es handelt sich dabei nicht um Philosophie, sondern um biologistische Weltanschauung, wie sie derzeit gang und gäbe ist.

Die Kontroverse um Bakkers Bücher ist auch ein gutes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn diese Weltanschauung in einem gesellschaftlichen Konflikt zur Meinung konkretisiert wird. Der häufigste Vorwurf an Bakker lautet, seine Figuren agierten nach klischeehaft gezeichneten Geschlechterrollenmustern, aus denen es scheinber keinen Ausweg gebe: Männer sind aggressiv, Frauen fügen sich. Bakker erwidert darauf in der Regel, er greife in voller Absicht gängige Klischees auf, nur um dem Leser hinterher mit um so größerer Deutlichkeit vor Augen zu führen, wie sehr diese stereotypen Darstellungen von seinen eigenen kognitiven Vorurteilen geprägt seien. An dieser Stelle könnte Bakker sich nun bequem zurücklehnen und auf den Standpunkt zurückziehen, dass seine künftigen Bücher erklären werden, warum die bereits erschienen so problematisch erscheinen. Tut er aber nicht. Stattdessen beißt er sich an jeder Kritik, die zu seinem Werk geäußert wird, regelrecht fest und veröffentlicht ausschweifende Blogposts, die letztlich aber doch nur in immer wieder neuer Form wiederholen, was ich im vorigen Absatz dargestellt habe. Das könnte man für schlichtweg langweilig halten (ist es auch, wenn man es liest), hätte Bakker die Sache nicht bis zu einem Punkt getrieben, an dem einer ganzen Reihe von Leuten die Kinnlade runtergeklappt ist: Auf seinem Blog erklärte er, dass er sich seine Leser stets als männlich vorstelle und versuche, ihre Erwartungen auf eine Art und Weise zu bedienen, die sich am Ende als provokant und verstörend erweisen werde. Diese Erwartungen zu bedienen sei notwendig, weil Männer aufgrund ihres evolutionär erworbenen Erbes (so Bakker wörtlich) »seem to track women according to automatic estimates of their ›rapability‹«. Seine biologistischen Überzeugungen bringen Bakker allen Ernstes dazu, die Vergewaltigung von Frauen zum Naturzustand zu erklären. Und seine Absicht dabei, so behauptet er unbeirrt, sei subversiver Natur: Es gelte, Männer auf ihre intrinsisch gewalttätige Sexualität aufmerksam zu machen. Warum? Weil es die Wahrheit sei. Auf den Gedanken, dass er mit seinen stets im Tonfall heiligen Ernstes vorgetragenen Überzeugungen genau dem Phänomen, das er vorgeblich problematisieren will, erst eine außerordentlich bequeme Rechtfertigung liefert, nämlich indem er es zur »wirklich wahren« Naturtatsache macht, ist er bislang nicht gekommen. Noch nie habe er ein ernstzunehmendes Argument gehört, dass seine Ansichten in Zweifel ziehe.

Das ist bemerkenswert, denn es sind vor allem feministische Blogs, die Bakker auf die Unzulänglichkeit seiner Ansichten über sexuelle Gewalt hinweisen. So zum Beispiel Foz Meadows:
Feminism believes that the world can and will get better for women: in fact, it exists to make this happen! Feminism has a higher opinion of men than you do, because it doesn’t countenance the biological inevitability of male violence; rather, it acknowledges that, as some cultures and individuals believe this (falsely) to be so, it ends up being promoted, excused and deferred to beyond all reason.
Wie der sexualisierten Gewalt, die von Männern ausgeht, konkret Einhalt geboten werden kann, darüber schweigt Bakker sich bislang aus. Der feministischen Kritik entgegnet er, seine Methode, auf sexualisierte Gewalt aufmerksam zu machen, werde sich als wirkungsvoller erweisen als die Kämpfe und Kampagnen derjenigen, die diese Gewalt aus eigenem Erleiden kennen. Doch bleibt rätselhaft, was seine Darstellung dieser Gewalt denn nun »subversiv« machen soll, wenn sie doch eingestandenermaßen den Erwartungen eines männlichen Publikums entspricht. Bislang kündigt Bakker in einem reichlich hochgestochenen Vergleich lediglich an, er werde es Nabokov gleichtun. Wird die Messlatte dermaßen hoch angelegt, dann liegt der Verdacht nicht fern, dass es wohl bei der Ankündigung bleiben wird.

