Sonntag, 10. Oktober 2010

Wie Robinson einmal Gaza befreien wollte

Henning Mankell ist schon ein seltener Depp. Vier seiner Wallanderkrimis habe ich gern gelesen, von seinen Afrikaromanen lasse ich, von postkolonial irritiertem Misstrauen geleitet, lieber die Finger. Abgesehen von seiner Schriftstellerei ist Mankell aber wohl auch das, was man sich heute als politischen Intellektuellen vorzustellen hat. Und was für einer! Wer zusammen mit dem mittlerweile in der Versenkung verschwundenen Köhlerhorst, dem Ex-IWF-Chef, die Welt retten will, kommt mir jedenfalls nicht mehr ins Bücherregal.

Bei der Gaza-Flotille im Mai war Mankell bekanntlich einer der Sonntagsmatrosen, die glücklicherweise von israelischen Streitkräften davor gerettet wurden, sich im Archipel der anti-israelischen Querfrontstrategien vollends zu verschippern. Bei Mankell hat das aber leider nichts genützt (wie wohl auch bei einigen anderen Reiseteilnehmer_innen nicht), denn gleich darauf bestritt er das Existenzrecht Israels und rief zum Judenboykott auf.

Kürzlich hat nun die Frankfurter Rundschau in ihrer Literaturbeilage bekannte Literat_innen über ihre bevorzugte Kindheits- und Jugendlektüre zu Wort kommen lassen, darunter auch Mankell. Der nannte als sein bleibendes Lieblingsbuch Robinson Crusoe und gab als Grund dafür an, Daniel Defoes Kolonialutopie vermittle ihm beim Lesen das Gefühl, nach Robinson der zweite (sic!) Mensch auf der einsamen Insel zu sein. Ächz. Warum glaube ich diesem Knallkopp einfach nicht, dass er sich nur verzählt hat? Identifiziert sich der westliche Intellektuelle, am kolonial-patriarchalen Helfersyndrom leidend, etwa mit Freitag, dem schwarzen Unterdrückten? Oder handelt es sich gewissermaßen um eine Freudsche Fehlleistung, und Mankell zählt den Subalternen gar nicht erst zu den Menschen? Man beginnt sich entsetzt auszumalen, was wohl passiert wäre, wenn des weißen Mannes Fuß tatsächlich den Strand von Gaza betreten hätte.

Übrigens schafft Mankell es nicht mal, den Autor von Robinson Crusoe korrekt zu identifizieren, und verwechselt ihn mit Robert Louis Stevenson. Hätte er nur mal dessen Zeitzeugenberichte zur kolonialen Praxis im 19. Jahrhundert gelesen, der kolonialisierten Welt heute wäre vielleicht einiges erspart geblieben, was Mankell – ob nun auf Kreuzfahrt im Mittelmeer oder als Gastautor der FR – an Privilegiertengeschwafel zum Besten gibt.

Ich rufe hiermit jedenfalls dazu auf, Henning Mankells Bücher zu boykottieren, und bestreite ausdrücklich sein politisches Existenzrecht.

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Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.