Schien es zunächst lediglich, als habe Bakker sich irgendwo zwischen Anspruch und Wirklichkeit seiner literarisch-weltanschaulichen Ideen verirrt, so wird am Beispiel seiner Aussagen zu sexualisierter Gewalt deutlich, dass männliche Schriftsteller bei einem solchen Thema besser täten, wenn sie auf die dazu berufenen Stimmen hörten, statt alles besser wissen zu wollen und sich mit vulgär-biologistischen Weisheiten zu profilieren. Bakkers bisheriges Auftreten gibt diesbezüglich jedoch wenig Anlass zur Hoffnung. Im Gegenteil, mit jedem neuen Blogpost, mit jedem weiteren Debattenbeitrag wirkt er arroganter und unbelehrbarer. Hat man sich erst mal selbst von der Scheinplausibilität biologistischer Argumente überzeugt, dann fällt es auch um so leichter, so scheint es, sich von kritischem Denken und empathischer Kommunikation zu verabschieden.

5 Kommentare:

JL hat gesagt…

Autoren mit Sendungsbewusstsein sind fast so schlimm wie Autoren, die sich in jedem zweiten Satz mit den größten Werken des 20. Jahrhunderts vergleichen. Oder solche, die Klischees als Ironie oder Subversion auszugeben versuchen.

Ich habe die Bücher aber nicht gelesen, kann also sein, dass ich ihnen großes Unrecht tue. Die Vermarktungsstrategien des Autors klingen allerdings schon eher unglücklich.

Jakob hat gesagt…

Ich bin ja ein großer Bakker-Fan, habe Prince of Nothing, Neuropath und die beiden bisher erschienen Bände des Aspect Emperor nicht nur mit Genuss (streckenweise auch erschrecken), sondern mit einer Hingabe gelesen, die bei mir selten geworden ist. Obwohl die Bücher auch erzählerisch Schwächen haben, insbesondere z.B. "The White-Luck Warrior", in dem ein paar Bilder einfach überstrapaziert wird (Scranc bis zum Horizont, Leichenberge bis zum Himmelszelt, Sranc bis zum Horizont ...).
Die Prince of Nothing Trilogie habe ich noch durch die Dialektik-der-Aufklärung-Brille gelesen (auch wenn das vom Autor wahrscheinlich gar nicht in erster Linie intendiert war) und fand in der Figur von Kellhus tatsächlich eine wunderbar anschauliche und hassenswerte Verbildlichung der Vernunft, die in Barbarei umschlägt (besonders mit der so wunderbar menschlichen, beständig ihren Horizont erweiternden und letztlich brechenden Gegenfigur Cnaiür). Dass Esmenet sich als so "formbar" erweist, hat mich hingegen damals schon verletzt, wohl auch, weil ich mich so stark mit Achamian identifiziert habe.
Kurz gesagt: Ich habe da irgendwie tatsächlich diesen Effekt erlebt, dass unerträgliche Verhältnisse durch ihre konsequente Darstellung zur Kenntlichkeit entstellt werden. Prince of Nothing war für mich Speculative Fiction: Wie wäre es, in einer Welt zu leben, die einem biologistischen Paradigma vollständig unterworfen sind - die Consult sind ja offenbar auch nichts anderes als der nackte Trieb, dem nur eine Vernunft die Stirn bieten kann, die selber in ebensolche Grausamkeit umschlägt? Was wäre, wenn jede Hoffnung auf eine Welt ohne Angst und ohne Herrschaft von Anfang an zum Scheitern verurteilt wäre?
Die folgenden Bakker-Romane und sein Blog machen auf mich aber auch den Eindruck, als tritt für Bakker die kritische Dimension einfach immer stärker hinter den Reiz eines geschlossenen biologistischen Weltbilds zurück. Das ist wirklich Schade, ich hoffe, er kommt da wieder raus, denn irgendwie war er auch auf seinem Blog in meinen Augen schon mal interessanter. Von dem stammt immerhin der schöne Satz: "If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large." Den sollte er sich vielleicht mal hinter die Ohren schreiben mit seinem Anspruch auf den neurowissenschaftlich fundierten Endsieg in der Erkenntnistheorie. Wie er sich gerade gebärdet, würde er mich wohl auch ankotzen, wenn ich ihm in einer Internetdiskussion über den Weg laufen würde.
Vielleicht ist das auch einfach noch so ein Lovecraft - brillant, reaktionär, verrannt.

Murilegus rex hat gesagt…

Ich glaube, ich habe Prince of Nothing/Krieg der Propheten ganz ähnlich gelesen. Auch wenn der Bezug zur Kritischen Theorie vielleicht nicht im Vordergrund stand, wurde er meinem Empfinden nach zumindest stellenweise deutlich, und nicht nur im Adorno-Zitat. Ich hatte aber schnell den Eindruck, dass diese andeutungshaften kritischen Ansätze im Laufe der Trilogie immer stärker der Faszination des Effekts erliegen: Noch mehr Manipulation, noch mehr Behaviourismus, noch ein bisschen krasser funktioniert immer. Ich glaube, vor allem deshalb hat die Trilogie mich eher verwirrt als neugierig zurückgelassen, und den Aspect-Emperor habe ich dann gar nicht mehr angefasst. Ironischerweise hätte ich mit den Büchern wahrscheinlich gar nicht so ein Problem gehabt, wenn der Ausgangspunkt einfach klipp und klar »Ich stelle mir eine Welt vor, in der Emanzipation und kritisches Denken unmöglich sind« gewesen wäre.

Was die Figuren betrifft: Achamian war auch für mich die Identifikationsfigur und Esmenets Entwicklung hat mich ähnlich irritiert. Cnaiür war für meinen Geschmack anfangs zu sehr Barbarenklischee, da konnte ich meine Abneigung später leider nicht mehr ablegen (bin ja gespannt, was der neue Meißner in dieser Hinsicht macht).

Ich stimme auch zu, dass er ein paar wirklich gute Aphorismen verfasst hat. Aber Lovecraft? Dazu fehlt ihm meinem Empfinden nach die Aura der Skurrilität. Und wenn er so weiter macht wie bisher und die feministische Kritik an seinem Werk (vor allem Requires Only That You Hate) mit der rechtskonservativen (Theo Beale) gleichsetzt, ist wohl eher zu befürchten, dass er sich als der Extremismustheoretiker der Fantasy profiliert.

jakob hat gesagt…

Lovecraft meinte ich nur, insofern ich persönlich beide Autoren wahnsinnig gerne lese, aber sicher: Ganz so eigen (im besten Sinne) ist Bakker als Autor nicht.

Noch zwei Abschweifungen:

1. Bei der Kritik an Bakkers Biologismus musste ich an Donna Haraways wissenschaftskritische Figur des "Anspruchslosen Zeugen" denken: Das ist der Wissenschaftler, der sich in einer paradoxen, heroischen Geste der Bescheidenheit selbst aus dem Bild nimmt, um seine Ergebnisse als reine und unverfäschte Materialität der Welt präsentieren zu können. Bakker hat auch so eine "heroische Bescheidenheit" drauf, er gesteht ja selber an vielen stellen ein, genauso befangen zu sein wie alle Menschen das eben zwangsläufig sind, schafft es aber irgendwie, sich genau daraus einen besonderen Wahrheitsanspruch für seine Aussagen abzuleiten. Da muss ich noch mal den passenden Haraway-Text rauskramen, für eine feministische Bakker-Kritik lässt sich da sicher was rausholen.

2. Ich wollte eigentlich schon länger mal was zum Vergleich Bakker/Prince of Nothing und N.K. Jemisin/The Hundred-Thousand Kingdoms schreiben (da habe ich leider nur den ersten Band gelesen). Thematisch gibt es da viele Gemeinsamkeiten, auch bei Jemisin taucht eine Figur auf, die eine dunkle Verkörperung des Triebs darstellt und von der eine ständige sexualisierte Gewaltdrohung ausgeht. Allerdings erzählt Jemisin aus der Perspektive der weiblichen Hauptfigur, die einerseits Objekt dieser Gewaltdrohung ist und andererseits versucht, sich in einer intimen Beziehung zu dieser dunklen Figur zum Subjekt zu machen. Und das ganze verrückterweise im Modus der "Romantasy", nur eben etwas verstörender, als man es gewohnt ist. Ich fand das Buch recht gut, und es steckt definitiv ein feminstischer Impetus dahinter, aber im Vergleich zu Bakker ist es für mich abgefallen: Die Hauptfigur war mir zu selbstgerecht - was eigentlich kein Problem gewesen wäre, wenn ich nicht dein Eindruck gehabt hätte, dass man sich tatsächlich absolut mit ihr und mit ihren Urteilen über andere identifizieren soll. Und der Trieb erscheint zwar dunkel und bedrohlich, aber die Metaphysik von Jemisins Welt läuft letztlich darauf hinaus, dass die eigentliche Gewalt immer von dem triebunterwerfenden Über-Ich ausgeht. Da fand ich die Bakkersche Konstruktion des Kampfes von Trieb (die Consult) und in Barbarei umschlagender Vernuft (Kellhus) irgendwie spannender.
Jetzt gibt mir das doch ein bisschen zu denken: Die Gesamtkonstruktion in Jemisins Roman ist irgendwie sympathischer und hält zahlreiche Möglichkeiten für die Protagonisten bereit, sich aus den Verhältnissen heraus emanzipieren, sich zu ermächtigen und zum Subjekt nicht nur ihres Privatlebens, sondern der Geschichte zu werden. Bei Bakker ist alles ein unpersönlicher Mechanismus, innerhalb dessen man sich an Figuren wie Achamian klammert, der zumindest noch eine Illusion von Menschlichkeit für sich aufrechterhält. Warum finde ich Letzteres so packend und faszinierend, während mir Ersteres unterm Strich eher platt, selbstgerecht und moralistisch vorkommt? ich fürchte ja ein bisschen, ich bin einfach auch ein Fan dieser "unheimlichen Konsequenz", die Bakker mit seinet neurowissenschaftlichen Annulierung des Subjekts zelebriert.

Murilegus rex hat gesagt…

Zu 1.: In dem Zusammenhang finde ich interessant, dass die Haltung der »heroischen Bescheidenheit« auf Bakker m.E. gut passt, aber ein Rezeptionsschritt weiter ist es dann mit diesem Gestus schon wieder vorbei: Während Bakker (zumindest in seinen vorsichtigeren Momenten) von einem »growing amount of evidence« spricht oder seine Ansichten als Fragen formuliert,* faseln diejenigen, die ihn gegen die Kritik verteidigen wollen, ungeniert von »Fakten« und »Wahrheit« und bringen regelmäßig Vorwürfe von Ignoranz und Realitätsblindheit vor, als würden die Kritiker_innen sich wider besseres Wissen gegen Bakkers Ansichten stellen. Ich sehe das als Zeichen dafür, dass biologistische Argumente im Laufe von Diskussionen so gut wie immer einer schleichenden Ontologisierung unterliegen – als stünde das Wesen der Wirklichkeit selbst auf dem Spiel, wenn biologistische Auffassungen nicht als wahr akzeptiert werden.**

Zu 2.: Kann ich deshalb nicht viel Spezifisches zu sagen, weil ich die Reihe von Jemisin noch nicht gelesen habe. Allgemein verhält es sich bei mir aber so, dass ich mich in Büchern schon gern mal von Weltanschauungen faszinieren lasse, die mir an sich überhaupt nicht zusagen. Andererseits geht das nicht so weit, dass ich ein Buch allein deshalb interessant finde, weil es mich irgendwie provoziert. Wahrscheinlich ist es tatsächlich so, dass Ideologien, die ich eigentlich ablehne, trotzdem einen neuralgischen Punkt bei mir berühren können.

So ein antimoderner, kulturkritischer Konservativismus wie der Tolkiens z.B. übt eine beträchtliche Faszination auf mich aus, weil ich darin Dinge finde, die es in anderen Weltbildern so nicht gibt, wie etwa die Trauer über die Vergänglichkeit gerade von schönen Dingen. Dennoch glaube ich, mir der Implikationen bewusst zu sein, die die Übernahme einer solchen Weltanschauung mit sich bringen würde, und bin im Großen und Ganzen ziemlich immun dagegen.

Andere Weltbilder – als Beispiel hierfür fällt mir E.R. Eddisons Kriegerethos ein – lehne ich dagegen nicht nur ab, sie üben auch gar keine Anziehungskraft auf mich aus. Beim Krieg der Propheten war ich schwankend zu Beginn und am Ende eher abgeneigt.

Ich muss wohl eingestehen, dass ich keinen umfassenden Grund angeben kann, warum diese Faszination manchmal da ist und ein andermal nicht – außer, wie du schon angedeutet hast, dass dieser Reiz irgendwie das ist, was Speculative Fiction eben ausmacht: Tolkiens Universum (um bei meinem Ausgangsbeispiel zu bleiben) ermöglicht es mir, an einem »Was wäre, wenn die Welt tatsächlich gefallene Schöpfung wäre, in der die Vertreibung aus dem Paradies Teil der geschichtlichen Erfahrung ist?« teilzuhaben, ohne daran glauben zu müssen (was ja ganz und gar nicht faszinierend, sondern eine Zumutung wäre).

So weit mein Abschweifen von den Abschweifungen. Spannende Sache, dem weiter nachzugehen, allerdings komme ich die nächsten zwei Wochen wahrscheinlich erst mal nicht dazu, hier zu posten und zu kommentieren.

* Wobei gerade Bakkers Angewohnheit, die Diskussionsrichtung durch das Formulieren von Fragenkatalogen zu bestimmen, momentan vielen Leuten besonders auf die Nerven zu gehen scheint.
** Ich habe überhaupt oft den Eindruck, dass in der westlichen Welt heutzutage nur zwei Dinge wirklich einen (quasi-)ontologischen Status haben: der Kapitalismus und vage positivistische Annahmen darüber, wie die Wirklichkeit zu erfassen sei (die dann meist evolutionstheoretisch oder neurowissenschaftlich verbrämt werden).

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.